Quelle: MEW 9 März - Dezember 1853
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Karl Marx
Pfunde, Schillinge, Pennies: oder Klassenbudgets
und wer hat den Nutzen davon?
["The People's Paper" Nr. 51 vom 23. April 1853]
Gladstone hat sein Budget eingebracht. Gleich zwei Hähnen in ei-
ner Scheuer krähten der jetzige und der frühere 1*) Schatzkanzler
im Unterhaus aufeinander los, doch mit dem Unterschied, daß der
whiggistische Bantamhahn sich bei dem konservativen Truthahn ei-
nige Noten geborgt hatte. Wir analysierten vergangene Woche den
Teil des Gladstonèschen Finanzprojekts, der die Staatsschuld be-
trifft, und bewiesen, daß er nichts weiter ist als ein kläglicher
Versuch, sich aus der zur Debatte stehenden Frage herauszuwinden,
ein einfaches Mittel, Wucherer, Börsenjobber und Kaufleute zu-
friedenzustellen und ihnen ihre Geschäfte zu verbilligen und zu
erleichtern. 2*) Heute werden wir sehen, daß das Budget nichts
anderes ist als ein Klassenbudget, ein Budget der Bourgeoisie,
geschrieben mit der Feder eines Aristokraten. Wir wollen zunächst
einen ganz kurzen Überblick über diese beachtenswerte Angelegen-
heit geben.
I. Ü b e r d i e A u s g a b e n u n d E i n n a h m e n:
Der Kanzler konstatiert, daß die Staatsausgaben in diesem Jahr
die des Vorjahrs um 1 400 000 Pfd. St. übersteigert werden!! Das
ist eine recht vielversprechende Art, ein Budget der Finanzreform
zu inaugurieren. Die Ursachen für das Anwachsen der Ausgaben sind
nicht weniger ermutigend.
Zu ihnen gehört eine Vermehrung der Ausgaben für unsere Marine um
617 000 Pfd. St.; für Armee und Kommissariat um 90 000 Pfd. St.;
für das Feldzeugamt um 616 000 Pfd. St. und für die Miliz um
230 000 Pfd. St. Für den Schulunterricht aber, der das Rüstzeug
zur Aufklärung und zur Verteidigung des Wissens gibt, werden zu-
sätzlich nur 100 000 Pfd. St. bewilligt. Die Gesamtsumme
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1*) Disraeli - 2*) siehe vorl. Band, S. 43-48
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der Staatsausgaben wird für das laufende Jahr mit 52 183 000 Pfd.
St. festgelegt. Die Gesamtsumme der Einnahmen auf 52 990 000 Pfd.
St. Es ergibt sich also ein Überschuß von 807 000 Pfd. St., von
dem jedoch bereits 100 000 Pfd. St. für Ausgaben für die Post-
schiffe in Abrechnung kommen. Der ganze verfügbare Überschuß wird
insgesamt auf 500 000 Pfd. St. geschätzt.
Wir berühren nun
II. D a s F i n a n z p r o j e k t. Hier faßt der Kanzler
e r s t e n s die Einkommensteuer ins Auge und macht keinen Un-
terschied zwischen sicherem und unsicherem Einkommen. Er schlägt
vor, nach zwei Jahren die Steuer von 7 auf 6 Pence pro Pfund her-
abzusetzen, dann nach weiteren zwei Jahren von 6 auf 5 Pence für
die Dauer von drei Jahren - die Steuer auf Irland auszudehnen und
sie so herabzusetzen, daß sie auch Jahreseinkommen von 100 Pfd.
St. umfaßt. Davon, meint er, "werden die Reihen der Arbeiter
nicht berührt". Die Einkommen von 100 bis 150 Pfd. St. sollen
bloß 5 Pence pro Pfund zahlen. Das Ergebnis wird sein, daß die
Last der Reichen erleichtert und diese Erleichterung als neue
Last den weniger Reichen aufgebürdet wird. Der reiche Kaufmann
soll weniger bezahlen, dafür aber soll der arme Handelsmann jetzt
dort zu bezahlen haben, wo er früher direkt nichts bezahlte. Das
ist eine sonderbare Gerechtigkeit! Vier Jahre lang zahlt aller-
dings der Mann mit 100 Pfd. St. Einkommen um 2 Pence pro Pfund
weniger als der Mann mit einem Einkommen von 150 oder 150 000
Pfd. St. Nach Ablauf dieser Frist jedoch zahlen sie dasselbe, und
schon nach zwei Jahren kommt der Reiche in den Genuß einer Er-
mäßigung, die durch die Besteuerung der Ärmeren ermöglicht wird.
Unserer Auffassung einer Besteuerung würde es mehr entsprechen,
hätte man eine progressive Einkommensteuer eingeführt, bei der
der Prozentsatz mit dem Betrag des Einkommens stiege. Denn zehn-
tausendmal 5 Pence bedeuten für den Mann mit einem Jahreseinkom-
men von 10 000 Pfd. St. weniger als hundertmal 5 Pence für ein
Jahreseinkommen von 100 Pfd. St. Das ist die ganze Finanzkunst
der Whigs: eine glänzende Fassade, aber innerlich Stückwerk und
Flickwerk, ist sie nur darauf zugeschnitten, die Lasten der Rei-
chen langsam aber sicher zu erleichtern und die der Armen zu er-
schweren. Wahrhaft absurd aber ist es, zu behaupten, daß die Ein-
kommensteuer die Arbeiter nicht berühre. In unserer heutigen Ge-
sellschaftsordnung, wo sich Unternehmer und Arbeiter gegenüber-
stehen, hält sich die Bourgeoisie meist für eine höhere Besteue-
rung dadurch schadlos, daß sie die Löhne herabsetzt oder die
Preise erhöht.
Z w e i t e n s beschäftigt sich der Kanzler mit der Erbschafts-
steuer. Er erleichtert den Schwiegersöhnen und Schwiegertöchtern
die "Verwandten-Steuer, indem er sie - welch unendlich kleines
Almosen! - von 10% auf 7%
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herabsetzt und alle Arten von Eigentum in den Anwendungsbereich
der Steuer mit einbezieht; die Erbschaftssteuer auf das steuer-
pflichtige Eigentum - wird auf die Leibrente berechnet. Glad-
stone vermehrt dadurch die Steuereinnahmen des Landes um
2 000 000 Pfd. St. und rühmt sich; Handwerk und Industrie gegen
das Grundeigentum zu unterstützen. Dieser Punkt ist von prinzi-
pieller Bedeutung und stellt ein bedeutsames Zugeständnis dar,
das dem Monopol des Grundeigentums durch die industrielle und
kommerzielle Entwicklung abgerungen wird. Wir wiederholen: es
ist ein Zugeständnis, jedoch ein solches, das nicht nur leicht zu
umgehen ist, sondern dessen Umgehung von den grundbesitzenden Ge-
setzgebern aus der Finanzwelt möglicherweise von vornherein auch
geplant war.
D r i t t e n s sollen die Stempelgebühren für Quittungen aufge-
hoben werden, und das Aufkleben einer Pennypostmarke soll in Zu-
kunft für jede Quittung in beliebiger Höhe genügen. Eine Maß-
nahme, die - den Reichen - große Erleichterung bringt und von der
man erwartet, daß der vermehrte Gebrauch von Briefmarken ein Ge-
gengewicht für den Ausfall an Stempelsteuer bieten werde, eine
Maßnahme, von der aber die Arbeiterklasse wiederum keinen Nutzen
haben wird, denn sie schließt nur wenig Geschäfte in solcher Höhe
(5 Pfd. St.) ab, daß ein Stempel erforderlich wäre.
V i e r t e n s. Die Annoncensteuer wird von 1 sh. 6 d. auf 6 d.
herabgesetzt. Wieder ein Stück elenden Flickwerks. Es läßt sich
kein vernünftiger Grund dafür angeben, warum man bei den Sixpence
bleibt, wenn man doch den Schilling aufgibt, denn der schwerfäl-
lige und kostspielige Apparat zur Eintreibung der Sixpence wird
den Ertrag der Steuer aufzehren! Aber vielleicht besteht der
Grund dafür darin, daß man die Pöstchen und Anstellungen nicht
aufgeben will, die mit dem Einziehen dieser Steuer verknüpft
sind. Zeitungsbeilagen, die nur Annoncen enthalten, sollen von
den Gebühren befreit sein. Diese beiden Punkte sind eine Konzes-
sion an die Bourgeoisie - während die Beibehaltung des Zeitungs-
stempels der Ausbreitung einer demokratischen Erziehung nach wie
vor einen starken Damm entgegensetzt. "Die schon bestehenden Zei-
tungen", sagt der Schatzkanzler, "sollen gefördert werden, neue
und billigere aber sollen nicht herausgebracht werden."
F ü n f t e n s. Die Taxe auf Lebensversicherungen wird von 2
sh. 6 d. auf 6 d. herabgesetzt - noch ein Beweis von kleinlichem
Schachergeist; die auf Lehrlingsverträge soll rücksichtslos von 1
Pfd. St. auf 2 sh, 6 d., auf Anwaltszertifikate von 12 und 8 Pfd.
St. auf 9 und 6 Pfd. St. und auf Lehrkontrakte von Clerks von 120
auf 80 Pfd. St. herabgesetzt werden. Der erste und die beiden
letzten Posten sind wieder offenbare Erleichterungen für die
Bourgeoisie, bedeuten aber für die Armen nicht den Schatten einer
Wohltat. Die Annoncensteuer
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von 6 d., der Zeitungsstempel und die Papiersteuer werden beibe-
halten, damit die Steuer für Dienstboten, Hunde und Pferde zugun-
sten der Reichen herabgesetzt werden kann.
S e c h s t e n s. In Schottland und Irland soll ein Zuschlag
auf die Steuer für geistige Getränke gemacht werden, und die
Brenner sollen eine Entschädigung für den "Schwund" bekommen.
S i e b e n t e n s. Die Lizenzen für Händler sollen mehr ausge-
glichen werden (eine weitere Liebesgabe an die Bourgeoisie).
A c h t e n s. Die Taxen auf Seife und noch eine Reihe anderer
Dinge sollen überprüft werden. Der Teezoll soll bis 1854 von 2
sh. 2 1/4 d. auf 1 sh. 10 d., bis 1856 auf 1 sh. 3 d. und von da
an auf 1 sh. herabgesetzt werden.
Das ist in großen Umrissen das Budget der Whigs. Und nun fragen
wir unsere Leser, hat je die Ministerbank [74] eine erbärmlichere
Pfennigfuchserei ausgeheckt, um des Kanzlers eigenen Ausdruck zu
gebrauchen? Mag das Budget auch äußerlich annehmbar und einneh-
mend scheinen und einige bestechende Züge aufweisen, wo aber ist
sein wahrer Nutzen, wo bleibt die wahre Erleichterung, die es der
Arbeiterklasse Englands bringen soll? Die Herabsetzung der Taxen
auf Seife und Tee sind die einzigen Punkte, an die man sich hal-
ten kann; wie geringfügig aber ist die Erleichterung, die sie ge-
währen! Überall ist der Spielraum, über den hinaus die Arbeiter
hätten profitieren und Aristokratie und Bourgeoisie verlieren
können, genau bemessen und seine Überschreitung aufs ängstlichste
vermieden worden. Leichtgläubige werden sich möglicherweise durch
das Budget fangen lassen: "Herabsetzung der Annoncensteuer auf 6
d. und Abschaffung des Stempels für Zeitungsbeilagen!" Was aber
bringt das faktisch dem Volk ein? Nichts! "Pennyquittungs-
stempel!" Aber was soll das dem Lohnsklaven, der nur über
Hungerlöhne zu quittieren hat? Nichts, rein nichts! "Lebensversi-
cherungsstempel von 2 sh. 6 d. auf 6 d. herabgesetzt!" Was gibt
das dem, der für 6, 8 oder 10 sh. in der Woche schuftet und sein
Leben nicht gegen Manchesters entnervende Sklaverei versichern
kann, und selbst dem, der 1 Pfd. St. oder 30 sh. in der Woche
verdient? Nichts! Was hat der Arbeiter davon, daß Anwälte für
ihre Zertifikate von nun an 3 Pfd. St. weniger und Clerks für
ihre Lehrkontrakte von nun an 80 Pfd. St. statt der bisherigen
120 Pfd. St. zu zahlen haben? Was hat der Arbeiter davon, wenn
die Erbschaftssteuer in einem Punkt erleichtert wird, und deren
allgemeine Ausdehnung so leicht umgangen werden kann? Wird
dadurch ihre Bürde auch nur um ein Jota leichter? Was hat der
Arbeiter davon, daß man die Lizenzen für die Kleinhändler mehr
angleichen will, wenn sein Arbeitslohn nicht im Verhältnis zum
Gewinn des Krämers steht, der die Not des Arbeiters ausnutzt?
"Finanzreform
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war die Losung, unter der dieses Parlament gewählt und dieses Mi-
nisterium zusammenberufen wurde. Hier ist sie, die Reform der
Whigs, der Aristokraten und Geldmenschen. Etwas mußte geschehen,
einige kleine Konzessionen mußten gemacht werden - jetzt galt es
bloß, sie so klein zu machen, daß sie kaum wahrnehmbar waren, und
dem Finanzkünstler ist das wunderbar gelungen. Wir gebrauchen
Gladstones eigene Worte und eigene Erklärung, wenn wir von diesem
Budget sagen, daß es "nach den Wünschen der kommerziellen Klas-
sen" geschaffen wurde und dennoch nichts anderes ist als ein
Stück "pfennigfuchserische Gesetzgebung".
Geschrieben etwa am 20.April 1853.
Aus dem Englischen.
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