Quelle: MEW 5 März - November 1848


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       Die "Réforme" über die Juniinsurrektion
       
       ["Neue Rheinische Zeitung" Nr. 123 vom 22. Oktober 1848]
       * Paris.  Als die  "Neue Rheinische Zeitung" am 29. Juni mit Aus-
       nahme des englischen "Northern Star" das  e i n z i g e  europäi-
       sche Blatt war, welches den Mut und die Einsicht hatte, die Juni-
       revolution richtig  zu würdigen  1*), wurde  sie nicht widerlegt,
       sondern denunziert.
       Die Tatsachen  bestätigen nachträglich  unsere Auffassung  selbst
       für das  blödeste Auge,  soweit das Interesse nicht alle Sehkraft
       raubt.
       Damals blamierte  sich auch die  f r a n z ö s i s c h e  Presse.
       Die  entschiedenen   Pariser  Zeitungen  waren  unterdrückt.  Die
       "Réforme", das einzige radikale Journal, dem Cavaignac fortzuexi-
       stieren erlaubte, stotterte Entschuldigungen für die hochherzigen
       Junikämpfer und  bettelte bei dem Sieger um ein Almosen Humanität
       für die  Besiegten. Man hörte natürlich nicht auf den Bettler. Es
       bedurfte erst  des vollständigen  Verlaufs des Junisiegs, der mo-
       natlangen Diatriben  der nicht  von dem Belagerungszustand gefes-
       selten  Provinzialblätter,  der  augenfälligen  Auferstehung  der
       Thierspartei [157], um die "Réforme" zur Besinnung zu bringen.
       Bei Gelegenheit  des Amnestieprojekts  der äußersten Linken [346]
       bemerkt sie in ihrer Nummer vom 18. Oktober:
       
       "Das Volk,  als es von den Barrikaden stieg, bestrafte niemanden.
       Das Volk!  Damals war es der Herrscher, der Souverän, der Sieger;
       man küßte ihm die Füße, die Hände, man salutierte vor seinen Blu-
       sen, man akklamierte seinen edlen Gefühlen. Und mit Recht. Es war
       großmütig.
       Heute hat das Volk seine Kinder, seine Brüder in den Kerkern, auf
       den Galeeren  und vor  den Kriegsgerichten. Nachdem es die Geduld
       des Hungers  erschöpft hatte,  nachdem es  eine ganze Bevölkerung
       von Ehrsüchtigen, die es von der Straße aufgerafft, ruhig an sich
       hatte vorbeigehen und Paläste hinaufsteigen gesehn, nachdem es
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       1*) Siehe vorl. Band, S. 133-137
       
       #434# Karl Marx/Friedrich Engels - "Neue Rheinische Zeitung"
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       drei lange  Monate hindurch  der Republik Kredit geschenkt hatte,
       verlor es  eines Tages  den Kopf mitten zwischen seinen ausgehun-
       gerten Kindern  und seinen  hinsiechenden Vätern und stürzte sich
       in die Schlacht.
       Es hat teuer gezahlt. Seine Söhne sind unter den Kugeln gesunken,
       und diejenigen,  die übrigblieben,  teilte man in zwei Teile. Den
       einen warf  man den Kriegsgerichten vor, den ändern verpackte man
       zur Deportation,  ohne Untersuchung, ohne das Recht der Verteidi-
       gung, ohne  Urteil! Diese  Methode ist  jedem Lande fremd, selbst
       dem Lande der Kabylen.
       Nie während  ihrer zwanzigjährigen Dauer hatte die Monarchie ähn-
       liches gewagt.
       Damals kamen  die Journale,  die in  Dynastien  spekulieren,  be-
       rauscht von  dem Gerüche  der Leichname,  kühn und schnell bereit
       zum Insulte  gegen die  Toten" (vgl.  die "Kölnische Zeitung" vom
       29. Juni),  "spien sie alle Verleumdungen gehässiger Bosheit aus,
       vierteilten sie  das Volk  vor der  gerichtlichen Untersuchung in
       seiner Ehre,  und schleiften sie die Besiegten, Tote und Lebende,
       vor die  Ausnahmsgerichte; sie  denunzierten sie  der Raserei der
       Nationalgarden und des Heers, sie machten sich zu Mäklern 1*) des
       Henkers, zu Knechten des Prangers, Lakaien wahnsinniger Rachgelü-
       ste, erfanden  sie Verbrechen; sie vergifteten unsern Unstern und
       sie raffinierten die Beleidigung und die Lüge!" (Vgl. die "N[eue]
       Rh[einische]  Z[eitung]"  vom  1.  Juli  über  den  französischen
       "Constitutionnel", die  belgische "Indépendance"  und  die  "Köl-
       nische Zeitung" 2*).)
       "Der 'Constitutionnel' hielt offene Butik mit gräßlichen Verstüm-
       melungen und  unwürdigen Greueln.  Er wußte  sehr  wohl,  daß  er
       l o g,   aber das  paßte nun einmal in seinen Handel und in seine
       Politik, und,  Handelsmann und  Diplomat zugleich,  verkaufte  er
       'nach dem  Verbrechen', wie  man sonst  'nach der Elle' verkauft.
       Diese schöne Spekulation mußte einmal ein Ende nehmen. Die Wider-
       sprüche regneten:  nicht der  Name eines  einzigen Galeerensträf-
       lings auf  den Akten  der Kriegsgerichte,  auf den  Bulletins der
       Transportation. Es  gab kein Mittel mehr, die Verzweiflung herab-
       zuwürdigen, und  man schwieg,  nachdem man den Profit einkassiert
       hatte."
       
       Geschrieben von Karl Marx.
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       1*) veraltete Pluralform  für Makler  - 2*) siehe  vorl. Band, S.
       138-144

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