Quelle: MEW 4 Mai 1846 - März 1848


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       #191#
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       [Karl Marx]
       
       Der Kommunismus des "Rheinischen Beobachters" [85]
       
       ["Deutsche-Brüsseler-Zeitung" Nr. 73 vom 12.September 1847]
       Brüssel, 5.  September. -  In Nr. 70 dieses Blattes [86] wird ein
       Artikel des  "Rh[einischen] Beobachters" mit den Worten eingelei-
       tet:
       
       "Der 'Rh[einische]  B[eobachter]' predigt  in Nr. 206 Kommunismus
       wie folgt."
       
       Mag diese  Bemerkung ironisch gemeint sein oder nicht, die Kommu-
       nisten müssen  dagegen protestieren, daß der "Rheinische Beobach-
       ter" "Kommunismus"  predigen könne,  speziell dagegen, daß der in
       Nr. 70  der "D[eutschen]-B[rüsseler]-Z[eitung]" mitgeteilte Arti-
       kel kommunistisch sei.
       Wenn eine  gewisse Fraktion deutscher Sozialisten fortwährend ge-
       gen die  liberale Bourgeoisie  gepoltert hat,  und zwar  in einer
       Weise, die  niemandem Vorteil brachte als den deutschen Regierun-
       gen, wenn  jetzt Regierungsblätter wie der "Rh[einische] Beobach-
       ter", auf die Phrasen dieser Leute gestützt, behaupten, nicht die
       liberale Bourgeoisie, sondern die Regierung repräsentiere die In-
       teressen des Proletariats, so haben die Kommunisten weder mit der
       ersteren noch mit der letzteren etwas gemein.
       Man hat  den deutschen Kommunisten allerdings die Verantwortlich-
       keit hierfür  zuschieben wollen,  man hat sie der Allianz mit der
       Regierung beschuldigt.
       Diese Anschuldigung ist lächerlich. Die Regierung kann sich nicht
       mit den  Kommunisten, die  Kommunisten können  sich nicht mit der
       Regierung verbinden,  aus dem einfachen Grunde, weil die Kommuni-
       sten von  allen revolutionären Parteien Deutschlands die allerre-
       volutionärste sind und weil die Regierung das besser weiß als ir-
       gend jemand anders.
       Die Kommunisten  sollten sich  mit einer Regierung verbinden, von
       welcher sie  zu Hochverrätern  erklärt und  als solche  behandelt
       werden?
       
       #192# Karl Marx
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       Die Regierung sollte m ihren Organen Grundsätze propagieren, wel-
       che in  Frankreich für  anarchisch, brandstifterisch,  zersetzend
       für alle gesellschaftlichen Verhältnisse gelten und welchen diese
       selbe Regierung  eben die-selbigen  Eigenschaften fortwährend zu-
       schreibt?
       Es ist  kein Gedanke daran. Betrachten wir den sogenannten Kommu-
       nismus des  "Rheinischen Beobachters", und wir werden finden, daß
       er sehr unschuldig ist.
       Der Artikel hebt an:
       
       "Wenn wir unsre (!) soziale Lage betrachten, so zeigen sich über-
       all die  größten Übelstände und die dringendsten Bedürfnisse (!),
       und wir müssen es sagen, es ist viel versäumt. Das liegt tatsäch-
       lich vor,  und es entsteht  n u r  (!) die Frage, woher es kommt.
       Wir sind überzeugt, unsre Verfassung ist nicht schuld daran, denn
       (!) in  Frankreich und England steht es (!) mit der sozialen Lage
       noch viel  schlimmer. Gleichwohl  (!) sucht  der Liberalismus das
       Heilmittel nur in der Repräsentation; wäre das Volk vertreten, so
       würde es  sich ja helfen. Das ist freilich ganz illusorisch, aber
       ebenso (!) höchst (!!) plausibel."
       
       In diesem  Satze sieht  man den "Beobachter" leibhaftig vor sich,
       wie er  verlegen um  einen Anfang  an der Feder kaut, spekuliert,
       schreibt, ausstreicht,  wieder schreibt und so endlich nach einem
       beträchtlichen Zeitraum  den obigen  prächtigen  Passus  zustande
       bringt. Um auf den Liberalismus zu kommen, sein erbeigentümliches
       Steckenpferd, fängt er an mit "unsrer sozialen Lage", also genau-
       genommen der sozialen Lage des "Beobachters", die allerdings ihre
       Unannehmlichkeiten haben  mag. Vermittelst  der höchst  trivialen
       Beobachtung, daß  unsere soziale Lage miserabel und daß viel ver-
       säumt ist,  gelangt er  auf dem  Wege einiger  sehr  dornenvollen
       Sätze auf einem Punkte an, wo ihm  n u r  die Frage entsteht, wo-
       her es  kommt. Diese  Frage entsteht  ihm aber  n u r,  um sofort
       wieder zu  verschwinden. Der  "Beobachter" sagt  es  uns  nämlich
       nicht,  woher  es  kommt,  er  sagt  uns  auch  nicht,  woher  es
       n i c h t   kommt, er  sagt uns bloß, wovon er  ü b e r z e u g t
       ist, daß  es nicht  kommt, und  das ist  natürlich die preußische
       Verfassung. Von der preußischen Verfassung gelangt er vermittelst
       eines kühnen "denn" nach Frankreich und England, und von hier hat
       er natürlich  bis zum  preußischen Liberalismus nur einen kleinen
       Sprung, den er, gestützt auf ein möglichst unmotiviertes "Gleich-
       wohl", mit  Leichtigkeit vollbringt.  Und so  ist er  endlich auf
       jenem beliebten  Terrain angelangt, Wo er ausrufen kann: "Das ist
       freilich  ganz   illusorisch,  aber   ebenso  höchst  plausibel."
       A b e r  e b e n s o  h ö c h s t!!!
       Sollten die  Kommunisten so  gesunken sein, daß man ihnen die Va-
       terschaft solcher  Sätze, solcher  klassischen Übergänge, solcher
       mit Leichtigkeit entstehenden und verschwindenden Fragen, solcher
       famosen  N u r,  D e n n  und
       
       #193# Der Kommunismus des "Rheinischen Beobachters"
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       G l e i c h w o h l   und namentlich  der Wendung:  "aber  ebenso
       höchst" zumuten könnte?
       Außer dem  "alten Feldherrn" Arnold Ruge gibt es nur wenig Männer
       in Deutschland,  die so  schreiben können, und diese wenigen sind
       sämtlich Konsistonalräte im Ministerium des Herrn Eichhorn. [87]
       Auf den  Inhalt dieses  Einleitungspassus einzugehen,  kann nicht
       verlangt werden.  Er hat  keinen ändern Inhalt als seine unbehol-
       fene Form,  er ist  nur das  Tor, durch welches wir in die Hallen
       treten, wo unser beobachtender Konsistorialrat einen Kreuzzug ge-
       gen den Liberalismus predigt.
       Hören wir zu:
       
       "Der Liberalismus  hat vorweg  den Vorteil, daß er sich dem Volke
       in leichteren und gefälligeren Formen nähert als die Bürokratie."
       (Allerdings, so schwerfällig und eckig schreibt selbst Herr Dahl-
       mann oder  Gervinus nicht.)  "Er spricht von Volkswohl und Volks-
       rechten. In  Wahrheit aber  schiebt er das Volk nur vor, um damit
       die Regierung  einzuschüchtern; es gilt ihm nur als Kanonenfutter
       in dem großen Sturme gegen die Regierungsgewalt. Die Staatsgewalt
       an sich  zu reißen,  das ist  die wahre Tendenz des Liberalismus,
       das Volkswohl ist ihm nur Nebensache."
       
       Glauben der  Herr Konsistorialrat, dem Volke hiermit irgend etwas
       Neues gesagt  zu haben?  Das Volk, und namentlich der kommunisti-
       sche Teil  des Volkes,  weiß sehr  wohl, daß  die liberale  Bour-
       geoisie nur  ihr eigenes  Interesse verfolgt, daß auf ihre Sympa-
       thien fürs  Volk wenig zu bauen ist. Wenn aber der Herr Konsisto-
       rialrat hieraus  den Schluß  ziehen, daß  die liberalen Bourgeois
       das Volk,  soweit es  sich an der politischen Bewegung beteiligt,
       für ihre  Zwecke exploitieren,  so müssen  wir ihm antworten: Das
       ist freilich  ganz  plausibel  für  einen  Konsistorialrat,  aber
       ebenso höchst illusorisch.
       Das Volk  oder, um  an die Stelle dieses weitschichtigen, schwan-
       kenden Ausdrucks  den bestimmten zu setzen, das Proletariat räso-
       niert ganz  anders, als  man im geistlichen Ministerium [87] sich
       träumen läßt.  Das Proletariat  fragt nicht, ob den Bourgeois das
       Volkswohl Nebensache  oder Hauptsache sei, ob sie die Proletarier
       als Kanonenfutter gebrauchen  w o l l e n  oder nicht. Das Prole-
       tariat fragt nicht, was die Bourgeois bloß  w o l l e n,  sondern
       was sie   m ü s s e n.   Es  fragt, ob der jetzige politische Zu-
       stand, die  Herrschaft der Bürokratie, oder der von den Liberalen
       erstrebte, die Herrschaft der Bourgeoisie, ihm mehr Mittel bieten
       wird, seine  eignen Zwecke  zu erreichen.  Dazu hat es nur nötig,
       die politische  Stellung des  Proletariats in England, Frankreich
       und Amerika  mit der  in Deutschland zu vergleichen, um zu sehen,
       daß die Herrschaft der Bourgeoisie dem Proletariat nicht nur ganz
       neue Waffen  zum Kampf   g e g e n   die  Bourgeoisie in die Hand
       gibt, sondern  ihm auch  eine ganz andere Stellung, eine Stellung
       als anerkannte Partei verschafft.
       
       #194# Karl Marx
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       Glauben denn  der Herr Konsistorialrat, das Proletariat, das mehr
       und mehr der kommunistischen Partei sich anschließt, das Proleta-
       riat werde  die Preßfreiheit,  die Assoziationsfreiheit  nicht zu
       benutzen wissen?  Er lese  doch die  englischen und französischen
       Arbeiterblätter, er  besuche doch einmal ein einziges Chartisten-
       Meeting!
       Aber im geistlichen Ministerium, wo der "Rh[einische] Beobachter"
       redigiert wird,  hat man absonderliche Vorstellungen vom Proleta-
       riat. Man  glaubt, mit pommerschen Bauern oder Berliner Eckenste-
       hern zu  tun zu haben. Man meint, die äußersten Grenzen des Tief-
       sinns erreicht  zu haben,  wenn man dem Volke nicht mehr panem et
       circenses 1*),  sondern panem  et religionem  2*) verspricht. Man
       bildet sich ein, das Proletariat wünsche, daß ihm geholfen werde,
       man denkt  nicht daran,  daß es  von niemand  anders als von sich
       selbst Hülfe  erwartet. Man  ahnt nicht,  daß das Proletariat den
       Redensarten  der  Herren  Konsistorialräte  von  "Volkswohl"  und
       schlechter sozialer  Lage ebensosehr  auf den Grund sieht wie den
       ähnlichen Redensarten der liberalen Bourgeois.
       Und  warum  ist  den  Bourgeois  das  Volkswohl  Nebensache?  Der
       "Rh[einische] Beobachter" antwortet:
       
       "Der Vereinigte Landtag hat es bewiesen, die Perfidie des Libera-
       lismus liegt vor Augen. An der Einkommensteuer sollte der Libera-
       lismus die Probe bestehen, und er hat sie nicht bestanden."
       
       Diese wohlmeinenden  Konsistorialräte, die sich in ihrer ökonomi-
       schen Unschuld  einbilden, sie  könnten dem  Proletariat mit  der
       Einkommensteuer Sand in die Augen streuen!
       Die Schlacht-  und Mahlsteuer  [88] liegt direkt auf dem Arbeits-
       lohn, die  Einkommensteuer liegt  auf dem  Profit  des  Kapitals.
       Höchst plausibel,  Herr Konsistorialrat, nicht wahr? Aber die Ka-
       pitalisten werden  und können  sich ihre  Profite nicht  so unge-
       straft besteuern lassen. Die Konkurrenz führt das schon mit sich.
       In wenig  Monaten nach  Einführung der Einkommensteuer würde also
       der Arbeitslohn um gerade so viel herabgesetzt sein, als er durch
       die Aufhebung  der Schlacht-  und Mahlsteuer, durch die damit er-
       niedrigten Preise der Lebensmittel effektiv gestiegen war.
       Der Stand  des nicht in Geld, sondern in den dem Arbeiter nötigen
       Lebensbedürfnissen ausgedrückten Arbeitslohns, d.h. der Stand des
       r e e l l e n,   nicht   n o m i n e l l e n   Arbeitslohns hängt
       von dem  Verhältnis von Nachfrage und Angebot ab. Ein veränderter
       Steuermodus kann für den Augenblick eine Störung verursachen, auf
       die Dauer aber nichts daran ändern.
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       1*) Brot und (Zirkus-)Spiele - 2*) Brot und Religion
       
       #195# Der Kommunismus des "Rheinischen Beobachters"
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       Der einzige  ökonomische Vorteil der Einkommensteuer ist der, daß
       sie wohlfeiler  zu erheben ist, und davon spricht der Konsistori-
       alrat nicht.  Das Proletariat  gewinnt übrigens auch durch diesen
       Umstand nichts.
       Worauf läuft  also das  ganze Gerede von der Einkommensteuer hin-
       aus?
       Erstens, das  Proletariat ist bei der ganzen Sache gar nicht oder
       nur momentan interessiert.
       Zweitens, die  Regierung, die  bei der Erhebung der Schlacht- und
       Mahlsteuer täglich mit dem Proletariat direkt in Berührung kommt,
       ihm gehässigerweise  gegenübertritt, die  Regierung steht bei der
       Einkommensteuer im  Hintergrunde und  zwingt die Bourgeoisie, die
       gehässige Tätigkeit des Lohndrückens ganz zu übernehmen.
       Die Einkommensteuer würde also nur der Regierung vorteilhaft sein
       und daher der Ärger der Konsistorialräte über ihre Verwerfung.
       Aber wir wollen selbst für einen Augenblick zugeben, daß das Pro-
       letariat bei  der Sache  interessiert sei;  durfte dieser Landtag
       sie bewilligen?
       Keineswegs. Er  durfte gar  keine Gelder bewilligen, er mußte das
       Finanzsystem ganz  so lassen,  wie es  war, solange die Regierung
       nicht alle  seine Forderungen erfüllt hatte. Die Verweigerung der
       Gelder ist  in allen  parlamentarischen Versammlungen das Mittel,
       wodurch die  Regierung gezwungen wird, der Majorität nachzugeben.
       Diese konsequente  Geldverweigerung [89]  ist das  einzige, worin
       der  Landtag   sich  energisch   benahm,  und  daher  müssen  die
       enttäuschten  Konsistorialräte  gerade  diese  vor  dem  Volk  zu
       verdächtigen suchen.
       
       "Und doch", heißt es weiter im "Rheinischen] Beobachter]", "haben
       die Organe  des Liberalismus recht eigentlich die Einkommensteuer
       aufs Tapet gebracht."
       
       Ganz recht, und sie ist auch eine reine Bourgeois-Maßregel. Darum
       können die  Bourgeois sie doch verweigern, wenn sie ihnen zur un-
       rechten Zeit  von Ministern  vorgeschlagen wird,  denen sie keine
       drei Schritt weit trauen können.
       Wir nehmen übrigens dies Geständnis über die Vaterschaft der Ein-
       kommensteuer zu den Akten; es wird uns später von Nutzen sein.
       Nach einigem  möglichst leeren und verworrenen Geschwätz stolpert
       der Konsistorialrat  plötzlich folgendermaßen  über das  Proleta-
       riat:
       
       "Was heißt  das, Proletariat?"  (Dies ist  abermals eine  von den
       Fragen, die  nur entstehen,  um nicht beantwortet zu werden.) "Es
       ist keine  Übertreibung, wenn wir' (d.h. die Konsistorialräte vom
       "Rh[einischen] B[eobachter]",  nicht aber  die  übrigen  profanen
       Zeitungen) "sagen:  Ein Drittel des Volks hat keinen Boden seiner
       Existenz, und  ein anderes Drittel steht auf der Neige. Die Sache
       der Proletarier ist die Sache der großen Majorität des Volks, die
       Kardinalfrage."
       
       #196# Karl Marx
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       Wie schnell doch ein einziger Vereinigter Landtag mit etwas Oppo-
       sition diese  Bürokraten zur  Räson bringt! Wie lange ist es her,
       seit die Regierung den Zeitungen verbot, solche Übertreibungen zu
       behaupten, als  hätten wir  in Preußen  ein Proletariat? seit der
       "Trier'schen Zeitung"  u.a. - dieser Unschuldigen! - mit dem Ver-
       bot gedroht  wurde, weil sie französische und englische schlechte
       Proletariatszustände böswilligerweise  als auch  in Preußen  exi-
       stierend vorstellig  machen wollte?  Doch wie die Regierung will.
       Nehmen wir  ebenfalls zu  den Akten,  daß die große Majorität des
       Volks Proletarier sind.
       
       "Der Landtag",  heißt es weiter, "hat die Prinzipienfrage für die
       Kardinalfrage angesehen,  d.h. die Frage, ob die hohe Versammlung
       die Staatsgewalt  bekommen solle.  Und was sollte das Volk bekom-
       men? Keine  Eisenbahn, keine Rentenbanken, keine Steuererleichte-
       rung! Glückseliges Volk!"
       Man merke, wie unser glattgescheitelter Konsistonalrat allmählich
       das Fuchsohr  zu zeigen beginnt. "Der Landtag hat die Prinzipien-
       frage für  die Hauptfrage angesehen." Heilige Einfalt dieser lie-
       bevollen Blindschleichen! Die Frage, ob man der Regierung 30 Mil-
       lionen Anleihe, eine Einkommensteuer von nicht vorauszubestimmen-
       dem Ertrag,  eine Rentenbank, womit sie 400-500 Millionen auf die
       Domänen aufnehmen  kann -  ob man  das alles dieser gegenwärtigen
       liederlichen und  reaktionären Regierung  zur Disposition stellen
       und sie  dadurch auf  ewige Zeiten unabhängig machen, oder ob man
       sie knapp  halten, sie  durch Entziehung der Gelder zur Unterwer-
       fung unter die öffentliche Meinung bringen soll, das nennt so ein
       Leisetreter von Konsistorialrat die Prinzipienfrage!
       "Und was  soll das  Volk bekommen?" fragt der teilnehmende Konsi-
       storialrat. "Keine  Eisenbahn" -  es wird also auch keine Steuern
       zu zahlen  haben, um  die Zinsen  der Anleihe und den bei dem Be-
       trieb dieser Bahn unausbleiblichen großen Verlust zu decken.
       "Keine Rentenbanken!"  Tut unser Konsistorialrat nicht gerade so,
       als habe die Regierung den Proletariern Renten geben wollen? Aber
       im Gegenteil, sie wollte dem  A d e l  Renten geben, die das Volk
       bezahlen sollte.  Den Bauern  sollte dadurch der Abkauf der Fron-
       dienste erleichtert  werden. Wenn  die Bauern  noch einige  Jahre
       warten, so  werden sie wahrscheinlich nicht mehr nötig haben, sie
       a b z u k a u f e n.  Wenn die Fronherren unter die Heugabeln der
       Bauern geraten,  und das könnte sehr leicht einmal kommen, so hö-
       ren die Frondienste von selbst auf.
       "Keine Einkommensteuer."  Aber solange  die  Einkommensteuer  dem
       Volk kein Einkommen bringt, kann sie ihm ganz gleichgültig sein.
       
       "Glückseliges Volk",  fährt der  Konsistorialrat fort,  "du  hast
       doch die  Prinzipienfrage gewonnen!  Und wenn du nicht verstehst,
       was das für ein Ding ist, so laß es dir
       
       #197# Der Kommunismus des "Rheinischen Beobachters"
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       von deinen Repräsentanten erklären; während der langen Rede wirst
       du vielleicht deinen Hunger vergessen!"
       
       Wer wagt  noch zu  sagen, die deutsche Presse sei nicht frei? Der
       "Rh[einische] Beob[achter]"  gebraucht hier  ganz ungestraft eine
       Wendung, die manche französische Provinzialjury ohne weiteres für
       eine Aufreizung der verschiedenen Klassen der Gesellschaft gegen-
       einander erklären und bestrafen lassen würde.
       Der Konsistorialrat benimmt sich übrigens schrecklich unbeholfen.
       Er will  dem Volk  schmeicheln und  traut ihm nicht einmal zu, zu
       wissen, was  die Prinzipienfrage  für ein Ding sei. Dafür, daß er
       an seinem   H u n g e r   Teilnahme  heucheln muß, rächt er sich,
       indem er es für dumm, für politisch unfähig erklärt. Das Proleta-
       riat weiß  so gut,  was die Prinzipienfrage für ein Ding ist, daß
       es dem  Landtage nicht  vorwirft, sie gewonnen zu haben, sondern,
       sie   n i c h t   gewonnen zu  haben. Das  Proletariat wirft  dem
       Landtage vor,  daß er  sich defensiv gehalten, daß er nicht ange-
       griffen hat,  daß er  nicht zehnmal weiter gegangen ist. Es wirft
       ihm vor,  daß er nicht entschieden genug auftrat, um dem Proleta-
       riat die  Beteiligung an der Bewegung möglich zu machen. Das Pro-
       letariat  konnte  sich  freilich  nicht  für  die    s t ä n d i-
       s c h e n   R e c h t e  interessieren. Aber ein Landtag, der Ge-
       schworenengerichte, Gleichheit  vor  dem  Gesetz,  Aufhebung  der
       Frondienste, Preßfreiheit,  Assoziationsfreiheit und eine wirkli-
       che Repräsentation verlangt, ein Landtag, der ein für allemal mit
       der Vergangenheit  gebrochen und  seine Forderungen  nach den Be-
       dürfnissen der  Zeit eingerichtet  hätte  statt  nach  den  alten
       Gesetzen, solch  ein Landtag konnte auf die kräftigste Unterstüt-
       zung des Proletariats rechnen.
       Der "Beobachter" fährt fort:
       
       "Und möge  Gott geben, daß dieser Landtag nicht die Regierungsge-
       walt absorbiert, sonst wäre allen sozialen Verbesserungen ein un-
       überwindlicher Hemmschuh angelegt."
       
       Der Herr  Konsistorialrat möge  sich beruhigen.  Ein Landtag, der
       mit der  preußischen Regierung nicht einmal fertig wurde, mit dem
       wird das Proletariat im Notfall schon fertig werden.
       
       "Es ist  gesagt worden",  beobachtet der  Konsistorialrat weiter,
       "die Einkommensteuer  führe zur  Revolution, zum Kommunismus. Zur
       Revolution -  allerdings, d.h.  zu einer  U m g e s t a l t u n g
       der sozialen  Verhältnisse, zur  Beseitigung des   g r e n z e n-
       l o s e n  E l e n d s."
       
       Entweder will  der Konsistorialrat sich über sein Publikum mokie-
       ren und  nur sagen:  Die Einkommensteuer  beseitigt das  g r e n-
       z e n l o s e   Elend, um  das begrenzte Elend an seine Stelle zu
       setzen, und dergleichen schlechte Berliner
       
       #198# Karl Marx
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       Witze mehr -, oder er ist der größte und unverschämteste Ignorant
       in ökonomischen  Dingen, den  es gibt. Er weiß nicht, daß in Eng-
       land die Einkommensteuer seit sieben Jahren besteht und kein ein-
       ziges soziales  Verhältnis umgestaltet, kein Haarbreit grenzenlo-
       sen Elends  beseitigt hat.  Er weiß  nicht, daß da, wo in Preußen
       das   g r e n z e n l o s e s t e  Elend existiert, in den schle-
       sischen und ravensbergischen Weberdörfern, bei den kleinen schle-
       sischen, posenschen, Mosel- und Weichselbauern, daß da gerade die
       Klassensteuer, d.h. die Einkommensteuer   b e s t e h t.
       Doch wer  kann auf solche Abgeschmacktheiten ernsthaft antworten.
       Weiter heißt es:
       
       "Auch zum   K o m m u n i s m u s,   wie man ihn eben versteht...
       Wo durch Handel und Gewerbe alle Verhältnisse so miteinander ver-
       flochten und  in Fluß  gebracht sind,  daß der  einzelne sich  im
       Strome der  Konkurrenz nicht halten kann, da ist er durch die Na-
       tur der  Verhältnisse an die Gesellschaft  g e w i e s e n,  wel-
       che die  Folgen der    a l l g e m e i n e n    Fluktuationen  im
       e i n z e l n e n   ausgleichen   m u ß.  Da ist die Gesellschaft
       für das  Bestehen ihrer Mitglieder  s o l i d a r i s c h  v e r-
       p f l i c h t e t."
       
       Da hätten  wir ja den Kommunismus des "Rheinischen] Beobachters".
       Also: In einer Gesellschaft wie der unsrigen, wo kein Mensch sei-
       ner Existenz,  seiner Lebenslage   s i c h e r   ist, hat die Ge-
       sellschaft die  Verpflichtung, jedem seine Existenz sicherzustel-
       len. Erst gesteht der Konsistorialrat, daß die bestehende Gesell-
       schaft dies  nicht   k a n n,   und dann verlangt er von ihr, sie
       soll dies ihr Unmögliche doch tun.
       Aber sie  soll das  im einzelnen  nachholen, worauf  sie in ihren
       allgemeinen Fluktuationen  keine Rücksicht  nehmen kann,  so ver-
       steht es der Konsistorialrat.
       
       "Ein Drittel  des Volks  hat keinen Boden seiner Existenz und ein
       anderes Drittel steht auf der Neige."
       
       Also  zehn   Millionen  Individuen,   bei  denen   im   einzelnen
       a u s z u g l e i c h e n   ist. Glaubt der Konsistorialrat allen
       Ernstes, die  pauvre 1*)  preußische Regierung  werde das fertig-
       bringen?
       Allerdings, und  zwar vermittelst der Einkommensteuer, welche zum
       Kommunismus führt,  wie  der  "Rh[einische]  Beobachter"    i h n
       e b e n  v e r s t e h t.
       Vortrefflich. Nachdem  man uns  verworrenes Zeug über angeblichen
       Kommunismus vorgeschwatzt,  nachdem man  erklärt hat, die Gesell-
       schaft sei  für das  Bestehen ihrer  Mitglieder solidarisch  ver-
       pflichtet, sie   m ü s s e  für sie sorgen, obwohl sie dies nicht
       könne, nach allen diesen Verirrungen, Widersprüchen,
       -----
       1*) armselige
       
       #199# Der Kommunismus des "Rheinischen Beobachters"
       -----
       unmöglichen Forderungen  wird uns  noch zugemutet, die Einkommen-
       steuer als  die Maßregel anzunehmen, die alle Widersprüche lösen,
       alle Unmöglichkeiten  möglich machen,  die die  Solidarität aller
       Gesellschaftsglieder herstellen soll.
       Wir verweisen  auf Herrn  von Duesbergs Denkschrift über die Ein-
       kommensteuer, die  dem Landtag  vorgelegt wurde.  In dieser Denk-
       schrift war bereits für den letzten Groschen des Ertrags der Ein-
       kommensteuer Verwendung  gefunden. Die  bedrängte Regierung hatte
       keinen Heller  übrig zur Ausgleichung der allgemeinen Fluktuatio-
       nen im einzelnen, zur Erfüllung der solidarischen Verpflichtungen
       der Gesellschaft. Und wenn statt zehn Millionen nur zehn Einzelne
       durch die Natur der Verhältnisse an den Herrn von Duesberg gewie-
       sen worden  wären, der  Herr von Duesberg hätte die zehn abweisen
       müssen.
       Aber nein,  wir täuschen  uns; außer  der Einkommensteuer hat der
       Herr Konsistorialrat  noch ein  anderes Mittel zur Einführung des
       Kommunismus, wie er ihn eben versteht:
       
       "Was ist das A und das O des christlichen Glaubens? Das Dogma von
       der Erbsünde  und der  Erlösung. Und darin liegt die solidarische
       Verbindung der  Menschheit in  ihrer höchsten  Potenz; Einer  für
       Alle und Alle für Einen."
       
       Glückseliges Volk!  Die  K a r d i n a l f r a g e  ist für ewige
       Zeiten gelöst. Das Proletariat wird unter den doppelten Fittichen
       des preußischen  Adlers  und  des  heiligen  Geistes  zwei  uner-
       schöpfliche Lebensquellen  finden: erstens den Überschuß der Ein-
       kommensteuer über  die gewöhnlichen und außergewöhnlichen Staats-
       bedürfnisse, welcher  Überschuß gleich Null ist; und zweitens die
       Revenüen aus  den himmlischen  Domänen der Erbsünde und Erlösung,
       welche ebenfalls  gleich Null  sind. Diese  beiden  Nullen  geben
       einen prächtigen Boden ab für das eine Drittel des Volks, welches
       keinen Boden  seiner Existenz  hat, eine gewaltige Stütze für das
       andere Drittel, welches auf der Neige steht. Allerdings imaginäre
       Überschüsse, Erbsünde  und Erlösung  werden den  Hunger des Volks
       ganz anders  stillen als die langen Reden der liberalen Deputier-
       ten! Weiter heißt es:
       
       "Wir beten auch im 'Vaterunser': 'Führe uns nicht in Versuchung'.
       Und was  wir für uns erbitten, das sollen wir selbst gegen unsere
       Nebenmenschen üben. Unsre sozialen Zustände versuchen aber aller-
       dings den  Menschen, und  das Übermaß  der Not  reizt zum Verbre-
       chen."
       
       Und   w i r , die Herren Bürokraten, Richter und Konsistorialräte
       des preußischen Staats, üben diese Rücksicht, indem wir nach Her-
       zenslust rädern,  köpfen, einsperren  und auspeitschen lassen und
       dadurch die Proletarier "in
       
       #200# Karl Marx
       -----
       Versuchung führen", uns später ebenfalls rädern, köpfen, einsper-
       ren und auspeitschen zu lassen. Was auch nicht ausbleiben wird.
       
       "Solche Zustände",  erklärt der  Herr Konsistorialrat,   "d a r f
       ein christlicher Staat nicht dulden, er muß dem abhelfen."
       
       Ja, mit absurden Windbeuteleien über die solidarischen Verpflich-
       tungen der  Gesellschaft, mit  imaginären Überschüssen  und nicht
       akzeptablen Wechseln auf Gott Vater, Sohn und Kompanie.
       
       "Auch das  ohnehin langweilige  Gerede über  den Kommunismus kann
       man sparen",  meint  unser  beobachtender  Herr  Konsistorialrat.
       "Wenn nur  diejenigen, die  den Beruf  dazu haben,  die  sozialen
       Prinzipien des  Christentums entwickeln, dann werden die Kommuni-
       sten bald verstummen."
       
       Die sozialen Prinzipien des Christentums haben jetzt achtzehnhun-
       dert Jahre  Zeit gehabt,  sich zu entwickeln, und bedürfen keiner
       ferneren Entwicklung durch preußische Konsistorialräte.
       Die sozialen Prinzipien des Christentums haben die antike Sklave-
       rei gerechtfertigt, die mittelalterliche Leibeigenschaft verherr-
       licht und  verstehen sich  ebenfalls im  Notfall dazu, die Unter-
       drückung des  Proletariats,  wenn  auch  mit  etwas  jämmerlicher
       Miene, zu verteidigen.
       Die sozialen  Prinzipien des Christentums predigen die Notwendig-
       keit einer  herrschenden und einer unterdrückten Klasse und haben
       für die letztere nur den frommen Wunsch, die erstere möge wohltä-
       tig sein.
       Die sozialen Prinzipien des Christentums setzen die konsistorial-
       rätliche Ausgleichung  aller Infamien in den Himmel und rechtfer-
       tigen dadurch die Fortdauer dieser Infamien auf der Erde.
       Die sozialen  Prinzipien des  Christentums erklären  alle Nieder-
       trächtigkeiten der  Unterdrücker gegen die Unterdrückten entweder
       für gerechte  Strafe der  Erbsünde und  sonstigen Sünden oder für
       Prüfungen, die der Herr über die Erlösten nach seiner unendlichen
       Weisheit verhängt.
       Die sozialen  Prinzipien des  Christentums predigen die Feigheit,
       die Selbstverachtung,  die Erniedrigung, die Unterwürfigkeit, die
       Demut, kurz alle Eigenschaften der Kanaille, und das Proletariat,
       das sich  nicht als  Kanaille behandeln  lassen will,  hat seinen
       Mut, sein  Selbstgefühl, seinen Stolz und seinen Unabhängigkeits-
       sinn noch viel nötiger als sein Brot.
       Die sozialen Prinzipien des Christentums sind duckmäuserisch, und
       das Proletariat ist revolutionär.
       Soviel über die sozialen Prinzipien des Christentums.
       Weiter:
       
       #201# Der Kommunismus des "Rheinischen Beobachters"
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       "Wir haben  die soziale Reform als den vornehmsten Beruf der Mon-
       archie erkannt."
       
       Haben wir?  Bisher war davon die Rede gar nicht. Doch es sei. Und
       worin besteht  die soziale Reform der Monarchie? In der Durchset-
       zung einer  den Organen  des Liberalismus  gestohlenen Einkommen-
       steuer, die Überschüsse bieten soll, von denen der Finanzminister
       nichts weiß,  in den verunglückten Landrentenbanken, in der preu-
       ßischen Ostbahn und namentlich in dem Profit eines ungeheuren Ka-
       pitals von Erbsünde und Erlösung!
       "Dazu rät das Interesse des Königtums selbst" - wie tief muß also
       das Königtum gesunken sein!
       "Dies fordert  die Not  der Gesellschaft" - welche für den Augen-
       blick viel mehr Schutzzölle als Dogmen fordert.
       "Dies empfiehlt das Evangelium" - dies empfiehlt überhaupt alles,
       nur nicht  der erschrecklich  öde Zustand der preußischen Staats-
       kasse, jenes  Abgrundes, der binnen drei Jahren die 15 russischen
       Millionen unwiederbringlich  verschlungen haben wird. Das Evange-
       lium empfiehlt übrigens sehr viel, unter anderem auch die Kastra-
       tion, als  Anfang der sozialen Reform bei sich selbst. Matth[äus]
       25.
       
       "Das Königtum",  erklärt unser Herr Konsistorialrat, "ist mit dem
       Volke eins."
       
       Diese Redensart  ist nur  eine andere  Form für  das alte "l'état
       c'est moi"  1*), und  zwar ganz  genau dieselbe  Form, die Ludwig
       XVI. am 23. Juni 1789 gegen seine rebellischen Stände gebrauchte:
       Wo Ihr  nicht gehorcht, so schicke ich Euch nach Hause - "et seul
       je ferai le bonheur de mon peuple" 2*).
       Das Königtum  muß schon  sehr bedrängt  sein, wenn es sich zu dem
       Gebrauche dieser  Form entschließt, und unser gelehrter Herr Kon-
       sistorialrat weiß  gewiß, wie  sich das  französische Volk damals
       bei Ludwig XVI. für ihre Anwendung bedankte.
       
       "Der Thron", versichert der Herr Konsistorialrat ferner, "muß auf
       der breiten Basis des Volks ruhen, da steht er am besten."
       
       Solange nämlich die breiten Schultern diesen beschwerlichen Über-
       bau nicht mit einem gewaltigen Ruck in die Gosse werfen.
       
       "Die  A r i s t o k r a t i e",  so schließt der Herr Konsistori-
       alrat, "läßt  dem Königtum  seine Würde und gibt ihm einen poeti-
       schen  Schmuck,   entzieht  ihm   aber  die   reelle  Macht.  Das
       B ü r g e r t u m  raubt ihm die Macht wie die Würde und gibt ihm
       nur eine  Zivilliste. Das   V o l k   bewahrt  dem Königtum seine
       Macht, seine Würde und seine Poesie."
       -----
       1*) "der Staat bin ich" (Ludwig XIV. zugeschriebener Ausspruch) -
       2*) "dann werde ich allem für das Wohl meines Volkes sorgen
       
       #202# Karl Marx
       -----
       In diesem  Passus nimmt  der Herr  Konsistorialrat unglücklicher-
       weise den renommistischen Appell Friedrich Wilhelms  a n  S e i n
       V o l k   in der  Thronrede [90]  zu ernsthaft. Sein letztes Wort
       ist: Sturz  der Aristokratie,  Sturz der Bourgeoisie, Herstellung
       einer auf das Volk sich stützenden Monarchie.
       Wären diese  Forderungen nicht  reine Phantasien,  so würden  sie
       eine vollständige Revolution in sich schließen.
       Wir wollen gar nicht einmal darauf eingehen, daß die Aristokratie
       nicht anders  gestürzt werden  kann als durch die Bourgeoisie und
       das Volk  zusammen, daß eine Herrschaft des Volks in einem Lande,
       wo Aristokratie  und Bourgeoisie noch nebeneinander bestehen, ein
       reiner Unsinn  ist. Auf solche Fabeleien eines Eichhornschen Kon-
       sistorialrats kann  man nicht durch ernsthafte Entwicklungen ant-
       worten.
       Wir wollen  denjenigen Herren,  die das geängstete preußische Kö-
       nigtum durch einen Salto mortale ins Volk retten möchten, nur ei-
       nige wohlwollende Bemerkungen machen.
       Das Volk  ist von allen politischen Elementen für einen König das
       allergefährlichste. Nicht  das Volk,  von dem  Friedrich  Wilhelm
       spricht, das sich für einen Fußtritt und einen Silbergroschen mit
       tränenden Augen  bedankt; dies  Volk ist  durchaus  ungefährlich,
       denn es  existiert nur  in der  Einbildung des  Königs. Aber  das
       wirkliche Volk,  die Proletarier,  die kleinen Bauern und der Pö-
       bel, das ist, wie Hobbes sagt, puer robustus, sed malitiosus, ein
       robuster und  bösartiger Knabe,  und läßt  sich weder von mageren
       noch von fetten Königen zum besten haben.
       Dies Volk  würde vor allen Dingen von Sr. Majestät eine Konstitu-
       tion nebst  allgemeinem Stimmrecht,  Assoziationsfreiheit,  Preß-
       freiheit und andere unangenehme Dinge erzwingen.
       Und wenn  es das  alles hätte, so würde es dies dazu benutzen, um
       möglichst rasch  die  M a c h t,  die  W ü r d e  und die  P o e-
       s i e  des Königtums zu erklären.
       Der gegenwärtige  würdige Inhaber  dieses  Königtums  würde  sich
       glücklich schätzen können, wenn das Volk ihn als öffentlichen De-
       klamator beim  Berliner Handwerkerverein mit 250 Taler Zivilliste
       und einer kühlen Blonden täglich anstellte.
       Wenn die  Herren Konsistorialräte,  die jetzt  das  Geschick  der
       preußischen Monarchie  und des "Rheinischen] Beobachters" lenken,
       daran zweifeln  sollten, so  mögen sie  sich nur  einmal die  Ge-
       schichte ansehen.  Die Geschichte  stellt den Königen, die an Ihr
       Volk appellierten, noch ganz andere Horoskope.
       Karl I.  von England appellierte auch  a n  S e i n  V o l k  von
       seinen Ständen.  Er rief sein Volk zu den Waffen gegen das Parla-
       ment. Das Volk aber erklärte sich
       
       #203# Der Kommunismus des "Rheinischen Beobachters"
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       gegen den  König, warf alle Mitglieder, die nicht das Volk reprä-
       sentierten, zum  Parlament hinaus  und ließ schließlich durch das
       so zum  wirklichen Repräsentanten  des Volks  gewordene Parlament
       den König köpfen. Damit endigte der Appell Karls I. an Sein Volk.
       Solches geschah  am 30. Januar 1649 und erlebt im Jahre 1849 sein
       zweihundertjähriges Jubiläum.
       Ludwig XVI.  von Frankreich  appellierte ebenfalls   a n  S e i n
       V o l k.  Er appellierte drei Jahre hindurch immer von einem Teil
       des Volks an den ändern, er suchte Sein Volk, das wahre Volk, das
       für ihn begeisterte Volk und fand es nirgends. Zuletzt fand er es
       im Lager  von Koblenz,  hinter den  Reihen  der  preußischen  und
       österreichischen Armee.  Das ward aber seinem Volke in Frankreich
       zu arg. Am 10. August 1792 sperrte es den Appellanten in den Tem-
       ple 1*) und berief den Nationalkonvent, der es in jeder Beziehung
       repräsentierte.
       Dieser  Konvent   erklärte  sich   kompetent,  um   über    d e n
       A p p e l l   des Exkönigs zu urteilen, und schickte nach einigen
       Beratungen den  Appellanten auf  den Revolutionsplatz,  wo er  am
       2I.Januar 1793 guillotiniert wurde.
       Das kommt  davon, wenn  die Könige   a n   I h r e    V ö l k e r
       a p p e l l i e r e n.   Was aber davon kommt, wenn die Konsisto-
       rialräte eine  demokratische Monarchie stiften wollen, müssen wir
       erst abwarten.
       
       Geschrieben am 5. September 1847.
       -----
       1*) Staatsgefängnis während  der Französischen  Revolution (1789-
       1794)

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