Quelle: MEW 5 März - November 1848
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Vorwort
Der fünfte Band der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels ent-
hält die von März bis November 1848 geschriebenen Arbeiten.
In den Jahren, die der Februarrevolution in Frankreich und der
Märzrevolution in Deutschland vorausgingen, arbeiteten Marx und
Engels die philosophischen Grundlagen des wissenschaftlichen
Kommunismus aus, stellten die Leitsätze des Marxismus über die
welthistorische Rolle des Proletariats und die Diktatur des Pro-
letariats auf und bestimmten die wichtigsten Prinzipien der Tak-
tik des revolutionären Kampfes der Arbeiterklasse.
Von besonderer Bedeutung in der revolutionären Periode der Jahre
1848/49 war die Ausarbeitung der politischen Ideen des Marxismus,
die Anwendung des historischen Materialismus bei der Analyse der
aktuellen politischen Ereignisse und die Festlegung der Taktik
des Proletariats in allen Etappen des revolutionären Kampfes. All
dies fand seine Widerspiegelung in den Schriften, die in den Bän-
den 5 und 6 der vorliegenden Ausgabe enthalten sind.
Der Band 5 beginnt mit den "Forderungen der Kommunistischen Par-
tei in Deutschland", dem von Marx und Engels ausgearbeiteten kon-
kreten Programm des Proletariats m der deutschen Revolution. Bei
der Aufstellung der "Forderungen" gingen die Begründer des Mar-
xismus von den historischen Hauptaufgaben der Revolution aus, von
deren Lösung das weitere Schicksal des deutschen Volkes abhing.
Der Hauptpunkt der "Forderungen" war die Schaffung einer einigen,
unteilbaren deutschen Republik. In der Beseitigung der ökonomi-
schen und politischen Zersplitterung des Landes, das damals aus
drei Dutzend großen, kleinen und kleinsten Staaten bestand, in
der Schaffung eines einheitlichen demokratischen Staates sahen
Marx und Engels die notwendige Voraussetzung für die weitere
fortschrittliche Entwicklung Deutschlands. Die Aufgabe, eine ei-
nige demokratische deutsche Republik zu schaffen, verband sich in
den "Forderungen" mit der zweiten entscheidenden
#VI# Vorwort
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Aufgabe der deutschen Revolution - mit der Abschaffung der feuda-
len Unterdrückung, der Befreiung der Bauernschaft von jeglichen
Feudallasten und der Beseitigung der ökonomischen Grundlage der
Herrschaft des reaktionären Adels.
Marx und Engels, die in der siegreichen bürgerlich-demokratischen
Revolution den Prolog zur proletarischen Revolution sahen, erwäh-
nen auch in den "Forderungen" eine Reihe von Übergangsmaßnahmen,
über deren Charakter im "Manifest der Kommunistischen Partei" ge-
sagt wurde, daß sie "im Lauf der Bewegung über sich selbst hin-
austreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktions-
weise unvermeidlich sind". Dazu gehören Maßnahmen, die den Feu-
dalbesitz in Staatseigentum umwandeln und auf diesen Ländereien
die landwirtschaftliche Produktion im großen organisieren, die
Bergwerke, Gruben und alle Transportmittel nationalisieren, allen
Arbeitern durch den Staat ihre Existenz garantieren und die Ar-
beitsunfähigen versorgen. Die Kraft, die durch entschlossenen und
energischen Kampf diese Forderungen verwirklichen könnte, sahen
Marx und Engels im deutschen Proletariat, im städtischen Klein-
bürgertum und im kleinen Bauernstand.
Die "Forderungen der Kommunistischen Partei in Deutschland" sind
das erste Musterbeispiel für die konkrete Anwendung der allgemei-
nen Grundsätze des "Manifestes der Kommunistischen Partei" auf
die Besonderheiten eines Landes, auf die Bedingungen der deut-
schen Revolution von 1848/49.
Der Band 5 enthält hauptsächlich die Artikel, die Karl Marx und
Friedrich Engels nach ihrer Rückkehr in ihre deutsche Heimat ge-
schrieben und vom 1. Juni bis 7.November 1848 in der "Neuen Rhei-
nischen Zeitung" veröffentlicht haben. Diese Artikel zeigen deut-
lich die unmittelbare Teilnahme von Marx und Engels am revolutio-
nären Kampf und ihre Taktik in der deutschen und europäischen Re-
volution.
Die von Marx und Engels gegründete "Neue Rheinische Zeitung" er-
schien als "Organ der Demokratie", "aber einer Demokratie, die
überall den spezifisch proletarischen Charakter im einzelnen her-
vorhob" (Engels). Dieser Standpunkt der Zeitung wurde von den hi-
storischen Besonderheiten der deutschen Revolution, von der Grup-
pierung der Klassenkräfte und dem Entwicklungsstand des deutschen
Proletariats bestimmt. Marx und Engels konnten nach ihrer Rück-
kehr in die Heimat keine praktischen Schritte zur Gründung einer
proletarischen Massenpartei unternehmen, da Deutschland wirt-
schaftlich und politisch rückständig und die deutschen Arbeiter
schwach und unorganisiert waren. Die 200 bis 300 Mitglieder des
Bundes der Kommunisten waren über das ganze Land verstreut und
nicht imstande, einen spürbaren Einfluß auf die breiten
Volksmassen auszuüben. Deshalb hielten
#VII# Vorwort
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Marx und Engels, denen jegliches Sektierertum fremd war, es für
notwendig, an dem äußersten linken Flügel der demokratischen Be-
wegung aufzutreten. Sie traten in die Kölner Demokratische Ge-
sellschaft ein und empfahlen ihren Anhängern die gleiche Taktik.
Marx und Engels waren der Ansicht, daß ein Bündnis mit den Demo-
kraten eine Kritik an den Fehlern und Illusionen der Führer der
kleinbürgerlichen Demokratie nicht ausschloß, sondern im Gegen-
teil voraussetzte. Ihr Bestreben ging dahin, die kleinbürgerli-
chen Demokraten zu entschlossenem Handeln zu drängen und die
Volksmassen für die Sache der Demokratie zu gewinnen. Gleichzei-
tig lenkten sie die Aufmerksamkeit ihrer Anhänger auf die Grün-
dung von Arbeitervereinen, auf die politische Erziehung des Pro-
letariats und auf die Schaffung von Voraussetzungen zur Bildung
einer proletarischen Massenpartei.
Diese Taktik, die auf die Mobilisierung aller demokratischen
Kräfte gerichtet war, verteidigten Marx und Engels gegenüber dem
Sektiererturn Gottschalks, der die Aufgaben des Proletariats in
der bürgerlichen Revolution nicht verstand und gegen ein Bündnis
mit den Demokraten auftrat. Marx und Engels verurteilten eben-
falls die opportunistische Taktik Borns, der den Kampf der Arbei-
terklasse auf enge zünftlerische und gewerkschaftliche Interessen
begrenzte und das Proletariat von den allgemeinen politischen
Aufgaben, die vor dem deutschen Volk standen, ablenkte.
Die "Neue Rheinische Zeitung", die als "Organ der Demokratie" er-
schien, vertrat alle fortschrittlichen Kräfte des deutschen Vol-
kes, in erster Linie die Interessen der entschlossensten und kon-
sequentesten Kämpferin für die Demokratie - der Arbeiterklasse.
Die Redaktion der "Neuen Rheinischen Zeitung" unter der Leitung
von Marx war der wirkliche Kampfstab des Proletariats.
Die Zeitung äußerte sich zu allen aktuellen Fragen der deutschen
und europäischen Revolution, nutzte meisterhaft die Methode der
politischen Entlarvung im Kampf gegen die feudale Reaktion und
die bürgerliche Konterrevolution und war Erzieher und Organisator
der Volksmassen.
Ihren großen Einfluß und ihre Popularität verdankte die Zeitung
in nicht geringem Maße ihren glänzenden journalistischen Qualitä-
ten: dem feurigen, kämpferischen Geist ihrer Artikel, ihrem prä-
gnanten Stil und dem vernichtenden Sarkasmus, mit dem sie die
Feinde der Revolution traf. Die "Neue Rheinische Zeitung" nimmt
mit Recht einen Ehrenplatz in der Geschichte der proletarischen
Presse ein.
Besonders deutlich trat der proletarische Charakter der "Neuen
Rheinischen Zeitung" in ihrem Verhältnis zum Juniaufstand der Pa-
riser Arbeiter zutage. Die "Neue Rheinische Zeitung" war die ein-
zige Zeitung in Deutschland
#VIII# Vorwort
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und fast in ganz Europa, die von Anfang an für die Aufständischen
entschieden Partei ergriff. Dem Juniaufstand widmete Engels eine
Artikelserie und eine Reihe von Notizen: "Details über den 23.
Juni", "Der 23. Juni", "Der 24. Juni", "Der 25. Juni", "Die
'Kölnische Zeitung' über die Junirevolution", "Die Junirevolution
(Der Verlauf des Aufstandes in Paris)". Marx feierte die Besieg-
ten in einem seiner gewaltigsten Artikel: "Die Junirevolution".
Diese während der Kampftage oder unmittelbar danach geschriebenen
Artikel atmen echte Begeisterung für das heldenhafte Ringen des
Pariser Proletariats und geben eine gründliche Analyse der Ursa-
chen des Juniaufstandes und seiner historischen Bedeutung.
Die Artikel über den Juniaufstand besitzen großen theoretischen
Wert. Bei der Behandlung der militärischen Seite des Juniaufstan-
des zieht Engels eine Reihe wichtiger Schlußfolgerungen über Cha-
rakter, Bedeutung und Methoden des Straßen- und Barrikadenkampfes
unter den konkreten historischen Bedingungen jener Zeit und legt
das Fundament für die marxistische Lehre über den bewaffneten
Aufstand. In dem Artikel "Die Junirevolution" zeigt Marx den
prinzipiellen Unterschied zwischen dem Juniaufstand und allen
vorangegangenen Revolutionen: Die Junischlacht war eine Revolu-
tion des Proletariats gegen die Bourgeoisie, ein Kampf der Arbeit
gegen das Kapital, eine selbständige Aktion des Proletariats zur
Verteidigung seiner Klasseninteressen. In der gleichen Arbeit
zieht Marx die wichtige theoretische Schlußfolgerung, daß der Ar-
beiterklasse die Form des bürgerlichen Staates nicht gleichgültig
ist, denn sie ist interessiert an einer solchen Staatsordnung,
die die günstigsten Bedingungen für die Entwicklung des proleta-
rischen Klassenkampfes schafft.
Marx und Engels führen in der "Neuen Rheinischen Zeitung" einen
unermüdlichen Kampf für die Lösung der Hauptaufgabe der deutschen
Revolution - die nationale Einigung des Landes. In solchen Arti-
keln wie "Programme der radikal-demokratischen Partei und der
Linken zu Frankfurt", "Die 'Zeitungs-Halle' über die Rheinprovinz
"und anderen treten Marx und Engels gegen die bürgerlichen Pläne
der Einigung Deutschlands unter der Hegemonie Preußens oder
Österreichs sowie gegen die kleinbürgerlichen Projekte der Schaf-
fung eines Föderativstaates nach Schweizer Muster auf. Marx und
Engels beweisen in ihren Publikationen, daß die ökonomische Iso-
lierung und die politische Zersplitterung Deutschlands und der
ganze noch erhaltene feudale Plunder nur nach der Schaffung eines
wirklich einigen und wahrhaft demokratischen Staates völlig be-
seitigt werden können. Die Begründer des Marxismus treten für die
Einigung Deutschlands "von unten" ein, die nur durch den revolu-
tionären Sturm der Volksmassen auf die überlebte
#IX# Vorwort
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absolutistische Ordnung der zum Deutschen Bund gehörenden Staa-
ten, m erster Linie Preußens und Österreichs, geschaffen werden
konnte. Im Zusammenhang damit heben Marx und Engels hervor, daß
die Einigung Deutschlands ein allgemein europäisches Problem ist
und nur erreicht werden kann im Kampf der revolutionären Kräfte
Europas gegen die herrschenden konterrevolutionären Klassen Eng-
lands und gegen den russischen Zarismus, der in jener Zeit das
Hauptbollwerk der europäischen Reaktion war. Im revolutionären
Krieg gegen den russischen Zarismus sahen Marx und Engels nicht
nur ein Mittel zur Verteidigung der Revolution, sondern auch eine
Bedingung für ihre weitere Entwicklung.
In den Artikeln "Die Berliner Debatte über die Revolution", "Die
Debatte über den Jacobyschen Antrag", "Die Unterdrückung der
Klubs in Stuttgart und Heidelberg" und anderen heben Marx und En-
gels bei der Analyse der unmittelbaren Ergebnisse der Märzrevolu-
tion 1848 in Deutschland deren halben Charakter hervor; das Volk
vermochte keinen entscheidenden Sieg über den Feudalismus zu er-
ringen, die politische Ordnung des Landes, der ganze Beamten- und
Polizeiapparat wurden nicht angetastet und die Volksmassen blie-
ben gegenüber der bewaffneten Konterrevolution ohne Waffen. Die
Ursache für diesen Verlauf der deutschen Revolution sahen die Be-
gründer des Marxismus in der Politik der an die Macht gelangten
liberalen Bourgeoisie, die - wie Marx später schrieb - "die Ruhe
mit der Knechtschaft der bloßen Aussicht des Kampfes mit der
Freiheit vorzog". Die deutsche Bourgeoisie, erschreckt durch den
revolutionären Kampf des französischen Proletariats und durch das
erwachte Klassenbewußtsein der deutschen Arbeiter, verriet die
Interessen des Volkes und schloß ein Bündnis mit der feudalen Re-
aktion. In den Artikeln, die sich mit den Debatten der preußi-
schen Nationalversammlung befassen und die Politik der Ministe-
rien Camphausen und Auerswald-Hansemann analysieren, treten Marx
und Engels entschieden gegen die "Vereinbarungstheorie" auf, die
von den Führern der liberalen preußischen Bourgeoisie zur Recht-
fertigung ihres Kompromisses mit den feudal-monarchistischen
Kräften aufgestellt wurde. Die Begründer des Marxismus setzen
dieser verräterischen Theorie die Idee der Volksherrschaft, die
Idee der Souveränität des revolutionären Volkes entgegen ("Die
Frankfurter Versammlung", "Programme der radikal-demokratischen
Partei und der Linken zu Frankfurt" u.a.). Die revolutionäre Dik-
tatur des Volkes betrachten sie als die notwendige Voraussetzung
für die siegreiche Vollendung der Revolution ("Die Krisis und die
Kontrerevolution"). W.I. Lenin wies bei der Analyse dieser äu-
ßerst wichtigen Thesen darauf hin, daß sie den Begriff der revo-
lutionär-demokratischen Diktatur enthalten.
#X# Vorwort
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In einer Reihe von Artikeln, die sich mit der Tätigkeit der ge-
samtdeutschen Nationalversammlung beschäftigen, sowie in einer
Artikelserie über die Debatten in der preußischen Nationalver-
sammlung üben Marx und Engels scharfe Kritik an diesen Vertre-
tungskörperschaften, die sich mit fruchtlosem Wortstreit beschäf-
tigten, anstatt die reale Macht in ihren Händen zu konzentrieren,
die reaktionären deutschen Regierungen zu beseitigen und der ver-
räterischen Politik der Großbourgeoisie ein Ende zu machen. Marx
und Engels kämpfen um die Schaffung wahrhafter Volksvertretungs-
organe in Deutschland, die als wirklicher Ausdruck des Volkswil-
lens mit dem Volk eng verbunden wären und in ihrer ganzen Tätig-
keit dessen Unterstützung fänden. Die Begründer des Marxismus he-
ben in ihren Artikeln hervor, daß die vom Volk gewählten Abgeord-
neten verpflichtet seien, über ihre Tätigkeit dem Volk Rechen-
schaft abzulegen und seinen Willen zu erfüllen. Sie verteidigen
das Recht des revolutionären Volkes, auf die Abgeordneten einen
Druck auszuüben und von ihnen wirksame revolutionäre Beschlüsse
zu verlangen ("Die Freiheit der Beratungen in Berlin" u.a.).
Aus der Erfahrung der ersten Monate der deutschen Revolution
schlußfolgern Marx und Engels, daß die Beseitigung aller alten
Verwaltungs-, Militär- und Gerichtsinstanzen, die radikale Säube-
rung des ganzen Staatsapparates unbedingte Voraussetzungen für
den Sieg der Volksrevolution sind ("Vereinbarungssitzung vom 4.
Juli").
Die beste Garantie für die Volkssouveränität sahen Marx und En-
gels in der Bewaffnung des Volkes. In einer Reihe von Artikeln
("Die Vereinbarungsversammlung vom 15. Juni", "Die Vereinbarungs-
sitzung vom 17. Juni", "Der Bürgerwehrgesetzentwurf" u. a.) tre-
ten sie für das Recht des Volkes auf Bewaffnung ein. Marx und En-
gels begrüßen den Versuch der Berliner Volksmassen, sich durch
den Sturm auf das Zeughaus im Juni 1848 Waffen zu verschaffen.
Die "Neue Rheinische Zeitung" charakterisiert diese Aktion als
eine auf halbem Wege steckengebliebene Revolution und verurteilt
die feige Haltung der Abgeordneten des linken Flügels der preußi-
schen Nationalversammlung, die es nicht wagten, sich offen auf
die Seite des Volkes zu stellen.
Marx und Engels betrachteten den revolutionären Kampf der Volks-
massen als notwendige Bedingung des Widerstandes gegen die Kon-
terrevolution und als entscheidenden Faktor zur Vollendung der
Revolution; sie verteidigten die Aufständischen von Frankfurt am
Main, die sich im September 1848 aus Protest gegen die Ratifika-
tion des schmachvollen Waffenstillstandes mit Dänemark durch die
Frankfurter Nationalversammlung erhoben. Gleichzeitig betonten
die Begründer des Marxismus wiederholt, daß
#XI# Vorwort
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der vorzeitige und unvorbereitete Aufstand nur zur Zerschlagung
der revolutionären Kräfte und zu einer noch größeren Aktivierung
der Konterrevolution führen kann. So rufen Marx und Engels in der
"Neuen Rheinischen Zeitung" die Kölner Arbeiter auf, sich nicht
von der preußischen Regierung provozieren zu lassen und ihre
Kräfte aufzusparen für den entscheidenden Kampf ("Köln in Ge-
fahr", "Die 'Kölnische Revolution'"). Dank der großen Aufklä-
rungsarbeit, die Marx und Engels sowie ihre Mitarbeiter in Köln
vollbrachten, gelang es, in den Septembertagen eine Zerschlagung
der demokratischen Kräfte der Rheinprovinz abzuwenden.
Eine der wichtigsten Bedingungen zur Erweiterung und Festigung
der demokratischen Front sahen die Begründer des Marxismus in der
Einbeziehung breiter Massen der Bauernschaft in den revolutio-
nären Kampf gegen die Überreste des Feudalismus. Eine Reihe der
im vorliegenden Band enthaltenen Artikel ("Patows Ablösungsdenk-
schrift", "Der Gesetzentwurf über die Aufhebung der Feudalla-
sten", "Debatte über die bisherige Ablösungsgesetzgebung") befas-
sen sich mit der Liquidierung der Feudalverhältnisse auf dem
Lande. Marx und Engels rufen die Bauern zum Kampf für die unver-
zügliche, restlose und unentgeltliche Aufhebung aller Feudalla-
sten auf, sie entlarven die Politik der preußischen Bourgeoisie,
die die Bauern, "ihre n a t ü r l i c h s t e n Bundesgenossen,
... ohne die sie machtlos ist gegenüber dem Adel", verriet. Marx
und Engels zeigen, daß die Ursache eines solchen Verhaltens der
preußischen Bourgeoisie zu den Forderungen der Bauern in ihrem
Bestreben lag, mit den reaktionären Kräften zu paktieren, weil
sie fürchtete, daß die Aufhebung des feudalen Eigentums auch
einen Angriff auf das bürgerliche Eigentum nach sich ziehen
könnte. Als Vertreter des Proletariats, der konsequent revolutio-
nären Klasse, unterstützten Marx und Engels eifrig die revolutio-
näre antifeudale Bewegung der Bauernschaft, in der sie eine der
wichtigsten Triebkräfte der bürgerlich-demokratischen Revolution
in Deutschland sahen.
Größte Aufmerksamkeit schenkten Marx und Engels dem Kampf der un-
terdrückten Völker für die nationale Befreiung. Sie begrüßten den
Aufschwung der nationalen Befreiungsbewegung der Polen, Tsche-
chen, Ungarn und Italiener, sie sahen in ihnen Bundesgenossen im
Kampf gegen die feudalabsolutistische Reaktion in Deutschland und
gegen die anderen Kräfte der europäischen Konterrevolution.
In den Artikeln "Auswärtige deutsche Politik", "Die auswärtige
deutsche Politik und die letzten Ereignisse zu Prag", "Der dä-
nisch-preußische Waffenstillstand" und anderen verteidigen Marx
und Engels konsequent die Idee einer wirklichen Freiheit und Brü-
derlichkeit der Völker und verurteilen
#XII# Vorwort
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scharf die deutsche Bourgeoisie, weil sie die frühere Unterdrüc-
kungspolitik der Hohenzollern und Habsburger gegenüber anderen
Völkern fortsetzte. In der Unterstützung des nationalen Befrei-
ungskampfes der unterdrückten Völker sahen Marx und Engels nicht
nur ein Mittel, die Fehler der Vergangenheit Deutschlands wieder-
gutzumachen, sondern auch eine notwendige Bedingung für die Zu-
kunft des deutschen Volkes als freie demokratische Nation.
"Deutschland macht sich in demselben Maß frei, worin es die Nach-
barvölker freiläßt" (Engels).
Die Begründer des Marxismus kämpften entschlossen und unversöhn-
lich für die Unabhängigkeit Polens, indem sie den Sieg der bür-
gerlich-demokratischen Revolution in Deutschland in unmittelbare
Verbindung mit der Unterstützung des polnischen Befreiungskampfes
brachten. In einer Artikelserie "Die Polendebatte in Frankfurt"
und in anderen in diesem Band enthaltenen Artikeln geißelt Fried-
rich Engels die Politik der preußischen Regierung, die den Auf-
stand zur nationalen Befreiung in Posen provozierte und nieder-
schlug, um dann unter dem Deckmantel einer "Reorganisation" einen
großen Teil Posens dem Deutschen Bund anzuschließen. Marx und En-
gels verurteilen scharf die Haltung der bürgerlichen Mehrheit in
der Frankfurter Nationalversammlung, die diese neue Teilung Po-
lens sanktionierte.
Die Begründer des Marxismus unterstützten den revolutionären
Kampf der Tschechen im Sommer 1848. In den Artikeln "Der Prager
Aufstand" und "Demokratischer Charakter des Aufstandes" unter-
streicht Friedrich Engels den Volkscharakter des Aufstandes in
Prag und zeigt, daß die Ursache für die Niederlage der nationalen
Befreiungsbewegung des tschechischen Volkes nicht nur das Ein-
greifen der österreichischen Konterrevolution ist, sondern auch
die verräterische Politik der deutschen liberalen Bourgeoisie,
die die Tschechen ins Lager der Reaktion stieß.
In dem Brief von Karl Marx an die Redaktion der italienischen
Zeitung "L'Alba" und in den Artikeln der "Neuen Rheinischen Zei-
tung", die den revolutionären Kampf in Italien analysieren, kommt
die Sympathie mit dem italienischen Volk, das für seine Freiheit
und Unabhängigkeit kämpfte, zum Ausdruck.
Das ganze Wirken von Marx und Engels im Jahre 1848 war erfüllt
von dem Kampfgeist des proletarischen Internationalismus. Das kam
zum Ausdruck in ihrem Verhältnis zum Juniaufstand der Pariser Ar-
beiter, in der Unterstützung der unterdrückten Völker im Kampf um
Freiheit und Unabhängigkeit, in der Solidarität mit den engli-
schen Chartisten. Die "Neue Rheinische Zeitung" verteidigt die
Chartisten vor den Angriffen der deutschen reaktionären Presse
("Die 'Neue Berliner Zeitung' über die Chartisten")
#XIII# Vorwort
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und bringt ihre Solidarität mit dem Organ der Chartisten, dem re-
volutionären "Northern Star", zum Ausdruck.
In einer Reihe von Artikeln geben Marx und Engels eine Analyse
vom Verlauf der Revolution in Frankreich. Aus diesen Artikeln
spricht die Erwartung eines neuen revolutionären Aufschwungs, in
dem das französische Proletariat die Hauptrolle spielen würde.
Die Begründer des Marxismus, die den Zusammenhang und das Kausal-
verhältnis zwischen den Revolutionen in den verschiedenen Ländern
hervorhoben, maßen dem Sieg der proletarischen Revolution in
Frankreich, der dem revolutionären Kampf der Volksmassen in ande-
ren Ländern Europas einen mächtigen Impuls geben mußte, entschei-
dende Bedeutung bei. Marx und Engels hofften, daß der Sieg des
französischen Proletariats die Vollendung der bürgerlich-demokra-
tischen Revolution in Deutschland und den Übergang zur proletari-
schen Revolution in diesem Lande erleichtern würde. Wie Engels
später bemerkte, kam darin eine gewisse Überschätzung der ökono-
mischen Entwicklung des europäischen Kontinents zum Ausdruck, die
damals bei weitem noch nicht eine solche Stufe erreicht hatte,
daß die Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise möglich
war.
Der letzte Teil des Bandes enthält Aufsätze, die m Verbindung mit
dem Oktoberaufstand in Wien geschrieben wurden. Marx und Engels
hoben die besondere Bedeutung dieses Aufstandes hervor, da von
seinem Ausgang entscheidend das Schicksal nicht nur der deut-
schen, sondern auch der europäischen Revolution abhing. Marx
nennt den Juniaufstand in Paris den ersten Akt und den Oktober-
aufstand in Wien den zweiten Akt des europäischen Dramas. Eine im
vorliegenden Band enthaltene Artikelreihe ("Revolution in Wien",
"Die 'Frankfurter Oberpostamts-Zeitung' und die Wiener Revolu-
tion", "Die Wiener Revolution und die 'Kölnische Zeitung'", "Die
neuesten Nachrichten aus Wien, Berlin und Paris", "Sieg der Kon-
trerevolution zu Wien") beschäftigt sich mit dem Verlauf des Wie-
ner Auf Standes. Marx analysiert die Ursachen der Niederlage des
Aufstandes und unterstreicht, daß die Hauptursache der Verrat der
Bourgeoisie war.
Aus dem handschriftlichen Nachlaß von Friedrich Engels wird der
Reisebericht "Von Paris nach Bern" veröffentlicht. In klarer und
anschaulicher Form schildert Engels hier die Eindrücke seiner
Wanderung durch Frankreich. Einen großen Raum nimmt in dem Reise-
bericht die Charakteristik der französischen Bauernschaft und ih-
rer Rolle in der Revolution ein. Engels weist auf die ablehnende
Haltung der französischen Bauern gegenüber der Revolution von
1848 hin und zeigt, daß hierzu die französische Bourgeoisie bei-
trug, indem sie demagogisch an den Besitzerinstmkt der Bauern
#XIV# Vorwort
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appellierte, mit ihrer Steuerpolitik die Interessen der Bauern
schmälerte und sie von der Revolution abstieß.
Die Artikel von Marx und Engels aus der "Neuen Rheinischen Zei-
tung" und ihre anderen in diesem Band enthaltenen Arbeiten lie-
fern wertvolles Material zum Verständnis der Taktik von Marx und
Engels in der Revolution 1848/49 sowie jener Schlußfolgerungen
und theoretischen Verallgemeinerungen, zu denen sie noch während
der Revolution auf Grund der überaus reichen Kampferfahrung der
Volksmassen in der stürmischen Revolutionsepoche kamen.
Die Beilagen enthalten eine Reihe von Dokumenten, die das viel-
fältige revolutionäre Wirken von Marx und Engels im Jahre 1848
und ihre unmittelbare Arbeit unter den breiten Volksmassen wider-
spiegeln. Hierzu gehören Dokumente, die Bezug nehmen auf das Wir-
ken des Bundes der Kommunisten, auf die Tätigkeit der Demokrati-
schen Gesellschaft und des Arbeitervereins in Köln, an deren Lei-
tung Marx und Engels beteiligt waren, sowie Zeitungsberichte über
Volksversammlungen, die Marx, Engels und ihre Kampfgefährten mit
organisiert und durchgeführt haben. Die Beilagen enthalten auch
eine Reihe von Materialien über gerichtliche und polizeiliche
Verfolgungen der Redakteure der "Neuen Rheinischen Zeitung", die
eine Vorstellung vermitteln, unter welch schwierigen Bedingungen,
bei ständiger Verfolgung durch die Regierung und Verleumdung
durch die "regierungstreue" Presse, Marx und Engels das Organ des
revolutionären Proletariats verteidigten.
Die Autorschaft der in der "Neuen Rheinischen Zeitung" erschie-
nenen Artikel von Karl Marx und Friedrich Engels ist sehr schwie-
rig festzustellen, da die Artikel nicht unterzeichnet sind, Aus-
sagen der Autoren selbst nur spärlich und handschriftliche Origi-
nale gar nicht vorhanden sind. Diese Schwierigkeit erklärt sich
auch dadurch, daß viele Artikel Spuren einer kollektiven Arbeit
beider Autoren tragen, eine Tatsache, die von Engels in einem
Brief an Schlüter vom 15. Mai 1885 durch folgende Worte bestätigt
wird: "Marx' und meine Sachen aus jener Zeit sind überhaupt fast
gar nicht zu trennen, wegen der planmäßigen Teilung der Arbeit."
In Fällen, wo unmöglich festzustellen war, wer von den beiden Au-
toren - Marx oder Engels - diesen oder jenen Artikel geschrieben
hat, fehlt der Hinweis auf den Verfasser.
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU
#XV# Vorwort
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Der Text des vorliegenden fünften Bandes der deutschen Ausgabe
wurde nach der "Neuen Rheinischen Zeitung" und nach Originalen
oder Photokopien überprüft. Bei jeder Arbeit ist die zum Abdruck
herangezogene Quelle vermerkt.
Die von Marx und Engels angeführten Zitate wurden ebenfalls über-
prüft, soweit die Originale zur Verfügung standen. Längere Zitate
werden zur leichteren Übersicht in kleinerem Druck gebracht.
Fremdsprachige Zitate und im Text vorkommende fremdsprachige Wör-
ter sind in Fußnoten übersetzt. Die Übersetzungen der fremdspra-
chigen Arbeiten wurden überprüft oder neu angefertigt.
Rechtschreibung und Zeichensetzung sind, soweit vertretbar, mo-
dernisiert. Der Lautstand der Wörter in den deutschsprachigen
Texten wurde nicht verändert. Alle in eckigen Klammern stehenden
Wörter und Wortteile stammen von der Redaktion; offensichtliche
Druck- oder Schreibfehler wurden stillschweigend korrigiert. In
Zweifelsfällen wurde in Fußnoten die Schreibweise des Originals
angeführt.
Fußnoten von Marx und Engels sind durch Sternchen gekennzeichnet,
Fußnoten der Redaktion durch eine durchgehende Linie vom Text ab-
getrennt und durch Ziffern kenntlich gemacht.
Zur Erläuterung ist der Band mit Anmerkungen versehen, auf die im
Text durch hochgestellte Zahlen in eckigen Klammern hingewiesen
wird; außerdem werden ein Personenverzeichnis, Daten über das Le-
ben und die Tätigkeit von Marx und Engels, ein Literaturverzeich-
nis, eine Erklärung der Fremdwörter sowie ein Verzeichnis der
Orte, die in der Landessprache eine andere Bezeichnung tragen,
beigefügt.
Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED
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