Quelle: MEW 12 April 1856 - Januar 1859


       zurück

       #320#
       -----
       Karl Marx
       
       Die Erschütterung des britischen Handels [271]
       
       ["New-York Daily Tribune" Nr. 5183 vom 30. November 1857]
       Die gewaltige  Erschütterung des britischen Handels hat im ganzen
       Verlauf ihrer  Entwicklung dem  Anschein nach  drei  klar  unter-
       scheidbare Formen gezeigt: die eines Drucks auf die Geld- und Wa-
       renmärkte Londons  und Liverpools, die einer Bankpanik in Schott-
       land und  die eines industriellen Zusammenbruchs in den Fabrikbe-
       zirken. Die Tatsachen sind in unserem Blatt am Freitag in Gestalt
       umfangreicher Auszüge  aus den  britischen  Zeitungen  weitläufig
       dargelegt worden,  doch ihre Bedeutung und ihre voraussichtlichen
       Folgen erfordern noch eine weitere Ausführung.
       Obwohl die Regierung, wie wir in einem früheren Artikel voraussa-
       hen 1*), schließlich gezwungen war, den Bankakt von 1844 aufzuhe-
       ben, tat  sie das  erst dann,  als die  Bank in dem Bemühen, sich
       selbst zu  retten, mutig eine Anzahl ihrer Kunden ruiniert hatte.
       Endlich aber,  am Abend  des 11. November, hielten die Leiter der
       Bank einen  Kriegsrat ab mit dem Ergebnis, die Regierung um Hilfe
       anzurufen, was mit der Aufhebung der Bestimmungen des Akts beant-
       wortet wurde.  Diese Regierungsverfügung  wird dem  Parlament so-
       gleich zur  Billigung vorgelegt werden, da diese Körperschaft für
       Ende des Monats zur Sitzung einberufen worden ist. Wie wir früher
       gezeigt haben,  muß sich die Aufhebung als eine relative Erleich-
       terung auswirken.  Sie beseitigt  eine künstliche  Geldknappheit,
       die der  Bankakt der  natürlichen Anspannung  des Geldmarktes  in
       Zeiten eines kommerziellen Rückschlags hinzufügt. [272]
       In der  vergeblichen Hoffnung,  die Gewalt der Strömung aufzuhal-
       ten, die alles mit sich riß, hatte die Bank im Verlauf der gegen-
       wärtigen Krise  fünfmal ihre Diskontorate erhöht. Am 8. des letz-
       ten Monats wurde der Satz auf
       -----
       1*) Siehe vorl. Band, S. 317
       
       #321# Die Erschütterung des britischen Handels
       -----
       6 Prozent  erhöht, am 12. auf 7 Prozent, am 22. auf 8 Prozent, am
       5. d.M. auf 9 Prozent und am 9. auf 10 Prozent. Die Schnelligkeit
       dieser Bewegung  zeigt einen  bemerkenswerten Gegensatz gegenüber
       derjenigen, die  die Krise  von 1847  begleitete. Damals  war der
       Mindestsatz der  Diskontorate im  April auf 5 Prozent erhöht wor-
       den, im  Juli auf  5 1/2 Prozent,  und am  23. Oktober auf seinen
       höchsten Punkt,  nämlich 8  Prozent, Von da an sank er am 20. No-
       vember auf 7 Prozent, am 4. Dezember auf 6 Prozent und am 25. De-
       zember auf  5 Prozent. Die fünf darauffolgenden Jahre bilden eine
       Zeit, in  der die  Rate beständig fiel, in der Tat so regelmäßig,
       als wäre sie von einer gleitenden Skala gelenkt worden. Hierdurch
       hatte sie  am 26.  Juni 1852 ihren tiefsten Punkt erreicht - näm-
       lich 2  Prozent. Die nächsten fünf Jahre, von 1852 bis 1857, wei-
       sen eine  entgegengesetzte Bewegung  auf. Am 8. Januar 1853 stand
       die Rate  auf 2 1/2 Prozent, am 1. Oktober 1853 betrug sie 5 Pro-
       zent, worauf  sie nach  vielen aufeinanderfolgenden Veränderungen
       endlich ihre  jetzige Höhe erreicht hat. Bisher haben die Schwan-
       kungen des  Zinsfußes während der zehnjährigen Periode, die jetzt
       beendet ist,  nur die  Erscheinungen gezeigt, die für die wieder-
       kehrenden Phasen des modernen Handels üblich sind. Kurz zusammen-
       gefaßt sind  diese Phasen:  äußerste Einschränkung des Kredits im
       Jahr der  Panik;  dieser  Einschränkung  folgt  eine  allmähliche
       Ausweitung, die  ihren Höhepunkt  erreicht, wenn  der Zinsfuß auf
       seinen tiefsten  Punkt fällt;  dann folgt wieder eine Bewegung in
       entgegengesetzter Richtung,  eine allmähliche  Kürzung, die ihren
       höchsten Punkt  erreicht, wenn  der Zinsfuß  auf sein Maximum ge-
       stiegen ist,  und schon hat erneut das Jahr der Panik eingesetzt.
       Doch bei  einer näheren Untersuchung wird man im zweiten Teil der
       gegenwärtigen Periode  einige Erscheinungen  entdecken,  die  sie
       allgemein von  allen vorhergegangenen  unterscheiden. Während der
       Prosperitätsjahre von 1844 bis 1847 schwankte der Zinsfuß in Lon-
       don zwischen  3 und  4 Prozent,  so daß  die ganze  Periode durch
       einen verhältnismäßig  wohlfeilen Kredit  gekennzeichnet war. Als
       am 10.  April 1847  der Zinsfuß  5 Prozent  erreichte, hatte  die
       Krise bereits  eingesetzt, und ihr allgemeiner Ausbruch wurde nur
       um wenige  Monate  durch  eine  Reihe  von  Kunstgriffen  hinaus-
       geschoben. Andererseits  ging der Zinsfuß, der am 6. Mai 1854 be-
       reits auf  5 1/2 Prozent angestiegen war, nacheinander wieder auf
       5 Prozent,  4 1/2 Prozent,  4 Prozent und 3 1/2 Prozent herunter,
       auf diesem  letzten Stand blieb er dann vom 16. Juni 1855 bis zum
       8. September  1855. Dann machte er wieder dieselben Veränderungen
       in entgegengesetzter  Richtung durch,  indem er  auf  4  Prozent,
       4 1/2 Prozent  und 5  Prozent anstieg, bis er im Oktober 1855 den
       gleichen Stand erreicht hatte, von dem er im Mai 1854 ausgegangen
       war, nämlich  5 1/2 Prozent.  Zwei Wochen  danach, am 20. Oktober
       1855, stieg er
       
       #322# Karl Marx
       -----
       für kurzfristige Wechsel auf 6 Prozent und für langfristige auf 7
       Prozent. Doch  wieder setzte  eine Gegenbewegung  ein. Im Verlauf
       des Jahres  1856 ging  der Zinsfuß  auf und nieder, bis er im Ok-
       tober 1856  erneut 6 und 7 Prozent erreicht hatte, die Werte, von
       denen er  im Oktober  des vergangenen  Jahres ausgegangen war. Am
       15. November 1856 stieg er auf 7 Prozent, aber mit unregelmäßigen
       und oft  unterbrochenen Abstiegsschwankungen, die ihn in drei Mo-
       naten bis  auf 5 1/2 Prozent herunterbrachten. Erst am 12.Oktober
       dieses Jahres,  als die  amerikanische Krise  begonnen hatte, auf
       England einzuwirken,  erlangte er  wieder die  ursprüngliche Höhe
       von 7  Prozent. Von  diesem Augenblick an war seine Aufwärtsbewe-
       gung schnell  und anhaltend,  und  führte  schließlich  zu  einer
       beinahe völligen Einstellung des Diskontogeschäfts.
       Mit anderen  Worten, in  der zweiten  Hälfte der Periode von 1848
       bis 1857 wurde die Unbeständigkeit des Zinsfußes in viel häufiger
       wiederkehrenden Abständen  intensiviert, und vom Oktober 1855 bis
       zum Oktober  1857 vergingen zwei Jahre, wo das Geld teuer war und
       die Schwankungen  des Zinsfußes  zwischen 5 1/2 und 7 Prozent la-
       gen. Gleichzeitig  gingen trotz dieses hohen Zinsfußes Produktion
       und Austausch  unvermindert mit  einer Geschwindigkeit voran, die
       man vorher  nicht für möglich gehalten. Einerseits kann man diese
       außergewöhnlichen Erscheinungen auf die zur rechten Zeit eintref-
       fenden Goldlieferungen aus Australien und den Vereinigten Staaten
       zurückführen, die  es der  Bank von  England  gestatteten,  ihren
       Griff von Zeit zu Zeit zu lockern, während es andererseits offen-
       sichtlich ist,  daß die  Krise schon  im Oktober 1855 fällig war,
       daß sie  durch eine Reihe von vorübergehenden Verzögerungenaufge-
       schobenwurde.unddaßdarumihrendgültiger Ausbruch  jede  zuvor  er-
       lebte Krise hinsichtlich der Stärke der Symptome wie auch des Um-
       fangs der Verbreitung übertreffen wird. Die merkwürdige Tatsache,
       daß der  Zinsfuß vom 20. Oktober 1855 in Höhe von 7 Prozent am 4.
       Oktober 1856  und am  12. Oktober  1857 wiederkehrte, würde diese
       Behauptung schon  weitgehend beweisen,  wenn wir  nicht  außerdem
       wüßten, daß  schon 1854  ein warnender Schock England geschüttelt
       hatte, und  daß auf  dem Festland  alle Symptome  der Panik  sich
       schon im  Oktober 1855 und 1856 wiederholt hatten. Wenn wir diese
       erschwerenden Umstände außer acht lassen, dann besitzt jedoch die
       Periode von  1848 bis  1857, insgesamt  gesehen, eine auffallende
       Ähnlichkeit mit der von 1826 bis 1836 und der von 1837 bis 1847.
       Zwar hat man uns erzählt, der britische Freihandel würde dies al-
       les ändern,  doch wenn nichts anderes bewiesen ist, so ist wenig-
       stens eins  klar - die Freihandelsdoktoren sind nichts weiter als
       Quacksalber. Wie in früheren
       
       #323# Die Erschütterung des britischen Handels
       -----
       Zeiten folgte  auf eine  Reihe von  guten Ernten  eine Reihe  von
       schlechten. Ungeachtet des allseligmachenden Freihandels haben in
       England von  1853 bis  1857 sogar  höhere Durchschnittspreise für
       Weizen und  alle anderen  Rohprodukte geherrscht als von 1820 bis
       1853; und  was noch  bemerkenswerter ist:  während die  Industrie
       trotz der  hohen Getreidepreise  einen  beispiellosen  Aufschwung
       nahm, hat sie jetzt, wie um jede mögliche Ausflucht zu durchkreu-
       zen, trotz  einer reichen Ernte einen beispiellosen Zusammenbruch
       erlitten.
       Unsere Leser  werden natürlich  verstehen, daß diese 10prozentige
       Diskontorate der  Bank von England lediglich eine nominelle Zins-
       rate ist, und daß die Zinsen, die in London wirklich auf erstran-
       gige Papiere  gezahlt werden, diese Ziffer bei weitem überschrei-
       ten.
       
       "Die Zinsraten,  die auf  dem  freien  Markt  gefordert  werden",
       schreibt die  "Daily News",  "liegen beträchtlich  über denen der
       Bank." "Selbst die Bank von England", schreibt der "Morning Chro-
       nicle", "diskontiert  nicht zum  Zinsfuß von 10 Prozent, sehr we-
       nige Fälle  ausgenommen, die  die Ausnahmen  und nicht  die Regel
       darstellen, während  draußen die  Forderungen bekanntlich von der
       angegebenen Notierung  abweichen." "Die Unmöglichkeit, auf zweit-
       und drittrangige Papiere zu beliebigen Bedingungen Geld zu erhal-
       ten", schreibt  der "Morning Herald", "richtet bereits gewaltigen
       Schaden an."  "Infolgedessen  geraten",  wie  "The  Globe"  [278]
       meint, "die Geschäfte ins Stocken; Firmen brechen zusammen, deren
       Aktiva die  Passiva überschreiten, und der Handel scheint sich in
       einer allgemeinen Revolution zu befinden."
       
       Teils durch  diesen Druck auf dem Geldmarkt, teils durch das Ein-
       strömen amerikanischer-  Waren sind  alle Artikel  auf dem Waren-
       markt im  Preis gesunken. Im Verlauf weniger Wochen ist Baumwolle
       in Liverpool um 20 bis 25 Prozent gefallen, Zucker um 25 Prozent,
       Getreide um 25Prozent, und Kaffee, Salpeter, Talg, Leder und der-
       gleichen sind ihnen unmittelbar gefolgt.
       
       "Es ist  fast unmöglich",  schreibt die  "Morning Post", "Wechsel
       diskontiert und  auf Waren  Darlehen zu  bekommen."  "In  Mincing
       Lane", schreibt der "Standard" [274], "ist der Handel völlig zer-
       rüttet. Es  ist nicht mehr möglich, irgendwelche Waren zu verkau-
       fen, es sei denn auf dem Wege des Tauschhandels, da Geld nicht in
       Betracht kommt."
       Dieses ganze  Unglück würde  jedoch die Bank von England nicht so
       bald auf  die Knie  gezwungen haben,  wenn nicht die Bankpanik in
       Schottland eingetreten  wäre. In Glasgow folgte auf den Zusammen-
       bruch der  Western Bank  der Zusammenbruch  der City  of  Glasgow
       Bank, was  wiederum einen  allgemeinen Run der Deponenten aus der
       Bourgeoisie und der Banknotenbesitzer aus den arbeitenden Klassen
       hervorrief, und schließlich in lärmenden
       
       #324# Karl Marx
       -----
       Tumulten endete,  die den  Bürgermeister von Glasgow sogar nötig-
       ten, die  Hilfe von Bajonetten in Anspruch zu nehmen. Die City of
       Glasgow Bank,  die die  Ehre hatte, von keiner geringeren Persön-
       lichkeit als  dem Herzog von Argyll geleitet zu werden, besaß ein
       eingezahltes Kapital  von einer Million Pfund Sterling, einen Re-
       servefonds von  90 595 Pfd. St. und sechsundneunzig im Lande ver-
       streute Zweigstellen.  Ihre genehmigten  Emissionen  betrugen  72
       Pfd. St.,  während die  der Western Bank of Scotland 225 292 Pfd.
       St. betrugen, was zusammengenommen 298 213 Pfd. St. oder fast ein
       Zehntel der  gesamten gesetzlich  zugelassenen Zirkulationsmittel
       von Schottland ergibt. Das Kapital dieser Banken war vor allem in
       kleinen Summen von der Landbevölkerung aufgebracht worden.
       Die schottische  Panik wirkte  natürlich auf die Bank von England
       zurück, und aus ihren Gewölben wurden 300 000 Pfd. St. am 11. No-
       vember und  600 000 bis  700 000 Pfd.  St.  am  12.November  nach
       Schottland überwiesen.  Auch wurden  andere Summen  zugunsten der
       irischen Banken aufgekündigt, während hohe Depositen von den eng-
       lischen Provinzialbanken eingezogen wurden, so daß sich das Bank-
       Department der Bank von England unmittelbar an den Rand des Bank-
       rotts getrieben  sah. Es  ist wahrscheinlich,  daß die  generelle
       Krise den beiden obengenannten schottischen Banken nur einen Vor-
       wand bot, einen schicklichen Abgang zu vollziehen, denn sie waren
       schon lange bis ins Innerste verrottet. Doch es bleibt die Tatsa-
       che, daß  das gepriesene schottische Banksystem, - das 1825/1826,
       1836/1837 und 1847 die Wirbelstürme überstand, die die englischen
       und irischen  Banken hinwegfegten,  - unter  der  Herrschaft  des
       Peelschen Bankakts,  die 1845 Schottland aufgezwungen worden war,
       zum ersten Mal einen allgemeinen Run erlebte; daß dort zum ersten
       Mal der  Ruf "Gold  gegen Papier"  zu hören war, und daß in Edin-
       burgh zum  ersten Mal  sogar Noten  der Bank  von England zurück-
       gewiesen wurden.  Die Vorstellung  der Verteidiger  des Peelschen
       Akts, daß  der Akt wenigstens die Konvertierbarkeit der im Umlauf
       befindlichen Noten  sichern würde,  wenn er  schon nicht imstande
       wäre, Geldkrisen  überhaupt abzuwehren,  ist nun  über den Haufen
       geworfen; die Banknotenbesitzer teilen das Schicksal der Deponen-
       ten.
       Der allgemeine  Zustand  der  britischen  Manufakturbezirke  kann
       nicht besser  beschrieben werden  als durch zwei Zeitungsauszüge,
       von denen  der eine  aus  einem  Handelszirkular  aus  Manchester
       stammt und  im "Economist"  abgedruckt wurde,  und der andere aus
       einem Privatbrief  aus Macclesfield  in der Londoner "Free Press"
       [275]. Nachdem  das Zirkular  aus Manchester  eine  vergleichende
       Aufstellung des  Baumwollhandels der  letzten  fünf  Jahre  gibt,
       fährt es wie folgt fort:
       
       #325# Die Erschütterung des britischen Handels
       -----
       "Die Preise sind in dieser Woche mit einer Teig für Tag zunehmen-
       den Beschleunigung  gefallen. Für  zahlreiche  Warenarten  können
       keine Preise  angegeben werden,  weil sie  keinen  Käufer  finden
       konnten, und  wo Preise angegeben werden, hängen sie im allgemei-
       nen mehr von der Position oder den Vorstellungen des Besitzers ab
       als von  der Nachfrage.  E s  g i b t  k e i n e  l a u f e n d e
       N a c h f r a g e.   Der Binnenhandel  hat  mehr  Vorräte  aufge-
       stapelt, als  man nach den Aussichten für den Winter zu verkaufen
       hoffen kann."  (Daß die  ausländischen Märkte  übersättigt worden
       sind, sagt  das Zirkular  natürlich nicht.)  "Kurzarbeit ist  nun
       allgemein als  Notwendigkeit eingeführt  worden; man schätzt, daß
       ihr Umfang  gegenwärtig   e i n  F ü n f t e l  d e r  g e s a m-
       t e n   P r o d u k t i o n   ü b e r s t e i g t.   Die Einwände
       gegen ihre  Einführung  werden  täglich  weniger,    u n d    e s
       w i r d  j e t z t  d a r ü b e r  d e b a t t i e r t,  o b  e s
       n i c h t   z w e c k d i e n l i c h   s e i,  d i e  F a b r i-
       k e n     l i e b e r     z e i t w e i l i g     g a n z     z u
       s c h l i e ß e n."
       
       Der Brief Schreiber aus Macclesfield berichtet uns:
       
       "Mindestens 5000  Personen, qualifizierte Handwerker und ihre Fa-
       milien, die  jeden Morgen  aufstehen und  nicht wissen, woher sie
       Nahrungsmittel nehmen  sollen to break their fast 1*), haben sich
       an die  Armenbehörde um  Unterstützung gewandt,  und da sie unter
       die Kategorie der körperlich gesunden Armen gehören, bleibt ihnen
       nur die  Alternative, entweder für etwa vier Pence pro Tag Steine
       zu brechen  oder ins Armenhaus zu gehen, wo sie wie Häftlinge be-
       handelt werden  und wo  ihnen ein minderwertiges und karges Essen
       durch ein  Loch in  der Wand gegeben wird; und was das Steinebre-
       chen angeht,  so ist  das für Menschen, deren Hände nur zur Bear-
       beitung feinsten  Materials, nämlich Seide, fähig sind, gleichbe-
       deutend mit völliger Verweigerung einer Hilfe."
       
       Was englische  Autoren als  einen Vorzug ihrer jetzigen Krise ge-
       genüber der von 1847 betrachten - daß es kein unumschränktes Feld
       der Spekulation  gibt, wie z. B. die Eisenbahnen, die ihr Kapital
       absorbieren -,  trifft auf  keinen Fall zu. Die Wahrheit ist, daß
       sich die  Engländer sehr  weitgehend an  Spekulationen im Ausland
       beteiligt haben, sowohl auf dem europäischen Festland als auch in
       Amerika, während  im Inland ihr überschüssiges Kapital hauptsäch-
       lich in  Fabriken investiert  worden ist, so daß die gegenwärtige
       Erschütterung mehr  denn je  den  Charakter  einer  industriellen
       Krise trägt  und daher  unmittelbar an die Wurzeln der nationalen
       Prosperität rührt.
       Auf dem  europäischen Festland  hat sich  die Seuche in der einen
       Richtung von  Schweden nach Italien und in der anderen von Madrid
       nach Pest  verbreitet. Hamburg, das den großen kommerziellen Mit-
       telpunkt der  Exporte und  Importe des  Zollvereins [276] und des
       allgemeinen Geldmarkts  von Norddeutschland  bildet, mußte natür-
       lich den ersten Schock aushalten. Was Frankreich betrifft, so hat
       die Bank  von Frankreich  ihre Diskontorate  auf  den  englischen
       Stand heraufgeschraubt; die Dekrete über das Verbot des Getreide-
       exports sind  widerrufen worden [277]; alle Pariser Blätter haben
       die vertrauliche
       -----
       1*) um das  Fasten zu  brechen; Wortspiel  mit  breakfast  (früh-
       stücken)
       
       #326# Karl Marx
       -----
       Warnung erhalten,  sich davor zu hüten, düstere Betrachtungen an-
       zustellen;  die  Edelmetallhändler  werden  durch  Gendarmen  ge-
       schreckt, und  Louis Bonaparte selbst läßt sich in einem ziemlich
       albernen Brief  herab, seine  Untertanen darüber  zu informieren,
       daß er  sich nicht auf einen finanziellen coup d'état vorbereitet
       fühle, und  daß folglich  "das Übel  nur in  der Einbildung  exi-
       stiere". [278]
       Geschrieben am 13. November 1857.
       
       Aus dem Englischen.

       zurück