Quelle: Kurze Argumente gegen den Zeitgeist


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AUSLÄNDER UND INLÄNDER

Eine gar nicht harmlose Menschensortierung, ------------------------------------------- die den Rechtsextremen sehr einleuchtet --------------------------------------- Es gibt die rechtsextremistischen Ausländerfeinde überhaupt nur deswegen, weil die von ihnen vorgefundene Unterscheidung zwischen In- und Ausländer sie schwer beeindruckt hat. Dabei kann man ih- nen nicht einmal zum Vorwurf machen, daß sie eine an sich harm- lose politische Sortierung von Menschen nach ihrer Staatszugehö- rigkeit faschistisch interpretiert und damit zu einem Spreng- satz denaturiert hätten. Die Unterscheidung ist ein Sprengsatz, egal ob demokratisch gehandhabt oder nicht. Kapitalistische Staaten wie die Bundesrepublik sortieren die Menschheit politisch in erster Linie nach einem Kriterium: Wer unterliegt meiner Staatsgewalt? Ein I n l ä n d e r, das ist folglich ein Mensch, der als geborener Deutscher quasi staatsna- türlich dem Zugriff deutscher Gewalt untersteht und sich, an sei- nem jeweiligen Platz in der Gesellschaft, in der Verfolgung der eigenen Anliegen um die Mehrung von deutscher Souveränität zu be- mühen hat. Deutschen Gesetzen kommt so ein Inländer nicht aus. Sie stellen die Regeln dar, die er befolgen muß, wenn er sich um seinen Lebensunterhalt sorgt. Und gar nicht zufällig sind diese Regeln - als Pflichten und Rechte - so eingerichtet, daß er von ihrer Einhaltung überhaupt nur unter der Bedingung etwas hat, daß Deutschland davon profitiert. Das erlaubt keineswegs den Umkehr- schluß: Wenn Deutschlands Kurs steigt, dann steigt damit nicht notwendig auch der Kurs seines Privatlebens. Und wenn der ins Bo- denlose fällt, dann heißt dies ebenfalls nicht notwendig, daß auch Deutschland in eine politische oder ökonomische Rezession geraten ist. Gelegentlich soll es vorkommen, daß sich für Men- schen ohne sprudelnde Reichtumsquelle die Sache umgekehrt pro- portional entwickelt. Es steht also sehr dahin, ob es ein Glück ist, staatlicherseits als Inländer abgebucht zu werden. Der Dienst an Deutschland ist ihm gewiß. Eine private Partizipation an deutschen Erfolgen ist für die Mehrzahl von Inländern dagegen mehr als ungewiß. Ein A u s l ä n d e r, das ist ein Wesen, das merkwürdigerweise für das gleiche Schicksal vorgesehen ist, nur eben unter einem anderen Herrn. Das erklärt seine gänzlich negative Bestimmtheit: Es soll ihn wesentlich kennzeichnen, daß er nicht hier geboren ist, nicht deutscher Gerichtsbarkeit unterliegt, daß er sich von deutschen Behörden nichts sagen lassen muß, wenigstens solange er sich in seinem Vaterland aufhält. Der Ausländer gehört also erst einmal nicht "zu uns", sondern ist Bürger eines anderen Staates, der ihn natürlich für sich einspannt. Und genau an diesem Punkt wird die Unterscheidung zwischen In- und Ausländer langsam wirk- lich ungemütlich. Das ausgrenzende Urteil eines Souveräns, ein Mensch gehöre nicht zu seiner Mannschaft, kann nämlich ebensosehr von G l e i c h g ü l t i g k e i t wie von einem B e d a u- e r n getragen sein. Immerhin erinnert jeder Ausländer solche Souveräne, die es mit Demokratie und Marktwirtschaft auf der Welt zu einigem Einfluß gebracht haben, an ein sehr prinzipielles Ärgernis: nämlich an die nur begrenzte territorialeReichweite ihres Gewaltmonopols. So gesehen ist ein Ausländer nicht einfach jemand, der nicht hierher gehört, sondern ein Mensch, der nur b e d i n g t z u r V e r f ü g u n g steht. Er muß sich die Begutachtung gefallen lassen, inwieweit er nicht unter deutscher Einsatzleitung durchaus für hiesige Anliegen zu benutzen ist - entweder in seiner Heimat oder in der des Einatzleiters. Diese Begutachtung hat es in sich, da sie eine nationale Rechnung aufmacht, ohne sich davon beeindrucken zu lassen, daß so ein ide- ell verplanter Ausländer einen eigenen Herrn hat, der ebenfalls etwas mit ihm vorhat und über ein eigenes Gewaltmonopol verfügt. Es wird dann wohl das "Kräfteverhältnis" sein, das zwischen bei- den Souveränen über Verlauf und Resultat der Konkurrenz um ein und dieselbe Mannschaft entscheidet. Der Ausgang eines solchen Kräftemessens hat für Überlebende schon so manche Neuerung gebracht. Wenn ein Frieden gerade noch sehr frisch ist, dann fällt es Menschen gelegentlich schwer, sich daran zu gewöhnen, daß sie jetzt zum Sieger gehören, also nicht mehr Aus-, sondern eingemeindete Inländer sind. Das zieht beim Verlierer häufig das Interesse an Revanche nach sich. Der hält dann daran fest, daß die verlorengegangenen Staatsbürger eigent- lich immer noch zu seiner Truppe gehören und deswegen als Frisch- bürger des Siegers ein Recht auf völkischen Minderheitenschutz haben. Den traut er sich aus alter Gewohnheit nur selbst zu. Nicht immer ist das Ärgernis dieser Sortierung so handgreiflicher Natur. Es bedarf nicht immer der militärischen Grenzkorrektur, um die ganze Härte dieser Menschensortierung zu erfahren. Daß der In- und Ausländerstatus ein Rechtsverhältnis darstellt, in wel- chem sich zwei konkurrierende Gewalten begegnen, das bekommt sowohl der Ausländer zu spüren, der hier an der Grenze um Einlaß bittet, als auch jener Türke, der gern für deutschen Reichtum schaffen möchte, es aber ohne Einwilligung seiner Herrschaft nicht darf. Daß "alle fast überall Ausländer sind", ist eben keine durch ihren Universalismus beruhigende Feststellung, son- dern die ungemütliche Wahrheit, daß sich heutzutage niemand aus den Händeln der Staaten und schon gar nicht aus denen seines ei- genen Staates heraushalten kann, daß vielmehr umgekehrt Aus- und Inländer wie Repräsentanten ihrer Herrschaft gelten und behandelt werden - ob ihnen das nun paßt oder nicht. Mit dem Status als In- länder hat ein Souverän seinen Bürgern also nicht nur das Etikett seiner Zuständigkeit aufgepappt, sondern ihnen überdies den Auf- trag erteilt, in Menschen, die sie nicht kennen, ja von deren Existenz sie gar nichts wissen, ihre Freunde oder ihre Feinde zu sehen. Ganz wie er eben sein Verhältnis zu deren Führung defi- niert. Er erklärt damit seine auswärtigen Staatsaffären zur Sache seiner Untertanen, die sie teilen und wenn nötig auch betreiben sollen. Übrigens, und damit die Erklärung dieser Menschheitssortierung nicht als Entschuldigung der Rechtsradikalen gedeutet wird: Daß man seinen Stempel als In- oder Ausländer bekommt, dagegen kann man solange nichts tun, wie die Welt ein Objekt der Konkurrenz von Gewaltmonopolen bleibt. Aber deswegen muß man sich den damit ergangenen Auftrag, staatliche Affären wie die eigene Sache zu betrachten und zu behandeln, noch lange nicht zu eigen machen; vor allem nicht, weil man in der Regel zu jenem Personenkreis ge- hört, dem solche Nibelungentreue nicht entgolten wird. zurück