Quelle: MEW 4 Mai 1846 - März 1848


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       #511#
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       [Karl Marx]
       
       Der "Débat social" vom 6. Februar
       über die Association démocratique [270]
       
       ["Deutsche-Brüsseler-Zeitung" Nr. 13 vom 13. Februar 1848]
       Der "Débat  social" [317]  vom 6. Februar verteidigt die Associa-
       tion démocratique  von Brüssel  und ihre Zweiggesellschaften. Wir
       erlauben uns  einige Bemerkungen  über die  Art und  Weise seiner
       Verteidigung.
       Es mag  im Interesse  der belgisch-radikalen Partei sein, den Ka-
       tholiken nachzuweisen,  wie sie  gegen ihr  eignes Interesse han-
       deln, indem  sie die belgisch-radikale Partei anklagen. Es mag im
       Interesse der  belgisch-radikalen Partei sein, niedern und höhern
       Klerus zu  unterscheiden und  dem Klerus  im großen und ganzen an
       Komplimenten wiederzugeben, Was sie einem Teil desselben an Wahr-
       heiten sagt.  Wir verstehen  nichts hiervon. Wir sind nur verwun-
       dert, wie  der "Debat"  übersehen konnte,  daß die  Angriffe  der
       flandrischen katholischen Blätter gegen die associations democra-
       tiques in  der "Independance"  [318] sogleich  abgedruckt wurden,
       und die  "Independance" ist, soviel wir wissen, kein katholisches
       Blatt.
       Der "Debat social" erklärt, daß die Belgier vermittelst der demo-
       kratischen Assoziationen politische Reformen reklamieren.
       Wir begreifen,  daß der "Debat" einen Augenblick den kosmopoliti-
       schen Charakter  der Association democratique vergißt. Er hat ihn
       vielleicht nicht  einmal vergessen. Er hat sich nur erinnert, daß
       eine Gesellschaft,  welche die Demokratie in allen Ländern zu be-
       fördern strebt,  zunächst auf das Land wirken wird, worin sie re-
       sidiert.
       Der "Debat  social" begnügt  sich nicht  damit zu  sagen, was die
       Belgier mit  den associations  démocratiques wollen; er geht wei-
       ter, er  sagt, was  die Belgier  nicht mit  ihnen wollen, was man
       also nicht  wollen   d a r f,  wenn man der Assoziation angehört,
       welche die Belgier gestiftet haben, um politische Reformen zu re-
       klamieren. Avis aux etrangers! 1*)
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       1*) Warnung an die Ausländer!
       
       #512# Karl Marx
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       "Die politischen  Reformen, welche die Belgier durch die demokra-
       tischen Assoziationen  reklamieren  wollen",  sagt  der  "Debat",
       "sind nicht jene Utopien, welchen gewisse Demokraten nachjagen in
       Ländern, wo  die gesellschaftlichen Institutionen keine wirksamen
       Reformen hoffen lassen, wo es also ebenso vernünftig ist, an spa-
       nische Schlösser  zu denken,  als an das bescheidene Wohlsein der
       schon freien  Völker. Wer  nichts hat, tut ebenso wohl, mit einem
       Mal Millionen zu erträumen, als hundert Taler Rente oder Profit."
       
       Der "Débat" spricht hier offenbar von den  K o m m u n i s t e n.
       Wir möchten ihn fragen, "ob das bescheidne Wohlsein" des "freien"
       Englands sich  dadurch  bekundet,  daß  die  Armentaxe  schneller
       wächst als die Bevölkerung?
       Wir möchten  ihn fragen,  ob er  unter "dem bescheidenen Wohlsein
       der freien Völker" die flandrische Misere versteht?
       Wir möchten  ihm das  Geheimnis abfragen,  wodurch er  100  Taler
       P r o f i t  oder  R e n t e  an die Stelle des Arbeitslohns set-
       zen will.  Oder versteht  er unter  "dem bescheidnen Wohlsein der
       freien Völker"  das bescheidne  Wohlsein der  freien Kapitalisten
       und Grundherren?
       Wir möchten  ihn endlich  fragen, ob die Association démocratique
       von Brüssel  ihn beauftragt hat, die Utopisten, die nicht an "das
       bescheidne Glück der freien Völker" glauben, Lügen zu strafen?
       Der "Débat  social" spricht  aber offenbar  nicht von Kommunisten
       überhaupt, sondern von  d e u t s c h e n  K o m m u n i s t e n,
       die, weil  die politische  Entwicklung  ihres  Vaterlandes  ihnen
       nicht erlaubt,  weder eine  deutsche Alliance  noch eine deutsche
       Association libérale  [319] zu stiften, aus Verzweiflung dem Kom-
       munismus in die Arme sinken.
       Wir bemerken  dem "Débat",  daß der  Kommunismus aus  England und
       Frankreich stammt und nicht aus Deutschland.
       Daß der deutsche Kommunismus der entschiedenste Gegner alles Uto-
       pismus ist  und, weit  entfernt, die  geschichtliche  Entwicklung
       auszuschließen, sich  vielmehr auf sie begründet, diese Versiche-
       rung geben wir einstweilen dem "Débat social" zurück im Austausch
       gegen seine Versicherung.
       Deutschland ist  in der  politischen Entwicklung zurückgeblieben,
       es hat eine lange politische Entwicklung durchzumachen. Wir wären
       die letzten,  dies zu  leugnen. Aber wir glauben andrerseits, daß
       ein Land von mehr als 40 Millionen Einwohnern, wenn es eine Revo-
       lution vorbereitet,  in dem  Radikalismus kleiner  freier  Länder
       nicht das Maß seiner Bewegung suchen wird.
       Versteht der  "Débat" unter Kommunismus das Hervorheben der Klas-
       sengegensätze und  des Klassenkampfes? So ist nicht der Kommunis-
       mus kommunistisch, sondern die politische Ökonomie, die bürgerli-
       che Gesellschaft.
       
       #513# Der "Débat social" vom 6. Februar
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       Wir wissen,  daß Robert Peel prophezeit hat, der Klassengegensatz
       der modernen  Gesellschaft müsse  in  einer  schrecklichen  Krise
       eklatieren. Wir  wissen, daß  Guizot selbst in seiner "Geschichte
       der Zivilisation"  [320] nichts als bestimmte Formen des Klassen-
       kampfes darzustellen glaubt. Aber Peel und Guizot sind Utopisten.
       Realisten sind  Männer, welche  selbst  das  Aussprechen  gesell-
       schaftlicher Tatsachen  als Verstoß  gegen eine  wohlwollende Le-
       bensklugheit betrachten.
       Es steht  dem "Débat social" frei, Nordamerika und die Schweiz zu
       bewundern und zu idealisieren.
       Wir fragen  ihn, ob die politische Verfassung Nordamerikas jemals
       in Europa  eingeführt werden  könnte ohne große soziale Umwälzun-
       gen? Wir  glauben z.B.,  der "Débat" mag uns die Keckheit verzei-
       hen, daß  die englische Charte, um nicht von einzelnen Schwärmern
       für allgemeines  Stimmrecht, sondern  von einer großen nationalen
       Partei aufgestellt  zu werden,  eine langwierige  Vereinigung der
       englischen Arbeiter  zur Klasse voraussetzte, daß diese Charte in
       ganz andrer  Absicht erstrebt  wird und ganz andre soziale Folgen
       herbeiführen muß,  als die  Konstitution Amerikas und der Schweiz
       je erstrebten  oder je herbeiführten. In unsern Augen sind dieje-
       nigen Utopisten, welche politische Formen von ihrer gesellschaft-
       lichen Unterlage trennen und sie als allgemeine, abstrakte Dogmen
       hinstellen.
       Wie der  "Débat social" die Association democratique zu verteidi-
       gen sucht  dadurch, daß er gleichzeitig "gewisse Demokraten" eli-
       miniert, die nicht mit dem "bescheidenen Wohlsein der freien Völ-
       ker" vorliebnehmen,  beweist er weiter, indem er auf die Freihan-
       delsdiskussionen in der Assoziation zu sprechen kommt.
       
       "Sechs Sitzungen",  sagt der "Débat", "wurden der Diskussion die-
       ser interessanten Frage gewidmet, und viele Arbeiter aus den ver-
       schiedenen Ateliers  unserer Stadt  machten hier  Gründe geltend,
       die auf dem berühmten, verflossenen September zu Brüssel gehalte-
       nen Kongreß  der Ökonomisten  nicht an unrechtem Orte gewesen wä-
       ren."
       
       Vorher bemerkt  der "Débat social", daß die Assoziation fast ein-
       stimmig den absoluten Freihandel unter allen Völkern als ein Ziel
       der Demokratie votiert habe.
       Nachher hat  der "Débat"  in derselben Nummer eine ganz ordinäre,
       aus den verkommensten Abfällen der englischen Freetrade-Garküchen
       zusammengeraffte Rede des Herrn Le Hardy de Beaulieu.
       Und schließlich wird Cobden gefeiert. [321]
       Wird jemand  nach dieser  Darstellung des  "Débat social" bezwei-
       feln, daß die Assoziation für den Freihandel im Sinn des Ökonomi-
       sten-Kongresses, in  Sinne der bürgerlichen Freetrader mit großer
       Majorität votiert hat?

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