Quelle: MEW 13 Januar 1859 - Februar 1860


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       ZWEITES KAPITEL
       
       Das Geld oder die einfache Zirkulation
       
       In einer  Parlamentsdebatte über  Sir Robert  Peels Bankakte  von
       1844 und  1845 [13]  bemerkte Gladstone,  die Liebe  selbst  habe
       nicht mehr  Menschen zu  Narren gemacht  als das Grübeln über das
       Wesen des Geldes. Er sprach von Briten zu Briten. Holländer dage-
       gen,  Leute,  die  Pettys  Zweifel  zum  Trotz  von  jeher  einen
       "himmlischen Witz" besaßen für die Geldspekulation, haben nie ih-
       ren Witz verloren in Spekulation über das Geld.
       Die Hauptschwierigkeit  in der Analyse des Geldes ist überwunden,
       sobald sein  Ursprung aus  der Ware  selbst begriffen  ist. Unter
       dieser Voraussetzung handelt es sich nur noch darum, seine eigen-
       tümlichen Formbestimmtheiten  rein aufzufassen,  was einigermaßen
       erschwert wird,  weil alle  bürgerlichen  Verhältnisse  vergoldet
       oder versilbert,  als Geldverhältnisse  erscheinen, und die Geld-
       form daher  einen unendlich  mannigfaltigen  Inhalt  zu  besitzen
       scheint, der ihr selbst fremd ist.
       In der  folgenden Untersuchung  ist festzuhalten, daß es sich nur
       um die  Formen des  Geldes handelt,  die unmittelbar aus dem Aus-
       tausch der Waren herauswachsen, nicht aber um seine, einer höhern
       Stufe des Produktionsprozesses angehörigen Formen, wie z. B. Kre-
       ditgeld. Der  Vereinfachung wegen  ist Gold überall als die Geld-
       ware unterstellt.
       
       1. Maß der Werte
       
       Der erste  Prozeß der  Zirkulation ist  sozusagen  theoretischer,
       vorbereitender Prozeß  für die  wirkliche Zirkulation. Die Waren,
       die als  Gebrauchswert existieren,  schaffen  sich  zunächst  die
       Form, worin  sie einander  ideell als  Tauschwert  e r s c h e i-
       n e n,   als bestimmte  Quanta vergegenständlichter    a l l g e-
       m e i n e r   Arbeitszeit. Der  erste notwendige  Akt dieses Pro-
       zesses ist,  wie wir  sahen, daß die Waren eine spezifische Ware,
       sage Gold, als unmittelbare
       
       #50# Karl Marx
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       Materiatur der  allgemeinen Arbeitszeit  oder allgemeines Äquiva-
       lent ausschließen.  Kehren wir  einen Augenblick zurück zur Form,
       in welcher die Waren Gold in Geld verwandeln.
       
       1 Tonne Eisen             = 2 Unzen Gold,
       1 Quarter Weizen          = 1 Unze Gold,
       1 Zentner Moccakaffee     = 1/4 Unze Gold,
       1 Zentner Pottasche       = 1/2 Unze Gold,
       1 Tonne brasilisches Holz = 1 1/2 Unzen Gold,
       Y Ware                    = X Unze Gold.
       
       In dieser Reihe von Gleichungen erscheinen Eisen, Weizen, Kaffee,
       Pottasche usw.  einander als  Materiatur  gleichförmiger  Arbeit,
       nämlich in  Gold materialisierter Arbeit, worin alle Besonderheit
       der in  ihren verschiedenen Gebrauchswerten dargestellten wirkli-
       chen Arbeiten  völlig ausgelöscht  ist. Als  Wert sind  sie iden-
       tisch, Materiatur    d e r s e l b e n  Arbeit oder  d i e s e l-
       b e   Materiatur der  Arbeit, Gold.  Als gleichförmige Materiatur
       derselben Arbeit  zeigen sie  nur   e i n e n  Unterschied, quan-
       titativen, oder  erscheinen als  verschiedene Wertgrößen, weil in
       ihren Gebrauchswerten   u n g l e i c h e   Arbeitszeit enthalten
       ist. Als  diese einzelnen  Waren verhalten  sie sich zugleich als
       Vergegenständlichung  der   allgemeinen  Arbeitszeit  zueinander,
       indem sie  sich zu  der allgemeinen  Arbeitszeit selbst als einer
       ausgeschlossenen Ware,  Gold, verhalten.  Dieselbe prozessierende
       Beziehung, wodurch  sie sich  füreinander  als  Tauschwerte  dar-
       stellen, stellt  die  im  Gold  enthaltene  Arbeitszeit  als  die
       allgemeine Arbeitszeit  dar, wovon  ein gegebenes Quantum sich in
       verschiedenen Quantis  Eisen, Weizen,  Kaffee etc.,  kurz in  den
       Gebrauchswerten aller  Waren ausdrückt  oder sich  unmittelbar in
       der unendlichen  Reihe der  Warenäquivalente entfaltet. Indem die
       Waren allseitig  ihre Tauschwerte in Gold ausdrücken, drückt Gold
       unmittelbar seinen Tauschwert in allen Waren aus. Indem die Waren
       sich selbst füreinander die Form des Tauschwerts geben, geben sie
       dem Gold die Form des allgemeinen Äquivalents oder Geldes.
       Weil alle  Waren ihre Tauschwerte in Gold messen, in dem Verhält-
       nis, worin  bestimmte Quantität Gold und bestimmte Quantität Ware
       gleich viel  Arbeitszeit enthalten,  wird das  Gold  zum    M a ß
       d e r  W e r t e,  und zunächst ist es nur durch diese Bestimmung
       als Maß der Werte, als welches sein eigener Wert sich unmittelbar
       in dem  Gesamtumkreis der Warenäquivalente mißt, daß es allgemei-
       nes Äquivalent  oder Geld  wird. Andrerseits  drückt sich nun der
       Tauschwert aller  Waren in  Gold aus.  Ein qualitatives  und  ein
       quantitatives Moment  sind in  diesem Ausdruck  zu unterscheiden.
       Der Tauschwert  der Ware  ist vorhanden  als Materiatur derselben
       gleichförmigen Arbeitszeit; die
       
       #51# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Wertgröße der  Ware ist erschöpfend dargestellt, denn in dem Ver-
       hältnis, worin  die Waren  dem Gold  gleichgesetzt sind, sind sie
       einander gleichgesetzt.  Einerseits  erscheint  der    a l l g e-
       m e i n e   Charakter der in ihnen enthaltenen Arbeitszeit, ande-
       rerseits die  Quantität derselben  in ihrem  goldenen Äquivalent.
       Der Tauschwert  der  Waren,  so  als  allgemeine  Äquivalenz  und
       zugleich als  Grad dieser  Äquivalenz in einer spezifischen Ware,
       oder in einer einzigen Gleichung der Waren mit einer spezifischen
       Ware ausgedrückt,  ist  P r e i s.  Der Preis ist die verwandelte
       Form,  worin  der  Tauschwert  der  Waren  innerhalb  des  Zirku-
       lationsprozesses  e r s c h e i n t.
       Durch denselben  Prozeß also,  wodurch die  Waren ihre  Werte als
       Goldpreise darstellen, stellen sie das Gold als Maß der Werte und
       daher als  Geld dar. Wenn sie allseitig ihre Werte in Silber oder
       Weizen oder Kupfer mäßen und daher als Silber-, Weizen- oder Kup-
       ferpreise darstellten,  würden Silber,  Weizen,  Kupfer  Maß  der
       Werte und damit allgemeines Äquivalent. Um in der Zirkulation als
       Preise zu  erscheinen, sind die Waren der Zirkulation als Tausch-
       werte vorausgesetzt.  Maß der  Werte wird das Gold nur, weil alle
       Waren ihren  Tauschwert in ihm schätzen. Die Allseitigkeit dieser
       prozessierenden Beziehung,  woraus allein  sein Charakter als Maß
       entspringt, setzt  aber voraus,  daß jede  einzelne Ware  sich in
       Gold mißt  im Verhältnis  der in  beiden enthaltenen Arbeitszeit,
       daß also  das wirkliche  Maß zwischen  Ware und  Gold die  Arbeit
       selbst ist, oder Ware und Gold durch den unmittelbaren Tauschhan-
       del einander  als Tauschwerte  gleichgesetzt  werden.  Wie  diese
       Gleichsetzung praktisch  vor sich  geht, kann nicht in der Sphäre
       der einfachen Zirkulation erörtert werden. So viel leuchtet indes
       ein, daß  in Gold und Silber produzierenden Ländern bestimmte Ar-
       beitszeit sich unmittelbar einem bestimmten Quantum Gold und Sil-
       ber einverleibt,  während in  Ländern, die  kein Gold  und Silber
       produzieren, dasselbe  Resultat auf  einem Um  weg erreicht wird,
       durch direkten  oder indirekten  Austausch der  Landeswaren, d.h.
       einer bestimmten Portion der nationalen Durchschnittsarbeit gegen
       bestimmtes  Quantum  der  in  Gold  und  Silber  materialisierten
       Arbeitszeit der  Minen besitzenden  Länder. Um  als Maß der Werte
       dienen zu  können, muß  Gold der Möglichkeit nach ein  v e r ä n-
       d e r l i c h e r   Wert sein,  weil es  nur als  Materiatur  der
       Arbeitszeit zum  Äquivalent anderer  Waren werden  kann, dieselbe
       Arbeitszeit aber  mit dem  Wechsel der Produktivkräfte der realen
       Arbeit  in   ungleichen  Volumen  derselben  Gebrauchswerte  sich
       verwirklicht. Wie bei der Darstellung des Tauschwertes jeder Ware
       im Gebrauchswert  einer andern  Ware ist  bei der Schätzung aller
       Waren in  Gold nur vorausgesetzt, daß das Gold in einem gegebenen
       Moment ein  gegebenes Quantum Arbeitszeit darstellt. In bezug auf
       seinen Wertwechsel gilt das früher entwickelte Gesetz der
       
       #52# Karl Marx
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       Tauschwerte. Bleibt  der Tauschwert der Waren unverändert, so ist
       ein allgemeines  Steigen ihrer  Goldpreise nur  möglich, wenn der
       Tauschwert des Goldes fällt. Bleibt der Tauschwert des Goldes un-
       verändert, so ist ein allgemeines Steigen der Goldpreise nur mög-
       lich, wenn  die Tauschwerte  aller Waren  steigen.  Umgekehrt  im
       Falle eines  allgemeinen  Sinkens  der  Warenpreise.  Fällt  oder
       steigt der Wert einer Unze Gold infolge eines Wechsels der zu ih-
       rer Produktion  erheischten Arbeitszeit,  so fällt oder steigt er
       g l e i c h  m ä ß i g   f ü r   a l l e    a n d e r n    Waren,
       stellt  also   nach  wie  vor  allen  gegenüber  Arbeitszeit  von
       g e g e b e n e r  Größe dar. Dieselben Tauschwerte schätzen sich
       nun in  größern oder  kleinern Goldquantis  als zuvor,  aber  sie
       schätzen sich  im Verhältnis  zu ihren  Wertgrößen, bewahren also
       dasselbe Wertverhältnis  zueinander.  Das  Verhältnis  von  2:4:8
       bleibt dasselbe als 1:2:4 oder 4:8:16. Die veränderte Goldquanti-
       tät, worin  sich die  Tauschwerte schätzen  mit wechselndem Gold-
       wert, verhindert  ebensowenig die Funktion des Goldes als Maß der
       Werte, wie der 15mal kleinere Wert des Silbers gegen Gold es ver-
       hindert, das letztere aus dieser Funktion zu verdrängen. Weil die
       Arbeitszeit das  Maß zwischen  Gold und Ware ist und das Gold nur
       Maß der  Werte wird, sofern alle Waren sich in ihm messen, ist es
       bloßer Schein  des Zirkulationsprozesses, als ob das Geld die Wa-
       ren kommensurabel mache. *) Es ist vielmehr nur die Kommensurabi-
       lität der Waren als vergegenständlichte Arbeitszeit, die das Gold
       zu Geld macht.
       Die reale Gestalt, worin die Waren in den Austauschprozeß eintre-
       ten, ist die ihrer Gebrauchswerte. Wirkliches allgemeines Äquiva-
       lent sollen sie erst
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       *) Aristoteles sieht  zwar ein,  daß der Tauschwert der Waren den
       Warenpreisen vorausgesetzt ist: "daß ... es den Tausch gab, bevor
       es das  Geld gegeben,  ist einleuchtend; denn es macht keinen Un-
       terschied, ob fünf Polster für ein Haus oder für soviel Geld, wie
       fünf Polster wert sind". Andrerseits, da die Waren erst im Preise
       die Form  des Tauschwerts  füreinander besitzen, läßt er sie kom-
       mensurabel werden  durch das  Geld. "Alles muß einen Preis haben;
       denn so  wird immer Austausch sein und folglich Gesellschaft. Das
       Geld macht, einem Maße gleich, in der Tat die Dinge kommensurabel
       (????????), um  sie dann  einander gleichzusetzen.  Denn es  gibt
       keine Gesellschaft  ohne Austausch, der Austausch kann nicht sein
       ohne die Gleichheit, die Gleichheit aber nicht ohne die Kommensu-
       rabilität. "Er  verhehlt sich  nicht, daß diese verschiedenen vom
       Gelde gemessenen  Dinge durchaus inkommensurable Größen sind. Was
       er sucht,  ist die  Einheit der Waren als Tauschwerte, die er als
       antiker Grieche nicht finden konnte. Er hilft sich aus der Verle-
       genheit, indem  er das  an und für sich Inkommensurable durch das
       Geld kommensurabel  werden läßt, soweit es für das praktische Be-
       dürfnis nötig  ist. "Es  ist zwar  in Wahrheit  unmöglich, daß so
       verschiedenartige Dinge kommensurabel seien, aber für das prakti-
       sche Bedürfnis  geschieht dies."  (Aristoteles,  "Ethica  Nicoma-
       chea", L. V, C. 8, edit. Bekkeri, Oxonii 1837.)
       
       #53# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       werden durch  ihre Entäußerung. Ihre Preisbestimmung ist ihre nur
       ideelle Verwandlung  in das allgemeine Äquivalent, eine Gleichung
       mit dem Gold, die noch zu realisieren bleibt. Weil aber die Waren
       in ihren  Preisen nur  ideell in  Gold oder  in nur vorgestelltes
       Gold verwandelt  sind, ihr  Geldsein von  ihrem reellen Sein noch
       nicht wirklich  getrennt ist,  ist das  Gold nur noch in ideelles
       Geld verwandelt, nur noch Maß der Werte, und bestimmte Goldquanta
       funktionieren in  der Tat nur noch als Namen für bestimmte Quanta
       Arbeitszeit. Von  der bestimmten Weise, worin die Waren füreinan-
       der ihren  eignen Tauschwert darstellen, hängt jedesmal die Form-
       bestimmtheit ab, worin das Gold sich als Geld kristallisiert.
       Die Waren treten sich jetzt als Doppelexistenzen gegenüber, wirk-
       lich als  Gebrauchswerte, ideell  als Tauschwerte. Die Doppelform
       der Arbeit, die in ihnen enthalten ist, stellen sie jetzt fürein-
       ander dar, indem die besondere reale Arbeit als ihr Gebrauchswert
       wirklich da  ist, während die allgemeine abstrakte Arbeitszeit in
       ihrem Preise ein vorgestelltes Dasein erhält, worin sie gleichmä-
       ßige und  nur quantitativ verschiedene Materiatur derselben Wert-
       substanz sind.
       Der Unterschied von Tauschwert und Preis erscheint einerseits als
       ein nur nomineller, wie Adam Smith sagt, daß die Arbeit der Real-
       preis, das  Geld der  Nominalpreis der Waren ist. Statt 1 Quarter
       Weizen in 30 Arbeitstagen zu schätzen, wird er jetzt geschätzt in
       1 Unze  Gold, wenn eine Unze Gold das Produkt von 30 Arbeitstagen
       ist. Andrerseits ist der Unterschied so wenig bloßer Namensunter-
       schied, daß  in ihm  vielmehr alle  Ungewitter, die  der Ware  im
       wirklichen  Zirkulationsprozeß   drohen,  konzentriert  sind.  30
       Arbeitstage sind  im Quarter  Weizen enthalten  und er  ist daher
       nicht erst  in Arbeitszeit darzustellen. Aber Gold ist vom Weizen
       verschiedene Ware, und nur in der Zirkulation kann sich bewähren,
       ob der  Quarter Weizen wirklich zur Unze Gold wird, wie in seinem
       Preis antizipiert  ist. Es  hängt dies davon ab, ob oder ob nicht
       er sich als Gebrauchswert, ob oder ob nicht das in ihm enthaltene
       Quantum  Arbeitszeit  sich  als  das  von  der  Gesellschaft  zur
       Produktion eines  Quarters Weizen  notwendig  erheischte  Quantum
       Arbeitszeit bewährt.  Die Ware als solche  i s t  Tauschwert, sie
       h a t   einen Preis.  In diesem  Unterschied von  Tauschwert  und
       Preis erscheint  es, daß  die in  der Ware  enthaltene  besondere
       individuelle Arbeit erst durch den Prozeß der Entäußerung als ihr
       Gegenteil, individualitätslose,  abstrakt allgemeine  und nur  in
       dieser  Form  gesellschaftliche  Arbeit,  d.h.  Geld  dargestellt
       werden muß.  Es erscheint  zufällig, ob  sie  dieser  Darstellung
       fähig ist oder nicht. Obgleich daher im Preise der Tauschwert der
       Ware nur  ideell von  ihr unterschiedene  Existenz erhält und das
       Doppeldasein  der   in  ihr   enthaltenen  Arbeit  nur  noch  als
       verschiedene
       
       #54# Karl Marx
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       Ausdrucksweise existiert,  andrerseits daher  die Materiatur  der
       allgemeinen Arbeitszeit,  das Gold,  nur noch  als  vorgestelltes
       Wertmaß der  wirklichen Ware  gegenübertritt, ist  im Dasein  des
       Tauschwerts als  Preis oder des Goldes als Wertmaß die Notwendig-
       keit der Entäußerung der Ware gegen klingendes Gold, die Möglich-
       keit ihrer  Nichtveräußerung, kurz  der ganze  Widerspruch latent
       enthalten, der  daraus hervorgeht, daß das Produkt Ware ist, oder
       daß die  besondere Arbeit des Privatindividuums, um gesellschaft-
       liche Wirkung zu haben, sich als ihr unmittelbares Gegenteil, als
       abstrakt allgemeine Arbeit darstellen muß. Die Utopisten, die die
       Ware wollen,  aber nicht  das Geld, auf Privataustausch beruhende
       Produktion ohne  die notwendigen  Bedingungen dieser  Produktion,
       sind daher  konsequent, wenn  sie das  Geld nicht  erst in seiner
       greifbaren Form, sondern schon in der gasartigen und hirngewebten
       Form als  Maß der  Werte "vernichten".  Im unsichtbaren  Maß  der
       Werte lauert das harte Geld.
       Den Prozeß  vorausgesetzt, wodurch das Gold zum Maß der Werte und
       der Tauschwert  zum Preis  geworden ist, sind alle Waren in ihren
       Preisen nur noch vorgestellte Goldquanta von verschiedener Größe.
       Als solche verschiedene Quanta desselben Dings, des Goldes, glei-
       chen, vergleichen  und messen  sie sich untereinander und so ent-
       wickelt sich  technisch die Notwendigkeit, sie auf ein bestimmtes
       Quantum Gold  als   M a ß e i n h e i t   zu beziehen,  eine Maß-
       einheit, die  dadurch zum  Maßstab fortentwickelt  wird, daß  sie
       sich in  aliquote Teile  und diese sich ihrerseits wieder in ali-
       quote Teile  abteilen. *)  Goldquanta als solche aber messen sich
       durch Gewicht.  Der Maßstab  findet sich also schon fertig vor in
       den allgemeinen Gewichtsmaßen der Metalle, die bei aller metalli-
       schen Zirkulation  daher auch ursprünglich als Maßstab der Preise
       dienen. Indem die Waren sich nicht mehr als durch die Arbeitszeit
       zu messende  Tauschwerte, sondern als in Gold gemessene gleichna-
       mige Größen  aufeinander beziehen,  verwandelt sich  das Gold aus
       d e m   M a ß   d e r   W e r t e   in den   M a ß s t a b  d e r
       P r e i s e.   Die Vergleichung  der Warenpreise  unter sich  als
       verschiedene Goldquanta  kristallisiert sich so in den Figuratio-
       nen, die  in ein  gedachtes Goldquantum eingeschrieben werden und
       es als  Maßstab von aliquoten Teilen darstellen. Das Gold als Maß
       der Werte und als Maßstab
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       *) Die Sonderbarkeit, daß die Unze Gold in England als Maßeinheit
       des Geldes  in nicht  aliquote Teile  abgeteilt ist, erklärt sich
       wie folgt:  "Unser Münzwesen  war ursprünglich nur der Verwendung
       von Silber  angepaßt -  daher kann eine Unze Silber immer in eine
       bestimmte aliquote Anzahl von Geldstücken geteilt werden; da aber
       Gold erst in einer spätem Zeit in ein Münzwesen eingeführt wurde,
       das nur  dem Silber  angepaßt war,  kann eine  Unze Gold nicht in
       eine aliquote  Anzahl von  Münzen ausgeprägt  werden." (Maclaren,
       "History of the currency", p. 16, London 1858.)
       
       #55# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       der Preise  besitzt ganz  verschiedene Formbestimmtheit,  und die
       Verwechslung der  einen mit  der andern hat die tollsten Theorien
       hervorgerufen. Maß der Werte ist das Gold als vergegenständlichte
       Arbeitszeit, Maßstab der Preise ist es als ein bestimmtes Metall-
       gewicht. Maß der Werte wird das Gold, indem es als Tauschwert auf
       die Waren als Tauschwert bezogen ist, im Maßstab der Preise dient
       ein bestimmtes  Quantum Gold  andern Quantis  Gold  als  Einheit.
       Wertmaß ist  das Gold,  weil sein  Wert veränderlich ist, Maßstab
       der Preise,  weil es  als unveränderliche Gewichtseinheit fixiert
       wird. Hier,  wie in  allen Maßbestimmungen  gleichnamiger  Größen
       wird Festigkeit  und Bestimmtheit  der Maßverhältnisse  entschei-
       dend. Die Notwendigkeit, ein Quantum Gold als Maßeinheit und ali-
       quote Teile als Unterabteilungen dieser Einheit festzusetzen, hat
       die Vorstellung  erzeugt, als  ob ein bestimmtes Goldquantum, das
       natürlich veränderlichen Wert hat, in ein fixes Wertverhältnis zu
       den Tauschwerten  der Waren  gesetzt würde,  wobei nur  übersehen
       ward, daß die Tauschwerte der Waren in Preise, in Goldquanta ver-
       wandelt sind,  bevor sich das Gold als Maßstab der Preise entwic-
       kelt. Wie  auch der  Goldwert  wechsle,  verschiedene  Goldquanta
       stellen gegeneinander  stets dasselbe  Wertverhältnis dar.  Fiele
       der Goldwert um 1000%, so würden nach wie vor 12 Unzen Gold einen
       12 mal größern Wert besitzen als eine Unze Gold, und in den Prei-
       sen handelt  es sich  nur um  das Verhältnis  verschiedener Gold-
       quanta zueinander.  Da andrerseits  eine Unze Gold mit dem Fallen
       oder Steigen ihres Werts keineswegs ihr Gewicht verändert, verän-
       dert sich  ebensowenig das  ihrer aliquoten Teile, und so tut das
       Gold als fixer Maßstab der Preise stets denselben Dienst, wie im-
       mer sein Wert wechsle. *)
       Ein historischer  Prozeß, den wir später aus der Natur der metal-
       lischen Zirkulation  erklären werden,  brachte es  mit sich,  daß
       derselbe Gewichtsname  für ein  stets wechselndes und abnehmendes
       Gewicht edler  Metalle in  ihrer Funktion  als Maßstab der Preise
       beibehalten wurde. So bezeichnet das englische
       ---
       *) "Geld kann  beständig im Wert schwanken und doch ebensogut ein
       Maß des Wertes sein, als wenn es völlig unverändert bliebe. Ange-
       nommen z.B.,  es sei  im Wert  vermindert... Vor der Verminderung
       würde eine  Guinee drei Bushels Weizen kaufen oder die Arbeit von
       6 Tagen;  später würde  sie nur  2 Bushels Weizen kaufen oder die
       Arbeit von 4 Tagen. In beiden Fällen, die Verhältnisse von Weizen
       und Arbeit  zu Geld  gegeben, kann deren gegenseitiges Verhältnis
       abgeleitet werden;  mit andern  Worten, wir können ermitteln, daß
       ein Bushel  Weizen 2  Arbeitstage wert  ist. Das  ist alles,  was
       Wertmessen einschließt  und wird  nach  der  Verminderung  ebenso
       glatt besorgt wie vorher. Die Auszeichnung eines Dinges als Wert-
       maß ist  gänzlich unabhängig von der Veränderlichkeit seines eig-
       nen Werts." (p. 9, 10. Bailey, "Money and its vicissitudes", Lon-
       don 1837.)
       
       #56# Karl Marx
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       Pfund weniger als ein Drittel seines ursprünglichen Gewichts, das
       schottische Pfund vor der Union [14] nur noch 1/36, der französi-
       sche Livre  1/74, der  spanische Maravedi weniger als 1/1000, der
       portugiesische Rei  eine noch viel kleinere Proportion. So schie-
       den sich  historisch die  Geldnamen der  Metallgewichte von ihren
       allgemeinen Gewichtsnamen.  *) Da  die Bestimmung der Maßeinheit,
       ihrer aliquoten  Teile und deren Namen einerseits rein konventio-
       nell ist,  andererseits innerhalb  der Zirkulation  den Charakter
       der Allgemeinheit  und Notwendigkeit  besitzen  soll,  mußte  sie
       g e s e t z l i c h e   Bestimmung werden. Die rein formelle Ope-
       ration fiel  also den  Regierungen anheim.  **) Das bestimmte Me-
       tall, das als Material des Geldes diente, war gesellschaftlich
       ---
       *) "Die Münzen,  deren Name  heute nur  noch ideell ist, sind bei
       allen Völkern  die ältesten;  aber alle waren eine Zeitlang real"
       (letzteres in  dieser Ausdehnung  unrichtig), "und  eben weil sie
       real waren,  hat man  mit ihnen  gerechnet." (Galiani, "Deila Mo-
       neta", l.c. p. 153.)
       **) Der romantische  A. Müller  sagt: "Nach unseren Vorstellungen
       hat jeder  unabhängige Souverän  das Recht, das Metallgeld zu er-
       nennen, ihm einen gesellschaftlichen Nominalwert, Rang, Stand und
       Titel beizulegen."  (p. 288,  Band II. A.H. Müller, "Die Elemente
       der Staatskunst",  Berlin 1809.)  Was den  Titel angeht,  hat der
       Herr Hofrat  recht; er  vergißt nur den  G e h a l t.  Wie konfus
       seine "Vorstellungen"  waren,  zeigt  sich  z.  B.  in  folgender
       Stelle: "Jedermann  sieht ein,  wieviel auf  die wahre Bestimmung
       des Münzpreises  ankommt, vorzüglich  in einem Lande wie England,
       wo die  Regierung mit   g r o ß a r t i g e r    L i b e r a l i-
       t ä t   unentgeltlich münzt" (Herr Müller scheint zu glauben, daß
       das  englische  Regierungspersonal  die  Münzkosten  aus  eigener
       Privattasche bestreitet), "wo sie keinen Schlagschatz nimmt usw.,
       und also,  wenn diese den Münzpreis des Goldes beträchtlich höher
       ansetzte als den Marktpreis, wenn sie anstatt I Unze Goldes jetzt
       mit 3  Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d. zu zahlen, 3 Pfd. St. 19 sh. als
       den Münzpreis  einer Unze  Goldes ansetzte,  alles Geld  nach der
       Münze strömen, das dort erhaltene Silber auf dem Markte gegen das
       hier wohlfeilere  Gold umgesetzt,  und so  aufs  neue  der  Münze
       zugebracht und  das Münzwesen  in Unordnung  geraten würde."  (p.
       280, 281  l.c.) Um  die  Ordnung  auf  der  englischen  Münze  zu
       erhalten, versetzt  Müller sich  in "Unordnung". Während Shilling
       und  Pence   bloß  Namen,  durch  Silber-  und  Kupfermarken  re-
       präsentierte Namen  bestimmter Teile einer Unze Gold sind, bildet
       er sich ein, die Unze Gold sei geschätzt in Gold, Silber und Kup-
       fer, und  beglückt so die Engländer mit einem dreifachen standard
       of value  1*). Silber  als Geldmaß neben dem Gold wurde zwar erst
       formell abgeschafft  im Jahre  1816 durch  56 George  III. c.  68
       2*). Gesetzlich  war es  der Sache  nach schon  abgeschafft  1734
       durch 14 George II. c. 42, und noch viel früher durch die Praxis.
       Es waren  zwei Umstände,  die A.  Müller speziell  zu  einer  so-
       genannten  h ö h e r n  Auffassung der politischen Ökonomie befä-
       higten. Einerseits seine
       -----
       1*) einer dreifachen  Währung - 2*) 68. Gesetz aus dem 56. Regie-
       rungsjahr Georgs III.
       
       #57# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       gegeben. In verschiedenen Ländern ist der gesetzliche Maßstab der
       Preise natürlich  verschieden. In  England z.B. wird die Unze als
       Metallgewicht eingeteilt in Pennyweights, Grains und Carats Troy,
       aber die Unze Gold als Maßeinheit des Geldes in 3 7/8 Sovereigns,
       der Sovereign  in 20  Shillinge, der Shilling in 12 Pence, so daß
       100 Pfund  22karätiges Gold  (1200 Unzen)  gleich 4672 Sovereigns
       und 10 Shilling. In dem Weltmarkt jedoch, worin die Landesgrenzen
       verschwinden, verschwinden  diese nationalen Charaktere der Geld-
       maße wieder  und weichen  den allgemeinen  Gewichtsmaßen der  Me-
       talle.
       Der Preis  einer Ware oder das Goldquantum, worin sie ideell ver-
       wandelt ist,  drückt sich  jetzt also  aus in  den Geldnamen  des
       Goldmaßstabs. Statt  also zu sagen, der Quarter Weizen ist gleich
       einer Unze Gold, würde man in England sagen, er ist gleich 3 Pfd.
       St. 17 sh. 10 1/2 d. Alle Preise drücken sich so gleichnamig aus.
       Die eigentümliche Form, die die Waren ihrem Tauschwert geben, ist
       verwandelt in   G e l d n a m e n,  worin sie einander sagen, was
       sie wert  sind. Das  Geld 1*)  seinerseits wird zum  R e c h e n-
       g e l d. *)
       Die Verwandlung  der Ware in Rechengeld im Kopfe, auf dem Papier,
       in der Sprache, geht jedesmal vor sich, sobald irgendeine Art des
       Reichtums unter  dem Gesichtspunkt  des Tauschwerts fixiert wird.
       **) Zu dieser Verwandlung ist das Material des Goldes nötig, aber
       nur als  vorgestelltes. Um  den Wert von 1000 Ballen Baumwolle in
       einer bestimmten  Anzahl von Unzen Gold zu schätzen und diese An-
       zahl Unzen  selbst wieder  in den  Rechennamen der  Unze, in Pfd.
       St., sh.,  d., auszudrücken, wird kein Atom wirklichen Goldes ge-
       braucht. So  zirkulierte in Schottland vor dem Bankakt Sir Robert
       Peels von  1845 keine Unze Gold, obgleich die Unze Gold, und zwar
       ausgedrückt als  englischer Rechenmaßstab  in 3  Pfd. St.  17 sh.
       10 1/2 d. zum gesetzlichen Maß der Preise diente. So dient Silber
       als Maß  der Preise  in dem  Warenaustausch zwischen Sibirien und
       China, obgleich der Handel in der
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       ausgebreitete Unbekanntschaft mit ökonomischen Tatsachen, andrer-
       seits sein  bloß dilettantisches Schwärmereiverhältnis zur Philo-
       sophie.
       *) "Als man  den Anarcharsis  fragte, wozu  die Hellenen das Geld
       brauchen,    antwortete    er:    zum    Rechnen."    (Athenaeus,
       "Deipnosophistai", L.  IV, 49,  v. II [p. 120], ed. Schweighäuser
       1802.)
       **) G. Garnier,  einer der  altern französischen  Übersetzer Adam
       Smiths, hatte den sonderbaren Einfall, eine Proportion festzuset-
       zen zwischen  dem Gebrauch  von Rechengeld  und dem  Gebrauch von
       wirklichem Geld.  Die Proportion  ist  10  zu  1.  (Garnier,  G.,
       "Histoire de  la monnaie  depuis les temps de la plus haute anti-
       quité etc.", t. I, p. 78.)
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       1*) (1859) Gold
       
       #58# Karl Marx
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       Tat bloßer  Tauschhandel ist.  Für das Gold als Rechengeld ist es
       daher auch  gleichgültig, ob  oder ob nicht, sei es seine Maßein-
       heit selbst,  seien es ihre Abschnitte, wirklich gemünzt sind. In
       England, zur Zeit Wilhelms des Eroberers, existierten 1 Pfd. St.,
       damals 1  Pfund reines Silber, und der Shilling, 1/20 eines Pfun-
       des, nur  als Rechengeld,  während der Penny, 1/240 Pfund Silber,
       die größte  existierende Silbermünze war. Umgekehrt existieren im
       heutigen England  keine Shillinge und Pence, obgleich sie gesetz-
       liche Rechennamen für bestimmte Teile einer Unze Goldes sind. Das
       Geld als  Rechengeld mag  überhaupt nur ideal existieren, während
       das wirklich  existierende Geld nach ganz anderem Maßstab gemünzt
       ist. So  bestand in vielen englischen Kolonien in Nordamerika das
       zirkulierende Geld  bis tief  ins 18.  Jahrhundert aus spanischen
       und portugiesischen  Münzen, während  das Rechengeld überall das-
       selbe war wie in England. *)
       Weil das Gold als Maßstab der Preise in denselben Rechennamen er-
       scheint wie die Warenpreise, also z. B. eine Unze Gold ebensowohl
       wie eine  Tonne Eisen  in 3 Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d. ausgedrückt
       wird, hat  man diese  seine Rechennamen seinen  M ü n z p r e i s
       genannt. Die  wunderliche Vorstellung  entstand daher, als ob das
       Gold in  seinem eigenen  Material geschätzt  werde, und im Unter-
       schied von  allen andern  Waren von Staats wegen einen  f i x e n
       Preis erhalte.  Man versah  die Fixierung von Rechennamen für be-
       stimmte Goldgewichte für Fixierung des Werts dieser Gewichte. **)
       Das Gold, wo es als Element der Preisbestimmung und daher als Re-
       chengeld dient,  hat nicht  nur keinen  f i x e n,  sondern über-
       haupt feinen  Preis. Um  einen Preis  zu  haben,  d.h.  in  einer
       s p e z i f i s c h e n   Ware sich  als    a l l g e m e i n e s
       Äquivalent auszudrücken,  müßte diese  andere Ware  dieselbe aus-
       schließliche Rolle  im Zirkulationsprozeß  spielen wie  das Gold.
       Zwei alle  andern Waren  ausschließende Waren schließen sich aber
       wechselseitig aus.  Wo daher Silber und Gold gesetzlich als Geld,
       d. h. als Wertmaß nebeneinander bestehen, ist stets der vergebli-
       che
       ---
       *) Der Akt von Maryland von 1723, wodurch Tabak zur legalen Münze
       gemacht, sein  Wert aber auf englisches Goldgeld reduziert wurde,
       nämlich ein  Penny per  Pfund Tabak,  erinnert an  die leges bar-
       barorum [15], worin umgekehrt bestimmte Geldsummen wieder Ochsen,
       Kühen usw.  gleichgesetzt werden. In diesem Fall waren weder Gold
       noch Silber,  sondern der Ochs und die Kuh das wirkliche Material
       des Rechengeldes.
       **) So lesen  wir zum  Beispiel in den "Familiär words" des Herrn
       David Urquhart:  "Der Wert  des Goldes soll durch sich selbst ge-
       messen werden;  wie kann  irgendein Stoff  das Maß  seines eignen
       Wertes in andern Dingen sein? Der Wert des Goldes soll durch sein
       eigenes Gewicht  festgestellt werden, unter einer falschen Benen-
       nung dieses  Gewichts -  und eine  Unze soll  50 viele  Pfund und
       Bruchteile von Pfund wert sein. Das ist Fälschung eines Maßes und
       nicht Festsetzung eines Maßstabs." [p. 104/105.]
       
       #59# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Versuch gemacht  worden, sie als  e i n e  u n d  d i e s e l b e
       M a t e r i e   zu behandeln.  Unterstellt man,  daß dieselbe Ar-
       beitszeit sich  unveränderlich in derselben Proportion von Silber
       und Gold  vergegenständlicht, so  unterstellt man in der Tat, daß
       Silber und  Gold dieselbe  Materie, und  Silber, das minder wert-
       volle Metall,  ein unveränderlicher  Bruchteil Gold  ist. Von der
       Regierung Edwards  III. bis  zur Zeit von Georg II. verläuft sich
       die Geschichte  des englischen  Geldwesens in  eine  fortlaufende
       Reihe von  Störungen, hervorgehend aus der Kollision zwischen der
       gesetzlichen Festsetzung  des Wertverhältnisses von Gold und Sil-
       ber und  ihren wirklichen Wertschwankungen. Bald war Gold zu hoch
       geschätzt, bald  Silber. Des  zu niedrig  geschätzte Metall wurde
       der Zirkulation entzogen, umgeschmolzen und exportiert. Das Wert-
       verhältnis beider Metalle wurde dann wieder gesetzlich verändert,
       aber der  neue Nominalwert  trat bald mit dem wirklichen Wertver-
       hältnis in  denselben Konflikt  wie der  alte. In unserer eigenen
       Zeit hat  der sehr  schwache und vorübergehende Fall im Werte des
       Goldes gegen Silber, infolge der indisch-chinesischen Silbernach-
       frage,  dasselbe   Phänomen  auf   der  größten  Stufenleiter  in
       Frankreich erzeugt, Ausfuhr des Silbers und seine Vertreibung aus
       der Zirkulation  durch Gold.  Während der  Jahre 1855, 1856, 1857
       betrug der Überschuß der Goldeinfuhr in Frankreich über die Gold-
       ausfuhr aus Frankreich 41 580 000 Pfd. St., während der Überschuß
       der Silberausfuhr  über die Silbereinfuhr 34 704 000 Pfd. St. be-
       trug. In  der Tat, in Ländern wie in Frankreich, wo beide Metalle
       gesetzlich Wertmaße  sind, und beide in Zahlung angenommen werden
       müssen, jeder aber beliebig in dem einen oder andern zahlen kann,
       trägt das im Wert steigende Metall ein Agio und mißt wie jede an-
       dere Ware seinen Preis in dem überschätzten Metall, während letz-
       teres allein  als Wertmaß dient. Alle geschichtliche Erfahrung in
       diesem Gebiet  reduziert sich  einfach darauf, daß, wo gesetzlich
       zwei Waren  die Funktion  des Wertmaßes  versehen, faktisch immer
       nur eine als solches den Platz behauptet. *)
       
       B. Theorien von der Maßeinheit des Geldes
       
       Der Umstand,  daß die  Waren als  Preise nur  ideell in Gold, das
       Gold daher  nur ideell  in Geld  verwandelt ist,  veranlaßte  die
       Lehre von der  i d e a l e n
       ---
       *) "Geld als Maß des Handels sollte wie jedes andere Maß so stän-
       dig als  möglich gehalten  werden. Dies  ist unmöglich, wenn euer
       Geld aus  zwei Metallen  besteht, deren  Wertverhältnis beständig
       wechselt." (John  Locke, "Some  Considerations on the Lowering of
       Interest etc.",  1691; p.  65 in  seinen "Works",  7. ed., London
       1768, vol. II.)
       
       #60# Karl Marx
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       M a ß e i n h e i t   d e s   G e l d e s.  Weil bei der Preisbe-
       stimmung nur  vorgestelltes Gold oder Silber, Gold und Silber nur
       als Rechengeld  funktionieren, wurde  behauptet, die Namen Pfund,
       Shilling, Pence,  Taler, Frank  usw. statt  Gewichtteile von Gold
       oder Silber  oder irgendwie  vergegenständlichte  Arbeit  zu  be-
       zeichnen, bezeichneten  vielmehr ideale  Wertatome.  Stiege  also
       z.B. der  Wert einer  Unze Silber,  so enthielte sie mehr solcher
       Atome und  müßte daher  in mehr  Shillingen berechnet und gemünzt
       werden. Diese Doktrin, wieder geltend gemacht während der letzten
       Handelskrise in  England und  sogar parlamentarisch  vertreten in
       zwei Sonderberichten,  die dem Bericht des 1858 sitzenden Bankko-
       mitees angehängt sind, datiert vom Ende des 17. Jahrhunderts. Zur
       Zeit von  Wilhelms III.  Regierungsantritt betrug  der  englische
       Münzpreis einer Unze Silber 5 sh. 2d. oder 1/62 Unze Silber wurde
       Penny, 12  dieser Pence  wurden Shilling  genannt. Diesem Maßstab
       gemäß wurde  ein Silbergewicht von z.B. 6 Unzen Silber gemünzt in
       31 Stücken  mit dem Namen Shilling. Der  M a r k t p r e i s  der
       Unze Silber  stieg aber über ihren  M ü n z p r e i s,  von 5 sh.
       2 d.  auf 6 sh. 3 d., oder um eine Unze Rohsilber zu kaufen, muß-
       ten 6 sh. 3 d. aufgewogen werden. Wie könnte der Marktpreis einer
       Unze Silber über ihren Münzpreis steigen, wenn der Münzpreis bloß
       Rechennamen für  aliquote Teile einer Unze Silber? Das Rätsel lö-
       ste sich  einfach. Von den 5 600 000 Pfd. St. Silbergeld, das da-
       mals zirkulierte,  waren vier Millionen verschlissen, gekippt und
       gewippt. Es  zeigte sich  bei einer Probe, daß 57 200 Pfd. St. in
       Silber, die  220 000  Unzen wiegen sollten, nur 141 000 Unzen wo-
       gen. Die  Münze prägte  immer nach  demselben Maßstab,  aber  die
       wirklich zirkulierenden leichten Shillinge stellten kleinere ali-
       quote Teile der Unze dar, als ihr Name vorgab. Eine größere Quan-
       tität dieser  kleiner gewordenen Shillinge mußte folglich auf dem
       Markt für  die Unze  Rohsilber gezahlt werden. Als infolge der so
       entstandenen Störung eine allgemeine Ummünzung beschlossen wurde,
       behauptete Lowndes,  der Secretary  to the treasury, der Wert der
       Unze Silber  sei gestiegen, sie müsse daher künftig in 6 sh. 3 d.
       statt wie bisher in 5 sh. 2 d. gemünzt werden. Er behauptete also
       in der Tat, daß, weil der Wert der Unze gestiegen, der Wert ihrer
       aliquoten Teile  gefallen sei. Seine falsche Theorie war aber nur
       Beschönigung eines richtigen praktischen Zwecks. Die Staatsschul-
       den waren  in leichten  Shillingen kontrahiert,  sollten  sie  in
       schweren zurückgezahlt werden? Statt zu sagen, zahlt 4 Unzen Sil-
       ber zurück,  wo ihr  dem Namen nach 5 Unzen, in Wirklichkeit aber
       nur 4  Unzen erhalten  habt, sagte  er umgekehrt, zahlt dem Namen
       nach 5 Unzen zurück, reduziert sie aber dem Metallgehalt nach auf
       4 Unzen  und nennt  Shilling was ihr bisher 4/5 Shilling nanntet.
       Lowndes hielt  sich also  tatsächlich am Metallgehalt, während er
       in der Theorie am Rechennamen
       
       #61# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       festhielt. Seine  Gegner, die bloß am Rechennamen festhielten und
       daher einen  um 25 bis 50% zu leichten Shilling identisch mit ei-
       nem vollwichtigen  Shilling erklärten, behaupteten umgekehrt, nur
       am Metallgehalt  festzuhalten. John  Locke, der  die  neue  Bour-
       geoisie in  allen Formen vertrat, die Industriellen gegen die Ar-
       beiterklassen und die Paupers, die Kommerziellen gegen die altmo-
       dischen Wucherer,  die Finanzaristokraten gegen die Staatsschuld-
       ner, und  in einem  eigenen Werk  sogar den bürgerlichen Verstand
       als menschlichen Normalverstand nachwies, nahm auch den Handschuh
       gegen Lowndes auf. John Locke siegte und Geld, geborgt zu 10 oder
       14 Shillingen  die Guinee,  wurde zurückgezahlt in Guineen von 20
       Shillingen. *)  Sir James Steuart faßt die ganze Transaktion iro-
       nisch so zusammen:
       
       "Die Regierung  gewann bedeutend  auf Steuern,  die Gläubiger auf
       Kapital und  Zinsen, und  die Nation,  die allein  Geprellte, war
       kreuzfidel, weil  ihr  S t a n d a r d"  (der Maßstab ihres eige-
       nen Werts) "nicht herabgesetzt worden war." **)
       ---
       *) Locke sagt  u.a.: "Nennt  eine Krone,  was früher  eine  halbe
       Krone hieß. Der Wert bleibt bestimmt durch den Metallgehalt. Wenn
       ihr 1/20 Silbergewicht von einer Münze abschlagen könnt, ohne ih-
       ren Wert  zu verringern,  so könnt  ihr ebensogut 19/20 von ihrem
       Silbergewicht abschlagen. Nach dieser Theorie müßte ein farthing,
       wenn er Krone genannt wird, so viel von Gewürz, Seide oder andern
       Waren kaufen,  als ein  Kronstück, das  60mal so viel Silber ent-
       hält. Alles,  was ihr  tun könnt, ist, einer geringeren Quantität
       Silber den Stempel und den Namen einer höhern Quantität geben. Es
       ist aber  Silber, nicht Namen, die Schulden zahlen und Waren kau-
       fen. Wenn euer Erhöhen des Geldwerts nichts heißt als den aliquo-
       ten Teilen eines Silberstücks nach Belieben Namen geben, z.B. den
       achten Teil  einer Unze  Silber Penny nennen, so könnt ihr in der
       Tat Geld  so hoch ansetzen als es euch beliebt." Locke antwortete
       Lowndes zugleich, daß das Steigen des Marktpreises über den Münz-
       preis nicht  vom "Steigen  des Silberwerts, sondern vom Leichter-
       werden der  Silbermünze" herrühre. 77 gekippte und gewippte Shil-
       linge wögen  keinen Deut mehr als 62 vollwichtige. Endlich hob er
       mit Recht  hervor, daß,  abgesehen von derEntsilberung der zirku-
       lierenden Münze,  der Marktpreis  des Rohsilbers in England eini-
       germaßen über  den Münzpreis  steigen könne, weil die Ausfuhr von
       Rohsilber erlaubt,  die von Silbermünze verboten sei. (Siehe l.c.
       p. 54-116  passim.) Locke  hütete sich  ungemein, den  brennenden
       Punkt der  Staatsschulden zu  berühren, wie  er ebenso vorsichtig
       vermied, auf  die delikate ökonomische Frage einzugehen. Letztere
       war diese:  Wechselkurs sowohl  wie das  Verhältnis von Rohsilber
       zur Silbermünze  bewiesen, daß  das zirkulierende Geld bei weitem
       n i c h t  im Verhältnis zu seiner wirklichen Entsilberung depre-
       ziiert war. Wir kommen auf diese Frage in allgemeiner Form im Ab-
       schnitt vom Zirkulationsmittel zurück. Nicholas Barbon in "A dis-
       course concerning coining the new money lighter, in answer to Mr.
       Lock's considerations  etc.", London  1696, versuchte  vergebens,
       Locke auf schwieriges Terrain zu locken.
       **) Steuart, l.c. t. II, p. 156.
       
       #62# Karl Marx
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       Steuart meinte,  bei weiterer kommerzieller Entwicklung werde die
       Nation sich  schlauer zeigen. Er irrte. Ungefähr 120 Jahre später
       wiederholte sich dasselbe quid pro quo 1*).
       Es war in der Ordnung, daß Bischof Berkeley, der "Vertreter eines
       mystischen Idealismus  in der  englischen Philosophie,  der Lehre
       von der  idealen Maßeinheit  des Geldes eine theoretische Wendung
       gab, was  der praktische  "Secretary to  the  treasury"  versäumt
       halte. Er fragt:
       
       "Sind die  Namen Livre,  Pfund Sterling,  Krone usw. nicht zu be-
       trachten als  bloße   V e r h ä l t n i s n a m e n?"    (nämlich
       Verhältnis des  abstrakten Werts als solchen). "Sind Gold, Silber
       oder Papier  mehr als  bloße Billette oder Marken zur Berechnung,
       Protokollierung und  Übermachung davon?" (des Wertverhältnisses).
       "Ist die   M a c h t,   die Industrie anderer" (gesellschaftliche
       Arbeit) "zu kommandieren, nicht Reichtum? Und ist Geld in der Tat
       etwas anderes  als Marke  oder Zeichen für Übertragung oder Regi-
       strierung solcher  Macht, und  ist es von großer Wichtigkeit, wo-
       raus das Material dieser Marken besteht?" *)
       Hier findet  sich Verwechslung  einerseits zwischen Maß der Werte
       und Maßstab der Preise, andrerseits zwischen Gold oder Silber als
       Maß und als Zirkulationsmittel. Weil die edlen Metalle im Akt der
       Zirkulation durch  Marken ersetzt  werden können, schließt Berke-
       ley, daß  diese Marken  ihrerseits  n i c h t s,  nämlich den ab-
       strakten Wertbegriff vorstellen.
       So völlig entwickelt ist die Lehre von der idealen Maßeinheit des
       Geldes bei  Sir James  Steuart, daß seine Nachfolger - bewußtlose
       Nachfolger, indem  sie ihn nicht kennen - weder eine neue Sprach-
       wendung noch selbst ein neues Beispiel finden.
       "Rechengeld", sagt  er, "ist nichts als ein willkürlicher Maßstab
       von gleichenTeilen, erfunden, um den relativen Wert verkäuflicher
       Dinge zu  messen. Rechengeld  ist ganz  verschieden von  Münzgeld
       (money coin),  welches Preis  ist **),  und es könnte existieren,
       obgleich es  keine Substanz  in der Welt gäbe, die ein proportio-
       nelles Äquivalent für alle Waren wäre. Rechengeld verrichtet den-
       selben Dienst für den Wert der Dinge wie Grade, Minuten, Sekunden
       usw. für  Winkel oder  Maßstäbe für  geographische Karten usw. In
       allen diesen  Erfindungen wird  immer dieselbe  Denomination  als
       Einheit
       ---
       *) "The Querist"  l.c. Der Abschnitt "Queries on Money" ist übri-
       gens geistreich. Unter anderm bemerkt Berkeley mit Recht, daß ge-
       rade die  Entwicklung der nordamerikanischen Kolonien "es so klar
       macht wie  der Tag,  daß Gold  und Silber nicht so notwendig sind
       zum Reichtum  einer Nation,  wie es  sich die  Allgemeinheit vor-
       stellt".
       **) Preis meint  hier reales  Äquivalent, wie  bei den englischen
       ökonomischen Schriftstellern des 17. Jahrhunderts.
       -----
       1) Mißverständnis
       
       #63# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       angenommen. Wie die Nützlichkeit aller solcher Verrichtungen ein-
       fach beschränkt  ist auf  die    A n z e i g e    v o n    P r o-
       p o r t i o n,   so die  der Geldeinheit.  Sie kann  daher  keine
       unveränderlich bestimmte Proportion zu irgendeinem Teil des Werts
       haben, d.  h. sie kann nicht fixiert sein an irgendein bestimmtes
       Quantum von  Gold, Silber  oder irgendeiner  andern Ware. Ist die
       Einheit einmal  gegeben, so  kann man  durch  Multiplikation  zum
       größten Wert  aufsteigen. Da der Wert der Waren abhängt von einem
       allgemeinen Zusammenfluß  auf sie  einwirkender Umstände  und von
       den Grillen  der Menschen,  sollte ihr  Wert  nur  als  in  ihrer
       wechselseitigen Beziehung  wechselnd betrachtet werden. Was immer
       die Vergewisserung des Proportionswechsels vermittelst eines all-
       gemeinen bestimmten  und unveränderlichen Maßstabs stört und ver-
       wirrt, muß  schädlich auf  den Handel einwirken. Geld ist ein nur
       i d e a l e r   M a ß s t a b   von gleichen Teilen. Wenn gefragt
       wird, was  die Maßeinheit des Werts eines Teiles sein solle, ant-
       worte ich  durch die  andere Frage: Was ist die Normalgröße eines
       Grads, einer  Minute, einer Sekunde? Sie besitzen keine, aber so-
       bald ein  Teil bestimmt  ist, muß  der Natur eines Maßstabs gemäß
       der  ganze  Rest  verhältnismäßig  nachfolgen.  Beispiele  dieses
       idealen Geldes sind das Bankgeld von Amsterdam und das Angolageld
       der afrikanischen Küste." *)
       Steuart hält  sich einfach  an der   E r s c h e i n u n g    des
       Geldes in  der Zirkulation als  M a ß s t a b  d e r  P r e i s e
       und als  R e c h e n g e l d.  Sind verschiedene Waren respektive
       zu 15 sh., 20 sh., 36 sh. im Preiskurant notiert, so interessiert
       mich in  der Tat  für die  Vergleichung ihrer Wertgröße weder der
       silberne Gehalt  noch der  Name des Shillings. Die Zahlenverhält-
       nisse 15,  20, 36 sagen nun alles, und die Zahl 1 ist die einzige
       Maßeinheit geworden.  Rein abstrakter Ausdruck von Proportion ist
       überhaupt auf  die abstrakte  Zahlenproportion selbst.  Um konse-
       quent zu  sein, mußte  Steuart daher  nicht nur  Gold und Silber,
       sondern auch ihre legalen Taufnamen fahren lassen. Da er die Ver-
       wandlung des  Maßes der  Werte in  Maßstab der  Preise nicht ver-
       steht, glaubt  er natürlich,  das bestimmte Quantum Gold, das als
       Maßeinheit dient,  sei als  Maß nicht auf andere Goldquanta, son-
       dern auf  Werte als solche bezogen. Weil die Waren durch Verwand-
       lung ihrer  Tauschwerte in  Preise als  gleichnamige  Größen  er-
       scheinen, leugnet  er die Qualität des Maßes, die sie gleichnamig
       macht, und  weil in  dieser Vergleichung verschiedener Goldquanta
       die Größe  des als  Maßeinheit dienenden  Goldquantums konventio-
       nell, leugnet er, daß sie überhaupt festgesetzt werden muß. Statt
       1/360 Teil  eines Kreises  Grad zu nennen, mag er 1/180 Teil Grad
       nennen ;  der rechte  Winkel würde  dann gemessen  durch 45 statt
       durch 90  Grade, spitze  und stumpfe Winkel entsprechend. Nichts-
       destoweniger bliebe  das Winkelmaß nach wie vor erstens eine qua-
       litativ bestimmte  mathematische Figur,  der Kreis,  und zweitens
       ein quantitativ  bestimmter Kreisabschnitt. Was Steuarts ökonomi-
       sche Beispiele betrifft, so
       ---
       *) Steuart, l.c. t. II. p. 102-107.
       
       #64# Karl Marx
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       schlägt er  sich mit dem einen und beweist nichts mit dem andern.
       Das Bankgeld von Amsterdam war in der Tat nur Rechenname für spa-
       nische Dublonen,  die ihr  vollwichtiges Fett durch träges Lagern
       im Bankkeller  bewahrten, während  die betriebsame Kurantmünze in
       harter Reibung  mit der  Außenwelt abgemagert  war. Was  aber die
       afrikanischen Idealisten betrifft, müssen wir sie ihrem Schicksal
       überlassen, bis  kritische Reisebeschreiber Näheres über sie mel-
       den. *)  Als annähernd  ideales Geld im Sinne Steuarts könnte der
       französische Assignat bezeichnet werden: "Nationaleigentum. Assi-
       gnat von  100 Franks."  Zwar war  hier der Gebrauchswert spezifi-
       ziert, den  der Assignat  vorstellen sollte,  nämlich der konfis-
       zierte Grund und Boden, aber die quantitative Bestimmung der Maß-
       einheit war  vergessen und  "Frank" daher ein sinnloses Wort. Wie
       viel oder wenig Land ein Assignatenfrank vorstellte, hing nämlich
       vom Resultat der öffentlichen Versteigerung ab. In der Praxis je-
       doch zirkulierte  der Assignatenfrank als Wertzeichen für Silber-
       geld, und  an diesem Silbermaßstab maß sich daher seine Deprezia-
       tion.
       Die Epoche  der Suspension  der Barzahlungen der Bank von England
       war kaum  fruchtbarer in  Schlachtbulletins als  in Geldtheorien.
       Die Depreziation  der Banknoten  und das Steigen des Marktpreises
       über den Münzpreis des Goldes riefen auf Seiten einiger Verteidi-
       ger der Bank wieder die Doktrin von dem idealen Geldmaß wach. Den
       klassisch konfusen  Ausdruck für  die konfuse  Ansicht fand  Lord
       Castlereagh [16],  indem er die Maßeinheit des Geldes bezeichnete
       als "a  sense of  value in reference to currency as compared with
       commodities" 1*).  Als die Umstände einige Jahre nach dem Pariser
       Frieden [17] die Wiederaufnahme der Barzahlungen erlaubten, erhob
       sich in  kaum veränderter  Form dieselbe Frage, die Lowndes unter
       Wilhelm III,  angeregt hatte.  Eine enorme  Staatsschuld und eine
       während mehr  als 20 Jahren aufgesummte Masse von Privatschulden,
       festen Obligationen  usw., waren  in depreziierten Banknoten kon-
       trahiert. Sollten  sie zurückgezahlt  werden in  Banknoten, wovon
       4672 Pfd.  St. 10 sh. nicht dem Namen, sondern der Sache nach 100
       Pfund 22karätiges Gold vorstellten? Thomas Attwood, ein Bankier
       ---
       *) Bei Gelegenheit der jüngsten Handelskrise pries man in England
       von gewisser Seite das afrikanische Idealgeld emphatisch, nachdem
       sein Wohnsitz diesmal von der Küste weg ins Herz der Berberei ge-
       rückt war.  Man leitete  die Freiheit der Berber von Handels- und
       Industriekrisen aus  der idealen Maßeinheit ihrer Bars ab. War es
       nicht einfacher,  zu sagen, daß Handel und Industrie die conditio
       sine qua non 2*) für Handels- und Industriekrisen sind?
       -----
       1*) "eine Wertempfindung  in bezug  auf Umlaufsmittel  verglichen
       mit Waren" - 2*) unerläßliche Voraussetzung
       
       #65# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       von Birmingham,  trat auf als Lowndes redivivus. Nominell sollten
       die Gläubiger so viel Shillinge zurückerhalten, als nominell kon-
       trahiert waren,  aber wenn  1/78 Unze  Gold etwa  nach dem  alten
       Münzfuß Shilling hieß, sollte nun sage 1/90 Unze Shilling getauft
       werden. Attwoods  Anhänger  sind  bekannt  als  die  Birminghamer
       Schule der  "little Shillingmen"  1*). Der  Zank über  das ideale
       Geldmaß, der  1819 begann,  dauerte 1845 immer noch fort zwischen
       Sir Robert  Peel und  Attwood, dessen eigene Weisheit, soweit sie
       sich auf  die Funktion des Geldes als Maß bezieht, in dem folgen-
       den Zitat erschöpfend zusammengefaßt ist:
       
       "Sir Robert  Peel in seiner Polemik mit der Birminghamer Handels-
       kammer fragt: Was wird eure Pfundnote repräsentieren? Was ist ein
       Pfund? ...  Was dann  umgekehrt ist zu verstehen unter der gegen-
       wärtigen Maßeinheit  des Wertes?...  3 Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d.,
       bedeuten sie  eine   U n z e  G o l d  oder ihren  W e r t?  Wenn
       die   U n z e   selbst, warum nicht die Dinge bei ihrem Namen be-
       nennen und  statt Pfd.  St., sh.,  d. nicht vielmehr sagen, Unze,
       Pennyweight und  Gran? Dann  kehren wir  zum System des unmittel-
       baren Tauschhandels  zurück... Oder  bedeuten sie  den   W e r t?
       Wenn eine  Unze =  3 Pfd.  St. 17 sh. 10 1/2 d., warum war sie zu
       verschiedenen Zeiten  bald 5  Pfd. St.  4 sh., bald 3 Pfd. St. 17
       sh. 9  d. wert?...  Der Ausdruck  Pfund (£) hat Beziehung auf den
       Wert, aber  nicht auf den Wert, fixiert in einem unveränderlichen
       Gewichtteil Gold.  Das  Pfund  ist  eine    i d e a l e    E i n-
       h e i t...   A r b e i t   ist die  Substanz, worin sich die Pro-
       duktionskosten auflösen,  und sie  erteilt dem  Gold seinen rela-
       tiven Wert wie dem Eisen.  W e l c h e r  b e s o n d e r e  R e-
       c h e n n a m e   d a h e r  i m m e r  g e b r a u c h t  w e r-
       d e,   u m   d i e  T a g e s -  o d e r  W o c h e n a r b e i t
       e i n e s   M a n n e s   z u  b e z e i c h n e n,  solcher Name
       drückt den Wert der produzierten Ware aus." *)
       
       In den  letzten Worten  zerrinnt die  nebelhafte Vorstellung  vom
       idealen Geldmaß und bricht ihr eigentlicher Gedankeninhalt durch.
       Die Rechennamen  des Goldes,  Pfd. St., sh. usw. sollen Namen für
       bestimmte Quanta  Arbeitszeit sein.  Da die  Arbeitszeit Substanz
       und immanentes Maß der Werte ist, würden jene Namen so in der Tat
       Wertproportionen selbst  vorstellen. In  andern Worten,  die  Ar-
       beitszeit wird  als wahre  Maßeinheit des Geldes behauptet. Damit
       treten wir aus der Birminghamer Schule heraus, bemerken aber noch
       im Vorbeigehen, daß die Doktrin vom idealen Geldmaß neue Wichtig-
       keit erhielt  in der Streitfrage über Konvertibilität oder Nicht-
       konvertibilität der Banknoten. Wenn Papier seine Denomination von
       Gold oder  Silber erhält,  bleibt die  Konvertibilität der  Note,
       d.h. ihre Umtauschbarkeit in Gold
       ---
       *) "The Currency  Question, the  Gemini Letters", London 1844, p.
       266-272 passim.
       -----
       1*) "Kleinshillingmänner"
       
       #66# Karl Marx
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       oder Silber,  ökonomisches Gesetz,  was immer das juristische Ge-
       setz sagen mag. So wäre ein preußischer Papiertaler, obgleich ge-
       setzlich inkonvertibel,  sofort depreziiert, wenn er im gewöhnli-
       chen Verkehr  weniger als ein Silbertaler gälte, also nicht prak-
       tisch konvertibel  wäre. Die konsequenten Vertreter des inkonver-
       tiblen Papiergeldes in England flüchteten daher zum idealen Geld-
       maß. Wenn  die Rechennamen  des Geldes,  Pfd. St., sh. usw. Namen
       für eine  bestimmte Summe,  Wertatome sind,  deren eine Ware bald
       mehr, bald  weniger im  Austausch mit anderen Waren einsaugt oder
       abgibt, ist  eine englische  5-Pfund-Note z.B.  ebenso unabhängig
       von ihrem  Verhältnis zu Gold wie von dem zu Eisen und Baumwolle.
       Da ihr  Titel aufgehört  hätte, sie  bestimmtem Quantum  von Gold
       oder irgendeiner andern Ware theoretisch gleichzusetzen, wäre die
       Forderung ihrer Konvertibilität, d.h. ihrer praktischen Gleichung
       mit bestimmtem Quantum eines spezifizierten Dings durch ihren Be-
       griff selbst ausgeschlossen.
       Die Lehre  von der  Arbeitszeit als  unmittelbarer Maßeinheit des
       Geldes ist  zuerst systematisch  entwickelt worden von John Gray.
       *) Er läßt eine nationale Zentralbank vermittelst ihrer Zweigban-
       ken die  Arbeitszeit vergewissern, die in der Produktion der ver-
       schiedenen Waren  verbraucht wird.  Im Austausch für die Ware er-
       hält der  Produzent ein  offizielles Zertifikat  des Werts,  d.h.
       einen Empfangsschein für so viel Arbeitszeit, als seine Ware ent-
       hält **), und diese Banknoten von I Arbeitswoche, 1 Arbeitstag, I
       Arbeitsstunde usw.  dienen zugleich als Anweisung auf ein Äquiva-
       lent in  allen andern in den Bankdocks gelagerten Waren. ***) Das
       ist das Grundprinzip, sorgfältig durchgeführt
       ---
       *) John Gray,  "The Social System. A Treatise on the Principle of
       Exchange", Edinburgh  1831. Vgl.  von  demselben  Schriftsteller:
       "Lectures on  the nature  and use of money", Edinburgh 1848. Nach
       der Februarrevolution  sandte Gray  der französischen  provisori-
       schen Regierung  eine Denkschrift  zu, worin  er sie belehrt, daß
       Frankreich nicht  einer "organisation  of  labour"  1*)  bedürfe,
       sondern einer  "Organisation of  exchange" 2*), deren Plan völlig
       ausgearbeitet vorliege  in dem  von ihm  ausgeheckten Geldsystem.
       Der brave  John ahnte  nicht, daß  sechzehn Jahre nach Erscheinen
       des "Social  System" ein Patent auf dieselbe Entdeckung ausgelöst
       worden war von dem erfindungsreichen Proudhon.
       **) Gray, "The Social System etc.", p. 63. "Geld sollte lediglich
       ein Empfangsschein,  ein Beweis dafür sein, daß sein Inhaber ent-
       weder bestimmten Wert zu dem vorhandenen nationalen Reichtum bei-
       getragen hat, oder daß er auf den erwähnten Wert ein Recht erwor-
       ben von  irgend jemand,  der ihn beigetragen hat." *** "Man lasse
       ein Produkt,  das vorher  einen Schätzungswert  erhält, auf  eine
       Bank
       -----
       1*) "Organisation  der Arbeit"  - 2*) "Organisation  des  Austau-
       sches"
       
       #67# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       im Detail  und überall angelehnt an vorhandene englische Einrich-
       tungen. Unter diesem System, sagt Gray,
       
       "wäre es  zu allen Zeiten ebenso leicht gemacht, für Geld zu ver-
       kaufen, als  es nun ist, mit Geld zu kaufen; die Produktion würde
       die gleichförmige  und nie versiegende Quelle der Nachfrage sein"
       *).
       
       Die edeln  Metalle würden  ihr "Privilegium"  gegen andere  Waren
       verlieren und
       
       "den ihnen  gebührenden Platz im Markt einnehmen neben Butter und
       Eiern und  Tuch und Kaliko, und ihr Wert würde uns nicht mehr in-
       teressieren als der der Diamanten". **)
       "Sollen wir  unser eingebildetes Maß der Werte beibehalten, Gold,
       und so  die Produktivkräfte  des Landes  fesseln, oder sollen wir
       uns zum  natürlichen Maß  der Werte  wenden, zur  Arbeit, und die
       Produktivkräfte des Landes freisetzen?" ***)
       Da die  Arbeitszeit das  immanente Maß der Werte ist, warum neben
       ihr ein  anderes  äußerliches  Maß?  Warum  entwickelt  sich  der
       Tauschwert zum Preis? Warum schätzen alle Waren ihren Wert in ei-
       ner ausschließlichen  Ware, die  so in  das adäquate  Dasein  des
       Tauschwerts verwandelt  wird, in  Geld? Dies war das Problem, das
       Gray zu  lösen hatte.  Statt es zu lösen, bildet er sich ein, die
       Waren könnten  sich  unmittelbar  aufeinander  als  Produkte  der
       gesellschaftlichen Arbeit beziehen. Sie können sich aber nur auf-
       einander beziehen als das, was sie sind. Die Waren sind unmittel-
       bar Produkte  vereinzelter unabhängiger  Privatarbeiten, die sich
       durch ihre Entäußerung im Prozeß des Privataustausches als allge-
       meine gesellschaftliche Arbeit bestätigen müssen, oder die Arbeit
       auf Grundlage der Warenproduktion wird erst gesellschaftliche Ar-
       beit durch die allseitige Entäußerung der individuellen Arbeiten.
       Unterstellt Gray aber die in den Waren enthaltene Arbeitszeit als
       u n m i t t e l b a r  g e s e l l s c h a f t l i c h e,  so un-
       terstellt er  sie als  gemeinschaftliche Arbeitszeit oder als Ar-
       beitszeit direkt  assoziierter Individuen.  So könnte  in der Tat
       eine spezifische  Ware, wie  Gold und  Silber, den  andern  Waren
       nicht als Inkarnation der allgemeinen Arbeit gegenübertreten, der
       Tauschwert würde  nicht zum  Preis, aber  der Gebrauchswert würde
       auch nicht zum Tauschwert, das
       ---
       legen und wieder herausnehmen, wann immer es benötigt wird, wobei
       lediglich durch  allgemeines Übereinkommen  festgesetzt wird, daß
       derjenige, der  irgendeine Art von Eigentum in die vorgeschlagene
       Nationalbank einlegt,  aus ihr einen gleichen Wert, was immer sie
       enthalten mag,  herausnehmen darf,  statt gezwungen zu sein, das-
       selbe Ding herauszunehmen, das er eingelegt hat." l.c. p. 67/68.
       *) l.c. p. 16.
       **) Gray, "Lectures on money etc.", p. 182.
       ***) l.c. p. 169.
       
       #68# Karl Marx
       -----
       Produkt würde  nicht zur Ware, und so wäre die Grundlage der bür-
       gerlichen Produktion  selbst aufgehoben.  Das ist aber keineswegs
       Grays Meinung.   D i e  P r o d u k t e  s o l l e n  a l s  W a-
       r e n  p r o d u z i e r t,  a b e r  n i c h t  a l s  W a r e n
       a u s g e l a u s c h t   w e r d e n.   Gray überträgt einer Na-
       tionalbank die  Ausführung dieses  frommen  Wunsches.  Einerseits
       macht die  Gesellschaft in  der Form  der Bank die Individuen un-
       abhängig von  den Bedingungen  des Privataustausches,  und  ande-
       rerseits läßt sie dieselben fortproduzieren auf der Grundlage des
       Privataustausches. Die  innere Konsequenz indes treibt Gray, eine
       bürgerliche Produktionsbedingung  nach der  andern  wegzuleugnen,
       obgleich er  bloß das  aus dem  Warenaustausch hervorgehende Geld
       "reformieren" will.  So verwandelter  Kapital in  Nationalkapital
       *), das  Grundeigentum in  Nationaleigentum **),  und wenn seiner
       Bank auf die Finger gesehen wird, findet sich, daß sie nicht bloß
       mit der  einen Hand Waren empfängt und mit der andern Zertifikate
       gelieferter Arbeit  ausgibt, sondern  die Produktion selbst regu-
       liert. In  seiner letzten Schrift "Lectures on money", worin Gray
       ängstlich sein Arbeitsgeld als rein bürgerliche Reform darzustel-
       len sucht, verwickelt er sich in noch schreiendem Widersinn.
       Jede Ware  ist unmittelbar Geld. Dies war Grays Theorie, abgelei-
       tet aus  seiner unvollständigen  und daher  falschen Analyse  der
       Ware.  Die   "organische"  Konstruktion   von  "Arbeitsgeld"  und
       "Nationalbank" und  "Warendocks" ist  nur Traumgebild,  worin das
       Dogma als weltbeherrschendes Gesetz vorgegaukelt wird. Das Dogma,
       daß die  Ware unmittelbar Geld oder die in ihr enthaltene Sonder-
       arbeit des Privatindividuums unmittelbar gesellschaftliche Arbeit
       ist, wird  natürlich nicht  dadurch wahr,  daß eine  Bank  an  es
       glaubt und  ihm gemäß  operiert. Der  Bankerott würde  in solchem
       Falle vielmehr  die Rolle  der praktischen Kritik übernehmen. Was
       bei Gray versteckt und namentlich ihm selbst verheimlicht bleibt,
       nämlich daß  das Arbeitsgeld eine ökonomisch klingende Phrase ist
       für den  frommen Wunsch,  das Geld,  mit dem Geld den Tauschwert,
       mit dem Tauschwert die Ware und mit der Ware die bürgerliche Form
       der Produktion  loszuwerden, wird geradezu herausgesagt von eini-
       gen englischen  Sozialisten,  die  teils  vor,  teils  nach  Gray
       schrieben. ***)  Herrn Proudhon  aber und  seiner Schule blieb es
       vorbehalten, die  Degradation des   G e l d e s   und die Himmel-
       fahrt der  W a r e  ernsthaft als Kern des Sozialismus
       ---
       *) "Das Geschäft  jedes Landes sollte auf der Grundlage eines na-
       tionalen Kapitals geführt werden." (John Gray, "The Social System
       etc.", p. 171.)
       **) "Der Boden  muß in Nationaleigentum umgewandelt werden" (l.c.
       p. 298).
       ***) Sieh z.B.  W. Thompson, "An Inquiry into the distribution of
       wealth etc.",  London 1824.  Bray, "Labour's  wrongs and labour's
       remedy", Leeds 1839.
       
       #69# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       zu predigen  und damit den Sozialismus in ein elementares Mißver-
       ständnis über den notwendigen Zusammenhang zwischen Ware und Geld
       aufzulösen. *)
       
       2. Zirkulationsmittel
       
       Nachdem die  Ware im  Prozeß der Preisgebung ihre zirkulationsfä-
       hige Form  und das  Gold seinen  Geldcharakter erhalten hat, wird
       die Zirkulation die Widersprüche, die der Austauschprozeß der Wa-
       ren einschloß,  zugleich darstellen und lösen. Der wirkliche Aus-
       tausch der  Waren, d.h.  der gesellschaftliche Stoffwechsel, geht
       vor in einem Formwechsel, worin sich die Doppelnatur der Ware als
       Gebrauchswert und  Tauschwert entfaltet,  ihr eigener Formwechsel
       sich aber  zugleich in  bestimmten Formen  des Geldes  kristalli-
       siert. Die  Darstellung dieses  Formwechsels ist  die Darstellung
       der Zirkulation.  Wie wir  sahen, daß  die Ware  nur entwickelter
       Tauschwert ist,  wenn eine  Welt von  Waren und damit tatsächlich
       entwickelte Teilung  der Arbeit  vorausgesetzt wird, so setzt die
       Zirkulation allseitige Austauschakte und den beständigen Fluß ih-
       rer Erneuerung  voraus. Die zweite Voraussetzung ist, daß die Wa-
       ren als   p r e i s b e s t i m m t e  Waren in den Austauschpro-
       zeß eingehen  oder innerhalb  desselben als Doppelexistenzen für-
       einander   e r s c h e i n e n,  reell als Gebrauchswerte, ideell
       - im Preise - als Tauschwerte.
       In den  belebtesten Straßen  Londons drängt sich Magazin an Maga-
       zin, hinter deren hohlen Glasaugen alle Reichtümer der Welt pran-
       gen, indische  Shawls, amerikanische  Revolver, chinesisches Por-
       zellan, Pariser Korsetten, russische Pelzwerke und tropische Spe-
       zereien, aber  alle diese weltlustigen Dinge tragen an der Stirne
       fatale weißliche  Papiermarken, worin  arabische Ziffern  mit den
       lakonischen Charakteren £, sh., d. eingegraben sind. Dies ist das
       Bild der in der Zirkulation erscheinenden Ware.
       
       a) Die Metamorphose der Waren
       
       Bei näherer  Betrachtung zeigt  der Zirkulationsprozeß  zwei ver-
       schiedene Formen von Kreisläufen. Nennen wir die Ware W, das Geld
       G, so können wir diese beiden Formen ausdrücken als:
       
       W-G-W
       G-W-G
       ---
       *) Als Kompendium  dieser melodramatischen  Geldtheorie kann  be-
       trachtet werden: Alfred Darimon, "De la réforme des banques", Pa-
       ris 1856.
       
       #70# Karl Marx
       -----
       In diesem  Abschnitt beschäftigt  uns  ausschließlich  die  erste
       Form, oder die unmittelbare Form der Warenzirkulation.
       Der Kreislauf W-G-W zerlegt sich in die Bewegung W-G, Austauschen
       von Ware  gegen Geld oder  V e r k a u f e n;  in die entgegenge-
       setzte  Bewegung  G-W,  Austauschen  von  Geld  gegen  Ware  oder
       K a u f e n,  und in die Einheit beider Bewegungen W-G-W, Austau-
       schen von Ware gegen Geld, um Geld gegen Ware auszutauschen, oder
       V e r k a u f e n   um zu  K a u f e n.  Als Resultat aber, worin
       der Prozeß  erlischt, ergibt  sich W-W,  Austausch von Ware gegen
       Ware, der wirkliche Stoffwechsel.
       W-G-W, wenn  man vom  Extrem der ersten Ware ausgeht, stellt ihre
       Verwandlung in  Gold und  ihre Rückverwandlung  aus Gold  in Ware
       dar, oder eine Bewegung, worin die Ware zuerst als besonderer Ge-
       brauchswert existiert,  dann diese  Existenz abstreift,  eine von
       allem Zusammenhang  mit ihrem  naturwüchsigen  Dasein  losgelöste
       Existenz als  Tauschwert  oder  allgemeines  Äquivalent  gewinnt,
       diese wieder  abstreift und schließlich als wirklicher Gebrauchs-
       wert für  einzelne Bedürfnisse  zurückbleibt. In  dieser  letzten
       Form fällt  sie aus  der Zirkulation in die Konsumtion. Das Ganze
       der Zirkulation  W-G-W ist daher zunächst die Gesamtreihe der Me-
       tamorphosen, welche jede einzelne Ware durchläuft, um unmittelba-
       rer Gebrauchswert für ihren Inhaber zu werden. Die erste Metamor-
       phose vollzieht  sich in  der ersten  Hälfte der Zirkulation W-G,
       die zweite  in der  andern Hälfte  G-W, und die ganze Zirkulation
       bildet das curriculum vitae 1*) der Ware. Aber die Zirkulation W-
       G-W ist  nur die  Gesamtmetamorphose einer  einzelnen Ware, indem
       sie zugleich Summe von bestimmten einseitigen Metamorphosen ande-
       rer Waren  ist, denn  jede Metamorphose  der ersten Ware ist ihre
       Verwandlung in eine andere Ware, also Verwandlung der andern Ware
       in sie,  also doppelseitige  Verwandlung, die  sich in  demselben
       Stadium der  Zirkulation vollzieht.  Wir haben zunächst jeden der
       beiden Austauschprozesse,  worin die  Zirkulation W-G-W zerfällt,
       isoliert zu betrachten.
       W-G oder  V e r k a u f:  W, die Ware, tritt in den Zirkulations-
       prozeß nicht nur als besonderer Gebrauchswert, z.B. als Tonne Ei-
       sen, sondern  als Gebrauchswert  von bestimmtem Preis, sage von 3
       Pfd. St.  17 sh.  10 1/2 d.  oder einer  Unze Gold. Dieser Preis,
       während er  einerseits der  Exponent  des  im  Eisen  enthaltenen
       Quantums Arbeitszeit,  d.h. seiner Wertgröße ist, drückt zugleich
       den frommen  Wunsch des  Eisens aus,  Gold zu werden, d.h. der in
       ihm selbst  enthaltenen Arbeitszeit  die Gestalt  der allgemeinen
       gesellschaftlichen   Arbeitszeit    zu   geben.   Gelingt   diese
       Transsubstantiation nicht, so hört
       -----
       1*) den Lebenslauf
       
       #71# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       die Tonne  Eisen auf,  nicht nur  Ware, sondern  Produkt zu sein,
       denn sie  ist nur Ware, weil Nicht-Gebrauchswert für ihren Besit-
       zer, oder seine Arbeit ist nur wirkliche Arbeit als nützliche Ar-
       beit für  andere, und  sie ist  nur nützlich für ihn als abstrakt
       allgemeine Arbeit.  Es ist daher die Aufgabe des Eisens oder sei-
       nes Besitzers,  den Punkt  in der Warenwelt aufzufinden, wo Eisen
       Gold anzieht.  Diese Schwierigkeit,  der salto  mortale der Ware,
       ist aber  überwunden, wenn  der Verkauf,  wie hier in der Analyse
       der einfachen Zirkulation unterstellt wird, wirklich vorgeht. In-
       dem die  Tonne Eisen  durch ihre  Veräußerung, d.h. ihr Übergehen
       aus der  Hand, wo sie Nicht-Gebrauchswert, in die Hand, worin sie
       Gebrauchswert ist,  sich als  Gebrauchswert verwirklicht,  reali-
       siert sie  zugleich ihren  Preis und  wird aus  nur vorgestelltem
       Gold wirkliches,  Gold. An die Stelle des Namens Unze Gold oder 3
       Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d. ist nun eine Unze wirklichen Goldes ge-
       treten, aber  die Tonne  Eisen hat  den Platz  geräumt. Durch den
       Verkauf W-G  wird nicht  nur die Ware, die in ihrem Preise ideell
       in Gold  verwandelt war,  reell in Gold verwandelt, sondern durch
       denselben Prozeß  wird das Gold, das als Maß der Werte nur ideel-
       les Gold  war und  in der  Tat nur als Geldnamen der Waren selbst
       figurierte, in  wirkliches Geld verwandelt. *) Wie es ideell all-
       gemeines Äquivalent  wurde, weil  alle Waren  ihre Werte  in  ihm
       maßen, wird  es jetzt als Produkt der allseitigen Veräußerung der
       Waren gegen  es, und der Verkauf W-G ist der Prozeß dieser allge-
       meinen Veräußerung, die absolut veräußerliche Ware, reelles Geld.
       Gold wird  aber nur  im Verkauf  reell Geld, weil die Tauschwerte
       der Waren in den Preisen schon ideell Gold waren.
       Im Verkauf  W-G, ebenso  wie im  Kauf G-W, stehen sich zwei Waren
       gegenüber, Einheiten  von Tauschwert  und Gebrauchswert,  aber an
       der Ware  existiert ihr  Tauschwert nur ideell als Preis, während
       am Gold,  obgleich es  selbst ein  wirklicher Gebrauchswert  ist,
       sein Gebrauchswert  nur als  Träger des Tauschwerts existiert und
       daher nur als formaler, auf kein wirkliches individuelles Bedürf-
       nis bezogener  Gebrauchswert. Der Gegensatz von Gebrauchswert und
       Tauschwert verteilt sich also polarisch an die beiden Extreme von
       W-G, so  daß die  Ware dem  Gold gegenüber Gebrauchswert ist, der
       seinen ideellen  Tauschwert, den  Preis, erst im Gold realisieren
       muß,
       ---
       *) "Das Geld  ist von  zweierlei Art,  ideales und reales; und es
       wird in  zwei verschiedenen  Weisen gebraucht,  um die  Dinge  zu
       schätzen und  um sie  zu kaufen. Zum Schätzen ist das ideale Geld
       geeignet, ebenso  wie das  reale und  vielleicht auch besser. Der
       andere Gebrauch  des Geldes  besteht im  Kauf jener Dinge, die es
       schätzt... Die  Preise und  die Kontrakte werden in idealem Gelde
       geschätzt und  in realem Gelde verwirklicht." (Galiani, l.c. pag.
       112 seq.)
       
       #72# Karl Marx
       -----
       während das  Gold der  Ware gegenüber  Tauschwert ist, der seinen
       formalen Gebrauchswert erst in der Ware materialisiert. Nur durch
       diese Verdoppelung  der Ware in Ware und Gold, und durch die wie-
       der doppelte  und entgegengesetzte  Beziehung, worin jedes Extrem
       ideell ist, was sein Gegenteil reell ist, und reell ist, was sein
       Gegenteil ideell  ist, also  nur durch  Darstellung der Waren als
       doppelseitig polarischer  Gegensätze lösen sich die in ihrem Aus-
       tauschprozeß enthaltenen Widersprüche.
       Wir haben bisher W-G als Verkauf betrachtet, Verwandlung von Ware
       in Geld.  Stellen wir  uns aber auf die Seite des andern Extrems,
       so erscheint  derselbe Prozeß  vielmehr als  G-W, als  Kauf,  als
       Verwandlung von Geld in Ware. Verkauf ist notwendig zugleich sein
       Gegenteil, Kauf, das eine, wenn man den Prozeß von der einen, und
       das andere,  wenn man  ihn von  der andern Seite ansieht. Oder in
       der Wirklichkeit  unterscheidet sich  der Prozeß nur, weil in W-G
       die Initiative  vom Extrem  der Ware  oder des Verkäufers, in G-W
       vom Extrem  des Geldes  oder des  Käufers ausgeht. Indem wir also
       die erste Metamorphose der Ware, ihre Verwandlung in Geld als Re-
       sultat des  Durchlaufens des ersten Zirkulationsstadiums W-G dar-
       stellen, unterstellen wir gleichzeitig, daß eine andere Ware sich
       schon in Geld verwandelt hat, sich also schon im zweiten Zirkula-
       tionsstadium G-W  befindet. So  geraten wir in einen fehlerhaften
       Zirkel der  Voraussetzungen. Die  Zirkulation selbst  ist  dieser
       fehlerhafte Zirkel. Betrachten wir G in W-G nicht schon als Meta-
       morphose einer  andern Ware,  so nehmen  wir den Austauschakt aus
       dem Zirkulationsprozeß  heraus. Außerhalb  desselben verschwindet
       aber die  Form W-G, und es stehen sich nur noch zwei verschiedene
       W, sage Eisen und Gold gegenüber, deren Austausch kein besonderer
       Akt der Zirkulation, sondern des unmittelbaren Tauschhandels ist.
       Gold ist  Ware wie  jede andere Ware an der Quelle seiner Produk-
       tion. Sein  relativer Wert  und der des Eisens, oder jeder andern
       Ware, stellt  sich hier  dar in  den Quantitäten,  worin sie sich
       wechselseitig austauschen.  Aber im  Zirkulationsprozeß ist diese
       Operation vorausgesetzt,  in den  Warenpreisen ist  sein  eigener
       Wert bereits  gegeben. Es kann daher nichts irriger sein, als die
       Vorstellung,  daß    i n n e r h a l b    d e s    Z i r k u l a-
       t i o n s p r o z e s s e s   Gold und Ware in das Verhältnis des
       unmittelbaren Tauschhandels  treten und  daher ihr relativer Wert
       durch ihren  Austausch als einfache Waren ermittelt wird. Wenn es
       so scheint,  als ob im Zirkulationsprozeß Gold als bloße Ware ge-
       gen Waren  ausgetauscht werde,  entspringt der Schein einfach da-
       her, daß in den Preisen bestimmte Quantität Ware schon bestimmtem
       Quantum Gold  gleichgesetzt, d.h.  auf das  Gold schon  als Geld,
       allgemeines Äquivalent,  bezogen und   d a h e r  unmittelbar mit
       ihm austauschbar  ist. Soweit  sich der  Preis einer Ware im Gold
       r e a l i s i e r t,  tauscht sie sich gegen
       
       #73# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       es als  Ware aus,  als besondere Materiatur der Arbeitszeit, aber
       soweit es  ihr Preis ist, der sich in ihm realisiert, tauscht sie
       sich gegen  es aus als Geld und nicht als Ware, d.h. gegen es als
       allgemeine Materiatur der Arbeitszeit. In beiden Beziehungen aber
       wird das Quantum Gold, wogegen sich die Ware innerhalb des Zirku-
       lationsprozesses austauscht,  nicht durch den Austausch bestimmt,
       sondern der  Austausch durch  den Preis  der Ware,  d.h. ihren in
       Gold geschätzten Tauschwert. *)
       Innerhalb des  Zirkulationsprozesses erscheint  das Gold in jeder
       Hand als  Resultat des  Verkaufs W-G.  Da aber  W-G, der Verkauf,
       zugleich G-W, der Kauf, ist, zeigt sich, daß während W, die Ware,
       wovon der  Prozeß ausgeht,  ihre erste  Metamorphose, die  andere
       Ware, die  als Extrem  G gegenübersteht, ihre zweite Metamorphose
       vollzieht und daher die zweite Hälfte der Zirkulation durchläuft,
       während die  erste Ware sich noch in der ersten Hälfte ihres Kur-
       sus befindet.
       Als Resultat  des ersten Prozesses der Zirkulation, des Verkaufs,
       ergibt sich  der Ausgangspunkt  des zweiten,  das  Geld.  An  die
       Stelle der  Ware in ihrer ersten Form ist ihr goldenes Äquivalent
       getreten. Dies  Resultat kann zunächst einen Ruhepunkt bilden, da
       die Ware  in dieser  zweiten Form eigene ausharrende Existenz be-
       sitzt. Die  Ware, in  der Hand ihres Inhabers kein Gebrauchswert,
       ist jetzt  in stets  brauchbarer, weil  stets austauschbarer Form
       vorhanden, und  es hängt  von Umständen  ab, wann  und an welchem
       Punkte auf der Oberfläche der Warenwelt sie wieder in Zirkulation
       tritt. Ihre  Goldverpuppung bildet  einen selbständigen Abschnitt
       in ihrem Leben, worin sie kürzer oder länger verweilen kann. Wäh-
       rend im Tauschhandel der Austausch eines besondern Gebrauchswerts
       unmittelbar an  den Austausch  eines andern  besondern Gebrauchs-
       werts  gebunden  ist,  erscheint  der  allgemeine  Charakter  der
       Tauschwert setzenden  Arbeit in der Trennung und dem gleichgülti-
       gen Auseinanderfallen der Akte des Kaufs und Verkaufs.
       G-W,   d e r   K a u f,   ist die umgekehrte Bewegung von W-G und
       zugleich die  zweite oder  Schlußmetamorphose der  Ware. Als Gold
       oder in  ihrem Dasein als allgemeines Äquivalent ist die Ware un-
       mittelbar darstellbar  in den Gebrauchswerten aller andern Waren,
       die in  ihren Preisen alle das Gold zugleich als ihr Jenseits an-
       streben, zugleich aber die Note anzeigen, worin es erklingen muß,
       damit ihre Leiber, die Gebrauchswerte, auf Seite des Geldes,
       ---
       *) Es verhindert dies natürlich nicht, daß der Marktpreis der Wa-
       ren über  oder unter  ihrem Wert stehen kann. Diese Rücksicht je-
       doch ist  der einfachen  Zirkulation fremd  und gehört einer ganz
       andern, später  zu betrachtenden Sphäre an, wo wir das Verhältnis
       von Wert und Marktpreis untersuchen werden.
       
       #74# Karl Marx
       -----
       ihre Seele,  der Tauschwert, aber in das Gold selbst springt. Das
       allgemeine Produkt der Veräußerung der Waren ist die absolut ver-
       äußerliche Ware. Es existiert keine qualitative, sondern nur noch
       eine quantitative  Schranke für  die Verwandlung  des  Goldes  in
       Ware, die  Schranke seiner  eigenen Quantität oder Wertgröße. "Es
       ist alles  zu haben  für bar Geld." Während die Ware in der Bewe-
       gung W-G  durch Entäußerung als Gebrauchswert ihren eigenen Preis
       und den  Gebrauchswert des  fremden Geldes realisiert, realisiert
       sie in der Bewegung G-W durch ihre Entäußerung als Tauschwert ih-
       ren eigenen Gebrauchswert und den Preis der andern Ware. Wenn die
       Ware durch  Realisierung ihres Preises zugleich das Gold in wirk-
       liches Geld,  verwandelt sie  durch ihre Rückverwandlung das Gold
       in ihr  eigenes bloß verschwindendes Gelddasein. Da die Warenzir-
       kulation entwickelte  Teilung der  Arbeit voraussetzt, also Viel-
       seitigkeit der  Bedürfnisse des  einzelnen  in  umgekehrtem  Ver-
       hältnis zur Einseitigkeit seines Produkts, wird der Kauf G-W sich
       bald in  einer Gleichung  mit einem  Warenäquivalent  darstellen,
       bald zersplittern  in eine  jetzt durch den Kreis der Bedürfnisse
       des Käufers und die Größe seiner Geldsumme umschriebene Reihe von
       Warenäquivalenten. -  Wie der  Verkauf zugleich  Kauf, so ist der
       Kauf zugleich  Verkauf, G-W zugleich W-G, aber die Initiative ge-
       hört hier dem Gold oder dem Käufer.
       Kehren wir nun zur Gesamtzirkulation W-G-W zurück, so zeigt sich,
       daß in  ihr eine  Ware die Gesamtreihe ihrer Metamorphosen durch-
       läuft. Gleichzeitig aber, während sie die erste Hälfte der Zirku-
       lation beginnt  und die  erste Metamorphose vollzieht, tritt eine
       zweite Ware  in die zweite Hälfte der Zirkulation, vollzieht ihre
       zweite Metamorphose und fällt aus der Zirkulation heraus, und um-
       gekehrt tritt  die erste  Ware in  die zweite Hälfte der Zirkula-
       tion, vollzieht ihre zweite Metamorphose und fällt aus der Zirku-
       lation heraus,  während eine  dritte Ware in die Zirkulation ein-
       tritt, die erste Hälfte ihres Kursus durchmacht und die erste Me-
       tamorphose vollzieht. Die Gesamtzirkulation W-G-W als Gesamtmeta-
       morphose einer  Ware ist also stets zugleich das Ende der Gesamt-
       metamorphose einer  zweiten und der Beginn der Gesamtmetamorphose
       einer dritten  Ware, also  eine Reihe  ohne Anfang  und Ende. Be-
       zeichnen wir zur Verdeutlichung, um die Waren zu unterscheiden, W
       in beiden  Extremen verschieden,  z.B. als  W'-G-W''. In der Tat,
       das erste Glied W'-G unterstellt G als Resultat eines andern W-G,
       ist also  selbst nur  das letzte  Glied von  W-G-W', während  das
       zweite Glied G-W'' in seinem Resultat W''-G ist, also selbst sich
       darstellt als  erstes Glied  von W''-G-W'''  usw. Ferner zeigt es
       sich, daß  das letzte  Glied G-W,  obgleich G  Resultat nur eines
       Verkaufs ist,  sich darstellen  kann als  G-W'+G-W''+G-W''+ etc.,
       sich also in eine Masse Käufe, d.h. eine Masse
       
       #75# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Verkäufe, d.h. eine Masse erster Glieder von neuen Gesamtmetamor-
       phosen von  Waren zersplittern kann. Wenn also die Gesamtmetamor-
       phose einer  einzelnen Ware  sich nicht  nur als  Glied einer an-
       fangs- und  endlosen Metamorphosenkette,  sondern vieler  solcher
       Ketten darstellt,  stellt sich  der ZirkuIationsprozeß der Waren-
       welt, da jede einzelne Ware die Zirkulation W-G-W durchläuft, als
       ein unendlich  verschlungenes Kettengewirr  dieser  an  unendlich
       verschiedenen Punkten  stets endenden  und stets  neu beginnenden
       Bewegung dar.  Jeder einzelne  Verkauf  oder  Kauf  besteht  aber
       zugleich als  ein gleich  gültiger  und  isolierter  Akt,  dessen
       ergänzender Akt  zeitlich und räumlich von ihm getrennt sein kann
       und  sich   daher  nicht   als  Fortsetzung  unmittelbar  an  ihn
       anzuschließen braucht.  Indem jeder  besondere Zirkulationsprozeß
       W-G oder  G-W als Verwandlung einer Ware in Gebrauchswert und der
       andern  Ware   in  Geld,  als  erstes  und  zweites  Stadium  der
       Zirkulation, nach  zwei Seiten  hin einen selbständigen Ruhepunkt
       bildet,  andererseits  aber  alle  Waren  in  der  ihnen  gemein-
       schaftlichen Gestalt  des allgemeinen  Äquivalents,  des  Goldes,
       ihre zweite  Metamorphose beginnen  und sich an den Ausgangspunkt
       der  zweiten   Zirkulationshälfte  stellen,  reiht  sich  in  der
       wirklichen Zirkulation  ein beliebiges G-W an ein beliebiges W-G,
       das zweite  Kapitel im Lebenslauf einer Ware an das erste Kapitel
       im Lebenslauf  der andern.  A z.B. verkauft Eisen für 2 Pfd. St.,
       vollzieht also  W-G oder  die erste  Metamorphose der Ware Eisen,
       verschiebt aber  den Kauf für spätere Zeit. Gleichzeitig kauft B,
       der 14  Tage früher  2 Quarter  Weizen für  6 Pfd.  St.  verkauft
       hatte, mit denselben 6 Pfd. St. Rock und Hose von Moses und Sohn,
       vollzieht also  G-W oder die zweite Metamorphose der Ware Weizen.
       Diese beiden  Akte G-W  und W-G  erscheinen hier  nur als Glieder
       einer Kette,  weil in  G, im  Gold, eine  Ware aussieht  wie  die
       andere und  im Gold  nicht wiederzuerkennen  ist, ob  es metamor-
       phosiertes Eisen  oder metamorphosierter  Weizen.  Im  wirklichen
       Zirkulationsprozeß stellt  sich  also  W-G-W  dar  als  unendlich
       zufälliges Nebeneinander und Nacheinander buntgewürfelter Glieder
       verschiedener Gesamtmetamorphosen.  Der  wirkliche  Zirkulations-
       prozeß   e r s c h e i n t  also nicht als Gesamtmetamorphose der
       Ware, nicht  als ihre  Bewegung  durch  entgegengesetzte  Phasen,
       sondern als  bloßes Aggregat  vieler zufällig  nebeneinander lau-
       fender oder  einander folgender  Käufe und  Verkäufe. Die Formbe-
       stimmtheit des  Prozesses ist  so ausgelöscht,  und um  so  voll-
       ständiger als  jeder einzelne  Zirkulationsakt, z.B. der Verkauf,
       zugleich sein Gegenteil, der Kauf, ist und umgekehrt. Andrerseits
       i s t   der Zirkulationsprozeß die Bewegung der Metamorphosen der
       Warenwelt  und  muß  sie  daher  auch  in  seiner  Gesamtbewegung
       widerspiegeln.  Wie   er  sie   reflektiert,  betrachten  wir  im
       folgenden Abschnitt. Hier mag nur noch bemerkt werden,
       
       #76# Karl Marx
       -----
       daß in  W-G-W die  beiden Extreme W nicht in derselben Formbezie-
       hung zu G stehen. Das erste W verhält sich als besondere Ware zum
       Geld als  der allgemeinen  Ware, während  Geld als die allgemeine
       Ware sich  zum zweiten  W als  einzelner Ware verhält. W-G-W kann
       daher abstrakt logisch auf die Schlußform B-A-E reduziert werden,
       worin die  Besonderheit das  erste Extrem,  die Allgemeinheit die
       zusammenschließende Mitte  und die  Einzelheit das  letzte Extrem
       bildet.
       Die Warenbesitzer  traten in  den Zirkulationsprozeß  einfach als
       Hüter von  Waren. Innerhalb  desselben treten sie sich in der ge-
       gensätzlichen Form  von Käufer  und Verkäufer gegenüber, der eine
       personifizierter Zuckerhut, der andere personifiziertes Gold. Wie
       nun der Zuckerhut Gold wird, wird der Verkäufer Käufer. Diese be-
       stimmten sozialen  Charaktere entspringen also keineswegs aus der
       menschlichen Individualität überhaupt, sondern aus den Austausch-
       verhältnissen von  Menschen, die  ihre Produkte in der bestimmten
       Form der  Ware produzieren.  Es sind  so wenig  rein individuelle
       Verhältnisse, die  sich im  Verhältnis des Käufers und Verkäufers
       ausdrücken, daß  beide nur in diese Beziehung treten, soweit ihre
       individuelle Arbeit verneint, nämlich als Arbeit feines Individu-
       ums Geld wird. So albern es daher ist, diese ökonomisch bürgerli-
       chen Charaktere  von  Käufer  und  Verkäufer  als  ewige  gesell-
       schaftliche Formen  der menschlichen  Individualität aufzufassen,
       ebenso verkehrt  ist es,  sie als Aufhebung der Individualität zu
       betränen. *)  Sie sind  notwendige Darstellung der Individualität
       auf Grundlage einer bestimmten Stufe
       ---
       *) Wie tief selbst die ganz oberflächliche Form des Antagonismus,
       der sich  in Kauf und Verkauf darstellt, schöne Seelen verwundet,
       zeigt der  folgende Auszug  aus Herrn  Isaac Péreires "Leçons sur
       l'industrie et  les finances", Paris 1832. Daß derselbe Isaac der
       als Erfinder  und Diktator  des Credit  mobilier [18] berüchtigte
       Pariser Börsenwolf  ist, zeigt zugleich, was es mit der sentimen-
       talen Kritik  der Ökonomie auf sich hat. Herr Péreire, damals ein
       Apostel St. Simons, sagt: "Weil die Individuen isoliert sind, die
       einen von  den andern  getrennt, sei es in ihren Arbeiten, sei es
       für die  Konsumtion, darum gibt es unter ihnen Austausch der Pro-
       dukte ihrer  respektiven Gewerbe.  Aus der Notwendigkeit des Tau-
       sches entspringt die Notwendigkeit, den relativen Wert der Gegen-
       stände zu  bestimmen. Die Ideen vom Wert und vom Tausch sind also
       eng verbunden,  und alle  beide drücken  in ihrer wirklichen Form
       den Individualismus und den Antagonismus aus... Man kann den Wert
       der Produkte  nur festsetzen,  weil es Verkauf und Kauf gibt, mit
       andern Worten,  Antagonismus zwischen  den verschiedenen Gliedern
       der Gesellschaft.  Man konnte sich nur da mit Preis, mit Wert be-
       schäftigen, wo es Verkauf und Kauf gab, das heißt, wo jedes Indi-
       viduum gezwungen  war zu   k ä m p f e n,  um sich die zur Erhal-
       tung der  Existenz notwendigen Gegenstände zu verschaffen." (l.c.
       pag. 2, 3 passim.)
       
       #77# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       des gesellschaftlichen  Produktionsprozesses.  Im  Gegensatz  von
       Käufer und  Verkäufer drückt sich zudem die antagonistische Natur
       der bürgerlichen  Produktion noch  so oberflächlich  und  formell
       aus, daß  dieser Gegensatz auch vorbürgerlichen Gesellschaftsfor-
       men angehört,  indem er  bloß erheischt,  daß die Individuen sich
       aufeinander als Inhaber von Waren beziehen.
       Betrachten wir  nun das Resultat von W- G-W, so sinkt es zusammen
       in den Stoffwechsel W-W. Ware ist gegen Ware, Gebrauchswert gegen
       Gebrauchswert ausgetauscht  worden, und die Geldwerdung der Ware,
       oder die  Ware als  Geld, dient nur zur Vermittlung dieses Stoff-
       wechsels.  Das   Geld  erscheint  so  als  bloßes    T a u s c h-
       m i t t e l   der Waren,  aber nicht  als Tauschmittel überhaupt,
       sondern durch  den Zirkulationsprozeß  charakterisiertes  Tausch-
       mittel, d.h.  Z i r k u l a t i o n s m i t t e l.  *)
       Daraus, daß  der Zirkulationsprozeß der Waren erlischt in W-W und
       daher bloß  durch Geld vermittelter Tauschhandel zu sein scheint,
       oder daß  überhaupt W-G-W  nicht nur  in zwei  isolierte Prozesse
       zerfällt,  sondern   zugleich  ihre  bewegte  Einheit  darstellt,
       schließen wollen, daß nur die Einheit und nicht die Trennung zwi-
       schen Kauf  und Verkauf  existiert, ist  eine Manier des Denkens,
       deren Kritik  in die  Logik und nicht in die Ökonomie gehört. Wie
       die Trennung im Austauschprozeß von Kauf und Verkauf lokal-natur-
       wüchsige, angestammt  fromme,  gemütlich  alberne  Schranken  des
       gesellschaftlichen Stoffwechsels  sprengt, ist  sie zugleich  die
       allgemeine Form  der Zerreißung  seiner zusammengehörigen Momente
       und ihrer  Festsetzung gegeneinander,  mit einem Wort, die allge-
       meine Möglichkeit  der Handelskrisen, jedoch nur, weil der Gegen-
       satz von Ware und Geld die abstrakte und allgemeine Form aller in
       der bürgerlichen  Arbeit enthaltenen Gegensätze ist. Geldzirkula-
       tion kann daher stattfinden ohne Krisen, aber Krisen können nicht
       stattfinden ohne  Geldzirkulation. Dieses  heißt jedoch  nur, daß
       da, wo die auf Privataustausch beruhende Arbeit noch nicht einmal
       zur Geldbildung fortgegangen ist, sie natürlich noch weniger Phä-
       nomene hervorbringen  kann, welche die volle Entwicklung des bür-
       gerlichen Produktionsprozesses  voraussetzen. Man  kann daher die
       Tiefe der Kritik messen, die durch Abschaffung des "Privilegiums"
       der edeln  Metalle und  durch ein  sogenanntes "rationelles Geld-
       system" die  "Mißstände" der  bürgerlichen Produktion  beseitigen
       will. Als  Probe ökonomistischer Apologetik andererseits mag eine
       Wendung hinreichen,
       ---
       *) "Das Geld  ist nur das Mittel und die bewegende Kraft, während
       die dem  Leben nützlichen  Waren das  Ziel und  der Zweck  sind."
       Boisguillebert, "Le  détail de la France", 1697, in Eugène Daires
       "Economistes financiers  du XVIII.  siècle", vol.  I, Paris 1843,
       pag. 210.
       
       #78# Karl Marx
       -----
       die als  außerordentlich scharfsinnig verschrien ist. James Mill,
       der Vater  des bekannten  englischen Ökonomen  John Stuart  Mill,
       sagt:
       
       "Es kann  nie einen  Mangel an  Käufern für alle Waren geben. Wer
       immer eine Ware zum Verkauf darbietet, verlangt eine Ware im Aus-
       tausch dafür  zu erhalten,  und ist  daher Käufer durch das bloße
       Faktum, daß  er Verkäufer  ist. Käufer  und Verkäufer aller Waren
       zusammengenommen, müssen  sich  daher  durch  eine  metaphysische
       Notwendigkeit das Gleichgewicht halten. Wenn daher mehr Verkäufer
       als Käufer von einer Ware da sind, muß es mehr Käufer als Verkäu-
       fer von einer andern Ware geben." *)
       Mill stellt  das Gleichgewicht dadurch her, daß er den Zirkulati-
       onsprozeß in unmittelbaren Tauschhandel verwandelt, in den unmit-
       telbaren Tauschhandel aber wieder die dem Zirkulationsprozeß ent-
       lehnten Figuren  von Käufer  und Verkäufer  hineinschmuggelt.  In
       seiner Sprachverwirrung zu reden, gibt es in solchen Momenten, wo
       alle Waren  unverkaufbar sind,  wie z.B.  zu London  und Hamburg,
       während bestimmter  Momente der  Handelskrise 1857/58, in der Tat
       mehr Käufer als Verkäufer von einer Ware, dem  G e l d,  und mehr
       Verkäufer als Käufer von  a l l e m  a n d e r e n  G e l d,  den
       Waren. Das metaphysische Gleichgewicht der Käufe und Verkäufe be-
       schränkt sich  darauf, daß  jeder Kauf ein Verkauf und jeder Ver-
       kauf ein  Kauf ist,  was kein sonderlicher Trost für die Warenhü-
       ter, die  es nicht zum Verkauf, also auch nicht zum Kauf bringen.
       **)
       ---
       *) November 1807  erschien in  England eine  Schrift von  William
       Spence unter  dem Titel: "Britain independent of commerce", deren
       Prinzip William  Cobbett in seinem "Political Register" unter der
       drastischeren Form  "Perish commerce"  weiter ausführte.  Dagegen
       veröffentlichte James  Mill 1808  seine  "Defence  of  commerce",
       worin sich das im Text aus seinen "Elements of political economy"
       entlehnte Argument  schon findet.  In seiner Polemik mit Sismondi
       und Malthus über die Handelskrisen eignete sich J.-B. Say den ar-
       tigen Fund  an, und  da es  unmöglich wäre  zu sagen, mit welchem
       neuen Einfall  dieser komische "prince de la science" 1*) die po-
       litische Ökonomie bereichert hätte - sein Verdienst bestand viel-
       mehr in  der Unparteilichkeit,  womit er  seine Zeitgenossen Mal-
       thus, Sismondi und Ricardo gleichmäßig mißverstand -, haben seine
       kontinentalen  Bewunderer   ihn  als  Heber  jenes  Schatzes  vom
       metaphysischen Gleichgewicht der Käufe und Verkäufe ausposaunt.
       **) Die Manier,  worin die Ökonomen die verschiedenen Formbestim-
       mungen der  Ware darstellen, mag man aus folgenden Beispielen er-
       sehen:
       "Im Besitze  von Geld brauchen wir nur einen Tausch zu machen, um
       den Gegenstand  des Wunsches zu erlangen, während wir mit anderen
       Surplusprodukten  zwei   machen  müssen,   von  denen  der  erste
       (Besorgung des Geldes) unendlich schwieriger
       -----
       1*) "Fürst der Wissenschaft"
       
       #79# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Die Trennung zwischen Verkauf und Kauf macht mit dem eigentlichen
       Handel eine  Masse Scheintransaktionen  vor dem  definitiven Aus-
       tausch zwischen  Warenproduzenten und  Warenkonsumenten  möglich.
       Sie befähigt so eine Masse Parasiten, sich in den Produktionspro-
       zeß einzudrängen  und die  Scheidung auszubeuten. Dies heißt aber
       wieder nur, daß mit dem Geld als der allgemeinen Form der bürger-
       lichen Arbeit  die   M ö g l i c h k e i t  der Entwicklung ihrer
       Widersprüche gegeben ist.
       
       b) Der Umlauf des Geldes
       
       Die wirkliche Zirkulation stellt sich zunächst dar als eine Masse
       zufällig nebeneinanderlaufender  Käufe und  Verkäufe. Im Kauf wie
       im Verkauf stehen sich Ware und Geld stets in derselben Beziehung
       gegenüber, der Verkäufer auf Seite der Ware, der Käufer auf Seite
       des Geldes. Geld als Zirkulationsmittel erscheint daher stets als
       K a u f m i t t e l,  womit seine unterschiedenen Bestimmungen in
       den entgegengesetzten  Phasen der Warenmetamorphose unerkenntlich
       geworden sind.
       Das Geld  geht in  demselben Akt in die Hand des Verkäufers über,
       worin die  Ware in  die Hand  des Käufers übergeht. Ware und Geld
       laufen also  in entgegengesetzter  Richtung, und  dieser Stellen-
       wechsel, worin  die Ware auf die eine, und das Geld auf die andre
       Seite tritt,  vollzieht sich  gleichzeitig an  unbestimmt  vielen
       Punkten auf  der ganzen Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft.
       Der erste  Schritt aber, den die Ware in die Zirkulation tut, ist
       zugleich ihr  letzter Schritt.  *) Ob  sie aus  der Stelle rückt,
       weil Gold von ihr
       ---
       ist als  der zweite."  Opdyke, G.,  "A treatise on political eco-
       nomy", New York, pag. 287 bis 288.
       "Die höhere  Verkaufbarkeit von  Geld ist gerade die Wirkung oder
       natürliche Konsequenz  der geringeren  Verkaufbarkeit von Waren."
       (Corbet. Th., "An inquiry into the causes and modes of the wealth
       of individuals  etc.", London  1841, pag. 117.) "Geld hat die Ei-
       genschaft, immer  gegen das  austauschbar zu  sein, was es mißt."
       Bosanquet, "Metallic,  Paper and  Credit Currency  etc.",  London
       1842, p. 100.
       "Geld kann  immer andere Waren kaufen, während andere Waren nicht
       immer Geld  kaufen können." Tooke, Th., "An Inquiry into the Cur-
       rency Principle", 2. ed., London 1844, p. 10.
       *) Dieselbe Ware  kann mehrmals  gekauft und wieder verkauft wer-
       den. Sie  zirkuliert dann  nicht als bloße Ware, sondern in einer
       Bestimmung, die auf dem Standpunkt der einfachen Zirkulation, des
       einfachen Gegensatzes von Ware und Geld, nicht vorhanden ist.
       
       #80# Karl Marx
       -----
       (W-G), oder weil sie vom Gold angezogen wird (G-W), mit dem einen
       Ruck, dem  einen Stellenwechsel, fällt sie aus der Zirkulation in
       die Konsumtion. Die Zirkulation ist fortwährende Bewegung von Wa-
       ren, aber  von stets  andern Waren, und jede Ware bewegt sich nur
       einmal. Jede  Ware beginnt  die zweite  Hälfte ihrer  Zirkulation
       nicht als  dieselbe Ware, sondern als eine andere Ware, als Gold.
       Die Bewegung der metamorphosierten Ware ist also die Bewegung des
       Goldes. Dasselbe  Stück Geld  oder das identische Goldindividuum,
       das im  Akt W-G  einmal die Stelle gewechselt hat mit einer Ware,
       erscheint umgekehrt  wieder als Ausgangspunkt von G - W und wech-
       selt so die Stelle zum zweiten Male mit einer andern Ware. Wie es
       aus der  Hand des Käufers B in die Hand des Verkäufers A, geht es
       nun aus der Hand des Käufers gewordenen A in die Hand von C über.
       Die Formbewegung  einer Ware,  ihre Verwandlung  in Geld und ihre
       Rückverwandlung aus  Geld, oder  die Bewegung  der Gesamtmetamor-
       phose der  Ware stellt  sich also dar als die äußerliche Bewegung
       desselben Geldstücks,  das zweimal die Stellen mit zwei verschie-
       denen Waren wechselt. So zersplittert und zufällig Käufe und Ver-
       käufe nebeneinanderfallen, stets steht in der wirklichen Zirkula-
       tion einem  Käufer ein  Verkäufer gegenüber, und das Geld, das an
       die Stelle  der verkauften  Ware rückt, muß, bevor es in die Hand
       des Käufers  kam, schon  einmal die  Stelle mit einer andern Ware
       gewechselt haben.  Andrerseits geht  es früher oder später wieder
       aus der Hand des Käufers gewordenen Verkäufers in die eines neuen
       Verkäufers über,  und in dieser öfteren Wiederholung seines Stel-
       lenwechsels drückt  es die Verkettung der Metamorphosen der Waren
       aus. Dieselben Geldstücke rücken also, stets in entgegengesetzter
       Richtung zu  den bewegten  Waren, das  eine häufiger,  das andere
       minder häufig,  von einer  Stelle der Zirkulation zur andern, und
       beschreiben daher  einen längern  oder kürzern Zirkulationsbogen.
       Diese verschiedenen Bewegungen desselben Geldstücks können nur in
       der Zeit  aufeinanderfolgen, wie  umgekehrt die Vielheit und Zer-
       splitterung der  Käufe und  Verkäufe in dem gleichzeitigen, räum-
       lich nebeneinander  laufenden einmaligen Stellenwechsel von Waren
       und Geld erscheint.
       Die Warenzirkulation  W- G-W  in ihrer  einfachen Form  vollzieht
       sich im  Übergang des  Geldes aus der Hand des Käufers in die des
       Verkäufers und  aus der Hand des Käufers gewordenen Verkäufers in
       die eines  neuen Verkäufers.  Damit ist die Metamorphose der Ware
       beendet und folglich die Bewegung des Geldes, soweit sie ihr Aus-
       druck. Da aber stets neue Gebrauchswerte als Waren produziert und
       daher stets  von neuem in die Zirkulation geworfen werden müssen,
       wiederholt und  erneuert sich W-G-W von Seiten derselben Warenbe-
       sitzer. Das Geld, das sie als Käufer ausgegeben, kehrt in
       
       #81# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       ihre Hand  zurück, sobald  sie von  neuem als Verkäufer von Waren
       erscheinen. Die  beständige Erneuerung der Warenzirkulation spie-
       gelt sich  so darin ab, daß das Geld nicht nur beständig rouliert
       aus einer  Hand in die andere, über die ganze Oberfläche der bür-
       gerlichen Gesellschaft, sondern zugleich eine Summe verschiedener
       kleiner  Kreisläufe  beschreibt,  ausgehend  von  unendlich  ver-
       schiedenen Punkten und zurückkehrend zu denselben Punkten, um von
       neuem dieselbe Bewegung zu wiederholen.
       Wenn der  Formwechsel der  Waren als  bloßer  Stellenwechsel  des
       Geldes erscheint  und die  Kontinuität  der  Zirkulationsbewegung
       ganz auf  Seite des  Geldes fällt, indem die Ware immer nur einen
       Schritt in entgegengesetzter Richtung mit dem Geld, das Geld aber
       stets den  zweiten Schritt  für die  Ware tut  und B sagt, wo die
       Ware A gesagt hat, so  s c h e i n t  die ganze Bewegung vom Geld
       auszugehen, obgleich  die Ware  beim Verkauf  das Geld aus seiner
       Stelle zieht,  also ebensowohl  das Geld  zirkuliert, wie sie vom
       Geld im  Kauf zirkuliert  wird. Da  das Geld  ihr ferner stets in
       derselben Beziehung als  K a u f m i t t e l  gegenübertritt, als
       solches die  Waren aber  nur bewegt durch Realisieren ihres Prei-
       ses, erscheint  die ganze  Bewegung der  Zirkulation so, daß Geld
       den Platz  mit den  Waren wechselt,  indem es  ihre Preise reali-
       siert, sei  es in  gleichzeitig nebeneinander vorgehenden, beson-
       dern Zirkulationsakten,  sei es  sukzessiv, indem  dasselbe Geld-
       stück verschiedene  Warenpreise der  Reihe nach  realisiert.  Be-
       trachten wir z.B. W-G-W'-G-W''-G-W''' etc. ohne Rücksicht auf die
       qualitativen Momente,  die im wirklichen Zirkulationsprozeß uner-
       kenntlich werden,  so zeigt sich nur dieselbe monotone Operation.
       G, nachdem  es den  Preis von  W realisiert  hat, realisiert  der
       Reihe nach  die Preise von W'-W'' usw., und die Waren W'-W''-W'''
       usw. treten  stets an  die Stelle, die das Geld verläßt. Das Geld
       scheint also  die Waren  zu zirkulieren, indem es ihre Preise re-
       alisiert. In  dieser Funktion  des Realisierens der Preise zirku-
       liert es  selbst beständig,  indem es bald bloß eine Stelle wech-
       selt, bald einen Zirkulationsbogen durchläuft, bald einen kleinen
       Kreis beschreibt,  wo Ausgangspunkt und Punkt der Rückkehr zusam-
       menfallen. Als  Zirkulationsmittel hat  es seine  eigene Zirkula-
       tion. Die  Formbewegung der prozessierenden Waren erscheint daher
       als seine  eigene, den Austausch der an sich bewegungslosen Waren
       vermittelnde Bewegung. Die Bewegung des Zirkulationsprozesses der
       Waren stellt  sich also  dar in  der Bewegung  des Geldes 1*) als
       Zirkulationsmittel - im  G e l d u m l a u f.
       Wie die  Warenbesitzer die Produkte ihrer Privatarbeiten als Pro-
       dukte gesellschaftlicher  Arbeit darstellten, indem sie ein Ding,
       Gold, in unmittelbares
       -----
       1*) (1859) Goldes
       
       #82# Karl Marx
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       Dasein der  allgemeinen Arbeitszeit  und darum in Geld verwandel-
       ten, so  tritt ihnen  jetzt ihre  eigene allseitige Bewegung, wo-
       durch sie  den Stoffwechsel ihrer Arbeiten vermitteln, als eigen-
       tümliche Bewegung  eines Dings  gegenüber, als Umlauf des Goldes.
       Die gesellschaftliche  Bewegung selbst  ist für die Warenbesitzer
       einerseits äußerliche  Notwendigkeit, andrerseits  bloß formeller
       vermittelnder Prozeß,  der jedes Individuum befähigt, für den Ge-
       brauchswert, den  es in  die Zirkulation wirft, andere Gebrauchs-
       werte von  demselben Wertumfang  aus ihr  herauszuziehen. Der Ge-
       brauchswert der  Ware beginnt mit ihrem Herausfallen aus der Zir-
       kulation, während der Gebrauchswert des Geldes 1*) als Zirkulati-
       onsmittel sein  Zirkulieren selbst  ist. Die Bewegung der Ware in
       der Zirkulation ist nur ein verschwindendes Moment, während rast-
       loses Umhertreiben  in ihr  zur Funktion  des Geldes  wird. Diese
       seine eigentümliche  Funktion innerhalb des Zirkulationsprozesses
       gibt dem  Geld als  Zirkulationsmittel neue Formbestimmtheit, die
       nun näher zu entwickeln ist.
       Zunächst leuchtet  ein, daß  der Geldumlauf  eine unendlich  zer-
       splitterte Bewegung  ist, da sich in ihm die unendliche Zersplit-
       terung des  Zirkulationsprozesses in  Käufe und  Verkäufe und das
       gleichgültige Auseinanderfallen  der sich  ergänzenden Phasen der
       Warenmetamorphose widerspiegeln.  In den  kleinen Kreisläufen des
       Geldes, wo  Ausgangspunkt und  Punkt der Rückkehr zusammenfallen,
       zeigt sich  zwar sich zurückbiegende Bewegung, wirkliche Kreisbe-
       wegung, aber  einmal sind  ebenso viele Ausgangspunkte da wie Wa-
       ren, und  schon durch  ihre unbestimmte  Vielheit entziehen  sich
       diese Kreisläufe aller Kontrolle, Messung und Berechnung. Ebenso-
       wenig ist die Zeit bestimmt zwischen der Entfernung und der Rück-
       kehr zum  Ausgangspunkt. Auch ist es gleichgültig, ob ein solcher
       Kreislauf in  einem gegebenen  Fall beschrieben  wird oder nicht.
       Kein ökonomisches  Faktum ist  allgemeiner bekannt, als daß einer
       Geld mit der einen Hand ausgeben kann, ohne daß er es mit der an-
       dern wieder einnimmt. Geld geht von unendlich verschiedenen Punk-
       ten aus und kehrt an unendlich verschiedenen Punkten zurück, aber
       das Zusammenfallen von Ausgangspunkt und Rückkehrpunkt ist zufäl-
       lig, weil  in der  Bewegung W-G-W die Rückverwandlung des Käufers
       in Verkäufer  nicht notwendig  bedingt  ist.  Noch  weniger  aber
       stellt der  Geldumlauf eine  Bewegung dar,  die von einem Zentrum
       nach allen Punkten der Peripherie ausstrahlt, und von allen Punk-
       ten der  Peripherie nach demselben Zentrum zurückkehrt. Der soge-
       nannte Zirkellauf  des Geldes,  wie er  als Bild  vorschwebt, be-
       schränkt sich  darauf, daß  auf allen Punkten sein Erscheinen und
       sein
       -----
       1*) (1859) Goldes
       
       #83# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Verschwinden, sein  rastloser Stellenwechsel gesehen wird. In ei-
       ner höhern  vermittelnden  Form  der  Geldzirkulation,  z.B.  der
       Banknotenzirkulation, werden  wir finden, daß die Bedingungen der
       Ausgabe des Geldes die Bedingungen seiner Rückströmung einschlie-
       ßen. Für  die einfache  Geldzirkulation ist  es dagegen zufällig,
       daß derselbe Käufer wieder Verkäufer wird. Wo sich wirkliche Zir-
       kelbewegungen konstant in ihr zeigen, sind sie bloße Widerspiege-
       lung tieferer  Produktionsprozesse. Z.B.  der Fabrikant  nimmt am
       Freitag Geld  von seinem  Bankier, zahlt es am Samstag seinen Ar-
       beitern aus,  diese zahlen  den größten Teil desselben gleich weg
       an Krämer usw., und letztere bringen es am Montag zum Bankier zu-
       rück.
       Wir haben  gesehn, daß  das Geld in den räumlich bunt nebeneinan-
       derfallenden Käufen und Verkäufen eine gegebene Masse von Preisen
       gleichzeitig realisiert  und nur  einmal die Stelle mit den Waren
       wechselt. Andrerseits  aber, soweit  in seiner Bewegung die Bewe-
       gung der  Gesamtmetamorphosen der Waren und die Verkettung dieser
       Metamorphosen erscheint, realisiert dasselbe Geldstück die Preise
       verschiedener Waren  und vollzieht so eine größere oder geringere
       Anzahl von Umläufen. Nehmen wir also den Zirkulationsprozeß eines
       Landes in  einem gegebenen Zeitabschnitt, einem Tag z.B., so wird
       die zur  Realisation der Preise und daher zur Zirkulation der Wa-
       ren erheischte  Goldmasse bestimmt sein durch das doppelte Moment
       einerseits  der   Gesamtsumme  dieser   Preise,  andrerseits  der
       Durchschnittsanzahl der  Umläufe derselben  Goldstücke. Diese An-
       zahl der Umläufe oder die Geschwindigkeit des Geldumlaufs ist ih-
       rerseits wieder bestimmt oder drückt nur aus die Durchschnittsge-
       schwindigkeit, worin die Waren die verschiedenen Phasen ihrer Me-
       tamorphose durchlaufen,  worin diese Metamorphosen sich als Kette
       fortsetzen und  worin die Waren, die ihre Metamorphosen durchlau-
       fen haben, durch neue Waren im Zirkulationsprozeß ersetzt werden.
       Während also in der Preisgebung der Tauschwert aller Waren ideell
       in ein  Goldquantum von derselben Wertgröße verwandelt und in den
       beiden  isolierten   Zirkulationsakten  G-W   und  W-G   dieselbe
       Wertsumme doppelt vorhanden war, auf der einen Seite in Ware, auf
       der andern  in Gold,  ist das Dasein des Goldes als Zirkulations-
       mittel bestimmt  nicht durch  seine isolierte  Beziehung auf  die
       einzelnen ruhenden  Waren, sondern  durch sein bewegtes Dasein in
       der prozessierenden  Warenwelt; durch  seine Funktion,  in seinem
       Stellenwechsel  den   Formwechsel  der   Waren,  also  durch  die
       Geschwindigkeit seines  Stellenwechsels die Geschwindigkeit ihres
       Formwechsels darzustellen.  Sein wirkliches Vorhandensein im Zir-
       kulationsprozeß, d.h.  die wirkliche  Masse Gold, die zirkuliert,
       ist also  nun bestimmt  durch sein funktionierendes Dasein im Ge-
       samtprozeß selbst.
       
       #84# Karl Marx
       -----
       Die Voraussetzung  der Geldzirkulation  ist die Warenzirkulation,
       und zwar  zirkuliert das Geld Waren, die Preise haben, d. h. ide-
       ell schon  bestimmten Goldquantitäten  gleichgesetzt sind. In der
       Preisbestimmung der  Waren selbst  ist die Wertgröße des als Maß-
       einheit dienenden Goldquantums oder der Wert des Goldes als gege-
       ben vorausgesetzt.  Unter dieser  Voraussetzung also  ist das für
       die Zirkulation  erheischte Quantum  Gold zunächst bestimmt durch
       die Gesamtsumme  der zu realisierenden Warenpreise. Diese Gesamt-
       summe selbst  aber ist bestimmt 1. durch den Preisgrad, die rela-
       tive Höhe  oder Niedrigkeit  der in  Gold geschätzten Tauschwerte
       der Waren und 2. durch die Masse der zu bestimmten Preisen zirku-
       lierenden Waren,  also durch  die Masse der Käufe und Verkäufe zu
       gegebenen Preisen.  *) Kostet  ein Quarter  Weizen 60 sh., so ist
       noch einmal  soviel Gold nötig, um ihn zu zirkulieren oder seinen
       Preis zu realisieren, als wenn er nur 30 sh. kostet. Zur Zirkula-
       tion von 500 Quarter zu 60 sh. ist noch einmal soviel Gold nötig,
       als zur  Zirkulation von  250 Quarter zu demselben Preis. Endlich
       zur Zirkulation  von 10  Quarter zu  100 sh.  ist nur halb soviel
       Gold nötig, als zur Zirkulation von 40 Quarter zu 50 sh. Es folgt
       daher, daß die zur Warenzirkulation erheischte Quantität von Gold
       fallen kann,  trotz dem  Steigen der  Preise, wenn  die Masse der
       zirkulierten Waren  in größerem  Verhältnis abnimmt,  als die Ge-
       samtsumme der  Preise wächst,  und daß  umgekehrt die  Masse  der
       Zirkulationsmittel steigen  kann, wenn die Masse der zirkulierten
       Waren fällt,  aber ihre Preissumme in größerem Verhältnis steigt.
       Schöne englische Detailuntersuchungen haben so z.B. nachgewiesen,
       daß in  England in  den ersten  Stadien einer Getreideteurung die
       Masse des  zirkulierenden Geldes zunimmt, weil die Preissumme der
       verminderten Getreidemasse  größer ist,  als die  Preissumme  der
       größern Getreidemasse  war, zugleich aber die Zirkulation der üb-
       rigen Warenmasse zu ihren alten Preisen für einige Zeit ungestört
       fortdauert. In  einem späteren  Stadium der Getreideteurung fällt
       dagegen die  Masse des zirkulierenden Geldes, entweder weil neben
       dem Getreide  weniger Waren  zu den alten Preisen oder ebensoviel
       Waren zu niedrigem Preisen verkauft werden.
       ---
       *) Die Masse des Geldes ist gleichgültig, "vorausgesetzt, daß ge-
       nug vorhanden  ist, um  die durch die Waren gegebenen Preise auf-
       rechtzuerhalten". Boisguillebert,  "Le détail de la France", l.c.
       pag. 209.  "Wenn die Zirkulation von Waren von 400 Millionen Pfd.
       St. eine  Masse Gold von 40 Millionen erheischt und diese Propor-
       tion von  1/10 das  adäquate Niveau  war, dann, wenn der Wert der
       zirkulierenden Waren  aus natürlichen  Gründen zu  430  Millionen
       steigt, müßte  die Goldmasse,  um auf ihrem Niveau zu bleiben, zu
       45 Millionen  wachsen." W.  Blake, "Observations  on the  effects
       produced by  the expenditure  of Government  etc.", London  1823,
       pag. 80, 81.
       
       #85# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Die Quantität  des zirkulierenden Geldes ist aber, wie wir sahen,
       nicht nur durch die Gesamtsumme der zu realisierenden Warenpreise
       bestimmt, sondern  zugleich durch  die Geschwindigkeit, womit das
       Geld umläuft  oder in  einem gegebenen Zeitabschnitt das Geschäft
       dieser Realisation vollbringt. Wenn derselbe Sovereign an demsel-
       ben Tage  zehn Käufe macht, jedesmal von Ware zum Preis eines So-
       vereign, also  10mal die  Hände  wechselt,  vollbringt  er  exakt
       dasselbe Geschäft wie 10 Sovereigns, deren jeder in einem Tag nur
       einmal umläuft. *) Geschwindigkeit im Umlauf des Goldes kann also
       seine Quantität  ersetzen, oder  das Dasein  des Goldes im Zirku-
       lationsprozeß ist  nicht nur  durch sein  Dasein  als  Äquivalent
       neben der  Ware, sondern  auch durch  sein Dasein  innerhalb  der
       Bewegung der  Warenmetamorphose bestimmt. Die Geschwindigkeit des
       Geldumlaufs  ersetzt   jedoch  seine   Quantität  nur   zu  einem
       bestimmten Grad, da unendlich zersplitterte Käufe und Verkäufe in
       jedem gegebenen Zeitpunkt räumlich nebeneinanderfallen.
       Steigen die  Gesamtpreise der zirkulierenden Waren, aber in klei-
       nerem Verhältnis  als die Geschwindigkeit des Geldumlaufs wächst,
       so wird  die Masse der Zirkulationsmittel fallen. Nimmt umgekehrt
       die Geschwindigkeit der Zirkulation ab in größerem Verhältnis als
       der Gesamtpreis  der zirkulierenden Warenmasse fällt, so wird die
       Masse der  Zirkulationsmittel steigen.  Wachsende  Quantität  der
       Zirkulationsmittel mit  allgemein fallenden  Preisen,  abnehmende
       Quantität der Zirkulationsmittel mit allgemein steigenden Preisen
       ist eins  der bestkonstatierten  Phänomene in  der Geschichte der
       Warenpreise. Die  Ursachen aber,  die Steigen  im Grad der Preise
       und gleichzeitig  noch höheres  Steigen im  Grad  der  Umlaufsge-
       schwindigkeit des  Geldes hervorbringen, sowie die umgekehrte Be-
       wegung, fallen  außerhalb der  Betrachtung der einfachen Zirkula-
       tion. Beispielsweise  kann angeführt  werden, daß unter anderm in
       Epochen vorherrschenden  Kredits die  Geschwindigkeit des Geldum-
       laufs schneller  wächst als die Preise der Waren, während mit ab-
       nehmendem Kredit  die Preise  der Waren  langsamer fallen als die
       Geschwindigkeit der  Zirkulation. Der oberflächliche und formelle
       Charakter der  einfachen Geldzirkulation  zeigt sich  eben darin,
       daß alle  die Anzahl der Zirkulationsmittel bestimmenden Momente,
       wie Masse  der zirkulierenden  Waren, Preise, Steigen oder Fallen
       der Preise,  Anzahl gleichzeitiger  Käufe und Verkäufe, Geschwin-
       digkeit des Geldumlaufs, abhängen von dem Prozeß der Metamorphose
       der Warenwelt, der wieder abhängt vom Gesamtcharakter
       ---
       *) "Es ist  die Schnelligkeit des Geldumlaufs und nicht die Menge
       des Metalls,  was macht,  daß viel  oder wenig  Geld vorhanden zu
       sein scheint." (Galiani, l.c. pag. 99.)
       
       #86# Karl Marx
       -----
       der Produktionsweise,  Populationsmenge, Verhältnis von Stadt und
       Land, Entwickelung  der Transportmittel, von größerer oder gerin-
       gerer Teilung  der Arbeit,  Kredit usw.,  kurz von Umständen, die
       alle  a u ß e r h a l b  der einfachen Geldzirkulation liegen und
       sich in ihr nur abspiegeln.
       Die Geschwindigkeit  der Zirkulation vorausgesetzt, ist die Masse
       der Zirkulationsmittel also einfach bestimmt durch die Preise der
       Waren. Preise  sind also  nicht hoch oder niedrig, weil mehr oder
       weniger Geld umläuft, sondern es läuft mehr oder weniger Geld um,
       weil die  Preise hoch  oder niedrig  sind. Es  ist dies  eins der
       wichtigsten ökonomischen  Gesetze, dessen  Nachweisung im  Detail
       durch die  Geschichte der Warenpreise vielleicht das einzige Ver-
       dienst der  Nach-Ricardoschen englischen  Ökonomie bildet.  Zeigt
       nun die  Erfahrung, daß  das Niveau  der metallischen Zirkulation
       oder die  Masse des  zirkulierenden Goldes  oder Silbers in einem
       bestimmten Lande  zwar temporären  Ebbungen und  Flutungen ausge-
       setzt ist  und manchmal  sehr heftigen Ebbungen und Flutungen *),
       im ganzen aber für längere Zeitperioden sich gleichbleibt und die
       Abweichungen vom Durchschnittsniveau nur zu schwachen Oszillatio-
       nen fortgehn,  so erklärt  sich dies Phänomen einfach aus der ge-
       gensätzlichen Natur  der Umstände, die die Masse des zirkulieren-
       den Geldes bestimmen. Ihre gleichzeitige Modifikation paralysiert
       ihre Wirkung und läßt alles beim alten.
       Das Gesetz,  daß bei  gegebener Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes
       und gegebener Preissumme der Waren die Quantität des zirkulieren-
       den Mediums bestimmt ist, läßt sich auch so ausdrücken, daß, wenn
       die Tauschwerte  der Waren  und die  Durchschnittsgeschwindigkeit
       ihrer Metamorphosen  gegeben sind, die Quantität des zirkulieren-
       den Goldes  von seinem eigenen Wert abhängt. Nähme daher der Wert
       des Goldes, d. h. die zu seiner Produktion
       ---
       *) Ein Beispiel  vom außerordentlichen  Fallen  der  metallischen
       Zirkulation unter  ihr Durchschnittsniveau  bot England  im Jahre
       1858, wie  man aus  folgendem Auszug  aus dem  "London Economist"
       [19] sehen  wird: "Der Natur der Sache entsprechend" (nämlich dem
       zersplitterten Charakter  der einfachen  Zirkulation)  "kann  man
       keine sehr genauen Angaben erhalten über die Menge des Bargeldes,
       das auf  dem Markt  und in den Händen der Klassen fluktuiert, die
       nicht Bankgeschäfte  treiben. Aber  vielleicht ist  die Aktivität
       oder Unaktivität  der Münzstätten der großen Handelsnationen eins
       der richtigsten  Anzeichen für  die Veränderungen jener Menge. Es
       wird viel  erzeugt werden,  wenn viel  gebraucht wird, und wenig,
       wenn wenig  gebraucht wird...  In der englischen Münze betrug die
       Prägung im  Jahre 1855:  9 245 000 Pfd. St., 1856: 6 476 000 Pfd.
       St., 1857:  5 293 858 Pfd.  St. Während des Jahres 1858 hatte die
       Münze kaum  etwas zu tun." "Economist", 10. Juli 1858. Gleichzei-
       tig aber lagen im Bankkeller ungefähr 18 Millionen Pfund Sterling
       Gold.
       
       #87# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       erheischte Arbeitszeit,  zu oder ab, so würden die Warenpreise in
       umgekehrtem Verhältnisse  steigen oder  fallen, und diesem allge-
       meinen Steigen  oder Fallen der Preise würde bei gleichbleibender
       Umlaufsgeschwindigkeit eine  größere  oder  geringere  Masse  des
       Goldes entsprechen,  das  zur  Zirkulation  derselben  Warenmasse
       erheischt wäre. Derselbe Wechsel fände statt, wenn das alte Wert-
       maß durch  ein wertvolleres  oder  wertloseres  Metall  verdrängt
       würde. So  bedurfte Holland,  als es aus zarter Rücksicht auf die
       Staatsgläubiger und  aus Furcht  vor den Wirkungen der kaliforni-
       schen und  australischen Entdeckungen  das Goldgeld durch Silber-
       geld ersetzte, 14- bis 15mal mehr Silber als früher Gold, um die-
       selbe Warenmasse zu zirkulieren.
       Aus der  Abhängigkeit des  zirkulierenden  Goldquantums  von  der
       wechselnden  Summe   der  Warenpreise  und  von  der  wechselnden
       Zirkulationsgeschwindigkeit folgt, daß die Masse der metallischen
       Zirkulationsmittel der  Kontraktion und Expansion fähig sein muß,
       kurz, daß  dem Bedürfnis  des Zirkulationsprozesses  entsprechend
       das Gold  bald als  Zirkulationsmittel in  den Prozeß  eintreten,
       bald wieder  aus ihm  ausscheiden muß. Wie der Zirkulationsprozeß
       selbst diese Bedingungen verwirklicht, werden wir später sehn.
       
       c) Die Münze. Das Wertzeichen
       
       Das Gold  in seiner Funktion als Zirkulationsmittel erhält eigene
       Fasson, es  wird  M ü n z e.  Damit sein Umlauf nicht durch tech-
       nische Schwierigkeiten aufgehalten werde, wird es dem Maßstab des
       Rechengeldes entsprechend  gemünzt. Goldstücke, deren Gepräge und
       Figur anzeigt,  daß sie  die in  den Rechennamen des Geldes, Pfd.
       St., sh.  usw. vorgestellten  Gewichtteile Gold  enthalten,  sind
       Münzen. Wie  die Bestimmung des Münzpreises, so fällt das techni-
       sche Geschäft  der Münzung  dem Staat anheim. Wie als Rechengeld,
       so erhält  das Geld als Münze  l o k a l e n  u n d  p o l i t i-
       s c h e n   C h a r a k t e r,   spricht verschiedene Landesspra-
       chen und  trägt verschiedene  Nationaluniform. Die  Sphäre, worin
       das Geld als Münze umläuft, scheidet sich daher als  i n n e r e,
       durch  die  Grenzen  eines  Gemeinwesens  umschriebene  Warenzir-
       kulation von  der   a l l g e m e i n e n  Zirkulation der Waren-
       welt ab.
       Indes Gold  im Barrenzustande  und Gold  als Münze  unterscheiden
       sich nicht  mehr als  sein Münzname  und sein Gewichtname. Was in
       dem letzten  Fall Namensunterschied,  erscheint jetzt  als bloßer
       Unterschied der  Figur. Die  Goldmünze kann  in den Schmelztiegel
       geworfen und  damit wieder in Gold sans phrase verwandelt werden,
       wie umgekehrt  der Goldbarren nur auf die Münze geschickt zu wer-
       den braucht, um die Münzform zu erhalten. Die
       
       #88# Karl Marx
       -----
       Verwandlung und Rückverwandlung aus der einen Figur in die andere
       erscheint als rein technische Operation.
       Für 100  Pfunde oder  1200 Unzen troy 22karätiges Gold erhält man
       von der  englischen Münze  4672 1/2 Pfd. St. oder Goldsovereigns,
       und legt  man diese Sovereigns auf die eine Seite der Waagschale,
       100 Pfund Barrengold auf die andere, so wiegen sie gleich schwer,
       und so  ist der Beweis geliefert, daß der Sovereign nichts andres
       ist, als  das mit diesem Namen im englischen Münzpreis angezeigte
       Gewichtteil Gold,  mit eigener  Figur und  eigenem  Stempel.  Die
       4672 1/2 Goldsovereigns  werden von verschiedenen Punkten in Zir-
       kulation geworfen,  und von ihr ergriffen vollziehen sie an einem
       Tage eine bestimmte Anzahl von Umläufen, der eine Sovereign mehr,
       der andere  weniger. Wäre die Durchschnittszahl der täglichen Um-
       läufe von  je einer  Unze 10,  so würden die 1200 Unzen Gold eine
       Gesamtsumme von  Warenpreisen zum  Belauf von  12 000 Unzen  oder
       46 725 Sovereigns  realisieren. Man mag eine Unze Gold drehen und
       wenden wie  man will,  sie wird nie 10 Unzen Gold wiegen. Hier im
       Zirkulationsprozeß wiegt aber in der Tat 1 Unze 10 Unzen. Das Da-
       sein der Münze innerhalb des Zirkulationsprozesses ist gleich dem
       in ihr  enthaltenen Geldquantum  multipliziert mit der Zahl ihrer
       Umläufe. Außer  ihrem wirklichen  Dasein als  einzelnes Goldstück
       von bestimmtem  Gewicht erhält die Münze also ein aus ihrer Funk-
       tion entspringendes ideelles Dasein. Indes der Sovereign mag ein-
       mal oder  zehnmal umlaufen,  in jedem einzelnen Kauf oder Verkauf
       wirkt er  nur als einzelner Sovereign. Es ist wie mit einem Gene-
       ral, der am Schlachttag durch rechtzeitiges Erscheinen an 10 ver-
       schiedenen Punkten  10 Generäle  ersetzt,  aber  doch  auf  jedem
       Punkte derselbe  identische General  ist. Die  Idealisierung  des
       Zirkulationsmittels, die im Geldumlauf aus dem Ersetzen von Quan-
       tität durch Geschwindigkeit entspringt, betrifft nur das funktio-
       nelle Dasein  der Münze  innerhalb des Zirkulationsprozesses, er-
       greift aber nicht das Dasein des einzelnen Geldstücks.
       Der Geldumlauf jedoch ist äußere Bewegung, und der Sovereign, ob-
       gleich er  non olet  1*), treibt  sich in gemischter Gesellschaft
       um. In  der Friktion  mit allen  Sorten von  Händen, Beuteln, Ta-
       schen, Börsen,  Katzen, Säckeln, Kisten und Kasten reibt sich die
       Münze auf,  läßt hier  ein Goldatom  hängen, dort ein anderes und
       verliert so  durch die Abschleifung im Weltlauf mehr und mehr von
       ihrem innern  Gehalt. Indem sie benutzt wird, wird sie abgenutzt.
       Halten wir  den Sovereign  in einem  Momente fest, wo sein natur-
       wüchsig  gediegener   Charakter  nur   noch  schwach  angegriffen
       scheint.
       -----
       1*) nicht riecht
       
       #89# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       "Ein Bäcker,  der heute einen nagelneuen Sovereign frisch von der
       Bank erhält  und ihn  morgen an  den Müller wegzahlt, zahlt nicht
       denselben wahrhaften  (veritable) Sovereign;  er ist leichter als
       zur Zeit, wo er ihn erhielt." *)
       "Es ist  klar, daß  die Münze  durch die  Natur der  Dinge selbst
       stets Stück  für Stück  in Depreziation  fallen muß,  infolge der
       bloßen Wirkung der gewöhnlichen und unvermeidlichen Abschleifung.
       Es ist  eine physische  Unmöglichkeit, zu irgendeiner Zeit selbst
       für einen  einzigen Tag  leichte Münzen  ganz von der Zirkulation
       auszuschließen." **)
       Jacob schätzt,  daß von  den 380  Millionen Pfd. St., die 1809 in
       Europa existierten,  1829, also  in einem Zeitraum von 20 Jahren,
       19 Millionen  Pfd.  St.  durch  Abschleifen  völlig  verschwunden
       waren. ***) Wie also die Ware beim ersten Schritt, den sie in die
       Zirkulation hinein  tut, aus ihr herausfällt, so stellt die Münze
       nach ein  paar Schritten in der Zirkulation mehr Metallgehalt vor
       als sie  hat. Je  länger die  Münze umläuft  bei gleichbleibender
       Zirkulationsgeschwindigkeit, oder  je lebhafter  ihre Zirkulation
       in demselben  Zeitraum wird,  um so mehr löst sich ihr Dasein als
       Münze von  ihrem goldenen  oder silbernen  Dasein ab.  Was übrig-
       bleibt, ist  magni nominis  umbra 1*). Der Leib der Münze ist nur
       noch ein  Schatten. Während  sie ursprünglich  durch  den  Prozeß
       schwerer, wird  sie jetzt leichter durch ihn, fährt aber fort, in
       jedem einzelnen Kauf oder Verkauf als das ursprüngliche Goldquan-
       tum zu  gelten. Der  Sovereign fährt  fort,  als    S c h e i n -
       Sovereign, als Schein-Gold, die Funktion des legitimen Goldstücks
       zu vollziehen.  Während andre  Wesen durch Reibung mit der Außen-
       welt ihren  Idealismus einbüßen,  wird die Münze durch die Praxis
       idealisiert, in bloßes Scheindasein ihres goldenen oder silbernen
       Leibes verwandelt.  Diese zweite,  durch  den  Zirkulationsprozeß
       selbst  bewirkte   Idealisierung  des   Metallgeldes,  oder   die
       Scheidung zwischen  seinem Nominalgehalt  und seinem  Realgehalt,
       wird  teils  von  Regierungen,  teils  von  Privatabenteurern  in
       Münzfälschungen buntester  Art ausgebeutet.  Die ganze Geschichte
       des Münzwesens  vom Anfang  des Mittelalters  bis  tief  ins  18.
       Jahrhundert löst sich auf in die Geschichte dieser doppelseitigen
       ---
       *) Dodd, "Curiosities of industry etc.", London 1854 [p. 16].
       **) "The currency  theory reviewed  etc. by a banker etc.", Edin-
       burgh 1845,  pag. 69  etc. "Wenn  ein etwas gebrauchter Taler für
       etwas weniger  wert gälte  als ein  ganz neuer  Taler, dann würde
       sich die  Zirkulation beständig  aufgehalten finden, und es würde
       keine  einzige  Zahlung  ohne  Streitigkeiten  vor  sich  gehen."
       (Garnier, G., "Histoire de la monnaie etc.", tom I, p. 24.)
       ***) Jacob, W.,  "An historical  inquiry into  the production and
       consumption of  the precious  metals", London  1831, vol. II, ch.
       XXVI [p. 322].
       -----
       1*) der Schatten eines großen Namens (Lucanus, "Pharsalia")
       
       #90# Karl Marx
       -----
       und antagonistischen  Fälschungen, und Custodis vielbändige Samm-
       lung der  italienischen Ökonomen  dreht sich  zum großen  Teil um
       diesen Punkt.
       Das Scheindasein  des Goldes  innerhalb seiner Funktion tritt je-
       doch in Konflikt mit seinem wirklichen Dasein. Eine Goldmünze hat
       mehr, die  andere weniger von ihrem Metallgehalt im Umlauf einge-
       büßt, und der eine Sovereign ist daher jetzt in der Tat mehr wert
       als der  andere. Da  sie aber  in ihrem  funktionellen Dasein als
       Münze gleich  viel gelten, der Sovereign, der 1/4 Unze ist, nicht
       mehr als  der Sovereign,  der 1/4  Unze scheint, werden die voll-
       wichtigen Sovereigns teilweise in den Händen gewissenloser Besit-
       zer chirurgischen Operationen unterworfen, und künstlich an ihnen
       vollbracht, was  der Umlauf  selbst natürlich  an ihren  leichten
       Brüdern vollzog. Sie werden gekippt und gewippt und ihr überflüs-
       siges Goldfett  wandert in den Schmelztiegel. Wenn 4672 1/2 Gold-
       sovereigns auf  eine Waagschale gelegt, durchschnittlich nur noch
       800   1*) Unzen  wiegen statt 1200, werden sie, auf den Goldmarkt
       gebracht, nur noch 800  1*) Unzen Gold kaufen oder der Marktpreis
       des Goldes  stiege über  seinen Münzpreis.  Jedes Geldstück, auch
       wenn vollwichtig,  gälte in seiner Münzform weniger als in seiner
       Barrenform. Die vollwichtigen Sovereigns würden rückverwandelt in
       ihre Barrenform,  worin mehr Gold mehr Wert hat als weniger Gold.
       Sobald dies Fallen unter den Metallgehalt die hinreichende Anzahl
       Sovereigns ergriffen hätte, um anhaltendes Steigen des Marktprei-
       ses des  Goldes über seinen Münzpreis zu bewirken, würden die Re-
       chennamen der  Münze dieselben  bleiben, aber  künftig ein gerin-
       geres Quantum  Gold anzeigen.  In andern  Worten, der Maßstab des
       Geldes würde  sich ändern  und das Gold künftig diesem neuen Maß-
       stab entsprechend  gemünzt werden.  Durch seine Idealisierung als
       Zirkulationsmittel hätte  das Gold  rückschlagend die  gesetzlich
       festgesetzten Verhältnisse, worin es Maßstab der Preise war, ver-
       ändert. Dieselbe  Revolution würde sich nach einem gewissen Zeit-
       raum wiederholen,  und so wäre das Gold sowohl in seiner Funktion
       als Maßstab der Preise wie als Zirkulationsmittel einem beständi-
       gen Wechsel unterworfen, so daß der Wechsel in der einen Form den
       in der  andern hervorbrächte und umgekehrt. Dies erklärt das frü-
       her ermahnte  Phänomen, daß in der Geschichte aller modernen Völ-
       ker derselbe Geldname einem sich stets vermindernden Metallgehalt
       verblieb. Der  Widerspruch zwischen  dem Gold  als Münze  und dem
       Gold als  Maßstab der Preise wird ebenso zum Widerspruch zwischen
       dem Gold  als Münze  und dem Gold als allgemeinem Äquivalent, als
       welches es nicht nur innerhalb der Landesgrenzen,
       -----
       1*) (1859) 80
       
       #91# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       sondern auf  dem Weltmarkt zirkuliert. Als Maß der Werte war Gold
       stets vollwichtig,  weil es  nur als  ideelles Gold  diente.  Als
       Äquivalent in dem isolierten Akt W-G fällt es aus seinem bewegten
       Dasein sofort in sein ruhendes zurück, aber als Münze tritt seine
       natürliche Substanz  in fortwährenden  Konflikt mit  seiner Funk-
       tion. Vollständig  ist  die  Verwandlung  des  Goldsovereigns  in
       Scheingold nicht  zu vermeiden, aber die Gesetzgebung sucht seine
       Festsetzung als  Münze zu verhindern, indem er auf einem gewissen
       Grad von  Substanzmangel abgesetzt  wird. Nach  englischem Gesetz
       z.B. ist  ein Sovereign, der mehr als 0,747 Gran Gewicht verloren
       hat, kein  legaler Sovereign mehr. Die Bank von England, die zwi-
       schen 1844  und 1848  allein 48  Millionen Goldsovereigns gewogen
       hat, besitzt in der Goldwaage des Herrn Cotton eine Maschine, die
       nicht nur den Unterschied von 1/100 Gran zwischen zwei Sovereigns
       herausfühlt, sondern  wie ein verständiges Wesen den untergewich-
       tigen fortschnellt  auf ein  Brett, wo  er unter  eine andere Ma-
       schine gerät, die ihn mit orientalischer Grausamkeit zersägt.
       Indes könnte  die Goldmünze  unter diesen  Bedingungen  überhaupt
       nicht zirkulieren,  würde ihr  Umlauf nicht  auf bestimmte Kreise
       der Zirkulation  beschränkt, innerhalb deren Grenzen sie sich we-
       niger schnell  abnutzt. Sofern  eine Goldmünze in der Zirkulation
       als eine  Viertel-Unze gilt, während sie nur noch 1/5 Unze wiegt,
       ist sie  in der  Tat zum bloßen Zeichen oder Symbol für 1/20 Unze
       Gold geworden, und so wird alle Goldmünze durch den Zirkulations-
       prozeß selbst  mehr oder minder in ein bloßes Zeichen oder Symbol
       ihrer Substanz  verwandelt. Aber kein Ding kann sein eigenes Sym-
       bol sein.  Gemalte Trauben sind nicht das Symbol wirklicher Trau-
       ben, sondern  Scheintrauben. Noch  minder aber  kann ein leichter
       Sovereign das  Symbol eines  vollwichtigen sein, so wenig wie ein
       abgemagertes Pferd Symbol eines fetten Pferdes sein kann. Da also
       Gold zum  Symbol seiner selbst wird, aber nicht als Symbol seiner
       selbst dienen  kann, erhält  es in  den Kreisen  der Zirkulation,
       worin es  sich am  schnellsten abnutzt,  d. h. in den Kreisen, wo
       Käufe und Verkäufe in den kleinsten Proportionen beständig erneu-
       ert werden,  ein von  seinem Golddasein  getrenntes symbolisches,
       silbernes oder  kupfernes Dasein.  Obgleich nicht dieselben Gold-
       stücke, würde  stets eine bestimmte Proportion des gesamten Gold-
       geldes sich in diesen Kreisen als Münze umtreiben. In dieser Pro-
       portion wird  das Gold  durch silberne  oder kupferne  Marken er-
       setzt. Während  also nur  eine spezifische Ware als Maß der Werte
       und darum  als Geld  innerhalb eines  Landes funktionieren  kann,
       können verschiedene  Waren neben dem Gold als Münze dienen. Diese
       subsidiären Zirkulationsmittel,  silberne oder kupferne Marken z.
       B., repräsentieren innerhalb der Zirkulation bestimmte Fraktionen
       der Goldmünze. Ihr
       
       #92# Karl Marx
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       eigener Silber-  oder Kupfergehalt ist daher nicht bestimmt durch
       das Wertverhältnis  zwischen Silber  und Kupfer  zu Gold, sondern
       wird durch  das Gesetz willkürlich festgesetzt. Sie dürfen nur in
       den Quantitäten  ausgegeben werden, worin die von ihnen repräsen-
       tierten diminutiven Fraktionen der Goldmünze, sei es zum Auswech-
       seln höherer  Goldmünzen, sei  es  zum  Realisieren  entsprechend
       kleiner Warenpreise, beständig umlaufen würden. Innerhalb der De-
       tailzirkulation der  Waren werden  Silbermarken und  Kupfermarken
       wieder besondern  Kreisen angehören.  Der Natur  der  Sache  nach
       steht ihre  Umlaufsgeschwindigkeit in  umgekehrtem Verhältnis zum
       Preise, den  sie in jedem einzelnen Kauf und Verkauf realisieren,
       oder zur  Größe der  Fraktion der  Goldmünze, die sie vorstellen.
       Erwägt man  den ungeheuren  Umfang des kleinen täglichen Verkehrs
       in einem  Lande wie  England, so  zeigt das  relativ unbedeutende
       Verhältnis der  Gesamtquantität  der  zirkulierenden  subsidiären
       Münzen die  Geschwindigkeit und  Beständigkeit ihres Umlaufs. Aus
       einem vor  kurzem ausgegebenen parlamentarischen Bericht [20] er-
       sehen wir  z.B., daß 1857 die englische Münze Gold zum Belauf von
       4 859 000 Pfd.  St. münzte,  Silber zum  Nominalwert von  373 000
       Pfd. St.  und einem Metallwert von 363 000 Pfd. St. Der Gesamtbe-
       trag des in den zehn am 31. Dezember 1857 abgelaufenen Jahren ge-
       münzten Goldes war 55 239 000 Pfd. St. und nur 2 434 000 Pfd. St.
       in Silber. Die Kupfermünze belief sich 1857 auf nur 6720 Pfd. St.
       Nominalwert mit  einem Kupferwert  von 3492  Pfd. St., wovon 3136
       Pfd. St.  in Pence,  2464 in Halfpence und 1120 in Farthings. Der
       Gesamtwert der  in den  letzten zehn Jahren geprägten Kupfermünze
       war 141 477  Pfd. St. Nominalwert mit einem Metallwert von 73 503
       Pfd. St.  Wie die  Goldmünze verhindert wird, sich in ihrer Funk-
       tion als  Münze festzusetzen durch gesetzliche Bestimmung des Me-
       tallverlustes, der  sie demonetisiert,  so werden  umgekehrt  die
       Silber- und  Kupfermarken verhindert, aus ihren Zirkulationssphä-
       ren in  die Zirkulationssphäre der Goldmünze überzugehen und sich
       als Geld festzusetzen, indem der Preisgrad bestimmt wird, den sie
       gesetzlich realisieren. So z.B. braucht Kupfer in England nur zum
       Belauf von  6 Pence,  Silber nur zum Belauf von 40 sh. in Zahlung
       angenommen zu  werden. Würden Silber- und Kupfermarken in größern
       Quantitäten ausgegeben  als die  Bedürfnisse ihrer  Zirkulations-
       sphären erheischen, so würden die Warenpreise nicht dadurch stei-
       gen, sondern  Akkumulation dieser Marken bei den Detailverkäufern
       stattfinden, die  schließlich gezwungen  wären, sie als Metall zu
       verkaufen. So  hatten sich  1798 englische Kupfermünzen, von Pri-
       vatleuten ausgegeben,  zum Betrag von 20, 30, 50 Pfd. St. 1*) bei
       Krämern akkumuliert,
       -----
       1*) (1859) 20 350 Pfd. St.
       
       #93# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       die sie  vergeblich  wieder  in  Umlauf  zu  setzen  suchten  und
       schließlich als Ware auf den Kupfermarkt werfen mußten. *)
       Die Silber-  und Kupfermarken,  die die  Goldmünze in  bestimmten
       Sphären der innern Zirkulation repräsentieren, besitzen einen ge-
       setzlich bestimmten Silber- und Kupfergehalt, aber von der Zirku-
       lation ergriffen,  schleifen sie ab wie die Goldmünze und ideali-
       sieren sich,  der Geschwindigkeit und Beständigkeit ihres Umlaufs
       entsprechend, noch  rascher zu bloßen Schattenleibern. Sollte nun
       wieder eine  Grenzlinie der  Entmetallung gezogen werden, auf der
       Silber- und Kupfermarken ihren Münzcharakter einbüßten, so müßten
       sie innerhalb  bestimmter Kreise ihrer eigenen Zirkulationssphäre
       selbst wieder  durch anderes  symbolisches Geld,  sage Eisen  und
       Blei, ersetzt werden, und diese Darstellung von symbolischem Geld
       durch anderes symbolisches Geld wäre ein Prozeß ohne Ende. In al-
       len Ländern  entwickelter Zirkulation zwingt daher die Notwendig-
       keit des  Geldumlaufs selbst  den Münzcharakter  der Silber-  und
       Kupfermarken von  jedem Grad  ihres Metallverlustes unabhängig zu
       machen. Es  erscheint damit,  was in der Natur der Sache lag, daß
       sie Symbole  der Goldmünze  sind, nicht  weil sie aus Silber oder
       Kupfer gemachte  Symbole sind,  nicht weil  sie einen Wert haben,
       sondern soweit sie keinen haben.
       Relativ wertlose  Dinge, wie   P a p i e r,  können also als Sym-
       bole des  Goldgeldes funktionieren.  Das Bestehen der subsidiären
       Münze aus  Metallmarken, Silber,  Kupfer usw.,  rührt großenteils
       daher, daß  in den  meisten Ländern die minder wertvollen Metalle
       als Geld  zirkulierten, wie  Silber in  England,  Kupfer  in  der
       altrömischen Republik,  in Schweden,  Schottland usw.,  bevor der
       Zirkulationsprozeß sie  zur Scheidemünze  degradierte und edleres
       Metall an ihre Stelle gesetzt hatte. Es liegt übrigens in der Na-
       tur der Sache, daß das aus der metallischen Zirkulation unmittel-
       bar hervorwachsende  Geldsymbol zunächst selbst wieder ein Metall
       ist. Wie die Portion Gold, die stets als Scheidemünze zirkulieren
       müßte, durch  Metallmarken ersetzt  wird, kann  die Portion Gold,
       die stets  von der Sphäre der innern Zirkulation als Münze absor-
       biert wird,  also beständig  umlaufen muß,  durch wertlose Marken
       ersetzt werden.  Das Niveau,  worunter die  Masse der umlaufenden
       Münze nie  sinkt, ist in jedem Lande erfahrungsmäßig gegeben. Die
       ursprünglich unscheinbare  Differenz zwischen  dem  Nominalgehalt
       und dem  Metallgehalt der Metallmünze kann also bis zur absoluten
       Scheidung fortgehen.  Der Münzname  des Geldes  löst sich  ab von
       seiner Substanz und existiert außer
       ---
       *) David Buchanan,  "Observations on  the subjects  treated of in
       Doctor Smith's  Inquiry on the wealth of nations etc.", Edinburgh
       1814, pag. 31.
       
       #94# Karl Marx
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       ihr in  wertlosen Papierzetteln.  Wie der  Tauschwert  der  Waren
       durch ihren Austauschprozeß sich in Goldgeld kristallisiert, sub-
       limiert sich  das Goldgeld  im Umlauf  zu seinem  eigenen Symbol,
       erst in  der Form  der verschlissenen Goldmünze, dann in der Form
       der subsidiären  Metallmünzen und  schließlich in  der  Form  der
       wertlosen  Marke,   des  Papiers,   des  bloßen    W e r t z e i-
       c h e n s.
       Die Goldmünze  erzeugte indes  nur ihre  erst metallnen, dann pa-
       piernen Stellvertreter,  weil  sie  trotz  ihres  Metallverlustes
       fortfuhr, als Münze zu funktionieren. Sie zirkulierte nicht, weil
       sie verschliß,  sondern verschliß zum Symbol, weil sie fortzirku-
       lierte. Nur  soweit innerhalb  des Prozesses  das Goldgeld selbst
       bloßes Zeichen  seines eigenen  Werts wird,  können  bloße  Wert-
       zeichen es ersetzen.
       Sofern  die   Bewegung  W-G-W  prozessierende  Einheit  der  zwei
       unmittelbar ineinander  umschlagenden Momente  W-G, G-W ist, oder
       soweit die  Ware den  Prozeß ihrer Gesamtmetamorphose durchläuft,
       entwickelt sie  ihren Tauschwert  im Preis und im Geld, um sofort
       diese Form wieder aufzuheben, wieder Ware zu werden oder vielmehr
       Gebrauchswert. Sie  geht also   z u  n u r  s c h e i n b a r e r
       V e r s e l b s t ä n d i g u n g   ihres Tauschwerts  fort.  Wir
       sahen andrerseits, daß das Gold, soweit es nur als Münze funktio-
       niert oder  sich beständig in Umlauf befindet, in der Tat nur die
       Verkettung der  Metamorphosen der Waren und  i h r  n u r  v e r-
       s c h w i n d e n d e s   G e l d s e i n   darstellt, den  Preis
       der einen  Ware nur realisiert, um den der andern zu realisieren,
       nirgendwo aber  als ruhendes  Dasein des  Tauschwertes  oder  als
       selbst ruhende  Ware erscheint.  Die Realität, die der Tauschwert
       der Waren  in diesem  Prozeß erhält  und den  das Gold  in seinem
       Umlauf darstellt,  ist nur die des elektrischen Funkens. Obgleich
       es wirkliches  Gold ist,  funktioniert es  nur als Scheingold und
       kann daher in dieser Funktion durch Zeichen seiner selbst ersetzt
       werden.
       Das Wertzeichen,  sage Papier,  das als  Münze funktioniert,  ist
       Zeichen des in seinem Münznamen ausgedrückten Quantums Gold, also
       G o l d z e i c h e n.   So wenig  ein bestimmtes Quantum Gold an
       sich ein  Wertverhältnis ausdrückt,  so wenig das Zeichen, das an
       seine Stelle tritt. Sofern ein bestimmtes Quantum Gold als verge-
       genständlichte  Arbeitszeit  eine  bestimmte  Wertgröße  besitzt,
       stellt das  Goldzeichen Wert  vor. Die von ihm vorgestellte Wert-
       größe hängt aber jedesmal ab von dem Wert des von ihm vorgestell-
       ten Goldquantums.  Den Waren gegenüber stellt das Wertzeichen die
       R e a l i t ä t   i h r e s   P r e i s e s   v o r,   ist signum
       pretii 1*) und Zeichen ihres Werts nur, weil ihr Wert ausgedrückt
       ist in  ihrem Preise. In dem Prozeß W-G-W, soweit er als nur pro-
       zessierende Einheit  oder unmittelbares  Ineinanderumschlagen der
       beiden
       -----
       1*) Zeichen des Preises
       
       #95# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Metamorphosen sich  darstellt -  und so stellt er sich dar in der
       Zirkulationssphäre, worin  das Wertzeichen funktioniert -, erhält
       der Tauschwert der Waren im Preis nur ideelle, im Geld nur vorge-
       stellte, symbolische Existenz. Der Tauschwert erscheint so  n u r
       als gedachter  oder dinglich  vorgestellter, aber  besitzt  keine
       W i r k l i c h k e i t   außer in  den Waren  selbst, sofern ein
       bestimmtes Quantum  Arbeitszeit in  ihnen vergegenständlicht ist.
       Es  s c h e i n t  daher, als ob das Wertzeichen den Wert der Wa-
       ren   u n m i t t e l b a r   repräsentiere, indem  es nicht  als
       Zeichen von  Gold, sondern  als Zeichen  des im  Preis nur ausge-
       drückten, aber  in der  Ware allein  vorhandenen Tauschwerts sich
       darstellt. Dieser Schein ist aber falsch. Das Wertzeichen ist un-
       mittelbar nur   P r e i s z e i c h e n,   also    G o l d z e i-
       c h e n,  und nur auf einem Umweg Zeichen des Werts der Ware. Das
       Gold hat  nicht wie  Peter Schlemihl  seinen  Schatten  verkauft,
       sondern kauft  mit seinem  Schatten. Das  Wertzeichen wirkt daher
       nur, soweit  es innerhalb  des Prozesses den Preis der einen Ware
       gegenüber der  andern oder jedem Warenbesitzer gegenüber  G o l d
       v o r s t e l l t.   Ein bestimmtes relativ wertloses Ding, Stück
       Leder, Papierzettel  usw., wird zunächst gewohnheitsmäßig Zeichen
       des Geldmaterials,  behauptet sich  jedoch nur als solches, indem
       sein Dasein  als Symbol  durch den  allgemeinen Willen der Waren-
       besitzer garantiert  wird, d.h. indem es gesetzlich konventionel-
       les Dasein  und daher  Zwangskurs  erhält.  Staatspapiergeld  mit
       Zwangskurs ist  die vollendete Form des  W e r t z e i c h e n s,
       und die  einzige Form  des Papiergelds,  die unmittelbar  aus der
       metallischen  Zirkulation  oder  der  einfachen  Warenzirkulation
       selbst herauswächst.   K r e d i t g e l d   gehört  einer höhern
       Sphäre des  gesellschaftlichen Produktionsprozesses  an und  wird
       durch ganz andre Gesetze geregelt. Symbolisches Papiergeld ist in
       der  Tat   durchaus  nicht   verschieden  von   der   subsidiären
       Metallmünze, nur in weiterer Zirkulationssphäre wirkend. Wenn die
       bloß technische  Entwicklung des  Maßstabs der  Preise  oder  des
       Münzpreises und  weiter die äußerliche Umformung des Rohgoldes in
       Goldmünze schon die Einmischung des Staats hervorriefen und damit
       die innere  Zirkulation von der allgemeinen Warenzirkulation sich
       sichtbar schied,  so wird  diese Scheidung  vollendet  durch  die
       Entwicklung der  Münze zum  Wertzeichen. Als bloßes Zirkulations-
       mittel kann  sich das  Geld überhaupt nur verselbständigen inner-
       halb der Sphäre der innern Zirkulation.
       Unsre Darstellung  hat gezeigt, daß das Münzdasein des Goldes als
       von der  Goldsubstanz selbst losgelöstes Wertzeichen aus dem Zir-
       kulationsprozeß selbst  entspringt, nicht  aus Übereinkunft  oder
       Staatseinmischung. Rußland bietet ein frappantes Beispiel der na-
       turwüchsigen Entstehung  des Wertzeichens. Zur Zeit, wo Häute und
       Pelzwerke dort  als Geld  dienten, schuf der Widerspruch zwischen
       diesem vergänglich-unbehülflichen Material und seiner
       
       #96# Karl Marx
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       Funktion als  Zirkulationsmittel die  Gewohnheit, es durch kleine
       Stücke gestempeltes Leder zu ersetzen, die so Anweisungen wurden,
       zahlbar in Fellen und Pelzwerk. Später wurden sie unter dem Namen
       Kopeken bloße Zeichen für Fraktionen des Silberrubels und erhiel-
       ten sich  stellenweise in  diesem Gebrauch bis 1700, wo Peter der
       Große sie  gegen kleine vom Staat ausgegebene Kupfermünzen auszu-
       lösen befahl. *) Antike Schriftsteller, die nur die Phänomene der
       metallischen Zirkulation beobachten konnten, fassen die Goldmünze
       1*) schon  als Symbol  oder Wertzeichen  auf. So  Plato  **)  und
       Aristoteles ***).  In Ländern  ohne  alle  Kreditentwicklung  wie
       China findet sich Papiergeld
       ---
       *) Henry Storch, "Cours d'économie politique etc." avec des notes
       par J.-B.  Say, Paris  1823, tom  IV, pag.  79. Storch veröffent-
       lichte sein  Werk zu  Petersburg in  französischer Sprache. J.-B.
       Say veranstaltete sofort einen Pariser Nachdruck, ergänzt mit an-
       geblichen "Noten", die in der Tat nichts als Gemeinplätze enthal-
       ten. Storch  (siehe seine "Considérations sur la nature du revenu
       national", Paris  1824) nahm diese Annexation seines Werkes durch
       den "prince de la science" keineswegs höflich auf.
       **) Plato, "De Republica", L. II. "Die Münze ist ein  S y m b o l
       des Tausches"  (Opera omnia  etc., ed.  G.  Stallbaumius,  London
       1850, pag.  304). Plato  entwickelt das  Geld nur  in den  beiden
       Bestimmungen als Wertmaß und als Wertzeichen, verlangt aber außer
       dem für  die innere  Zirkulation dienenden Wertzeichen ein andres
       für den  Verkehr Griechenlands  mit dem  Ausland. (Vgl.  auch das
       5.Buch seiner "Gesetze".)
       ***) Aristoteles, "Ethica  Nicomachea", L. 5, C. 8, l.c. [p. 98].
       "Zum alleinigen  Tauschmittel des gegenseitigen Bedarfs wurde das
       Geld zufolge  Übereinkunft. Und  daher hat  es den Namen ???????,
       daß es  nicht von  Natur, sondern  durch Gesetz besteht und es an
       uns liegt,  dieses zu ändern und es nutzlos zu machen." Aristote-
       les hat  das Geld  ungleich vielseitiger und tiefer aufgefaßt als
       Plato. In  der folgenden  Stelle entwickelt er schön, wie aus dem
       Tauschhandel zwischen verschiedenen Gemeinwesen die Notwendigkeit
       entspringt, einer  spezifischen Ware, also selbst wertvollen Sub-
       stanz, den Charakter des Geldes zu geben. "Denn als die gegensei-
       tige Hilfeleistung  durch Einfuhr  des Fehlenden  und Ausfuhr des
       Überschusses sich  über größere Entfernungen erstreckte, entstand
       a u s   N o t w e n d i g k e i t   die Verwendung  des Geldes...
       Man kam  überein, beim  gegenseitigen Austausch nichts anderes zu
       geben und  zu nehmen,  als was   s e l b s t  e t w a s  W e r t-
       v o l l e s,  den Vorteil handlichen Gebrauchs hätte... wie Eisen
       und Silber  oder etwas  anderes  Derartiges."  (Aristoteles,  "De
       Republica", L. I, C. 9 l.c. [p. 14].) Diese Stelle zitiert Michel
       Chevalier, der  den Aristoteles entweder nicht gelesen oder nicht
       verstanden hat, um zu beweisen, daß nach Aristoteles' Ansicht das
       Zirkulationsmittel aus  einer selbst wertvollen Substanz bestehen
       müsse. Aristoteles  sagt vielmehr  ausdrücklich, daß das Geld als
       bloßes Zirkulationsmittel  bloß konventionelles oder gesetzliches
       Dasein zu haben scheine, wie schon sein Name ??????? anzeige, und
       wie es  in der  Tat seinen Gebrauchswert als Münze nur von seiner
       Funktion selbst erhalte,
       -----
       1*) (1859) Geldmünze
       
       #97# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       mit Zwangskurs  schon frühzeitig  *). Bei  altern Vorrednern  des
       Papiergelds wird  auch ausdrücklich auf die im Zirkulationsprozeß
       selbst entspringende  Verwandlung der  Metallmünze in Wertzeichen
       hingewiesen. So  von Benjamin Franklin **) und vom Bischof Berke-
       ley ***).
       Wieviel Ries Papier können in Zettel zerschnitten als Geld zirku-
       lieren? So  gestellt wäre  die Frage  abgeschmackt. Die wertlosen
       Marken sind  Wertzeichen, nur  soweit sie  das Gold innerhalb des
       Zirkulationsprozesses vertreten, und sie vertreten es nur, soweit
       es selbst  als Münze  in den  Zirkulationsprozeß eingehen  würde,
       eine Quantität,  bestimmt durch  seinen  eignen  Wert,  wenn  die
       Tauschwerte der Waren und die Geschwindigkeit ihrer Metamorphosen
       gegeben sind.  Zettel von der Denomination von 5 Pfd. St. könnten
       nur in  5mal geringerer Anzahl zirkulieren als Zettel von der De-
       nomination von  1 Pfd.  St., und vollzögen sich alle Zahlungen in
       Shillingszetteln, so  müßten 20mal  mehr Shillings- als Pfd.-St.-
       Zettel zirkulieren.  Würde die  Goldmünze durch  Zettel von  ver-
       schiedener Denomination repräsentiert, z.B. 5-Pfd.-St.-Zettel, 1-
       Pfd.-St.-Zettel, 10-Shilling-Zettel, so wäre die Quantität
       ---
       nicht von  einem ihm selbst angehörigen Gebrauchswert.  "N i c h-
       t i g   scheint das  Geld zu  sein und ganz und gar durch Gesetz,
       a b e r   n i c h t s   v o n   N a t u r,  s o  d a ß  e s  a u-
       ß e r   U m l a u f   g e s e t z t  keinerlei  Wert hat  und un-
       brauchbar ist zu irgend etwas Notwendigem." (l.c. [p. 15].)
       *) Mandeville (Sir  John), "Voyages  and  Travels",  London,  ed.
       1705, p. 105: "Dieser Kaiser (von Cattay oder China) kann so viel
       ausgeben, wie  es ihm  beliebt, ohne  Beschränkung. Denn  er  ist
       nicht abhängig  und macht  Geld nur aus bedrucktem Leder oder Pa-
       pier. Und wenn dies Geld so lange umgelaufen ist, daß es anfängt,
       sich aufzulösen, dann bringt man es in des Kaisers Schatzamt, und
       dann nimmt  man neues  Geld an  Stelle des alten. Und dieses Geld
       läuft um  im ganzen  Land und  in allen  seinen Provinzen...  man
       macht Geld  weder aus  Gold noch  aus Silber",  und, meint Mande-
       ville, "deshalb kann er immer von neuem und übermäßig viel ausge-
       ben."
       **) Benjamin Franklin,  "Remarks and facts relative to the Ameri-
       can paper money", 1764, pag. 348 l.c.: "Zu eben der Zeit wird so-
       gar das  Silbergeld in England zu einem Teil seines Werts zwangs-
       mäßig zum  gesetzlichen Zahlungsmittel  gemacht; dieser  Teil ist
       der Unterschied  zwischen seinem  wirklichen Gewicht  und  seinem
       Nennwert. Ein  großer Teil  der jetzt  umlaufenden Shilling-  und
       Sechspencestücke ist  durch Abnutzung  5, 10,  20 und  einige der
       Sechspencestücke sogar  50% zu leicht geworden. Für diesen Unter-
       schied zwischen  Real- und  Nominalwert hat  man  keinen  inneren
       Wert; man hat nicht einmal Papier, man hat nichts. Es ist die ge-
       setzliche Zahlungskraft, verbunden mit dem Bewußtsein, daß man es
       leicht für  denselben Wert  weitergeben kann, was ein Silberstück
       im Wert von 3 Pence für ein Sechspencestück passieren macht."
       ***) Berkeley, l.c. [p. 3]. "Wenn die Denomination der Münze bei-
       behalten wird,  nachdem ihr Metall den Weg alles Fleisches gegan-
       gen, würde  nicht dennoch  die Zirkulation  des  Handels  fortbe-
       stehn?"
       
       #98# Karl Marx
       -----
       dieser verschiedenen  Sorten von  Wertzeichen bestimmt  nicht nur
       durch das  für die  Gesamtzirkulation, sondern  durch das für den
       Zirkulationskreis jeder  besondern Sorte nötige Quantum Gold. Wä-
       ren 14  Millionen Pfd.  St. (dies  ist die Annahme der englischen
       Bankgesetzgebung, aber  nicht für die Münze, sondern für das Kre-
       ditgeld) das  Niveau, worunter  die Zirkulation  eines Landes nie
       fiele, so  könnten 14  Millionen Papierzettel,  jeder  das  Wert-
       zeichen für  1 Pfd.  St., zirkulieren. Fiele oder stiege der Wert
       des Goldes,  weil die zu seiner Produktion erheischte Arbeitszeit
       gefallen oder  gestiegen  wäre,  so  würde  bei  gleichbleibendem
       Tauschwert derselben  Warenmasse die  Anzahl  der  zirkulierenden
       Pfd.-St.-Zettel steigen  oder fallen,  im umgekehrten  Verhältnis
       zum Wertwechsel  des Goldes.  Würde das  Gold als  Maß der  Werte
       durch Silber  ersetzt, wäre das Wertverhältnis von Silber zu Gold
       wie 1:15,  repräsentierte künftig  jeder Zettel  dasselbe Quantum
       Silber, das er vorher von Gold repräsentierte, so müßten statt 14
       Millionen künftig  210 Millionen Pfd.-St.-Zettel zirkulieren. Die
       Quantität der  Papierzettel ist also bestimmt durch die Quantität
       des Goldgeldes,  das sie in der Zirkulation vertreten, und da sie
       nur Wertzeichen  sind, sofern sie es vertreten, ist ihr Wert ein-
       fach durch  ihre Quantität  bestimmt. Während  also die Quantität
       des zirkulierenden Goldes von den Warenpreisen abhängt, hängt um-
       gekehrt der  Wert der  zirkulierenden Papierzettel ausschließlich
       von ihrer eigenen Quantität ab.
       Die Einmischung  des Staats,  der das  Papiergeld mit  Zwangskurs
       ausgibt -  und wir  handeln nur  von  dieser  Art  Papiergeld  -,
       scheint das  ökonomische Gesetz aufzuheben. Der Staat, der in dem
       Münzpreis einem  bestimmten Goldgewicht  nur einen Taufnamen gab,
       und in  der Münzung  nur seinen  Stempel auf  das  Gold  drückte,
       scheint jetzt  durch die  Magie seines Stempels Papier in Gold zu
       verwandeln. Da  die Papierzettel  Zwangskurs haben,  kann niemand
       ihn hindern,  beliebig große  Anzahl derselben  in Zirkulation zu
       zwängen und  beliebige Münznamen,  wie 1 Pfd. St., 5 Pfd. St., 20
       Pfd. St.,  ihnen aufzuprägen. Die einmal in Zirkulation befindli-
       chen Zettel ist es unmöglich herauszuwerfen, da sowohl die Grenz-
       pfähle des  Landes ihren  Lauf hemmen,  als sie  allen Wert,  Ge-
       brauchswert wie  Tauschwert,   a u ß e r h a l b  der Zirkulation
       verlieren. Von  ihrem funktionellen  Dasein getrennt,  verwandeln
       sie sich in nichtswürdige Papierlappen. Indes ist diese Macht des
       Staats bloßer Schein. Er mag beliebige Quantität Papierzettel mit
       beliebigen Münznamen  in die  Zirkulation hineinschleudern,  aber
       mit diesem  mechanischen Akt  hört seine  Kontrolle auf.  Von der
       Zirkulation ergriffen,  fällt das Wertzeichen oder Papiergeld ih-
       ren immanenten Gesetzen anheim.
       Wären 14  Millionen Pfd.  St. die  Summe des zur Warenzirkulation
       erheischten Goldes  und würfe der Staat 210 Millionen Zettel, je-
       den mit dem
       
       #99# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Namen 1  Pfd. St.,  in Zirkulation, so würden diese 210 Millionen
       in Repräsentanten  von Gold  zum Belauf von 14 Millionen Pfd. St.
       umgewandelt. Es  wäre dasselbe, als hätte der Staat die Pfd.-St.-
       Zettel zu  Repräsentanten eines  15mal minder  wertvollen Metalls
       oder eines  15mal kleinern Gewichtteils Goldes als zuvor gemacht.
       Nichts wäre geändert als die Namengebung des Maßstabs der Preise,
       die natürlich konventionell ist, ob sie nun direkt durch Änderung
       des Münzfußes  oder indirekt durch Vermehrung der Papierzettel in
       einer für  einen neuen  niedrigem Maßstab  erheischten Anzahl ge-
       schieht. Da der Name Pfd.-St. jetzt ein 15mal kleineres Goldquan-
       tum anzeigte,  würden alle Warenpreise um das 15fache steigen und
       nun wären  in der  Tat 210  Millionen Pfd.-St.-Zettel ganz ebenso
       notwendig, wie  vorher 14 Millionen. In demselben Maß, worin sich
       die Gesamtsumme  der Wertzeichen  vermehrt hätte,  hätte sich das
       Quantum Gold,  das jedes  einzelne repräsentiert, vermindert. Das
       Steigen der  Preise wäre nur die Reaktion des Zirkulationsprozes-
       ses, der  die Wertzeichen gewaltsam dem Quantum Gold gleichsetzt,
       an dessen Stelle sie zu zirkulieren vorgeben.
       In der  Geschichte der englischen und französischen Geldfälschun-
       gen durch  die Regierungen  finden wir wiederholt, daß die Preise
       nicht in  dem Verhältnis  stiegen, wie die Silbermünze verfälscht
       wurde. Einfach,  weil das  Verhältnis, worin  die Münze  vermehrt
       wurde, nicht  dem Verhältnis entsprach, worin sie verfälscht war,
       d.h. weil  von der  niedrigeren Metallkomposition  nicht die ent-
       sprechende Masse  ausgegeben war, sollten die Tauschwerte der Wa-
       ren künftig  in ihr  als Maß der Werte geschätzt und durch dieser
       niedrigem Maßeinheit entsprechende Münzen realisiert werden. Dies
       löst die  in dem  Duell  zwischen  Locke  und  Lowndes  ungelöste
       Schwierigkeit. Das  Verhältnis, worin das Wertzeichen, sei es Pa-
       pier oder  gefälschtes Gold  und Silber,  dem Münzpreis gemäß be-
       rechnete Gold-  und Silbergewichte  vertritt, hängt ab, nicht von
       seinem eignen Material, sondern von seiner in Zirkulation befind-
       lichen Quantität.  Die Schwierigkeit  im Verständnis  dieses Ver-
       hältnisses entspringt  daher, daß das Geld in den beiden Funktio-
       nen als  Maß der Werte und als Zirkulationsmittel nicht nur umge-
       kehrten, sondern dem Gegensatz beider Funktionen scheinbar wider-
       sprechenden Gesetzen  unterworfen ist. Für seine Funktion 1*) als
       Maß der  Werte, wo das Geld nur als Rechengeld dient und das Gold
       nur als  ideelles Gold,  kommt alles  auf das natürliche Material
       an. In  Silber geschätzt  oder als  Silberpreise stellen sich die
       Tauschwerte natürlich  ganz anders dar als in Gold geschätzt oder
       als  Goldpreise.   Umgekehrt  in  seiner  Funktion  als  Zirkula-
       tionsmittel, wo das
       -----
       1*) Im Handexemplar eingefügt; (1859) fehlt: Für seine Funktion
       
       #100# Karl Marx
       -----
       Geld nicht  nur vorgestellt  ist, sondern als ein wirkliches Ding
       neben den  andern Waren  vorhanden sein  muß, wird  sein Material
       gleichgültig, während alles von seiner Quantität abhängt. Für die
       Maßeinheit ist  es entscheidend,  ob sie  ein Pfund  Gold, Silber
       oder Kupfer  ist; während bloße Anzahl die Münze zur entsprechen-
       den Verwirklichung jeder dieser Maßeinheiten macht, welches immer
       ihr eigenes  Material sei. Es widerspricht aber dem gemeinen Men-
       schenverstand, daß  bei dem  nur gedachten  Geld alles von seiner
       materiellen Substanz und bei der sinnlich vorhandenen Münze alles
       von einem idealen Zahlenverhältnis abhängt.
       Das Steigen oder Fallen der Warenpreise mit dem Steigen oder Fal-
       len der  Papierzettelmasse -  letzteres wo  die Papierzettel  das
       ausschließliche Zirkulationsmittel  bilden -  ist also  nur durch
       den Zirkulationsprozeß  gewaltsam bewirkte Geltendmachung des von
       außen mechanisch  vorletzten Gesetzes, daß die Quantität des zir-
       kulierenden Goldes  durch die  Preise der Waren und die Quantität
       der zirkulierenden  Wertzeichen durch die Quantität der Goldmünze
       bestimmt ist,  die sie  in der Zirkulation vertreten. Andrerseits
       wird daher  jede beliebige Masse von Papierzetteln vom Zirkulati-
       onsprozeß absorbiert und gleichsam verdaut, weil das Wertzeichen,
       mit welchem  Goldtitel es auch immer in die Zirkulation eintrete,
       innerhalb derselben  zum  Zeichen  des  Goldquantums  zusammenge-
       quetscht wird, das an seiner Stelle zirkulieren könnte.
       In der  Zirkulation der  Wertzeichen erscheinen  alle Gesetze der
       wirklichen Geldzirkulation  umgekehrt und  auf den Kopf gestellt.
       Während das  Gold zirkuliert,  weil es  Wert hat,  hat das Papier
       Wert, weil  es zirkuliert.  Während bei  gegebenem Tauschwert der
       Waren die  Quantität des zirkulierenden Goldes von seinem eigenen
       Wert abhängt,  hängt der Wert des Papiers von seiner zirkulieren-
       den Quantität ab. Während die Quantität des zirkulierenden Goldes
       steigt oder  fällt mit  dem Steigen  oder Fallen der Warenpreise,
       scheinen die  Warenpreise zu steigen oder zu fallen mit dem Wech-
       sel in  der Quantität des zirkulierenden Papiers. Während die Wa-
       renzirkulation  nur  bestimmte  Quantität  Goldmünze  absorbieren
       kann, daher  abwechselnde Kontraktion und Expansion des zirkulie-
       renden Geldes  sich als notwendiges Gesetz darstellt, scheint das
       Papiergeld in jeder beliebigen Ausdehnung in die Zirkulation ein-
       zugehen. Während  der Staat  die Gold- und Silbermünze verfälscht
       und daher  ihre Funktion  als Zirkulationsmittel stört, sollte er
       die Münze auch nur 1/100 Gran unter ihrem Nominalgehalt ausgeben,
       vollzieht er  eine völlig richtige Operation in der Ausgabe wert-
       loser Papierzettel,  die von  dem Metall  nichts besitzen als den
       Münznamen. Während die Goldmünze augenscheinlich nur den Wert der
       Waren repräsentiert, soweit
       
       #101# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       dieser selbst  in Gold  geschätzt oder als Preis dargestellt ist,
       scheint das  Wertzeichen den  Wert der Ware unmittelbar zu reprä-
       sentieren. Es  leuchtet daher ein, warum Beobachter, die die Phä-
       nomene der  Geldzirkulation einseitig  an der Zirkulation von Pa-
       piergeld mit  Zwangskurs studierten,  alle immanenten Gesetze der
       Geldzirkulation verkennen mußten. In der Tat erscheinen diese Ge-
       setze nicht nur verkehrt in der Zirkulation der Wertzeichen, son-
       dern ausgelöscht,  da das Papiergeld, wenn in richtiger Quantität
       ausgegeben, Bewegungen  vollzieht, die  ihm nicht als Wertzeichen
       eigentümlich sind,  während seine  eigentümliche Bewegung,  statt
       direkt aus  der Metamorphose der Waren zu stammen, aus Verletzung
       seiner richtigen Proportion zum Gold entspringt.
       
       3. Geld
       
       G e l d  im Unterschied von Münze, das Resultat des Zirkulations-
       prozesses in  der Form W-G-W, bildet den Ausgangspunkt des Zirku-
       lationsprozesses in  der Form G-W-G, d.h. Geld gegen Ware austau-
       schen, um Ware gegen Geld auszutauschen. In der Form W-G-W bildet
       die Ware, in der Form G-W-G bildet das Geld den Ausgangspunkt und
       den Endpunkt der Bewegung. In der ersten Form vermittelt das Geld
       den Warenaustausch,  in der letztern vermittelt die Ware das Wer-
       den des Geldes zu Geld. Das Geld, das in der ersten Form als blo-
       ßes Mittel,  erscheint in  der letztern als Endzweck der Zirkula-
       tion, während  die Ware,  die in der ersten Form als Endzweck, in
       der zweiten als bloßes Mittel erscheint. Da das Geld selbst schon
       Resultat der  Zirkulation W-G-W,  erscheint in der Form G-W-G das
       Resultat der  Zirkulation zugleich als ihr Ausgangspunkt. Während
       in W-G-W  der Stoffwechsel,  bildet das  aus diesem ersten Prozeß
       hervorgegangene Formdasein  der Ware selbst den wirklichen Inhalt
       des zweiten Prozesses G-W-G.
       In der  Form W-G-W  sind beide  Extreme Waren von derselben Wert-
       größe, aber  zugleich qualitativ verschiedene Gebrauchswerte. Ihr
       Austausch W-W  ist wirklicher Stoffwechsel. In der Form G-W-G da-
       gegen sind  beide Extreme  Gold und  zugleich Gold  von derselben
       Wertgröße. Gold gegen Ware austauschen, um Ware gegen Gold auszu-
       tauschen, oder  wenn wir  das Resultat G-G betrachten, Gold gegen
       Gold austauschen,  scheint abgeschmackt. Übersetzt man aber G-W-G
       in die  Formel:   K a u f e n   um zu   v e r k a u f e n,    was
       nichts heißt als durch eine vermittelnde Bewegung Gold gegen Gold
       austauschen, so  erkennt man  sofort  die  herrschende  Form  der
       bürgerlichen Produktion. In der Praxis wird jedoch nicht gekauft,
       um zu  verkaufen, sondern  wohlfeil gekauft, um teurer zu verkau-
       fen. Geld wird gegen Ware
       
       #102# Karl Marx
       -----
       ausgetauscht, um  dieselbe Ware  wieder gegen  größere  Quantität
       Geld auszutauschen,  so daß die Extreme G, G, wenn nicht qualita-
       tiv, so quantitativ verschieden sind. Solch ein quantitativer Un-
       terschied setzt den  A u s t a u s c h  v o n  N i c h t ä q u i-
       v a l e n t e n   voraus, während  Ware und  Geld als  solche nur
       gegensätzliche Formen  der Ware  selbst sind,  also  verschiedene
       Existenzweisen derselben  Wertgröße. Der  Kreislauf  G-W-G  birgt
       also unter  den Formen  Geld und  Ware weiterentwickelte  Produk-
       tionsverhältnisse und ist innerhalb der einfachen Zirkulation nur
       Reflex  einer   höheren  Bewegung.   Wir  haben   daher  Geld  im
       Unterschied von Zirkulationsmittel aus der unmittelbaren Form der
       Warenzirkulation W-G-W zu entwickeln.
       Gold, d.h.  die spezifische  Ware, die  als Maß der Werte und als
       Zirkulationsmittel dient,  wird ohne  weiteres Zutun  der Gesell-
       schaft   G e l d.  In England, wo Silber weder Maß der Werte noch
       herrschendes Zirkulationsmittel ist, wird es nicht Geld, ganz wie
       Gold in Holland, sobald es als Wertmaß entthront wurde, aufhörte,
       Geld zu  sein. Eine  Ware wird also zunächst Geld als Einheit von
       Wertmaß und  Zirkulationsmittel, oder die Einheit von Wertmaß und
       Zirkulationsmittel ist  Geld. Als solche Einheit besitzt das Gold
       aber wieder selbständige und von seinem Dasein in beiden Funktio-
       nen unterschiedene  Existenz. Als Maß der Werte ist es nur ideel-
       les Geld  und ideelles Gold; als bloßes Zirkulationsmittel ist es
       symbolisches Geld und symbolisches Gold; aber in seiner einfachen
       metallischen Leibhaftigkeit  ist Gold  Geld oder  Geld wirkliches
       Gold.
       Betrachten wir  nun einen  Augenblick die  ruhende Ware Gold, die
       Geld ist,  in ihrem  Verhältnis zu  den andern  Waren. Alle Waren
       stellen in ihren Preisen eine bestimmte Summe Gold vor, sind also
       nur vorgestelltes Gold oder vorgestelltes Geld,  R e p r ä s e n-
       t a n t e n   d e s   G o l d e s,   wie umgekehrt im Wertzeichen
       das Geld  als bloßer Repräsentant der Warenpreise erschien. *) Da
       alle Waren  so nur  vorgestelltes Geld  sind, ist  das  Geld  die
       einzig wirkliche  Ware.  Im  Gegensatz  zu  den  Waren,  die  das
       selbständige  Dasein   des  Tauschwerts,   der  allgemeinen   ge-
       sellschaftlichen Arbeit,  des abstrakten  Reichtums, nur vorstel-
       len, ist  Gold   d a s   m a t e r i e l l e   D a s e i n  d e s
       a b s t r a k t e n   R e i c h t u m s.   Nach der Seite des Ge-
       brauchswerts drückt  jede Ware  nur ein  Moment  des  stofflichen
       Reichtums aus  durch ihre Beziehung auf ein besonderes Bedürfnis,
       eine nur  vereinzelte Seite  des Reichtums. Das Geld aber befrie-
       digt jedes  Bedürfnis, sofern  es in den Gegenstand jedes Bedürf-
       nisses unmittelbar umsetzbar ist.
       ---
       *) "Es sind  nicht nur  die edeln  Metalle Zeichen  der Dinge...;
       sondern abwechselnd  sind die Dinge ... Zeichen für Gold und Sil-
       ber." (A.  Genovesi, "Lezioni  di Economia Civile" (1765), p. 281
       in Custodi, Parte Moderna, t. VIII.)
       
       #103# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Sein eigener  Gebrauchswert ist  realisiert  in  der  unendlichen
       Reihe der  Gebrauchswerte, die  sein Äquivalent bilden. In seiner
       gediegenen Metallität  enthält es  allen stofflichen Reichtum un-
       aufgeschlossen, der in der Welt der Waren entrollt ist. Wenn also
       die Waren in ihren Preisen das allgemeine Äquivalent oder den ab-
       strakten Reichtum,  Gold, repräsentieren,  repräsentiert das Gold
       in seinem  Gebrauchswert die Gebrauchswerte aller Waren. Gold ist
       d a h e r   d e r   m a t e r i e l l e   R e p r ä s e n t a n t
       d e s   s t o f f l i c h e n   R e i c h t u m s.   Es  ist  der
       "précis de  toutes les  choses" 1*) (Boisguillebert), das Kompen-
       dium des  gesellschaftlichen Reichtums.  Es ist zugleich der Form
       nach die  unmittelbare Inkarnation der allgemeinen Arbeit und dem
       Inhalt nach  der Inbegriff aller realen Arbeiten. Es ist der all-
       gemeine Reichtum als Individuum. *) In seiner Gestalt als Mittler
       der Zirkulation  erlitt es allerlei Unbill, wurde beschnitten und
       sogar zum bloß symbolischen Papierlappen verflacht. Als Geld wird
       ihm seine goldene Herrlichkeit zurückgegeben. Aus dem Knecht wird
       es der  Herr **).  Aus dem bloßen Handlanger wird es zum Gott der
       Waren. ***)
       ---
       *) Petty: Gold  und Silber  sind "universal  wealth".  "Political
       Arithmetic", l.c. p. 242.
       **) E. Misselden,  "Free Trade or the Means to make Trade florish
       etc.", London  1622. "Die  natürliche Materie des Handels ist die
       merchandize 2*):  which merchants from the end of trade have sti-
       led commodities 3*). Die künstliche Materie des Handels ist Geld,
       welches den  Titel erhalten  bat of sinewes of warre and of state
       4*). Geld,  obgleich es  in Natur  und Zeit  nach der merchandize
       kommt, yet  for as much as it is now in use has become the chiefe
       5*)." (p.  7.) Er vergleicht Ware und Geld "den beiden Söhnen des
       alten Jakob,  der seine rechte Hand auf den Jüngern und die linke
       auf den altern legte". (l.c.)
       Boisguillebert, "Dissertation  sur la  nature des richesse etc.",
       l.c. "Hier  ist also der Sklave des Handels sein Herr geworden...
       Das Elend  der Völker  kommt nur daher, daß man einen Herren oder
       vielmehr einen Tyrannen aus dem gemacht hat, der ein Sklave war."
       (p. 395, 399.)
       ***) Boisguillebert, l.c.  "Man hat  ein Idol aus diesen Metallen
       (Gold und  Silber) gemacht,  und indem  man nunmehr den Zweck und
       die Absicht  aufgab, warum  man sie  in den Handel gerufen hatte,
       nämlich um  hier als  Unterpfand in  Tausch  und  wechselseitiger
       Übergabe zu  dienen, hat  man sie fast von diesem Dienst befreit,
       um sie  zu   G o t t h e i t e n  zu machen, denen man mehr Güter
       und wichtige  Bedürfnisse und sogar Menschen geopfert hat und im-
       mer noch  opfert, als  jemals das blinde Altertum seinen falschen
       Göttern geopfert hat etc." (l.c. p. 395.)
       -----
       1*) "Sinn aller  Dinge" -  2*) Kaufmannsware - 3*) welche Händler
       aus Geschäftsgründen  Gebrauchswaren genannt haben - 4*) Nerv des
       Krieges und des Staates - 5*) ist dennoch, soweit es jetzt in Ge-
       brauch ist, die Hauptsache geworden
       
       #104# Karl Marx
       -----
       a) Schatzbildung
       
       Das Gold schied sich zunächst als Geld vom Zirkulationsmittel da-
       durch, daß  die Ware den Prozeß ihrer Metamorphose abbrach und in
       ihrer Goldverpuppung  verharrte. Es erfolgt dies jedesmal, sobald
       der Verkauf  nicht in  Kauf umschlägt.  Die Verselbständigung des
       Goldes als Geld ist also vor allem sinnfälliger Ausdruck des Zer-
       fallens des  Zirkulationsprozesses oder der Metamorphose der Ware
       in zwei  getrennte, gleichgültig  nebeneinander bestehende  Akte.
       Die Münze selbst wird Geld, sobald ihr Lauf unterbrochen wird. In
       der Hand  des Verkäufers,  der sie für eine Ware einlöst, ist sie
       Geld, nicht Münze; sobald sie seine Hand verläßt, wird sie wieder
       Münze. Jeder  ist Verkäufer  der einseitigen  Ware, die er produ-
       ziert, aber Käufer aller andern Waren, deren er zur gesellschaft-
       lichen Existenz  bedarf. Während sein Auftreten als Verkäufer von
       der Arbeitszeit  abhängt, die  seine  Ware  zu  ihrer  Produktion
       erheischt, ist  sein Auftreten  als Käufer  durch beständige  Er-
       neuerung der Lebensbedürfnisse bedingt. Um kaufen zu können, ohne
       zu verkaufen,  muß er  verkauft haben, ohne zu kaufen. In der Tat
       ist die Zirkulation W-G-W nur die prozessierende Einheit des Ver-
       kaufs und  Kaufs, insofern sie zugleich der beständige Prozeß ih-
       rer Trennung  ist. Damit das Geld als Münze beständig fließt, muß
       die Münze  beständig zu  Geld gerinnen. Der beständige Umlauf der
       Münze ist  bedingt durch ihre beständige Stockung in größern oder
       kleinern Portionen,  in allseitig innerhalb der Zirkulation eben-
       sowohl entspringenden als sie bedingenden Reservefonds von Münze,
       deren Bildung,  Verteilung,  Auflösung  und  Wiederbildung  stets
       wechselt, deren Dasein beständig verschwindet, deren Verschwinden
       beständig da  ist. Adam Smith hat diese unaufhörliche Verwandlung
       der Münze in Geld und des Geldes in Münze so ausgedrückt, daß je-
       der Warenbesitzer neben der besondern Ware, die er verkauft, eine
       gewisse Summe  der allgemeinen Ware, womit er kauft, stets vorrä-
       tig haben  müsse. Wir  sahen, daß  in der  Zirkulation W-G-W  das
       zweite Glied  G-W sich in eine Reihe Käufe zersplittert, die sich
       nicht auf  einmal, sondern  sukzessiv in  der Zeit vollziehen, so
       daß eine  Portion von G als Münze umläuft, während die andere als
       Geld ruht.  Das Geld  ist hier  in  der  Tat  nur    s u s p e n-
       d i e r t e   M ü n z e    und  die  einzelnen  Bestandteile  der
       umlaufenden Münzmasse  erscheinen stets  wechselnd, bald  in  der
       einen, bald  in der  andern Form.  Diese  erste  Verwandlung  des
       Zirkulationsmittels in  Geld stellt  daher  ein  nur  technisches
       Moment des Geldumlaufs selbst dar. *)
       ---
       *) Boisguillebert wittert  in der ersten Immobilisierung des per-
       petuum mobile,  d.h. der  Verneinung seines funktionellen Daseins
       als Zirkulationsmittel, sofort seine Verselbständigung
       
       #105# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Die erste  naturwüchsige Form des Reichtums ist die des Überflus-
       ses oder  des Überschusses, der nicht als Gebrauchswert unmittel-
       bar erheischte  Teil der  Produkte, oder  auch der Besitz solcher
       Produkte, deren  Gebrauchswert außerhalb  des Kreises  bloßer Be-
       dürftigkeit fällt.  Bei der Betrachtung des Übergangs von Ware zu
       Geld sahen  wir, daß  dieser Überfluß oder Überschuß der Produkte
       auf unentwickelter  Produktionsstufe die  eigentliche Sphäre  des
       Warenaustausches bildet.  Überflüssige Produkte werden austausch-
       bare Produkte  oder Waren. Die adäquate Existenzform dieses Über-
       flusses ist  Gold und  Silber, die erste Form, worin der Reichtum
       als abstrakt  gesellschaftlicher Reichtum  festgehalten wird. Die
       Waren können  nicht nur in der Form des Goldes oder Silbers, d.h.
       in dem  Material des  Geldes, aufbewahrt werden, sondern Gold und
       Silber sind  Reichtum in  präservierter Form. Jeder Gebrauchswert
       als solcher dient, indem er konsumiert, d.h. vernichtet wird. Der
       Gebrauchswert des  Goldes als  Geld aber  ist, Träger des Tausch-
       werts zu  sein, als formloser Rohstoff Materiatur der allgemeinen
       Arbeitszeit. Als formloses Metall besitzt der Tauschwert eine un-
       vergängliche Form.  Gold oder  Silber so  als Geld immobilisiert,
       ist  S c h a t z.  Bei Völkern von rein metallischer Zirkulation,
       wie bei  den Alten,  zeigt sich Schatzbildung als ein allseitiger
       Prozeß vom  einzelnen bis  zum Staat, der seinen Staatsschatz hü-
       tet. In den altern Zeiten, in Asien und Ägypten, erscheinen diese
       Schätze in  der Hut  der Könige  und der Priester mehr als Zeugen
       ihrer Macht.  In Griechenland  und Rom  wird es  Politik, Staats-
       schätze zu  bilden, als die stets gesicherte und stets schlagfer-
       tige  Form  des  Überflusses.  Das  schnelle  Überführen  solcher
       Schätze von  einem Land  in das  andere durch  Eroberer und  ihre
       teilweise plötzliche  Ausgießung in  die Zirkulation  bilden eine
       Eigentümlichkeit der antiken Ökonomie.
       Als  v e r g e g e n s t ä n d l i c h t e  A r b e i t s z e i t
       bürgt das  Gold für  seine eigene Wertgröße, und da es Materiatur
       der  a l l g e m e i n e n  Arbeitszeit ist, bürgt ihm der Zirku-
       lationsprozeß für  seine stete  Wirkung als Tauschwert. Durch die
       bloße Tatsache,  daß der  Warenbesitzer die Ware in ihrer Gestalt
       als Tauschwert  oder den  Tauschwert selbst  als Ware  festhalten
       kann, wird  der Austausch  der Waren,  um sie in der verwandelten
       Gestalt des Goldes zurückzuerhalten,
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       gegen die Waren. Das Geld, sagt er, soll sein "in einer beständi-
       gen Bewegung,  was es  nur sein  kann, solange  es beweglich ist,
       aber sobald es unbeweglich wird, ist alles verloren". ("Le détail
       de la France", p. 213.) Was er übersieht, ist, daß dies Stillste-
       hen Bedingung  seiner Bewegung  ist. Was er in der Tat will, ist,
       daß der  Tauschwert *)  der Waren  als bloß  verschwindende  Form
       ihres Stoffwechsels  erscheine, aber nie sich als Selbstzweck be-
       festige.
       *) Soll heißen: die Wertform der Waren. [Note im Handexemplar.]
       
       #106# Karl Marx
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       eigenes Motiv der Zirkulation. Die Metamorphose der Ware W-G fin-
       det statt  um ihrer Metamorphose willen, um sie aus besonderm na-
       türlichen Reichtum  in allgemeinen gesellschaftlichen Reichtum zu
       verwandeln. Statt  des Stoffwechsels wird der Formwechsel Selbst-
       zweck. Aus  der bloßen  Form schlägt der Tauschwert um in den In-
       halt der  Bewegung. Als  Reichtum, als  Ware erhält sich die Ware
       nur, sofern sie sich innerhalb der Sphäre der Zirkulation erhält,
       und sie  erhält sich  nur in diesem flüssigen Zustand, soweit sie
       zu Silber  und Gold  verknöchert. Sie bleibt im Fluß als Kristall
       des Zirkulationsprozesses.  Gold und  Silber fixieren  sich indes
       selber nur  als Geld,  sofern sie  nicht Zirkulationsmittel sind.
       A l s   N i c h t - Z i r k u l a t i o n s m i t t e l    w e r-
       d e n   s i e   G e l d.   1*) Das  Entziehen der  Ware  aus  der
       Zirkulation in  der Form  des Goldes ist also das einzige Mittel,
       sie beständig innerhalb der Zirkulation zu halten.
       Der Warenbesitzer kann von der Zirkulation nur als Geld zurücker-
       halten, was er ihr als Ware gibt. Beständiges Verkaufen, fortwäh-
       rendes Werfen von Waren in Zirkulation, ist daher erste Bedingung
       der Schatzbildung  vom Standpunkte  der Warenzirkulation. Andrer-
       seits verschwindet  das Geld  beständig als Zirkulationsmittel im
       Zirkulationsprozeß selbst, indem es sich stets in Gebrauchswerten
       verwirklicht und in vergängliche Genüsse auflöst. Es muß also dem
       verzehrenden Strom  der Zirkulation  entrissen, oder die Ware muß
       in ihrer  ersten Metamorphose  festgehalten werden, indem es ver-
       hindert wird,  seine Funktion  als Kaufmittel  zu vollziehen. Der
       Warenbesitzer, der  nun zum  Schatzbildner geworden ist, muß mög-
       lichst viel  verkaufen und  möglichst wenig kaufen, wie schon der
       alte Cato  lehrte: patrem familias vendacem, non emacem esse 2*).
       Wie Arbeitsamkeit  die positive,  ist  Sparsamkeit  die  negative
       Bedingung der  Schatzbildung. Je  weniger das Äquivalent der Ware
       in besondern  Waren oder Gebrauchswerten der Zirkulation entzogen
       wird, um  so mehr wird es ihr in der Form des Geldes oder Tausch-
       werts  entzogen.   *)  Die  Aneignung  des  Reichtums  in  seiner
       allgemeinen Form  bedingt also  die Entsagung auf den Reichtum in
       seiner stofflichen  Wirklichkeit. Der lebendige Trieb der Schatz-
       bildung ist  daher der   G e i z,  für den nicht die Ware als Ge-
       brauchswert, sondern  der Tauschwert  als Ware  Bedürfnis ist. Um
       sich des  Überflusses in  seiner allgemeinen Form zu bemächtigen,
       müssen die
       ---
       *) "Je mehr  der Vorrat in Waren wächst, um so mehr nimmt der als
       Schatz (in treasure) existierende ab." E. Misseiden, l.c. p. 23.
       -----
       1*) Im Handexemplar  unterstrichen; (1859)  nicht hervorgehoben -
       2*) Der Hausvater soll verkaufsbegierig, nicht kauflustig sein
       
       #107# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       besonderen Bedürfnisse  als Luxus  und Überfluß behandelt werden.
       So machten im Jahre 1593 die Cortes Philipp II. eine Vorstellung,
       worin es unter anderm heißt:
       
       "Die Cortes  von Valladolid  vom Jahre  1586 baten  Ew. Majestät,
       nicht ferner  die Einfuhr  in das Königreich zu erlauben von Ker-
       zen, Glaswaren,  Bijouterien. Messern  und ähnlichen  Dingen, die
       vom Ausland  kommen, um  diese dem menschlichen Leben so unnützen
       Dinge auszutauschen  gegen Gold,  als ob  die Spanier    I n d i-
       a n e r  wären." [21]
       
       Der Schatzbildner  verachtet die  weltlichen, zeitlichen und ver-
       gänglichen Genüsse,  um dem  ewigen Schatz nachzujagen, den weder
       die Motten noch der Rost fressen, der ganz himmlisch und ganz ir-
       disch ist.
       
       "Die allgemeine  entfernte Ursache unseres Mangels an Gold", sagt
       Misselden in der angeführten Schrift, "ist der große Exzeß dieses
       Königreichs im  Konsum von  Waren fremder  Länder, die  sich  uns
       statt als  commodities 1*) als discommodities 2*) erproben, indem
       sie uns  von ebenso  vielem Schatze abschneiden, der sonst an die
       Stelle dieser  Spielsachen (toys) importiert würde. Wir konsumie-
       ren unter  uns einen  viel zu  großen Überfluß an Weinen von Spa-
       nien, Frankreich,  Rheinland, Levante;  die Rosinen  von Spanien,
       die Korinthen  der Levante, die Lawns (Sorte feiner Leinwand) und
       Cambrics 3*) von Hainaut, die Seidenzeuge von Italien, Zucker und
       Tabak von  Westindien, die  Gewürze von  Ostindien, alles das ist
       kein   a b s o l u t e s  B e d ü r f n i s  für uns, und dennoch
       werden diese Dinge gekauft mit hartem Gold." *)
       
       Als Gold  und Silber  ist der Reichtum unvergänglich, sowohl weil
       der Tauschwert  in unverwüstlichem  Metall existiert, als nament-
       lich weil  das Gold und Silber verhindert wird, als Zirkulations-
       mittel zur  nur verschwindenden  Geldform der Ware zu werden. Der
       vergängliche Gehalt wird so der unvergänglichen Form geopfert.
       
       "Wird das Geld durch die Steuer von einem genommen, der es verißt
       und vertrinkt  und einem gegeben, der es in Verbesserung des Lan-
       des, Fischfang, Minenwerken, Manufakturen oder selbst in Kleidern
       verwendet, so  ist immer  ein Vorteil für das Gemeinwesen vorhan-
       den, denn selbst Kleider sind nicht so vergänglich als Mahlzeiten
       und Getränke.  Wird es in Hausmöbeln verwandt, so ist der Vorteil
       um so  größer, im  Bauen von Häusern noch größer usw., am größten
       von allem,  wenn Gold  und Silber in das Land gebracht wird, weil
       diese Dinge  allein nicht vergänglich sind, sondern zu allen Zei-
       ten und  allen Orten  als Reichtum geschätzt werden; alles andere
       ist nur Reichtum pro hic et nunc 4*)." **)
       ---
       *) l.c. p. 11-13 passim.
       **) Petty, "Political Arithmetic", l.c. p. 196.
       -----
       1*) nötige Waren  - 2*) unnötige  Waren -  3*) Batiste -  4*) für
       hier und jetzt
       
       #108# Karl Marx
       -----
       Das Entreißen des Geldes aus dem Strom der Zirkulation und Retten
       vor dem gesellschaftlichen Stoffwechsel zeigt sich auch äußerlich
       im Vergraben,  so daß der gesellschaftliche Reichtum als unterir-
       discher unvergänglicher  Schatz in ein ganz heimliches Privatver-
       hältnis zum Warenbesitzer gebracht wird. Doktor Bernier, der sich
       eine Zeitlang  zu Delhi am Hofe Aurangzebs aufhielt, erzählt, wie
       die Kaufleute  ihr Geld  heimlich und  tief vergraben,  besonders
       aber die  nichtmohammedanischen Heiden, die fast allen Handel und
       alles Geld in der Hand haben,
       
       "befangen wie  sie sind im Glauben, daß das Gold und Silber, wel-
       ches sie  während ihres  Lebens verbergen, ihnen nach dem Tode in
       der andern Welt dienen wird" *).
       
       Der Schatzbildner  ist übrigens,  soweit sein Asketismus mit tat-
       kräftiger Arbeitsamkeit  verbunden ist,  von Religion  wesentlich
       Protestant und noch mehr Puritaner.
       
       "Das kann  man nicht  leugnen, daß Kaufen und Verkaufen ein nötig
       Ding ist,  das man  nicht entbehren, und wohl christlich brauchen
       kann, sonderlich  in Dingen,  die zur  Not und  Ehre dienen, denn
       also haben  auch die  Patriarchen  verkauft  und  gekauft,  Vieh,
       Wolle, Getreide,  Butter, Milch und andere Güter. Es sind Gottes-
       gaben, die  er aus  der Erde  gibt und  unter die Menschen teilt.
       Aber der  ausländische Kaufhandel, der aus Kalikat und Indien und
       dergleichen War herbringt, als solch köstlich Seiden und Goldwerk
       und Würze,  die nur  zur Pracht und keinem Nutzen dient, und Land
       und Leuten  das Geld aussaugt, sollte nicht zugelassen werden, so
       wir ein  Regiment und  Fürsten hätten. Doch hievon will ich jetzt
       nicht schreiben; denn ich achte, es werde zuletzt, wenn wir nicht
       mehr Geld  haben, von  ihm selbst  ablassen müssen,  wie auch der
       Schmuck und  Fraß: es  will doch  sonst kein Schreiben und Lehren
       helfen, bis uns die Not und Armut zwingt." **)
       
       In Zeiten  der Erschütterung des gesellschaftlichen Stoffwechsels
       findet selbst  in der  entwickelten bürgerlichen Gesellschaft das
       Vergraben des Geldes
       ---
       *) François Bernier,  "Voyages contenant la description des états
       du Grand Mogol", Pariser Ausgabe 1830, t. 1, conf. p. 312-314.
       **) Dohjor Martin  Luther, "Bücher  vom Kaufhandel  und  Wucher",
       1524. An derselben Stelle sagt Luther: "Gott hat uns Deutsche da-
       hin geschleudert,  daß wir unser Gold und Silber müssen in fremde
       Länder stoßen, alle Welt reich machen und selbst Bettler bleiben.
       England sollte  wohl weniger  Goldes haben,  wenn Deutschland ihm
       sein Tuch  ließe, und  der König von Portugal sollte auch weniger
       haben, wenn  wir ihm  seine Würze  ließen. Rechne  Du,  wie  viel
       Geldes eine Messe zu Frankfurt aus deutschen Landen geführt wird,
       ohne Not  und Ursache:  so wirst  Du Dich wundern, wie es zugehe,
       daß noch  ein Heller  in deutschen  Landen sei. Frankfurt ist das
       Silber- und Goldloch, dadurch aus deutschem Lande fließt, was nur
       quillet und  wächst, gemünzt  oder geschlagen  wird bei uns: wäre
       das Loch zugestopft, so dürft man itz der Klage nicht
       
       #109# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       als Schatz  statt. Der  gesellschaftliche Zusammenhang  in seiner
       kompakten Form  - für  den Warenbesitzer besteht dieser Zusammen-
       hang in der Ware und das adäquate Dasein der Ware ist Geld - wird
       gerettet vor der gesellschaftlichen Bewegung. Der gesellschaftli-
       che nervus rerum 1*) wird bestattet neben dem Körper, dessen Nerv
       er ist.
       Der Schatz  wäre nun  bloß nutzloses Metall, seine Geldseele wäre
       aus ihm entflohen und er bliebe als ausgebrannte Asche der Zirku-
       lation, als  ihr caput mortuum 2*) zurück, stünde er nicht in be-
       ständiger Spannung zu ihr. Geld oder verselbständigter Tauschwert
       ist seiner  Qualität nach  Dasein des abstrakten Reichtums, ande-
       rerseits aber  ist jede  gegebene Geldsumme quantitativ begrenzte
       Wertgröße. Die  quantitative Grenze  des Tauschwerts widerspricht
       seiner qualitativen  Allgemeinheit, und der Schatzbildner empfin-
       det die  Grenze als Schranke, die in der Tat zugleich in qualita-
       tive Schranken  umschlägt, oder  den Schatz zum bloß beschränkten
       Repräsentanten des  stofflichen Reichtums  macht. Geld,  als  das
       allgemeine Äquivalent,  stellt sich,  wie wir  sahen, unmittelbar
       dar in  einer Gleichung,  worin es selbst die eine Seite, die un-
       endliche Reihe  der Waren  aber die  andere Seite bildet. Von der
       Größe des  Tauschwerts hängt es ab, wieweit es sich annähernd als
       solche unendliche  Reihe realisiert,  d. h.  seinem  Begriff  als
       Tauschwert entspricht.  Die Bewegung  des Tauschwerts als Tausch-
       wert, als  Automat, kann überhaupt nur die sein, über seine quan-
       titative  Grenze  hinauszugehen.  Indem  aber  eine  quantitative
       Grenze des  Schatzes überschritten  wird, wird eine neue Schranke
       geschaffen,
       ---
       hören, wie allenthalben eitel Schuld und kein Geld, alle Land und
       Städte ausgewuchert  sind. Aber  laß gehen, es will doch also ge-
       hen: wir  Deutsche müssen  Deutsche bleiben! wir lassen nicht ab,
       wir müssen denn." [p. 4/5.]
       Misselden in  der oben angeführten Schrift will das Gold und Sil-
       ber wenigstens  im Kreis  der Christenheit halten: "Das Geld wird
       vermindert durch  den Handel  jenseits der  Christenheit mit  der
       Türkei, Persien  und Ostindien.  Diese Handelszweige werden größ-
       tenteils mit  barem Geld geführt, jedoch ganz anders wie die Han-
       delszweige der  Christenheit in  sich selbst.  Denn obgleich  der
       Handel innerhalb  der Christenheit mit barem Geld getrieben wird,
       ist doch  das Geld  fortwährend eingeschlossen  innerhalb  seiner
       Grenzen. Da  ist in  der Tat Strömung und Gegenströmung, Flut und
       Ebbe des  Geldes in dem innerhalb der Christenheit geführten Han-
       del, denn  manchmal ist  es reichlicher an einem Teil, mangelnder
       an einem  andern, je  nachdem ein Land Mangel hat und ein anderes
       Überfluß: es  kommt und  geht und  wirbelt im Kreis der Christen-
       heit, aber bleibt stets von seiner Linie umfangen. Aber das Geld,
       womit außerhalb  der Christenheit  in die oben angegebenen Länder
       hinausgehandelt wird,  ist beständig ausgegeben und kehrt nie zu-
       rück." [p. 19, 20.]
       -----
       1*) Nerv der Dinge - 2*) chemischer Rückstand
       
       #110# Karl Marx
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       die wieder  aufgehoben werden  muß. Es  ist nicht  eine bestimmte
       Grenze des  Schatzes, die  als Schranke  erscheint, sondern  jede
       Grenze desselben.  Die Schatzbildung  hat  also  keine  immanente
       Grenze, kein Maß in sich, sondern ist ein endloser Prozeß, der in
       seinem jedesmaligen  Resultat ein  Motiv seines  Anfangs  findet.
       Wenn der  Schatz nur vermehrt wird, indem er konserviert wird, so
       wird er aber auch nur konserviert, indem er vermehrt wird.
       Das Geld ist nicht nur  e i n  Gegenstand der Bereicherungssucht,
       es ist   d e r   Gegenstand  derselben. Sie  ist wesentlich  auri
       sacra fames  1*). Die  Bereicherungssucht im  Unterschied von der
       Sucht nach  besonderm natürlichen  Reichtum oder Gebrauchswerten,
       wie Kleider,  Schmuck, Herden  usw., ist  nur möglich, sobald der
       allgemeine Reichtum  als solcher  in einem besondern Ding indivi-
       dualisiert ist  und daher  als einzelne  Ware festgehalten werden
       kann. Das  Geld erscheint  also  ebensosehr  als  Gegenstand  wie
       Quelle der  Bereicherungssucht. *) Was in der Tat zugrunde liegt,
       ist, daß  der Tauschwert  als solcher  und damit seine Vermehrung
       zum Zweck  wird. Der Geiz hält den Schatz fest, indem er dem Geld
       nicht erlaubt,  Zirkulationsmittel zu  werden, aber  die Goldgier
       erhält seine  Geldseele, seine beständige Spannung gegen die Zir-
       kulation.
       Die Tätigkeit  nun, wodurch  der Schatz gebildet wird, ist einer-
       seits Entziehen  des Geldes  aus der  Zirkulation durch beständig
       wiederholten   Verkauf,   andrerseits   einfaches   Aufspeichern,
       A k k u m u l i e r e n.  Es ist in der Tat nur in der Sphäre der
       einfachen Zirkulation,  und zwar  in der  Form der Schatzbildung,
       daß die  Akkumulation des  Reichtums als solche stattfindet, wäh-
       rend, wie wir später sehen werden, die andern sog. Formen der Ak-
       kumulation nur  mißbräuchlich, nur durch Erinnerung an die einfa-
       che Geldakkumulation,  als Akkumulation gelten. Alle andern Waren
       werden aufgehäuft  entweder als  Gebrauchswerte, und dann ist die
       Art ihrer  Aufhäufung bestimmt  durch die  Besonderheit ihres Ge-
       brauchswerts. Aufhäufen von Getreide z.B. erfordert besondre Vor-
       richtungen. Schafe  aufhäufen macht  mich zum Hirten, Sklaven und
       Land aufhäufen  macht Herrschafts-  und Knechtschaftsverhältnisse
       nötig usw.  Die Vorratbildung  des besondern  Reichtums erfordert
       besondere Prozesse,  unterschieden vom  einfachen  Akt  des  Auf-
       häufèns selbst,  und entwickelt  besondre Seiten der Individuali-
       tät. Oder der Reichtum in der
       ---
       *) "Im Geld  liegt der  Ursprung des  Geizes ...  allmählich ent-
       brennt hier  eine Art  Tollheit, schon  nicht mehr  Geiz, sondern
       Goldgier." (Plinius,  "Historia naturalis",  L. XXXIII,  C.  III,
       Sect. 14.)
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       1*) verfluchte Gier nach Gold (Virgil, "Aeneis")
       
       #111# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Form von Waren wird als Tauschwert aufgehäuft, und dann erscheint
       die Aufhäufung als eine kaufmännische oder spezifisch ökonomische
       Operation. Das  Subjekt derselben  wird Kornhändler,  Viehhändler
       usw. Gold  und Silber  sind Geld nicht durch irgendeine Tätigkeit
       des Individuums, das sie aufhäuft, sondern als Kristalle des ohne
       sein Zutun vor sich gehenden Zirkulationsprozesses. Er hat nichts
       zu tun,  als sie  beiseite zu  schaffen und Gewicht zu Gewicht zu
       häufen, eine ganz inhaltslose Tätigkeit, die auf alle anderen Wa-
       ren angewandt, sie entwerten würde. *)
       Unser Schatzbildner  erscheint als Märtyrer des Tauschwerts, hei-
       liger Asket auf dem Gipfel der Metallsäule. Es ist ihm nur um den
       Reichtum in seiner gesellschaftlichen Form zu tun, und darum ver-
       gräbt er  ihn vor der Gesellschaft. Er verlangt die Ware in ihrer
       stets zirkulationsfähigen  Form, und  darum entzieht  er sie  der
       Zirkulation. Er schwärmt für den Tauschwert, und darum tauscht er
       nicht aus.  Die flüssige  Form des  Reichtums und sein Petrefakt,
       Elixier des  Lebens und  Stein der  Weisen, spuken  alchimistisch
       toll durcheinander. In seiner eingebildeten schrankenlosen Genuß-
       sucht entsagt  er allem  Genüsse. Weil er alle gesellschaftlichen
       Bedürfnisse befriedigen  will, befriedigt  er kaum die natürliche
       Notdurft. Indem  er den Reichtum in seiner metallischen Leiblich-
       keit festhält,  verdunstet er ihn zum bloßen Hirngespinst. In der
       Tat aber  ist das  Aufhäufen des  Geldes um des Geldes willen die
       barbarische Form  der Produktion  um der  Produktion willen, d.h.
       Entwicklung der  Produktivkräfte  der  gesellschaftlichen  Arbeit
       hinaus über die Schranken herkömmlicher Bedürfnisse. Je unentwic-
       kelter die Warenproduktion,
       -----
       *) Horaz versteht  also nichts von der Philosophie der Schatzbil-
       dung, wenn er sagt ("Satiren", L. II, Satire III):
       "Kaufte sich jemand Lauten und häufte den Kram aufeinander,
       Während er weder der Laute, noch einer der Musen sich hingab.
       Ahlen und Leist, wer nicht Schuhmacher, und Segel zur Schiffahrt,
       Wer nicht hold dem Verkehre zur See: Wahnwitzig und hirnlos
       Nennte mit Recht ihn jeder. In was ist von diesen verschieden,
       Wer sein Silber und Gold einscharrt, nicht weiß zu gebrauchen.
       Und das Gesammelte nicht, gleich Heiligem, wagt zu berühren?"
       Herr Senior versteht die Sache besser: "Das Geld scheint das ein-
       zige Ding zu sein, nach dem das Verlangen allgemein ist, und zwar
       deshalb, weil  das Geld ein  a b s t r a k t e r  R e i c h t u m
       ist und  weil die  Menschen, wenn  sie es besitzen, alle ihre Be-
       dürfnisse  befriedigen  können,  welcher  Art  sie  auch  seien."
       ("Principes fondamentaux  de l'économie politique, traduit par le
       Comte Jean Arrivabene", Paris 1836, p. 221.) Oder Storch: "Da das
       Geld alle  andern Reichtümer repräsentiert, hat man es nur aufzu-
       häufen, um sich alle in der Welt existierenden Arten von Reichtum
       zu verschaffen." (l.c. t. II, p. 135.)
       
       #112# Karl Marx
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       um so  wichtiger ist  die erste Verselbständigung des Tauschwerts
       als Geld,  die Schatzbildung,  die daher  eine große Rolle spielt
       bei den  alten Völkern,  in Asien bis auf die heutige Stunde, und
       bei den modernen Bauernvölkern, wo der Tauschwert noch nicht alle
       Produktionsverhältnisse ergriffen hat. Die spezifisch ökonomische
       Funktion der Schatzbildung innerhalb der metallischen Zirkulation
       selbst werden  wir sogleich betrachten, erwähnen aber noch vorher
       eine andre Form der Schatzbildung.
       Ganz abgesehn  von ihren ästhetischen Eigenschaften sind silberne
       und goldne Waren, sofern das Material, woraus sie bestehen, Mate-
       rial des Geldes ist, umwandelbar in Geld, wie Goldgeld oder Gold-
       barren in sie umwandelbar sind. Weil Gold und Silber das Material
       des abstrakten  Reichtums sind,  besteht die größte Schaustellung
       des Reichtums in ihrer Benutzung als konkrete Gebrauchswerte, und
       wenn der  Warenbesitzer auf gewissen Stufen der Produktion seinen
       Schatz verbirgt,  treibt es ihn überall, wo es mit Sicherheit ge-
       schehn kann, als rico hombre 1*) den andern Warenbesitzern zu er-
       scheinen. Er  vergoldet sich  und sein Haus. *) In Asien, nament-
       lich in  Indien, wo  die Schatzbildung nicht wie in der bürgerli-
       chen Ökonomie  als eine  untergeordnete Funktion  des Mechanismus
       der Gesamtproduktion  erscheint, sondern  der Reichtum  in dieser
       Form als  letzter Zweck festgehallen wird, sind Gold- und Silber-
       waren eigentlich  nur ästhetische  Form der  Schätze. Im  mittel-
       altrigen England waren Gold- und Silberwaren, da ihr Wert nur we-
       nig durch  die zugefügte  rohe Arbeit  vermehrt wurde, gesetzlich
       als bloße  Form des Schatzes betrachtet. Ihr Zweck war, wieder in
       Zirkulation geworfen  zu werden  und  ihre  Feinheit  daher  ganz
       ebenso vorgeschrieben,  wie die  der Münze  selbst. Der wachsende
       Gebrauch von  Gold und Silber als Luxusgegenstände mit wachsendem
       Reichtum ist  eine so  einfache Sache,  daß sie  den Alten völlig
       klar war  **), während  die modernen  Ökonomen den  falschen Satz
       aufgestellt haben,  daß der  Gebrauch silberner und goldner Waren
       nicht zunehme  im Verhältnis  zum Steigen  des Reichtums, sondern
       nur im  Verhältnis zum Wertfall der edeln Metalle. Ihre sonst ge-
       nauen Nachweisungen über die Verwendung
       ---
       *) Wie sehr  der inner  man 2*)  des Warenindividuums unverändert
       bleibt, auch  wo es sich zivilisiert und zum Kapitalisten entwic-
       kelt hat, beweist z.B. der Londoner Repräsentant eines kosmopoli-
       tischen Bankierhauses,  der  als  passendes  Familienwappen  eine
       Banknote von  100 000 Pfd. St. in Glas und Rahmen hängen hat. Die
       Pointe ist  hier das  spöttisch vornehme  Herabsehen der Note auf
       die Zirkulation.
       **) Siehe die später zitierte Stelle von Xenophon.
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       1*) reicher Mann - 2*) innere Mensch
       
       #113# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       des kalifornischen  und australischen  Goldes zeigen  daher stets
       einen Ausfall,  weil der gestiegne Konsum des Goldes als Rohmate-
       rial in  ihrer Einbildung nicht gerechtfertigt ist durch entspre-
       chenden Fall  in seinem  Wert. Von  1810 bis  1830,  infolge  des
       Kampfs der  amerikanischen Kolonien  mit Spanien [22] und der Un-
       terbrechung der Minenarbeit durch Revolutionen, hatte die jährli-
       che Durchschnittsproduktion  der edeln  Metalle um  mehr als  die
       Hälfte abgenommen. Die Abnahme der in Europa zirkulierenden Münze
       betrug beinahe  1/6, 1829  verglichen mit 1809. Obgleich also die
       Quantität der  Produktion abgenommen hatte und die Produktionsko-
       sten gestiegen, wenn überhaupt verändert waren, nahm nichtsdesto-
       weniger der  Konsum der edeln Metalle als Luxusgegenstände außer-
       ordentlich zu, in England schon während des Krieges, auf dem Kon-
       tinent seit  dem Pariser  Frieden. Er  stieg mit dem Wachstum des
       allgemeinen Reichtums. *) Als allgemeines Gesetz kann aufgestellt
       werden, daß  die Umwandlung  von Gold-  und Silbergeld  in Luxus-
       gegenstände während  des Friedens, ihre Rückverwandlung in Barren
       oder auch  Münze aber  nur in sturmvollen Zuständen vorwiegt. **)
       Wie bedeutend  das Verhältnis  des in der Form von Luxusware exi-
       stierenden Gold-  und Silberschatzes  zu dem  als Geld  dienenden
       edeln Metall ist, mag daraus ersehn werden, daß 1829 das Verhält-
       nis nach Jacob in England wie 2 zu 1 war, in ganz Europa und Ame-
       rika aber  1/4 mehr edles Metall in Luxusgegenständen als in Geld
       existierte.
       Wir sahen,  daß der  Geldumlauf bloß die Erscheinung der Metamor-
       phose der Waren ist oder des Formwechsels, worin sich der gesell-
       schaftliche Stoffwechsel  vollzieht. Mit  der wechselnden  Preis-
       summe der zirkulierenden Waren oder dem Umfang ihrer gleichzeiti-
       gen Metamorphosen  einerseits, mit  der jedesmaligen Geschwindig-
       keit ihres  Formwechsels andrerseits, mußte daher die Gesamtquan-
       tität des  zirkulierenden Goldes  beständig expandieren oder kon-
       trahieren, was  nur möglich  unter der Bedingung, daß die Gesamt-
       quantität des  in einem  Lande befindlichen Geldes fortwährend in
       wechselndem Verhältnis steht zur Quantität des in Zirkulation be-
       findlichen Geldes.  Diese Bedingung  wird durch die Schatzbildung
       erfüllt. Fallen  die Preise oder steigt die Zirkulationsgeschwin-
       digkeit, so absorbieren die Schatzreservoirs den aus der Zirkula-
       tion abgesonderten Teil des Geldes; steigen die Preise oder fällt
       ---
       *) Jacob, l.c. t. II, ch. 25 und 26.
       **) "In Zeiten  großer Erregung  und Unsicherheit, besonders wäh-
       rend innerer  Aufstände oder Invasionen, werden Gold- und Silber-
       gegenstände schnell  in Geld verwandelt; in Perioden der Ruhe und
       des Wohlstandes hingegen wird Geld in Silbergeschirr und Schmuck-
       gegenstände verwandelt" (l.c. t. II. p. 357).
       
       #114# Karl Marx
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       die Zirkulationsgeschwindigkeit,  so öffnen  sich die Schätze und
       strömen teilweise  in die  Zirkulation zurück. Die Erstarrung des
       zirkulierenden Geldes  in Schatz  und das Ergießen der Schätze in
       die Zirkulation  ist beständig  wechselnde oszillatorische  Bewe-
       gung, worin das Vorwiegen der einen oder der andern Richtung aus-
       schließlich durch  die Schwankungen der Warenzirkulation bestimmt
       ist. Die  Schätze erscheinen  so als Zufuhr- und Abzugskanäle des
       zirkulierenden Geldes, so daß immer nur das durch die unmittelba-
       ren Bedürfnisse  der Zirkulation selbst bedingte Quantum Geld als
       Münze zirkuliert.  Dehnt sich  der Umfang  der  Gesamtzirkulation
       plötzlich aus und wiegt die flüssige Einheit von Verkauf und Kauf
       vor, so  daß aber  die Gesamtsumme  der zu  realisierenden Preise
       noch rascher  wächst als  die Geschwindigkeit des Geldumlaufs, so
       entleeren sich  die Schätze  zusehends; sobald die Gesamtbewegung
       ungewöhnlich stockt  oder die  Trennung von Verkauf und Kauf sich
       befestigt, erstarrt  das Zirkulationsmittel  in auffallenden Pro-
       portionen zu  Geld und füllen sich die Schatzreservoirs weit über
       ihr Durchschnittsniveau. In Ländern rein metallischer Zirkulation
       oder unentwickelter  Produktionsstufe sind  die Schätze unendlich
       zersplittert und  zerstreut über die ganze Oberfläche des Landes,
       während sie  in bürgerlich entwickelten Ländern in den Bankreser-
       voirs konzentriert  werden. Der  Schatz ist  nicht zu verwechseln
       mit der  Münzreserve, die  selbst einen  Bestandteil der stets in
       Zirkulation befindlichen Gesamtquantität Geld bildet, während das
       aktive Verhältnis  von Schatz  und Zirkulationsmittel  das Sinken
       oder Steigen jener Gesamtquantität unterstellt. Gold- und Silber-
       waren bilden,  wie wir gesehn, ebenfalls sowohl einen Abzugskanal
       der edlen Metalle, wie latente Zufuhrquelle. In gewöhnlichen Zei-
       ten ist  nur ihre  erstere Funktion  wichtig für die Ökonomie der
       metallischen Zirkulation. *)
       ---
       *) In der  folgenden Stelle  entwickelt Xenophon  Geld in  seiner
       spezifischen Formbestimmtheit  als Geld  und Schatz;  "In  diesem
       einzigen Gewerbe von allen, die ich kenne, erregt niemand der an-
       dern damit  Beschäftigten Neid... Denn je reicher die Silberberg-
       werke erscheinen,  und je  mehr Silber gefördert wird, desto mehr
       Leute ziehen  sie zu  dieser Arbeit heran. Wenn man für die Wirt-
       schaft genügend  Hausgerät erworben hat, wird man wenig mehr kau-
       fen; Silber  jedoch besitzt  niemand so  viel, daß  er nicht noch
       mehr zu haben wünscht, und wenn es bei jemand in Fülle, dann ver-
       gräbt er das Überflüssige und freut sich daran nicht weniger, als
       wenn er  es gebrauchte.  Wenn nämlich  die Städte  aufblühn, dann
       brauchen die  Leute das  Silber besonders. Denn die Männer wollen
       außer schönen  Waffen auch gute Pferde, prächtige Häuser und Ein-
       richtungen kaufen, die Frauen aber begehren allerlei Gewänder und
       goldenen Schmuck.  Wenn aber die Städte Not leiden durch Mißernte
       oder Krieg, dann braucht man Geld infolge Unfruchtbarkeit des Bo-
       dens zum, Kauf von Lebensmitteln oder zur
       
       #115# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       b) Zahlungsmittel
       
       Die beiden  Formen, worin Geld sich bisher vom Zirkulationsmittel
       unterschied, waren  die der  s u s p e n d i e r t e n  M ü n z e
       und des   S c h a t z e s.   Die  erste Form  reflektierte in der
       vorübergehenden Verwandlung  der Münze  in Geld,  daß das  zweite
       Glied von  W-G-W der  Kauf G-W,  sich innerhalb  einer bestimmten
       Zirkulationssphäre zersplittern  muß in  eine  Reihe  sukzessiver
       Käufe. Die  Schatzbildung aber beruhte einfach auf Isolierung des
       Akts W-G,  der nicht  zu G-W  fortging, oder war nur selbständige
       Entwicklung der  ersten Metamorphose  der Ware, das Geld, entwic-
       kelt als  das entäußerte Dasein aller Waren im Gegensatz zum Zir-
       kulationsmittel als  dem Dasein der Ware in ihrer sich stets ver-
       äußernden Form.  Münzreserve und Schatz waren nur Geld als Nicht-
       Zirkulationsmittel, NichtZirkulationsmittel  aber nur,  weil  sie
       nicht zirkulierten.  In der  Bestimmung, worin wir das Geld jetzt
       betrachten, zirkuliert  es oder  tritt in  die Zirkulation,  aber
       nicht in  der Funktion des Zirkulationsmittels. Als Zirkulations-
       mittel war  das Geld  stets Kaufmittel, jetzt wirkt es als Nicht-
       kaufmittel.
       Sobald das Geld durch die Schatzbildung als Dasein des abstrakten
       gesellschaftlichen Reichtums  und  materieller  Repräsentant  des
       stofflichen Reichtums  entwickelt ist, erhält es in dieser seiner
       Bestimmtheit als Geld eigentümliche Funktionen innerhalb des Zir-
       kulationsprozesses. Zirkuliert  das Geld als bloßes Zirkulations-
       mittel und darum als Kaufmittel, so ist unterstellt, daß Ware und
       Geld sich  gleichzeitig gegenüberstehen,  also dieselbe Wertgröße
       doppelt vorhanden ist, auf dem einen Pol als Ware in der Hand des
       Verkäufers, auf  dem andern Pol als Geld in der Hand des Käufers.
       Diese gleichzeitige Existenz der beiden Äquivalente auf entgegen-
       gesetzten Polen  und ihr  gleichzeitiger Stellenwechsel oder ihre
       wechselseitige Entäußerung  unterstellt ihrerseits, daß Verkäufer
       und Käufer  sich nur als Besitzer vorhandener Äquivalente aufein-
       ander beziehn.  Indes der  Prozeß der Metamorphose der Waren, der
       die verschiedenen Formbestimmtheiten des Geldes erzeugt, metamor-
       phosiert auch  die Warenbesitzer oder verändert die gesellschaft-
       lichen Charaktere,  worin sie  einander erscheinen. In dem Prozeß
       der
       -----
       Anwerbung von  Hilfstruppen." (Xenophon,  "De  Vectigalibus",  C.
       IV.) Aristoteles in C. 9, L. I der "Republik" entwickelt die bei-
       den Bewegungen der Zirkulation W-G-W und G-W-G in ihrem Gegensatz
       unter dem  Namen der  "Ökonomik" und "Chrematistik". Beide Formen
       werden von  den griechischen Tragikern, namentlich von Euripides,
       gegenübergestellt als ???? 1*) und ?????? 2*).
       -----
       1*) Recht - 2*) Eigennutz
       
       #116# Karl Marx
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       Metamorphose der  Ware wechselt der Warenhüter ebensooft die Haut
       als die  Ware wandelt oder das Geld in neuen Formen anschießt. So
       standen sich die Warenbesitzer ursprünglich nur als Warenbesitzer
       gegenüber, wurde  n dann  der eine  Verkäufer, der  andre Käufer,
       dann jeder  abwechselnd Käufer und Verkäufer, dann Schatzbildner,
       endlich reiche  Leute. So  kommen die Warenbesitzer nicht aus dem
       Zirkulationsprozeß heraus,  wie sie  in ihn  eingetreten sind. In
       der Tat  sind die  verschiedenen Formbestimmtheiten, die das Geld
       im Zirkulationsprozeß  erhält, nur  kristallisierter  Formwechsel
       der Waren  selbst, der  seinerseits nur gegenständlicher Ausdruck
       der wandelnden  gesellschaftlichen Beziehungen ist, worin die Wa-
       renbesitzer ihren  Stoffwechsel vollziehn.  Im Zirkulationsprozeß
       entspringen neue Verkehrsverhältnisse, und als Träger dieser ver-
       änderten Verhältnisse erhalten die Warenbesitzer neue ökonomische
       Charaktere. Wie  innerhalb der  innern Zirkulation  das Geld sich
       idealisiert und  bloßes Papier  als Repräsentant  des Goldes  die
       Funktion des  Geldes verrichtet, so gibt derselbe Prozeß dem Käu-
       fer oder  Verkäufer, der  als bloßer  Repräsentant von  Geld oder
       Ware in  ihn eintritt, d.h. zukünftiges Geld oder zukünftige Ware
       repräsentiert, die  Wirksamkeit des  wirklichen  Verkäufers  oder
       Käufers.
       Alle Formbestimmtheiten, wozu sich Gold als Geld entwickelt, sind
       nur Entfaltung der in der Metamorphose der Waren eingeschlossenen
       Bestimmungen, die  aber in dem einfachen Geldumlauf, der Erschei-
       nung des  Gelds als  Münze oder der Bewegung W-G-W als prozessie-
       render Einheit, nicht zu selbständiger Gestalt ausgeschieden wur-
       den, oder  auch, wie  z.B. die  Abbrechung der  Metamorphose  der
       Ware, als  bloße Möglichkeiten erschienen. Wir sahen, daß im Pro-
       zeß W-G  die  Ware  als  wirklicher  Gebrauchswert  und  ideeller
       Tauschwert sich  auf das  Geld als  wirklichen Tauschwert und nur
       ideellen Gebrauchswert  bezog. Indem  der Verkäufer  die Ware als
       Gebrauchswert veräußerte, realisierte er ihren eigenen Tauschwert
       und den Gebrauchswert des Geldes. Umgekehrt, indem der Käufer das
       Geld als  Tauschwert veräußerte, realisierte er seinen Gebrauchs-
       wert und den Preis der Ware. Es fand dementsprechend Stellenwech-
       sel von  Ware und Geld statt. Der lebendige Prozeß dieses doppel-
       seitig polarischen Gegensatzes wird nun wieder in seiner Verwirk-
       lichung gespalten.  Der Verkäufer veräußert die Ware wirklich und
       realisiert ihren  Preis zunächst selbst nur wieder ideell. Er hat
       sie zu  ihrem Preis verkauft, der aber erst in einer später fest-
       gesetzten Zeit realisiert wird. Der Käufer kauft als Repräsentant
       von künftigem  Geld, während  der Verkäufer  als der Besitzer von
       gegenwärtiger Ware  verkauft. Auf  der Seite  des Verkäufers wird
       die Ware  als Gebrauchswert  wirklich veräußert, ohne daß sie als
       Preis wirklich realisiert wäre; auf der Seite des Käufers wird
       
       #117# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       das Geld wirklich im Gebrauchswerte der Ware realisiert, ohne daß
       es als  Tauschwert wirklich  veräußert wäre. Statt daß früher das
       Wertzeichen, vertritt hier der Käufer selbst symbolisch das Geld.
       Wie aber  früher die allgemeine Symbolik des Wertzeichens die Ga-
       rantie und den Zwangskurs des Staates, ruft jetzt die persönliche
       Symbolik des Käufers gesetzlich erzwingbare Privatkontrakte unter
       den Warenbesitzern hervor.
       Umgekehrt kann im Prozeß G - W das Geld als wirkliches Kaufmittel
       entäußert und  der Preis  der Ware  so realisiert werden, ehe der
       Gebrauchswert des Geldes realisiert oder die Ware veräußert wird.
       Dies findet  z.B. statt  in der  alltäglichen Form der Pränumera-
       tion. Oder  in der  Form, worin die englische Regierung das Opium
       der Ryots  in Indien,  oder in Rußland ansässige fremde Kaufleute
       großenteils russische  Landeserzeugnisse kaufen.  So wirkt jedoch
       das Geld  nur in der schon bekannten Form des Kaufmittels und er-
       hält daher  keine neue  Formbestimmtheit. *)  Wir verweilen daher
       nicht bei  dem letztern  Fall, bemerken  jedoch mit Bezug auf die
       verwandelte Gestalt,  worin beide  Prozesse G-W und W-G hier auf-
       treten, daß  der bloß gemeinte. Unterschied von Kauf und Verkauf,
       wie er  unmittelbar in der Zirkulation erscheint, jetzt zum wirk-
       lichen Unterschied wird, indem in der einen Form nur die Ware, in
       der andern nur das Geld vorhanden ist, in beiden aber nur das Ex-
       trem, von  dem die  Initiative ausgeht.  Zudem haben beide Formen
       gemein, daß  in beiden das eine Äquivalent nur in dem gemeinsamen
       Willen des  Käufers und  Verkäufers vorhanden ist, ein Wille, der
       beide bindet und bestimmte gesetzliche Formen erhält.
       Verkäufer und Käufer werden Gläubiger und Schuldner. Wenn der Wa-
       renbesitzer als  Hüter des  Schatzes  eher  eine  komische  Figur
       spielte, wird  er nun  schrecklich, indem  er nicht  sich selbst,
       sondern seinen  Nächsten als  Dasein einer  bestimmten  Geldsumme
       auffaßt und  nicht sich, sondern ihn zum Märtyrer des Tauschwerts
       macht. Aus  einem Gläubigen  wird er zum Gläubiger, aus der Reli-
       gion fällt er in die Jurisprudenz.
       
       "I stay here on my bond!" [23]
       
       In der  veränderten Form  W-G also,  worin die Ware vorhanden und
       das Geld  nur repräsentiert  ist, funktioniert  das Geld zunächst
       als Maß  der Werte. Der Tauschwert der Ware wird in Geld als sei-
       nem Maß geschätzt, aber als kontraktlich gemeßner Tauschwert exi-
       stiert der Preis nicht nur im Kopf des
       ---
       *) Kapital wird  natürlich auch  in der Form des Geldes avanciert
       und das  vorgeschoßne Geld mag vorgeschoßnes Kapital sein, dieser
       Gesichtspunkt fällt aber nicht in den Horizont der einfachen Zir-
       kulation.
       
       #118# Karl Marx
       -----
       Verkäufers, sondern  zugleich als  Maß der Verpflichtung des Käu-
       fers. Zweitens  funktioniert das  Geld hier  als Kaufmittel,  ob-
       gleich es nur den Schatten seines künftigen Daseins vor sich her-
       wirft. Es  zieht nämlich  die Ware aus ihrer Stelle, aus der Hand
       des Verkäufers  in die des Käufers. Wird der Termin für Erfüllung
       des Kontrakts  fällig, so  tritt das Geld in Zirkulation, denn es
       wechselt die  Stelle und geht aus der Hand des vergangnen Käufers
       in die  des vergangnen  Verkäufers über.  Aber es  tritt nicht in
       Zirkulation als  Zirkulationsmittel oder  Kaufmittel. Als solches
       funktionierte es,  ehe es  da war,  und es  erscheint, nachdem es
       aufgehört hat, als solches zu funktionieren. Es tritt vielmehr in
       Zirkulation als das einzige adäquate Äquivalent für Ware, als ab-
       solutes Dasein  des Tauschwerts,  als letztes Wort des Austausch-
       prozesses, kurz  als Geld,  und zwar  als Geld  in der bestimmten
       Funktion als  a l l g e m e i n e s  Z a h l u n g s m i t t e l.
       In dieser  Funktion als Zahlungsmittel erscheint das Geld als die
       absolute Ware,  aber innerhalb  der Zirkulation selbst, nicht wie
       der Schatz  außerhalb derselben.  Der Unterschied  von Kaufmittel
       und Zahlungsmittel  macht sich  sehr unangenehm  bemerkbar in den
       Epochen der Handelskrisen. *)
       Ursprünglich erscheint  in der  Zirkulation die  Verwandlung  des
       Produkts in  Geld nur  als individuelle Notwendigkeit für den Wa-
       renbesitzer, sofern sein Produkt Gebrauchswert nicht für ihn ist,
       sondern es  erst durch  seine Entäußerung werden soll. Um aber zu
       zahlen am  kontraktlichen Termin, muß er vorher Ware verkauft ha-
       ben. Ganz  unabhängig von  seinen individuellen  Bedürfnissen ist
       daher der Verkauf durch die Bewegung des Zirkulationsprozesses in
       eine gesellschaftliche Notwendigkeit für ihn verwandelt. Als ver-
       gangner Käufer einer Ware wird er zwangsweise Verkäufer einer an-
       dern Ware,  nicht um  das Geld  als Kaufmittel, sondern um es als
       Zahlungsmittel zu  erhalten, als  die absolute  Form des  Tausch-
       werts. Die  Verwandlung von  Ware in Geld als abschließender Akt,
       oder die  erste Metamorphose der Ware als Selbstzweck, die in der
       Schatzbildung Laune des Warenbesitzers schien, ist jetzt zu einer
       ökonomischen Funktion geworden. Das Motiv und der Inhalt des Ver-
       kaufs, um  zu zahlen,  ist aus der Form des Zirkulationsprozesses
       selbst entspringender Inhalt desselben.
       In dieser Form des Verkaufs vollzieht die Ware ihren Stellenwech-
       sel, zirkuliert,  während sie  ihre erste Metamorphose, ihre Ver-
       wandlung in  Geld aufschiebt.  Auf der  Seite des Käufers dagegen
       wird die  zweite Metamorphose  vollzogen, d.h. Geld in Ware rück-
       verwandelt, ehe  die erste  Metamorphose vollzogen ist, d.h. Ware
       in Geld verwandelt worden ist. Die erste Metamorphose
       ---
       *) Unterschied von  Kaufmittel und  Zahlungsmittel bei Luther be-
       tont. [Note im Handexemplar.]
       
       #119# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       erscheint also  hier in  der Zeit nach der zweiten. Und damit er-
       hält das Geld, die Gestalt der Ware in ihrer ersten Metamorphose,
       neue Formbestimmtheit. Geld oder die selbständige Entwicklung des
       Tauschwerts ist  nicht mehr  vermittelnde Form  der Warenzirkula-
       tion, sondern ihr abschließendes Resultat.
       Daß solche   Z e i t v e r k ä u f e,   worin beide Pole des Ver-
       kaufs getrennt  in der Zeit existieren, naturwüchsig aus der ein-
       fachen Warenzirkulation  hervorgehn, bedarf  keines ausführlichen
       Beweises. Zunächst  bringt es die Entwicklung der Zirkulation mit
       sich, daß  das wechselseitige  Auftreten derselben  Warenbesitzer
       füreinander als Verkäufer und Käufer sich wiederholt. Die wieder-
       holte Erscheinung  bleibt nicht  bloß zufällig, sondern Ware wird
       z.B. bestellt  für einen  künftigen Termin, an welchem sie gelie-
       fert und bezahlt werden soll. In diesem Fall ist der Verkauf ide-
       ell, d.  h. hier  juristisch vollzogen,  ohne daß  Ware und  Geld
       leiblich erscheinen. Beide Formen des Geldes als Zirkulationsmit-
       tel und  Zahlungsmittel fallen  hier noch  zusammen, indem einmal
       Ware und  Geld gleichzeitig  die Stelle wechseln, andrerseits das
       Geld nicht  die Ware kauft, sondern den Preis der früher verkauf-
       ten Ware  realisiert. Ferner  bringt es die Natur einer Reihe von
       Gebrauchswerten mit  sich, daß  sie nicht mit tatsächlicher Über-
       lieferung der  Ware, sondern  nur durch Überlassung derselben für
       eine bestimmte  Zeit wirklich veräußert werden. Z.B. wenn der Ge-
       brauch eines  Hauses verkauft  wird für  einen Monat, ist der Ge-
       brauchswert des Hauses erst nach Ablauf des Monats geliefert, ob-
       gleich es  im Anfang  des Monats  die Hände wechselt. Da das fak-
       tische Überlassen des Gebrauchswerts und seine wirkliche Entäuße-
       rung hier  der Zeit  nach auseinanderfallen, findet die Realisie-
       rung seines  Preises ebenfalls später statt als sein Stellenwech-
       sel. Endlich  aber veranlaßt  der Unterschied  der Zeitdauer  und
       Zeitepoche, worin  die verschiedenen Waren produziert werden, daß
       der eine  als Verkäufer  auftritt, während  der andere noch nicht
       als Käufer  auftreten kann,  und bei  der öftern Wiederholung von
       Kauf und  Verkauf unter  denselben Warenbesitzern  fallen so  die
       beiden Momente des Verkaufs auseinander, entsprechend den Produk-
       tionsbedingungen ihrer  Waren. So  entsteht  ein  Verhältnis  von
       Gläubiger und  Schuldner unter  den Warenbesitzern,  das zwar die
       naturwüchsige Grundlage  des Kreditsystems bildet, aber vollstän-
       dig entwickelt sein kann, bevor das letztre existiert. Es ist in-
       des klar,  daß mit der Ausbildung des Kreditwesens, also der bür-
       gerlichen Produktion  überhaupt, die Funktion des Geldes als Zah-
       lungsmittel sich  ausdehnen wird  auf Kosten  seiner Funktion als
       Kaufmittel und  noch mehr  als Element der Schatzbildung. In Eng-
       land z.  B. ist  Geld als  Münze beinahe  ausschließlich  in  die
       Sphäre des Detailhandels und des Kleinhandels zwischen
       
       #120# Karl Marx
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       Produzenten und  Konsumenten gebannt, während es als Zahlungsmit-
       tel die Sphäre der großen Handelstransaktionen beherrscht. *)
       Als allgemeines Zahlungsmittel wird Geld die  a l l g e m e i n e
       W a r e   der Kontrakte  - zunächst  nur innerhalb der Sphäre der
       Warenzirkulation. **)  Jedoch mit  seiner Entwicklung  in  dieser
       Funktion lösen  sich allmählich alle andern Formen der Zahlung in
       Geldzahlung auf.  Der Grad,  worin Geld als ausschließliches Zah-
       lungsmittel entwickelt  ist, zeigt den Grad an, worin der Tausch-
       wert sich  der Produktion  in ihrer  Tiefe und  Breite bemächtigt
       hat. ***)
       Zunächst ist  die Masse  des  als  Zahlungsmittel  zirkulierenden
       Geldes bestimmt  durch den Belauf der Zahlungen, d. h. die Preis-
       summe der  veräußerten Waren,  nicht der  zu veräußernden, wie im
       einfachen Geldumlauf. Die so
       ---
       *) Herr Macleod  verkennt, trotz  seines doktrinären Definitions-
       dünkels, so sehr die elementarischsten ökonomischen Verhältnisse,
       daß er das Geld überhaupt entspringen läßt aus seiner entwickelt-
       sten Form,  der des Zahlungsmittels. Er sagt unter anderm: Da die
       Leute nicht  immer gleichzeitig  ihre wechselseitigen Dienste be-
       dürfen, und nicht in demselben Wertumfang, "so würde ein gewisser
       Unterschied oder  Betrag des Dienstes übrigbleiben, vom Ersten an
       den Zweiten zahlbar - Schuld". Der Besitzer dieser Schuld braucht
       die Dienste  eines andern, der der seinigen nicht unmittelbar be-
       darf, und "überträgt dem Dritten die Schuld, die der Erste an ihn
       hat. Der Schuldschein geht so von einer Hand zur andren - Umlauf-
       mittel... Wenn  jemand eine  Schuldverpflichtung empfängt, die in
       Metallgeld ausgedrückt ist, so kann er nicht nur über die Dienste
       des ursprünglichen Schuldners verfügen, sondern über die der gan-
       zen arbeitenden  Gemeinschaft." Macleod,  "Theory and Practice of
       Banking etc.", London 1855, v. I. ch. 1 [p. 23 f., 29].
       **) Bailey, l.c.  p. 3:  "Geld ist  die allgemeine  Ware der Kon-
       trakte, oder  diejenige, in  der die  Mehrzahl der  Eigentumsver-
       träge, die  in späterer Zeit erfüllt werden sollen, abgeschlossen
       werden."
       ***) Senior, l.c.p.  221, sagt: "Da der Wert aller Dinge in einem
       bestimmten Zeitraum wechselt, so nimmt man als Zahlungsmittel die
       Sache, deren Wert am wenigsten wechselt, die am längsten eine ge-
       gebene Durchschnittsfähigkeit, Sachen zu kaufen, bewahrt. So wird
       das Geld  Ausdruck oder  Repräsentant der Werte." Umgekehrt. Weil
       Gold, Silber etc. Geld, d.h. Dasein des verselbständigten Tausch-
       werts geworden sind, werden sie allgemeine Zahlungsmittel. Wo die
       von Herrn  Senior erwähnte  Rücksicht auf die Dauer der Wertgröße
       des Geldes  eintritt, d.h. in Perioden, wo das Geld durch die Ge-
       walt der Umstände sich als allgemeines Zahlungsmittel durchsetzt,
       wird grade  auch das  Schwanken in  der Wertgröße des Geldes ent-
       deckt. Eine solche Periode war in England die Zeit der Elisabeth,
       und es war zu ihrer Zeit, daß Lord Burleigh und Sir Thomas Smith,
       mit Rücksicht  auf die  sichtbar werdende  Depreziation der edeln
       Metalle eine  Parlamentsakte durchsetzten,  die die Universitäten
       von Oxford  und Cambridge  verpflichtet, ein Drittel ihrer Grund-
       renten sich in Weizen und Malz zu reservieren.
       
       #121# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       bestimmte Summe  wird jedoch  doppelt modifiziert,  erstens durch
       die Geschwindigkeit,  womit dasselbe  Geldstück dieselbe Funktion
       wiederholt oder  sich die  Masse der Zahlungen als prozessierende
       Kette von Zahlungen darstellt. A zahlt B, worauf B C zahlt und so
       fort. Die  Geschwindigkeit, womit  dasselbe Geldstück seine Funk-
       tion als  Zahlungsmittel wiederholt,  hängt einerseits ab von der
       Verkettung der Verhältnisse von Gläubiger und Schuldner unter den
       Warenbesitzern, so  daß derselbe  Warenbesitzer der Gläubiger ge-
       genüber dem einen, Schuldner gegenüber dem andern ist usw., ande-
       rerseits von der Zeitlänge, die die verschiedenen Zahlungstermine
       trennt. Diese  Kette von Zahlungen oder nachträglichen ersten Me-
       tamorphosen der  Waren ist  qualitativ verschieden  von der Kette
       der Metamorphosen, die sich im Umlauf des Gelds als Zirkulations-
       mittel darstellt. Letztere erscheint nicht nur in zeitlicher Suk-
       zession, sondern  w i r d  erst in derselben. Die Ware wird Geld,
       dann wieder  Ware und befähigt so die andere Ware, Geld zu werden
       usw., oder  der Verkäufer wird Käufer, wodurch ein anderer Waren-
       besitzer Verkäufer wird. Dieser Zusammenhang entsteht zufällig im
       Prozeß des  Warenaustauschs selbst.  Daß aber Geld, womit A den B
       bezahlt hat,  von B  an C,  von C an D usw. fortgezahlt wird, und
       zwar in  rasch aufeinanderfolgenden Zeiträumen - in diesem äußer-
       lichen Zusammenhang  tritt nur  ein schon  fertig vorhandener ge-
       sellschaftlicher Zusammenhang  an den  Tag. Dasselbe  Geld  läuft
       nicht durch  verschiedene Hände,  weil es  als Zahlungsmittel auf
       tritt, sondern es läuft als Zahlungsmittel um, weil die verschie-
       denen Hände  schon ineinandergeschlagen  haben. Die  Geschwindig-
       keit, womit  das Geld  als Zahlungsmittel umläuft, zeigt also ein
       viel tieferes Hereinziehen der Individuen in den Zirkulationspro-
       zeß, als  die Geschwindigkeit,  womit das Geld als Münze oder als
       Kaufmittel umläuft.
       Die Preissumme  gleichzeitiger und  daher räumlich nebeneinander-
       fallender Käufe  und Verkäufe  bildet die Grenze für Ersetzen der
       Münzmasse durch Umlaufsgeschwindigkeit. Diese Schranke fällt fort
       für das  als Zahlungsmittel  funktionierende Geld.  Konzentrieren
       sich gleichzeitig  zu leistende  Zahlungen an  einem  Platz,  was
       zunächst  naturwüchsig   nur  an  den  großen  Sammelpunkten  der
       Warenzirkulation stattfindet,  so gleichen sich die Zahlungen als
       negative und  positive Größen  gegeneinander aus, indem A an B zu
       zahlen, zugleich  von C  Zahlung zu  erhalten hat  usw.  Die  als
       Zahlungsmittel erheischte  Summe Geldes  wird daher bestimmt sein
       nicht durch  die Preissumme  der gleichzeitig  zu  realisierenden
       Zahlungen, sondern durch die größere oder geringere Konzentration
       derselben und  die Größe  der Bilanz,  die  nach  ihrem  wechsel-
       seitigen Aufheben  als negative  und positive Größen übrigbleibt.
       Eigne Vorrichtungen zu diesen Ausgleichungen entstehen ohne alle
       
       #122# Karl Marx
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       Entwickelung des  Kreditwesens, wie  z.B. im  alten Rom.  Die Be-
       trachtung derselben  gehört aber ebensowenig hierher, wie die der
       allgemeinen Zahlungstermine,  die sich  überall in bestimmten Ge-
       sellschaftskreisen festsetzen. Hier sei nur noch bemerkt, daß der
       spezifische Einfluß,  den  diese  Termine  auf  die  periodischen
       Schwankungen in  der Quantität  des umlaufenden  Geldes  ausüben,
       erst in neuester Zeit wissenschaftlich untersucht worden ist.
       Soweit sich  die Zahlungen  ausgleichen als positive und negative
       Größen, findet  gar keine  Dazwischenkunft  von  wirklichem  Geld
       statt. Es  entwickelt sich  hier nur  in seiner  Form als Maß der
       Werte, einerseits  im Preis  der Ware,  andererseits in der Größe
       der wechselseitigen  Obligationen. Außer  seinem ideellen  Dasein
       erhält der  Tauschwert hier also kein selbständiges Dasein, nicht
       einmal das  Dasein als  Wertzeichen, oder  das Geld  wird nur  zu
       idealem Rechengeld.  Die Funktion  des Geldes  als Zahlungsmittel
       schließt also den Widerspruch ein, daß es einerseits, soweit sich
       die Zahlungen ausgleichen, nur ideell als Maß wirkt, andrerseits,
       soweit die  Zahlung wirklich  zu verrichten  ist, nicht  als ver-
       schwindendes Zirkulationsmittel,  sondern als  das ruhende Dasein
       des allgemeinen  Äquivalents, als  die absolute  Ware, mit  einem
       Wort, als Geld in die Zirkulation hereintritt. Wo daher die Kette
       der Zahlungen  und ein künstliches System ihrer Ausgleichung sich
       entwickelt hat,  schlägt bei  Erschütterungen, die  den Fluß  der
       Zahlungen gewaltsam  unterbrechen und  den Mechanismus ihrer Aus-
       gleichung stören,  das Geld plötzlich aus seiner gasartigen hirn-
       gewebten Gestalt  als Maß der Werte in hartes Geld oder Zahlungs-
       mittel um.  In  Zuständen  entwickelter  bürgerlicher  Produktion
       also, worin  der Warenbesitzer  längst Kapitalist  geworden  ist,
       seinen Adam  Smith kennt,  und vornehm  über den  Aberglauben lä-
       chelt, daß Gold und Silber allein Geld oder daß Geld überhaupt im
       Unterschied von  andern Waren  die absolute  Ware sei,  erscheint
       Geld plötzlich wieder, nicht als Mittler der Zirkulation, sondern
       als allein  adäquate Form des Tauschwerts, als der einzige Reich-
       tum, ganz wie es der Schatzbildner auffaßt. Als solch ausschließ-
       liches Dasein  des Reichtums offenbart es sich nicht, wie etwa im
       Monetarsystem, in  der bloß  vorgestellten, sondern  in der wirk-
       lichen Entwertung  und Wertlosigkeit alles stofflichen Reichtums.
       Es ist  dies das besondere Moment der Weltmarktskrisen, das Geld-
       krise heißt. Das summum bonum 1*), wonach in solchen Momenten als
       dem einzigen  Reichtum geschrien  wird, ist Geld, bares Geld, und
       daneben erscheinen  alle andern  Waren, eben  weil sie Gebrauchs-
       werte sind, als nutzlos, als Tand, Spielzeug, oder wie unser Dok-
       tor Martin Luther sagt, als bloßer Schmuck und Fraß.
       -----
       1*) höchste Gut
       
       #123# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Dies plötzliche Umschlagen des Kreditsystems in das Monetarsystem
       fügt den  theoretischen Schrecken  zum praktischen panic, und die
       Zirkulationsagenten schaudern  vor dem undurchdringlichen Geheim-
       nis ihrer eigenen Verhältnisse. *)
       Die Zahlungen  machen ihrerseits einen Reservefonds, eine Akkumu-
       lationen Geld als Zahlungsmittel nötig. Die Bildung dieser Reser-
       vefonds erscheint  nicht mehr  wie bei  der Schatzbildung als der
       Zirkulation selbst äußerliche Tätigkeit, noch wie bei der Münzre-
       serve als  bloß technische  Stockung der  Münze, sondern Geld muß
       allmählich aufgesammelt  werden, um  an bestimmten künftigen Zah-
       lungsterminen vorhanden  zu sein.  Während also die Schatzbildung
       in der  abstrakten Form, worin sie als Bereicherung gilt, mit der
       Entwickelung der  bürgerlichen Produktion  abnimmt, wächst  diese
       durch den  Austauschprozeß unmittelbar  erheischte Schatzbildung,
       oder vielmehr  ein Teil  der Schätze,  die sich  überhaupt in der
       Sphäre der  Warenzirkulation bilden,  wird als  Reservefonds  von
       Zahlungsmitteln absorbiert.  Je entwickelter die bürgerliche Pro-
       duktion ist, um so mehr werden diese Reservefonds auf das notwen-
       dige Minimum  beschränkt. Locke  gibt in  seiner Schrift über die
       Herabsetzung des  Zinsfußes **) interessante Aufschlüsse über die
       Größe dieser  Reservefonds zu  seiner Zeit.  Man ersieht  daraus,
       welchen bedeutenden Teil des überhaupt umlaufenden Geldes die Re-
       servoirs für  Zahlungsmittel in England absorbierten grade in der
       Epoche, wo sich das Bankwesen zu entwickeln begann.
       Das Gesetz  über die  Quantität des zirkulierenden Geldes, wie es
       sich aus  der Betrachtung  des einfachen  Geldumlaufs ergab, wird
       wesentlich modifiziert  durch den Umlauf des Zahlungsmittels. Bei
       gegebener Umlaufsgeschwindigkeit  des Geldes, sei es als Zirkula-
       tionsmittel, sei  es als Zahlungsmittel, wird die Gesamtsumme des
       in einem  gegebenen Zeitabschnitt  zirkulierenden Geldes bestimmt
       sein durch die Gesamtsumme der zu realisierenden
       -----
       *) Boisguillebert, der  die bürgerlichen  Produktionsverhältnisse
       verhindern möchte,  sich gegen  die Bürger selbst auf die Hinter-
       füße zu  stellen, faßt  mit Vorliebe  die Formen  des Geldes auf,
       worin es  nur ideell  oder nur verschwindend erscheint. So früher
       das Zirkulationsmittel.  So das  Zahlungsmittel.  Was  er  wieder
       nicht sieht,  ist der unvermittelte Umschlag aus der idealen Form
       des Geldes  in seine  äußerliche Wirklichkeit, daß das harte Geld
       schon im  nur gedachten  Maß der Werte latent enthalten ist. Daß,
       sagt er, das Geld bloße Form der Waren selbst ist, zeigt sich bei
       dem Großhandel,  wo der Austausch vor sich geht ohne Intervention
       des Geldes,  nachdem "les  marchandises sont appréciées" 1*). "Le
       détail de la France", l.c. p. 210.
       **) Locke, l.c. p. 17, 18.
       -----
       1*) "die Waren abgeschätzt sind"
       
       #124# Karl Marx
       -----
       Warenpreise [plus] der Gesamtsumme der in derselben Epoche fälli-
       gen Zahlungen  minus der  durch Ausgleichung  sich  gegeneinander
       aufhebenden Zahlungen.  Das allgemeine  Gesetz, daß die Masse des
       umlaufenden Geldes  von den  Warenpreisen abhängt,  wird  dadurch
       nicht im  geringsten berührt,  da der Belauf der Zahlungen selbst
       durch die  kontraktlich festgesetzten  Preise  bestimmt  ist.  Es
       zeigt sich aber schlagend, daß selbst Geschwindigkeit des Umlaufs
       und Ökonomie  der Zahlungen als gleichbleibend vorausgesetzt, die
       Preissumme der  in einer bestimmten Periode, z.B. einem Tag, zir-
       kulierenden Warenmassen und die Masse des an demselben Tag zirku-
       lierenden Geldes sich keineswegs decken, denn es zirkulieren eine
       Masse Waren,  deren Preis  erst künftig  in Geld realisiert wird,
       und es zirkuliert eine Masse Geld, wofür die entsprechenden Waren
       längst aus  der Zirkulation  herausgefallen  sind.  Die  letztere
       Masse selbst wird davon abhängen, wie groß die Wertsumme der Zah-
       lungen ist,  die an  demselben Tag fällig werden, obgleich sie zu
       ganz verschiedenen Perioden kontrahiert sind.
       Wir sahen,  daß der  Wechsel im  Wert des Goldes und Silbers ihre
       Funktion als  Maß der Werte oder Rechengeld nicht affiziert. Die-
       ser Wechsel  wird jedoch  entscheidend wichtig  für das  Geld als
       Schatz, denn  mit dem  Steigen oder  Fallen des Gold- und Silber-
       werts steigt  oder fällt die Wertgröße des goldnen oder silbernen
       Schatzes. Noch  wichtiger für  das Geld  als Zahlungsmittel.  Die
       Zahlung erfolgt  erst später  als der  Verkauf der  Ware oder das
       Geld wirkt zu zwei verschiedenen Zeiträumen in zwei verschiedenen
       Funktionen, erst  als Maß der Werte, dann als dieser Messung ent-
       sprechendes Zahlungsmittel.  Wechselt in  dieser Zwischenzeit der
       Wert der  edeln Metalle,  oder die zu ihrer Produktion erheischte
       Arbeitszeit, so  wird dasselbe  Quantum Gold oder Silber, wenn es
       als Zahlungsmittel erscheint, mehr oder weniger wert sein als zur
       Zeit, wo  es als  Maß der  Werte diente  oder der  Kontrakt abge-
       schlossen wurde.  Die Funktion  einer besondern Ware wie Gold und
       Silber als  Geld oder  verselbständigter Tauschwert kommt hier in
       Kollision mit ihrer Natur als besondrer Ware, deren Wertgröße vom
       Wechsel ihrer  Produktionskosten abhängt. Die große soziale Revo-
       lution, die  das Fallen  im Wert der edlen Metalle in Europa her-
       vorrief, ist ebenso bekannte Tatsache, wie die umgekehrte Revolu-
       tion, die  in einer  frühen Epoche  der altrömischen Republik be-
       wirkt wurde  durch das  Steigen im  Wert des  Kupfers, worin  die
       Schulden der  Plebejer kontrahiert waren. Ohne die Wertschwankun-
       gen der edlen Metalle in ihrem Einfluß auf das System der bürger-
       lichen Ökonomie  weiter zu verfolgen, ergibt sich schon hier, daß
       das Fallen im Wert der edeln Metalle die Schuldner auf Kosten der
       Gläubiger, ein  Steigen in ihrem Wert umgekehrt die Gläubiger auf
       Kosten der Schuldner begünstigt.
       
       #125# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       c) Weltgeld
       
       Gold wird  Geld im  Unterschied von Münze, erst indem es sich als
       Schatz aus der Zirkulation zurückzieht, dann als Nicht Zirkulati-
       onsmittel in  sie eintritt, endlich aber die Schranken der innern
       Zirkulation durchbricht,  um als  allgemeines Äquivalent  in  der
       Welt der Waren zu funktionieren. So wird es  W e l t g e l d.
       Wie die  allgemeinen Gewichtsmaße der edeln Metalle als ursprüng-
       liche Wertmaße  dienten, werden  innerhalb des Weltmarkts die Re-
       chennamen des  Geldes wieder  in die  entsprechenden Gewichtnamen
       verwandelt. Wie das formlose Rohmetall (aes rude) die ursprüngli-
       che Form  des Zirkulationsmittels  und die  Münzform ursprünglich
       selbst nur offizielles Zeichen des in den Metallstücken enthalte-
       nen Gewichts  war, so streift das edle Metall als Weltmünze Figur
       und Gepräge  wieder ab  und fällt in die gleichgültige Barrenform
       zurück, oder  wenn nationale  Münzen, wie  russische  Imperialen,
       mexikanische Taler  und englische Sovereigns im Ausland zirkulie-
       ren, wird ihr Titel gleichgültig und gilt nur ihr Gehalt. Als in-
       ternationales Geld  endlich vollziehn  die edeln  Metalle  wieder
       ihre ursprüngliche Funktion als Tauschmittel, die, wie der Waren-
       austausch selbst, nicht im Innern der naturwüchsigen Gemeinwesen,
       sondern an  den Berührungspunkten  verschiedner Gemeinwesen  ent-
       sprang. Als  Weltgeld erhält also das Geld seine naturwüchsig er-
       ste Form zurück. Indem es die innere Zirkulation verläßt, streift
       es die  besondern Formen  wieder ab,  die aus der Entwicklung des
       Austauschprozesses innerhalb  jener besondern  Sphäre hervorwuch-
       sen, seine  Lokalformen als  Maßstab der  Preise, Münze, Scheide-
       münze und Wertzeichen.
       Wir sahen,  daß in  der innern  Zirkulation eines Landes nur eine
       Ware als Maß der Werte dient. Da aber in dem einen Lande Gold, in
       dem andern  Silber diese  Funktion verrichtet, gilt auf dem Welt-
       markt ein  doppeltes Maß  der Werte und verdoppelt das Geld seine
       Existenz auch in allen andern Funktionen. Die Übersetzung der Wa-
       renwerte aus  Goldpreisen in  Silberpreise und umgekehrt wird je-
       desmal bestimmt  durch den relativen Wert beider Metalle, der be-
       ständig wechselt  und dessen  Festsetzung daher  als  beständiger
       Prozeß erscheint.  Die Wareninhaber  jeder  innern  Zirkulations-
       sphäre sind  gezwungen, Gold  und Silber abwechselnd für die aus-
       wärtige Zirkulation  zu gebrauchen  und so das Metall, das im In-
       land als  Geld gilt,  gegen das Metall auszutauschen, das sie ge-
       rade im  Ausland als Geld brauchen. Jede Nation wendet also beide
       Metalle, Gold und Silber, als Weltgeld an.
       In der  internationalen Warenzirkulation erscheinen Gold und Sil-
       ber nicht  als Zirkulationsmittel,  sondern als  a l l g e m e i-
       n e  T a u s c h m i t t e l. Das allgemeine
       
       #126# Karl Marx
       -----
       Tauschmittel funktioniert  aber nur  in den  beiden  entwickelten
       Formen des   K a u f m i t t e l s   und  des    Z a h l u n g s-
       m i t t e l s,   deren Verhältnis  sich jedoch  auf dem Weltmarkt
       umkehrt. In  der Sphäre  der innern  Zirkulation wirkte das Geld,
       soweit es Münze war, den Mittler der prozessierenden Einheit W-G-
       W  oder   die  nur   verschwindende  Form   des  Tauschwerts   im
       unaufhörlichen  Stellenwechsel   der   Waren   darstellte,   aus-
       schließlich als Kaufmittel. Auf dem Weltmarkt umgekehrt. Gold und
       Silber erscheinen  hier als Kaufmittel, wenn der Stoffwechsel nur
       einseitig ist  und daher  Kauf und Verkauf auseinanderfallen. Der
       Grenzhandel zu  Kiachta [24]  z.B. ist tatsächlich und durch Ver-
       trag Tauschhandel,  worin Silber nur Wertmaß. Der Krieg von 1857-
       1858 [25]  bestimmte die  Chinesen, zu verkaufen, ohne zu kaufen.
       Nun erschien  Silber plötzlich  als Kaufmittel. Aus Rücksicht auf
       den Wortlaut  des Vertrags  verarbeiteten die Russen französische
       Fünffrankenstücke in rohe Silberwaren, die als Tauschmittel dien-
       ten. Silber  funktioniert fortwährend als Kaufmittel zwischen Eu-
       ropa und Amerika auf der einen Seite, Asien auf der andern, wo es
       sich als Schatz niederschlägt. Ferner funktionieren die edeln Me-
       talle als  internationale  Kaufmittel,  sobald  das  herkömmliche
       Gleichgewicht des  Stoffwechsels zwischen zwei Nationen plötzlich
       unterbrochen wird,  Mißernte z.B.  die eine derselben in außeror-
       dentlichem Maß  zu kaufen  zwingt. Endlich sind die edlen Metalle
       internationales Kaufmittel in der Hand der Gold und Silber produ-
       zierenden Länder,  wo sie  unmittelbares Produkt  und Ware, nicht
       die verwandelte  Form der  Ware sind.  Je mehr der Warenaustausch
       zwischen verschiedenen  nationalen Zirkulationssphären  sich ent-
       wickelt, entwickelt  sich die  Funktion des  Weltgeldes als  Zah-
       lungsmittel zur Ausgleichung der internationalen Bilanzen.
       Wie die  innere Zirkulation, so erheischt die internationale Zir-
       kulation eine stets wechselnde Quantität von Gold und Silber. Ein
       Teil der  aufgehäuften Schätze dient daher bei jedem Volk als Re-
       servefonds des  Weltgeldes, der  sich bald  entleert, bald wieder
       füllt, entsprechend den Oszillationen des Warenaustausches.*) Au-
       ßer den  besondern Bewegungen,  worin es  zwischen den nationalen
       1*) Zirkulationssphären  hin und  her läuft, besitzt das Weltgeld
       eine allgemeine Bewegung, deren Ausgangspunkte an den
       ---
       *) "Das angehäufte  Geld kommt  zu der Summe hinzu, die, um wirk-
       lich in  Zirkulation zu sein und um den Möglichkeiten des Handels
       zu genügen,  sich entfernt und  d i e  S p h ä r e  d e r  Z i r-
       k u l a t i o n   s e l b s t  v e r l ä ß t."  (G.R. Carli, Note
       zu Verri,  "Meditazioni sulla  Economia Politica",  p. 192, t. XV
       bei Custodi l.c.)
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       1*) Im Handexemplar korrigiert; (1859) internationalen
       
       #127# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       Produktionsquellen liegen,  von denen  aus Gold- und Silberströme
       sich in verschiedener Richtung über den Weltmarkt wälzen. Als Wa-
       ren treten  Gold und  Silber hier in die Weltzirkulation und sind
       als Äquivalente  im Verhältnis  zu der  in ihnen  enthaltenen Ar-
       beitszeit gegen  Warenäquivalente ausgetauscht,  bevor sie in die
       innern Zirkulationssphären  fallen. In  denselben erscheinen  sie
       daher mit gegebener Wertgröße. Jedes Fallen oder Steigen im Wech-
       sel ihrer  Produktionskosten affiziert  daher gleichmäßig auf dem
       Weltmarkt ihren  relativen Wert,  der dagegen durchaus unabhängig
       ist von dem Grad, worin verschiedne nationale Zirkulationssphären
       Gold oder Silber verschlucken. Der Teil des Metallstroms, der von
       jeder besondern Sphäre der Warenwelt aufgefangen wird, geht teils
       unmittelbar in  den innern  Geldumlauf ein,  zum Ersatz  der ver-
       schlißnen Metallmünzen,  wird teils abgedämmt in den verschiednen
       Schatzreservoirs von  Münze, Zahlungsmittel  und Weltgeld,  teils
       verwandelt in  Luxusartikel,  während  der  Rest  endlich  Schatz
       schlechthin wird. Auf entwickelter Stufe der bürgerlichen Produk-
       tion wird die Bildung der Schätze auf das Minimum beschränkt, das
       die verschiednen  Prozesse der Zirkulation zum freien Spiel ihres
       Mechanismus erheischen.  Schatz als  solcher wird  hier  nur  der
       brachliegende Reichtum  - wenn  nicht augenblickliche  Form eines
       Überschusses in  der Bilanz  der Zahlungen,  das Resultat  unter-
       brochnen Stoffwechsels und darum Erstarrung der Ware in ihrer er-
       sten Metamorphose.
       Wie Gold  und Silber  als Geld  ihrem Begriff nach die allgemeine
       Ware sind,  so erhalten  sie im  Weltgeld die  entsprechende Exi-
       stenzform der  universellen Ware. Im Verhältnis wie alle Produkte
       sich gegen  sie veräußern, werden sie die verwandelte Gestalt al-
       ler Waren  und daher  die allseitig veräußerliche Ware. Als Mate-
       riatur der  allgemeinen Arbeitszeit  werden sie  verwirklicht, im
       Maße wie  der Stoffwechsel  der realen  Arbeiten den Erdboden um-
       spannt. Sie werden allgemeines Äquivalent in dem Grad, worin sich
       die Reihe  der besondern  Äquivalente entwickelt,  die ihre  Aus-
       tauschsphäre bilden.  Weil in der Weltzirkulation die Waren ihren
       eignen Tauschwert  universell entfalten, erscheint dessen in Gold
       und Silber verwandelte Gestalt als Weltgeld. Während also die Na-
       tionen von  Warenbesitzern durch  ihre allseitige  Industrie  und
       allgemeinen Verkehr Gold zu adäquatem Geld umschaffen, erscheinen
       ihnen Industrie  und Verkehr  nur als  Mittel, um das Geld in der
       Form von Gold und Silber dem Weltmarkt zu entziehn. Gold und Sil-
       ber als  Weltgeld sind  daher ebensowohl  Produkt der allgemeinen
       Warenzirkulation wie  Mittel, ihre  Kreise weiter  zu ziehn.  Wie
       hinter dem Rücken der Alchimisten, indem sie Gold machen wollten,
       die Chemie erwuchs, so springen hinter dem Rücken der Warenbesit-
       zer, indem sie der Ware in ihrer verzauberten
       
       #128# Karl Marx
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       Gestalt nachjagen, die Quellen der Weltindustrie und des Welthan-
       dels auf.  Gold und  Silber helfen  den Weltmarkt scharfen, indem
       sie in ihrem Geldbegriff sein Dasein antizipieren. Daß diese ihre
       Zauberwirkung keineswegs auf die Kinderjahre der bürgerlichen Ge-
       sellschaft beschränkt ist, sondern notwendig hervorwächst aus der
       Verkehrung, worin  den Trägern  der Warenwelt  ihre eigne gesell-
       schaftliche Arbeit  erscheint, beweist  der außerordentliche Ein-
       fluß, den  die Entdeckung  neuer Goldländer  in der Mitte des 19.
       Jahrhunderts auf den Weltverkehr ausübt.
       Wie sich das Geld zum Weltgeld, entwickelt sich der Warenbesitzer
       zum Kosmopoliten.  Die kosmopolitische Beziehung der Menschen zu-
       einander ist  ursprünglich nur  ihr Verhältnis als Warenbesitzer.
       Die Ware ist an und für sich über jede religiöse, politische, na-
       tionale und sprachliche Schranke erhaben. Ihre allgemeine Sprache
       ist der Preis und ihr Gemeinwesen ist das Geld. Aber mit der Ent-
       wicklung des  Weltgeldes im  Gegensatz zur Landesmünze entwickelt
       sich der  Kosmopolitismus des Warenbesitzers als Glaube der prak-
       tischen Vernunft  im Gegensatz zu angestammten religiösen, natio-
       nalen und andern Vorurteilen, die den Stoffwechsel der Menschheit
       hemmen. Wie  dasselbe Gold, das in der Form amerikanischer eagles
       in England  landet, zum  Sovereign wird, nach drei Tagen in Paris
       als Napoleon umläuft, nach einigen Wochen sich in Venedig als Du-
       kate wiederfindet, aber stets denselben Wert behält, wird dem Wa-
       renbesitzer klar,  daß die  Nationalität  "is  but  the  guinea's
       stamp" 1*).  Die erhabene Idee, worin ihm die ganze Welt aufgeht,
       ist die eines Marktes - des  W e l t m a r k t s.  *)
       
       4. Die edeln Metalle
       
       Der bürgerliche  Produktionsprozeß bemächtigt  sich zunächst  der
       metallischen Zirkulation  als eines fertig überlieferten Organes,
       das zwar  allmählich umgestaltet  wird, jedoch stets seine Grund-
       konstruktion bewahrt. Die Frage,
       ---
       *) Montanari, "Deila  Moneta" (1683), l.c. p. 40: "Die Verbindung
       zwischen allen  Völkern ist derart über den ganzen Erdball ausge-
       dehnt, daß  man beinahe  sagen kann, die ganze Welt sei eine ein-
       zige Stadt  geworden, in  der  ständiger  Jahrmarkt  aller  Waren
       herrscht und  jedermann, in  seinem Hause sitzend, vermittels des
       Geldes sich  verschaffen und  genießen kann  von all dem, was die
       Erde, die Tiere und der menschliche Fleiß anderswo hervorgebracht
       haben. Eine wunderbare Erfindung."
       -----
       1*) "nur die Prägung der Guinee ist"
       
       #129# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       warum statt  andrer Waren Gold und Silber als Material des Geldes
       dienen, fällt  jenseits der  Grenze des bürgerlichen Systems. Wir
       fassen daher nur summarisch die wesentlichsten Gesichtspunkte zu-
       sammen.
       Da die  allgemeine Arbeitszeit  selbst  nur  quantitative  Unter-
       schiede zuläßt,  muß der Gegenstand, der als ihre spezifische In-
       karnation gelten soll, fähig sein, rein quantitative Unterschiede
       darzustellen, so daß Dieselbigkeit, Gleichförmigkeit der Qualität
       vorausgesetzt ist.  Es ist dies die erste Bedingung für die Funk-
       tion einer Ware als Wertmaß. Schätze ich z. B. alle Waren in Och-
       sen, Häuten,  Getreide usw., so muß ich sie in der Tat in idealem
       Durchschnitts-Ochsen,  Durchschnitts-Haut  messen,  da  Ochs  von
       Ochs, Getreide von Getreide, Haut von Haut qualitativ verschieden
       ist. Gold  und Silber dagegen sind als einfache Körper stets sich
       selbst gleich  und gleiche  Quanta derselben stellen daher gleich
       große Werte dar. *) Die andre, direkt aus der Funktion rein quan-
       titative Unterschiede  darzustellen, hervorgehende  Bedingung für
       die Ware,  die als  allgemeines Äquivalent  dienen soll,  ist die
       Möglichkeit ihrer Zerschneidung in beliebige Teile und deren Wie-
       derzusammensetzbarkeit, so  daß das Rechengeld auch sinnlich dar-
       gestellt werden  kann. Gold und Silber besitzen diese Eigenschaf-
       ten in vorzüglichem Grad.
       Als Zirkulationsmittel  besitzen Gold und Silber vor andern Waren
       den Vorzug,  daß ihrem  großen spezifischen Gewicht, relativ viel
       Schwere in kleinem Raum darzustellen, ihr ökonomisch spezifisches
       Gewicht entspricht, relativ viel Arbeitszeit, d.h. großen Tausch-
       wert in  kleinem Umfang  einzuschließen. Dadurch ist Leichtigkeit
       des Transports,  der Übertragung von einer Hand in die andre, und
       von einem  Land in  das andre, die Fähigkeit, ebenso rasch zu er-
       scheinen wie zu verschwinden - kurz, die materielle Beweglichkeit
       gewährleistet, das  sine qua  non 1*) der Ware, die als perpetuum
       mobile des Zirkulationsprozesses dienen soll.
       Der hohe  spezifische Wert der edeln Metalle, Dauerbarkeit, rela-
       tive Unzerstörbarkeit,  Nichtoxydierbarkeit an  der Luft, bei dem
       Gold speziell  seine Unauflösbarkeit  in Säuren, außer in Königs-
       wasser, alle diese natürlichen Eigenschaften machen die edeln Me-
       talle zum  natürlichen Material  der Schatzbildung. Peter Martyr,
       der ein großer Freund der Schokolade gewesen zu sein
       ---
       *) "Die Metalle  besitzen die  Eigentümlichkeit und Besonderheit,
       daß in  ihnen allein alle Verhältnisse zurückgeführt sind auf ei-
       nes, das  ist ihre  Quantität, daß  sie von  der Natur keine ver-
       schiedene Qualität  erhalten haben,  weder im innern Bau, noch in
       der äußern Form und Bearbeitung." (Galiani, l.c. p. 126/127.)
       -----
       1*) die unerläßliche Bedingung
       
       #130# Karl Marx
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       scheint, bemerkt  daher von den Kakaosäcken, die eine der mexika-
       nischen Geldsorten bildeten:
       
       "O glückliches  Geld, das  dem Menschengeschlecht  ein süßes  und
       nahrhaftes Getränk bietet und seine unschuldigen Besitzer vor der
       höllischen Seuche  der Habgier  bewahrt, weil  es nicht vergraben
       noch lange aufbewahrt werden kann." ("De orbe novo".)
       
       Die große  Bedeutung von  Metallen überhaupt innerhalb des unmit-
       telbaren Produktionsprozesses  hängt zusammen  mit ihrer Funktion
       als Produktionsinstrumente.  Abgesehen von ihrer Seltenheit macht
       die große  Weichheit des  Goldes und  des Silbers, verglichen mit
       Eisen und selbst mit Kupfer (in dem gehärteten Zustand, worin die
       Alten es  brauchten), sie unfähig zu dieser Nutzanwendung und be-
       raubt sie  daher in großem Umfang der Eigenschaft, worauf der Ge-
       brauchswert der Metalle überhaupt beruht. So nutzlos, wie sie in-
       nerhalb des  unmittelbaren Produktionsprozesses sind, so entbehr-
       lich erscheinen sie als Lebensmittel, als Gegenstände der Konsum-
       tion. Jede  beliebige Quantität  derselben kann  daher in den ge-
       sellschaftlichen Zirkulationsprozeß  eingehen, ohne  die Prozesse
       der unmittelbaren  Produktion und  Konsumtion zu beeinträchtigen.
       Ihr individueller  Gebrauchswert gerät  nicht in  Widerstreit mit
       ihrer ökonomischen  Funktion. Andrerseits  sind Gold  und  Silber
       nicht nur  negativ überflüssige,  d. h. entbehrliche Gegenstände,
       sondern ihre ästhetischen Eigenschaften machen sie zum naturwüch-
       sigen Material  von Pracht, Schmuck, Glanz, sonntäglichen Bedürf-
       nissen, kurz  zur positiven  Form des  Überflusses und Reichtums.
       Sie erscheinen  gewissermaßen als  gediegenes Licht,  das aus der
       Unterwelt hervorgegraben  wird, indem das Silber alle Lichtstrah-
       len in  ihrer ursprünglichen  Mischung, das  Gold nur die höchste
       Potenz der  Farbe, das  Rot, zurückwirft. Farbensinn aber ist die
       populärste Form  des ästhetischen  Sinnes überhaupt.  Der  etymo-
       logische Zusammenhang  der Namen  der edeln  Metalle in  den ver-
       schiedenen indogermanischen  Sprachen mit  Farbenbeziehungen  ist
       von Jakob  Grimm nachgewiesen worden. (Siehe seine Geschichte der
       deutschen Sprache.)
       Endlich die Fähigkeit von Gold und Silber, aus der Form der Münze
       in die  Barrenform, aus der Barrenform in die Form von Luxusarti-
       keln und  umgekehrt verwandelt zu werden, ihr Vorzug also vor an-
       dern Waren,  nicht in  einmal gegebene, bestimmte Gebrauchsformen
       gebannt zu  sein, macht  sie zum natürlichen Material des Geldes,
       das beständig  aus einer Formbestimmtheit in die andre umschlagen
       muß.
       Die Natur  produziert kein Geld, so wenig wie Bankiers oder einen
       Wechselkurs. Da  die bürgerliche Produktion aber den Reichtum als
       Fetisch
       
       #131# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       in der  Form eines einzelnen Dings kristallisieren muß, sind Gold
       und Silber  seine entsprechende Inkarnation. Gold und Silber sind
       von Natur  nicht Geld,  aber Geld  ist von Natur Gold und Silber.
       Einerseits ist  der silberne  oder goldne  Geldkristall nicht nur
       Produkt des Zirkulationsprozesses, sondern in der Tat sein einzi-
       ges ruhendes  Produkt. Andrerseits  sind Gold  und Silber fertige
       Naturprodukte, und  sie sind  das erste  unmittelbar, wie sie das
       zweite sind, durch keine Formverschiedenheit getrennt. Das allge-
       meine Produkt  des gesellschaftlichen  Prozesses oder der gesell-
       schaftliche Prozeß  selbst als  Produkt ist ein besonderes Natur-
       produkt, in  den Eingeweiden der Erde steckendes und aus ihr aus-
       grabbares Metall. *)
       Wir haben  gesehn, daß  Gold und  Silber den Anspruch, der an sie
       als Geld  gestellt wird, gleichbleibende Wertgröße zu sein, nicht
       erfüllen können.  Indes besitzen  sie, wie  schon Aristoteles be-
       merkt, permanentere Wertgröße als der Durchschnitt der andern Wa-
       ren. Abgesehn von der allgemeinen Wirkung einer Appreziation oder
       Depreziation der  edeln Metalle,  sind die Schwankungen des Wert-
       verhältnisses von  Gold und  Silber von besondrer Wichtigkeit, da
       beide nebeneinander auf dem Weltmarkt als Materie des Geldes die-
       nen. Die rein ökonomischen Gründe dieses Wertwechsels - Eroberun-
       gen und  andre politische Umwälzungen, die großen Einfluß auf den
       Wert der Metalle in der alten Welt ausübten, wirken nur lokal und
       vorübergehend -  müssen auf den Wechsel der zur Produktion dieser
       Metalle  erheischten   Arbeitszeit  zurückgeführt  werden.  Diese
       selbst wird  abhängen von ihrer relativen natürlichen Seltenheit,
       wie von  der größern oder mindern Schwierigkeit, die ihre Bemäch-
       tigung in  rein metallischem  Zustand bietet. Gold ist in der Tat
       das erste  Metall, das der Mensch entdeckt. Einerseits stellt die
       Natur  selbst   es  in   gediegener  kristallinischer  Form  dar,
       individualisiert, chemisch  unverbunden mit  andern Körpern, oder
       wie die  Alchimisten sagten,  in jungfräulichem  Zustand; andrer-
       seits übernimmt  die Natur  selbst in  den großen Goldwäschereien
       der Flüsse  das Werk der Technologie. Auf Seiten des Menschen ist
       so nur  die roheste  Arbeit erheischt,  sei es  für Gewinnung des
       Flußgoldes, sei es des Goldes in aufgeschwemmtem Land,
       ---
       *) Im Jahre 760 wanderte eine Masse armer Leute aus, um den Fluß-
       goldsand südlich  von Prag  auszuwaschen, und drei Mann waren fä-
       hig, in  einem Tag  eine Mark  Gold zu extrahieren. Infolge davon
       wurde der  Zulauf zu  den "diggings" 1*) und die Zahl der dem Ac-
       kerbau entzogenen  Hände so  groß, daß  das Land das nächste Jahr
       von Hungersnot heimgesucht wurde. (Siehe M.G. Körner, "Abhandlung
       von dem  Alterthum des böhmischen Bergwerks", Schneeberg 1758 [p.
       37 seq.].)
       -----
       1*) "Goldfundstätten"
       
       #132# Karl Marx
       -----
       während die  Darstellung des  Silbers Minenarbeit  und  überhaupt
       eine relativ hohe Entwicklung der Technik voraussetzt. Trotz sei-
       ner kleinern  absoluten Seltenheit  ist daher  der  ursprüngliche
       Wert des  Silbers relativ größer als der des Goldes. Strabos Ver-
       sicherung, daß  bei einem  Stamme der  Araber 10 Pfund Gold für 1
       Pfund Eisen  und 2  Pfund Gold für 1 Pfund Silber gegeben wurden,
       erscheint keineswegs  unglaublich. Im  Verhältnis aber,  wie sich
       die Produktivkräfte  der gesellschaftlichen Arbeit entwickeln und
       sich daher  das Produkt  der einfachen Arbeit verteuert gegen das
       der kombinierten, wie die Rinde der Erde allseitiger aufgebrochen
       wird, und  die ursprünglichen oberflächlichen Quellen der Goldzu-
       fuhr versiegen,  wird der  Wert des  Silbers fallen im Verhältnis
       zum Wert  des Goldes.  Auf einer  gegebenen Entwicklungsstufe der
       Technologie und  der  Kommunikationsmittel  wird  die  Entdeckung
       neuer Gold-  oder Silberländer schließlich in die Waagschale fal-
       len. Im  alten Asien  war das Verhältnis von Gold zu Silber wie 6
       zu I oder 8 zu 1, letzteres Verhältnis in China und Japan noch im
       Anfang des  19. Jahrhunderts  ; 10  zu 1, das Verhältnis zu Xeno-
       phons Zeit,  kann als  Durchschnittsverhältnis des mittlem Alter-
       tums betrachtet werden. Die Ausbeutung der spanischen Silberminen
       durch Karthago  und später durch Rom wirkte annähernd im Altertum
       wie die  Entdeckung der  amerikanischen Minen im modernen Europa.
       Für die  römische Kaiserzeit  kann 15  oder 16  zu  1  als  rauhe
       Durchschnittszahl genommen  werden, obgleich  wir häufig  tiefere
       Depreziation des Silbers in Rom finden. Dieselbe Bewegung, begin-
       nend mit der relativen Depreziation des Goldes und endend mit dem
       Fall des  Silberwerts, wiederholt  sich in  der folgenden Epoche,
       die sich  vom Mittelalter bis zur neusten Zeit erstreckt. Wie zur
       Zeit Xenophons  steht das  Durchschnittsverhältnis im Mittelalter
       wie 10 zu 1 und schlägt infolge der Entdeckung der amerikanischen
       Minen  wieder  um  zu  16  oder  15  zu  1.  Die  Entdeckung  der
       australischen, kalifornischen  und kolumbischen Goldquellen macht
       einen abermaligen Fall im Wert des Goldes wahrscheinlich. *)
       ---
       *) Bisher haben  die australischen usw. Entdeckungen das Wertver-
       hältnis von Gold und Silber noch nicht berührt. Die gegenteiligen
       Behauptungen Michel  Chevaliers sind  gerade soviel  wert wie der
       Sozialismus dieses Ex-St.-Simonisten. Die Quotationen des Silbers
       auf dem  Londoner  Markt  beweisen  allerdings,  daß  der  Durch-
       schnitts-Goldpreis des  Silbers während  1850 bis  1858 um  nicht
       ganz 3% höher steht als während der Periode 1830-1850. Dies Stei-
       gen ist  aber einfach  aus der asiatischen Silbernachfrage zu er-
       klären. Während 1852-1858 wechselt der Silberpreis in den einzel-
       nen Jahren  und Monaten  nur mit dieser  N a c h f r a g e,  kei-
       neswegs mit  der Goldzufuhr  von den neu entdeckten Quellen. Fol-
       gendes ist eine Übersicht der Goldpreise des Silbers auf dem Lon-
       doner Markt:
       
       #133# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       C. Theorien über Zirkulationsmittel und Geld
       
       Wie eine  allgemeine Goldgier  Völker und  Fürsten im 16. und 17.
       Jahrhundert, der  Kindheitsperiode der  modernen bürgerlichen Ge-
       sellschaft, in überseeische Kreuzzüge nach dem goldnen Gral jagte
       *), so  proklamierten die  ersten Dolmetscher  der modernen Welt,
       die Urheber  des Monetarsystems,  wovon das  Merkantilsystem  nur
       eine Variante  ist, Gold  und Silber, d.h. Geld, als den einzigen
       Reichtum. Richtig sprachen sie den Beruf der bürgerlichen Gesell-
       schaft dahin aus, Geld zu machen, also, vom Standpunkt der einfa-
       chen Warenzirkulation,  den ewigen  Schatz zu  bilden, den  weder
       Motten noch  Rost fressen.  Es wird dem Monetarsystem nicht damit
       geantwortet, daß  eine Tonne  Eisen vom Preis von 3 Pfd. St. eine
       ebenso große  Wertgröße als  3 Pfd. St. Gold ist. Es handelt sich
       hier nicht  um die  Größe des  Tauschwerts, sondern  um seine ad-
       äquate Form. Wenn das Monetär- und Merkantilsystem den Welthandel
       und die  unmittelbar in den Welthandel mündenden besondern Zweige
       der nationalen  Arbeit als die einzig wahren Quellen von Reichtum
       oder Geld  auszeichnet, ist  zu erwägen,  daß in jener Epoche der
       größte Teil  der nationalen Produktion sich noch in feudalen For-
       men bewegte und als unmittelbare Subsistenzquelle den Produzenten
       selbst diente.  Die Produkte  verwandelten sich großenteils nicht
       in Waren  und daher  nicht in Geld, gingen überhaupt nicht in den
       allgemeinen gesellschaftlichen Stoffwechsel ein, erschienen daher
       nicht als  Vergegenständlichung der allgemeinen abstrakten Arbeit
       und bildeten  in der  Tat keinen  bürgerlichen Reichtum. Geld als
       Zweck der  Zirkulation ist  der  Tauschwert  oder  der  abstrakte
       Reichtum, nicht  irgendein stoffliches Element des Reichtums, als
       bestimmender Zweck  und treibendes  Motiv der  Produktion. Wie es
       der Vorstufe der bürgerlichen
       ---
       Preis des Silbers per Unze:
       
       Jahr      März            Juli            November
       
       1852    60 1/8 Pence    60 1/4 Pence    61 7/8 Pence
       1853    61 3/8   "      61 1/2.  "      61 7/8   "
       1854    61 7/8   ".     61 3/4   "      61 1/2   "
       1855    60 7/8   "      61 1/2   "      60 7/8   "
       1856    60       "      61 1/4   "      62 1/8,  "
       1857    61 3/4   "      61 5/8   "      61 1/2   "
       1858    61 5/8   "
       
       *) "Gold ist ein wunderbares Ding! Wer dasselbe besitzt, ist Herr
       von allem,  was er wünscht. Durch Gold kann man Seelen in das Pa-
       radies gelangen  lassen." (Columbus  in einem  Brief aus Jamaica,
       1503.) [Note im Handexemplar.]
       
       #134# Karl Marx
       -----
       Produktion entsprach,  hielten jene  verkannten Propheten  an der
       gediegenen, handgreiflichen  und glänzenden  Form des Tauschwerts
       fest, an  seiner Form  als allgemeine  Ware im Gegensatz zu allen
       besondern Waren. Die eigentlich bürgerlich ökonomische Sphäre der
       damaligen Zeit war die Sphäre der Warenzirkulation. Vom Gesichts-
       punkt dieser elementarischen Sphäre aus beurteilten sie daher den
       ganzen verwickelten  Prozeß der  bürgerlichen Produktion und ver-
       wechselten Geld mit Kapital. Der unauslöschliche Kampf der moder-
       nen Ökonomen gegen das Monetär- und Merkantilsystem rührt großen-
       teils daher,  daß dieses System in brutal-naiver Form das Geheim-
       nis der  bürgerlichen Produktion  ausplaudert, ihr Beherrschtsein
       durch den  Tauschwert. Ricardo,  wenn  auch  zum  Behuf  falscher
       Nutzanwendung,  bemerkt   irgendwo,  daß  selbst  in  Zeiten  der
       Hungersnot  Getreide  eingeführt  wird,  nicht  weil  die  Nation
       hungert, sondern weil der Kornhändler Geld macht. In ihrer Kritik
       des Monetär-  und Merkantilsystems  fehlt die politische Ökonomie
       also, indem sie dieses System als bloße Illusion, als nur falsche
       Theorie befeindet,  nicht  als  barbarische  Form  ihrer  eigenen
       Grundvoraussetzung  wiedererkennt.  Zudem  behält  dieses  System
       nicht nur  ein historisches  Recht, sondern  innerhalb bestimmter
       Sphären der  modernen  Ökonomie  volles  Bürgerrecht.  Auf  allen
       Stufen des bürgerlichen Produktionsprozesses, wo der Reichtum die
       elementarische Form  der Ware  annimmt, nimmt  der Tauschwert die
       elementarische Form  des Geldes  an,  und  in  allen  Phasen  des
       Produktionsprozesses fällt  der Reichtum  immer wieder  für einen
       Augenblick in die allgemeine elementarische Form der Ware zurück.
       Selbst in  der entwickeltsten  bürgerlichen Ökonomie  werden  die
       spezifischen Funktionen  des  Goldes  und  Silbers  als  Geld  im
       Unterschied von  ihrer Funktion  als  Zirkulationsmittel  und  im
       Gegensatz zu  allen übrigen  Waren nicht  aufgehoben, sondern nur
       beschränkt, behalten also Monetär- und Merkantilsystem ihr Recht.
       Die katholische  Tatsache, daß  Gold und  Silber als unmittelbare
       Inkarnation der  gesellschaftlichen Arbeit,  daher als Dasein des
       abstrakten Reichtums,  den andern profanen Waren gegenübertreten,
       verletzt natürlich  das protestantische  point d'honneur  1*) der
       bürgerlichen Ökonomie,  und aus  Angst vor  den  Vorurteilen  des
       Monetarsystems büßte  sie für  lange Zeit  das  Urteil  über  die
       Phänomene der  Geldzirkulation ein,  wie die folgende Darstellung
       zeigen wird.
       Im Gegensatz  zum Monetär-  und Merkantilsystem, die das Geld nur
       in seiner  Formbestimmtheit als kristallisches Produkt der Zirku-
       lation kennen,  war es  ganz in  der Ordnung,  daß die klassische
       Ökonomie es  zunächst in  seiner flüssigen Form auffaßte, als in-
       nerhalb der Warenmetamorphose selbst
       -----
       1*) Ehrgefühl
       
       #135# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       erzeugte und  wieder verschwindende Form des Tauschwerts. Wie da-
       her die  Warenzirkulation ausschließlich  in der  Form W-G-W  und
       diese wieder ausschließlich in der Bestimmtheit der prozessieren-
       den Einheit von Verkauf und Kauf aufgefaßt wird, wird das Geld in
       seiner Formbestimmtheit  als Zirkulationsmittel gegen seine Form-
       bestimmtheit als  Geld  behauptet.  Wird  das  Zirkulationsmittel
       selbst in  seiner Funktion  als Münze  isoliert, so verwandelt es
       sich, wie wir sahen, in Wertzeichen. Da aber der klassischen Öko-
       nomie zunächst  die metallische  Zirkulation als herrschende Form
       der Zirkulation gegenüberstand, faßt sie das metallische Geld als
       Münze, die  metallische Münze  als bloßes Wertzeichen. Dem Gesetz
       der Zirkulation  der Wertzeichen  entsprechend, wird  so der Satz
       aufgestellt, daß  die Preise der Waren abhängen von der Masse des
       zirkulierenden Geldes, nicht umgekehrt die Masse des zirkulieren-
       den Geldes  von den  Preisen der  Waren. Wir finden diese Ansicht
       bei italienischen  Ökonomen des 17. Jahrhunderts mehr oder minder
       angedeutet, bald  bejaht, bald  verneint von Locke, bestimmt ent-
       wickelt vom  "Spectator" (in  Nummer vom  19. Oktober  1711), von
       Montesquieu und  Hume. Da Hume bei weitem der bedeutendste Reprä-
       sentant dieser  Theorie im  18.Jahrhundert ist,  eröffnen wir mit
       ihm unsre Rundschau.
       Unter bestimmten  Voraussetzungen scheint  eine  Vermehrung  oder
       Verminderung in  der Quantität, sei es des zirkulierenden Metall-
       geldes, sei  es der  zirkulierenden  Wertzeichen,    g l e i c h-
       m ä ß i g   auf die  Warenpreise zu wirken. Fällt oder steigt der
       W e r t  des Goldes oder Silbers, worin die Tauschwerte der Waren
       als  Preise   geschätzt  sind,   so  steigen   oder  fallen   die
       P r e i s e,   weil ihr  Wertmaß sich geändert hat, und mehr oder
       minder Gold  und Silber  zirkulieren als  Münze, weil  die Preise
       gestiegen oder  gefallen sind.  Das sichtbare  Phänomen aber  ist
       Veränderung  der  Preise,  bei  gleichbleibendem  Tauschwert  der
       Waren, mit  vermehrter oder verminderter Quantität der Zirkulati-
       onsmittel. Fällt oder steigt andrerseits die Quantität der zirku-
       lierenden Wertzeichen  über oder unter ihr notwendiges Niveau, so
       werden sie  gewaltsam auf  dasselbe reduziert  durch Fallen  oder
       Steigen der  Warenpreise. In  beiden Fällen scheint dieselbe Wir-
       kung durch  dieselbe Ursache hervorgebracht, und an diesem Schein
       hielt  H u m e  fest.
       Jede wissenschaftliche  Untersuchung über  das Verhältnis von An-
       zahl der  Zirkulationsmittel und  Preisbewegung der Waren muß den
       Wert des Geldmaterials als gegeben voraussetzen. Hume dagegen be-
       trachtet ausschließlich  Epochen der Revolution im Wert der edeln
       Metalle selbst,  also Revolutionen  im Maß der Werte. Das Steigen
       der Warenpreise gleichzeitig mit der Zunahme des Metallgelds seit
       der Entdeckung  der amerikanischen  Minen bildet den geschichtli-
       chen Hintergrund seiner Theorie, wie die Polemik gegen das
       
       #136# Karl Marx
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       Monetar- und Merkantilsystem ihr praktisches Motiv abgab. Die Zu-
       fuhr der edeln Metalle kann natürlich vermehrt werden bei gleich-
       bleibenden Produktionskosten derselben. Andrerseits wird die Ver-
       minderung  in  ihrem  Wert,  d.h.  in  der  zu  ihrer  Produktion
       erheischten Arbeitszeit,  sich zunächst nur zeigen in der Vermeh-
       rung ihrer  Zufuhr. Also,  sagten später  Schüler von Hume, zeigt
       sich der  verminderte Wert  der edeln  Metalle in  der wachsenden
       Masse  der   Zirkulationsmittel  und   die  wachsende  Masse  der
       Zirkulationsmittel im  Steigen der  Warenpreise. In  der Tat aber
       wächst nur  der Preis  der exportierten  Waren, die sich mit Gold
       und Silber als Ware und nicht als Zirkulationsmittel austauschen.
       So steigt  der Preis dieser Waren, die in Gold und Silber von ge-
       sunkenem Wert  geschätzt sind, gegenüber allen übrigen Waren, de-
       ren Tauschwert  fortfährt, in  Gold oder  Silber nach dem Maßstab
       ihrer alten Produktionskosten geschätzt zu werden. Diese doppelte
       Schätzung der  Tauschwerte der  Waren in demselben Lande kann na-
       türlich nur temporär sein, und die Gold- oder Silberpreise müssen
       sich ausgleichen  in den  durch die Tauschwerte selbst bestimmten
       Proportionen, so  daß schließlich die Tauschwerte aller Waren dem
       neuen Wert  des Geldmaterials  entsprechend geschätzt werden. Die
       Entwickelung dieses  Prozesses gehört ebensowenig hierher wie die
       Art und  Weise, worin  überhaupt innerhalb  der Schwankungen  der
       Marktpreise der  Tauschwert der  Waren sich  durchsetzt. Daß aber
       diese Ausgleichung  in minder  entwickelten Epochen der bürgerli-
       chen Produktion  sehr allmählich ist und sich über lange Perioden
       verteilt, jedenfalls  aber nicht  gleichen Schritt  hält mit  der
       Vermehrung der  umlaufenden Barschaften, ist durch neue kritische
       Untersuchungen über  die Bewegung der Warenpreise im 16. Jahrhun-
       dert schlagend  bewiesen worden.  *) Ganz  ungehörig sind die von
       Humes Schülern  beliebten Beziehungen  auf das Steigen der Preise
       im antiken  Rom infolge der Eroberung von Makedonien, Ägypten und
       Kleinasien. Die  der alten Welt eigentümliche, plötzliche und ge-
       waltsame Übertragung aufgespeicherter Geldschätze von einem Lande
       in das  andere, die temporäre Reduktion der Produktionskosten der
       edeln Metalle  für ein bestimmtes Land durch den einfachen Prozeß
       der Plünderung,  berühren ebensowenig  die immanenten Gesetze der
       Geldzirkulation, wie  etwa die  Gratisverteilung von  ägyptischem
       und sizilischem  Getreide in  Rom das  allgemeine Gesetz, das den
       Getreidepreis regelt.  Das zur  Detailbeobachtung des Geldumlaufs
       erheischte Material,  einerseits gesichtete Geschichte der Waren-
       preise,
       -----
       *) Diese Allmählichkeit  gibt Hume übrigens zu, so wenig sie sei-
       nem Prinzip  entspricht. Siehe  David Hume, "Essays and treatises
       on several subjects", ed. London 1777, vol. I, p, 300.
       
       #137# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       andererseits offizielle und fortlaufende Statistik über Expansion
       und Kontraktion des zirkulierenden Mediums, Zufluß und Abfluß der
       edeln Metalle  usw., ein  Material, das überhaupt erst mit völlig
       entwickeltem Bankwesen  entsteht, mangelte  Hume wie allen andern
       Schriftstellern des  18. Jahrhunderts.  Humes Zirkulationstheorie
       faßt sich  in folgenden  Sätzen zusammen: 1. Die Preise der Waren
       in einem  Lande sind  bestimmt durch die in ihm befindliche Geld-
       masse (realem Geld oder symbolischem). 2. Das in einem Lande zir-
       kulierende Geld  repräsentiert alle in ihm befindlichen Waren. Im
       Verhältnis wie  die Anzahl  der Repräsentanten  wächst, d.h.  des
       Geldes, kommt  mehr oder minder von der repräsentierten Sache auf
       den einzelnen  Repräsentanten. 3.  Werden die  Waren vermehrt, so
       fällt ihr  Preis oder  der Wert  des Geldes steigt. Wird das Geld
       vermehrt, so  wächst umgekehrt  der Preis  der Waren und der Wert
       des Geldes fällt. *)
       
       "Die Teuerkeit aller Dinge", sagt Hume, "infolge von Geldüberfluß
       ist ein Nachteil für jeden bestehenden Handel, indem er den armem
       Ländern erlaubt,  reichere zu unterkaufen auf allen fremden Märk-
       ten. **)  Es kann  keine Wirkung,  gute oder  schlechte, ausüben,
       wenn wir eine Nation für sich selbst betrachten, ob viel oder we-
       nig Münze zum Zählen oder Repräsentieren der Waren vorhanden ist,
       so wenig  wie die Bilanz eines Kaufmanns alteriert würde, wenn er
       in der  Buchführung, statt  der arabischen Rechenweise, die wenig
       Ziffern erheischt, die römische anwendete, die einer größeren An-
       zahl bedarf. Ja, die größere Quantität des Geldes, gleich den rö-
       mischen Rechencharakteren,  ist vielmehr unbequem und kostet mehr
       Mühe sowohl für Aufbewahrung als Transport." ***)
       
       Um überhaupt  etwas zu beweisen, hätte Hume zeigen müssen, daß in
       einem   g e g e b e n e n  System von Rechencharakteren die Masse
       der angewandten Ziffern nicht von der Größe des Zahlenwerts, son-
       dern die  Größe des Zahlenwerts umgekehrt von der Masse der ange-
       wandten Charaktere abhängt. Es ist sehr richtig, daß es kein Vor-
       teil ist,  die Warenwerte in Gold oder Silber von gesunkenem Wert
       zu schätzen  oder zu "zählen", und daher fanden es die Völker mit
       dem Wachstum  der Wertsumme der zirkulierenden Waren stets beque-
       mer, in  Silber zu  zählen als in Kupfer, und in Gold als in Sil-
       ber. Im  Maß wie  sie reicher wurden, verwandelten sie die minder
       wertvollen Metalle  in subsidiäre  Münze und  die  wertvollem  in
       Geld. Andrerseits  vergißt Hume, daß zum Zählen der Werte in Gold
       und Silber  weder Gold  noch Silber  "vorhanden" zu sein braucht.
       Rechengeld und Zirkulationsmittel fallen ihm
       ---
       *) Conf. Steuart, l.c. t. I, p. 394-400.
       **) David Hume, l.c. p. 300.
       ***) David Hume, l.c. p. 303.
       
       #138# Karl Marx
       -----
       zusammen und  beide sind  Münze (coin). Weil eine Wertveränderung
       im Maße  der Werte  oder den  edeln Metallen,  die als Rechengeld
       funktionieren, die  Warenpreise steigen  oder fallen  macht, also
       auch die Masse des zirkulierenden Geldes bei gleichbleibender Um-
       laufsgeschwindigkeit, schließt  Hume, daß das Steigen oder Fallen
       der Warenpreise  von der  Quantität des zirkulierenden Geldes ab-
       hängt. Daß im 16. und 17. Jahrhundert nicht nur die Quantität von
       Gold und Silber sich vermehrte, sondern gleichzeitig ihre Produk-
       tionskosten sich  verminderten, konnte Hume aus dem Schließen der
       europäischen Minen  sehn. Im  16. und 17. Jahrhundert stiegen die
       Warenpreise in  Europa mit  der Masse des importierten amerikani-
       schen Goldes  und Silbers;  also sind  die Warenpreise  in  jedem
       Lande bestimmt durch die Masse des in ihm befindlichen Goldes und
       Silbers. Dies  war Humes erste "notwendige Konsequenz" *). Im 16.
       und 17.  Jahrhundert stiegen die Preise nicht gleichmäßig mit der
       Zunahme der  edeln Metalle;  mehr als ein halbes Jahrhundert ver-
       floß, bevor   i r g e n d e i n  Wechsel in den Warenpreisen sich
       zeigte, und  selbst dann  währte es noch lange, bevor die Tausch-
       werte der  Waren allgemein dem gesunkenen Wert des Golds und Sil-
       bers gemäß geschätzt wurden, also bevor die Revolution die allge-
       meinen Warenpreise  ergriff. Also, schließt Hume, der ganz im Wi-
       derspruch mit  den Grundsätzen seiner Philosophie einseitig beob-
       achtete Tatsachen unkritisch in allgemeine Sätze verwandelt, also
       ist der  Preis der  Waren oder der Wert des Geldes bestimmt nicht
       durch die  absolute Masse des in einem Lande befindlichen Geldes,
       sondern vielmehr  durch die  Quantität von  Gold und  Silber, die
       wirklich in  die Zirkulation  eingeht, aber schließlich muß alles
       in einem Lande befindliche Gold und Silber als Münze von der Zir-
       kulation absorbiert  werden. **)  Es ist klar, daß, wenn Gold und
       Silber einen  eignen Wert besitzen, von allen andern Gesetzen des
       Umlaufs abgesehen,  nur eine  bestimmte Quantität Gold und Silber
       als Äquivalent  für eine gegebene Wertsumme von Waren zirkulieren
       kann. Muß also jede zufällig in einem Lande befindliche Quantität
       Gold und Silber ohne Rücksicht
       
       *) David Hume, l.c. p. 303.
       **) "Es ist  klar, daß  die Preise nicht so sehr abhängen von der
       absoluten Menge der Waren, und der des Geldes, die in einem Lande
       vorhanden sind,  als von  der Menge  der Waren, die auf den Markt
       kommt oder  kommen kann,  und von  dem Gelde, welches zirkuliert.
       Wenn das  gemünzte Geld  in Truhen verschlossen wird, so ist dies
       für die  Preise dasselbe, als ob es vernichtet wäre; wenn die Wa-
       ren in  Magazinen und  Kornspeichern aufgehäuft  werden, so folgt
       die gleiche  Wirkung. Da das Geld und die Waren in solchen Fällen
       nie zusammentreffen,  können sie  auch nicht  aufeinander wirken.
       Das Ganze  (der Preise)  erreicht schließlich  ein   r i c h t i-
       g e s   V e r h ä l t n i s   z u   d e r   n e u e n   M e n g e
       d e s   M e t a l l g e l d e s,   d i e  i m  L a n d e  i s t."
       (l.c. p. 303, 307, 308.)
       
       #139# Zur Kritik der Politischen Ökonomie · Zweites Kapitel
       -----
       auf die Summe der Warenwerte als Zirkulationsmittel in den Waren-
       austausch eingehn,  so besitzen Gold und Silber keinen immanenten
       Wert und  sind daher  in der Tat keine wirklichen Waren. Dies ist
       Humes dritte  "notwendige Konsequenz".  Waren ohne Preis und Gold
       und Silber  ohne Wert  läßt er in den Zirkulationsprozeß eingehn.
       Er spricht daher auch nie von Wert der Waren und Wert des Goldes,
       sondern nur  von ihrer  wechselseitigen  Quantität.  Schon  Locke
       hatte gesagt,  Gold und  Silber hätten  einen bloß  eingebildeten
       oder konventionellen Wert; die erste brutale Form des Gegensatzes
       zur Behauptung  des Monetarsystems,  daß Gold  und Silber  allein
       wahren Wert  haben. Daß  das Gelddasein  von Gold und Silber bloß
       aus ihrer  Funktion im  gesellschaftlichen  Austauschprozeß  ent-
       springt, wird  dahin ausgelegt, daß sie ihren 1*) eignen Wert und
       daher ihre Wertgröße einer gesellschaftlichen Funktion verdanken.
       *) Gold  und Silber  sind also wertlose Dinge, aber innerhalb des
       Zirkulationsprozesses erhalten  sie eine  fiktive  Wertgröße  als
       R e  p r ä s e n t a n t e n  d e r  W a r e n.  Sie werden durch
       den Prozeß  nicht in Geld, sondern in Wert verwandelt. Dieser ihr
       Wert wird  bestimmt durch  die Proportion  zwischen ihrer  eignen
       Masse und  der Warenmasse, indem sich beide Massen decken müssen.
       Während also  Hume Gold und Silber als Nichtwaren in die Welt der
       Waren eintreten  läßt, verwandelt er sie umgekehrt, sobald sie in
       der Formbestimmtheit  der Münze  erscheinen, in  bloße Waren, die
       sich durch  einfachen Tauschhandel  mit andren Waren austauschen.
       Bestände nun  die Warenwelt  aus einer  einzigen Ware, z.B. einer
       Million Quarter  Getreide, so  wäre die Vorstellung sehr einfach,
       daß ein  Quarter sich gegen zwei Unzen Gold austauscht, wenn zwei
       Millionen Unzen Gold vorhanden sind und gegen 20 Unzen Gold, wenn
       20 Millionen  Unzen Gold  vorhanden sind, Preis der Ware und Wert
       des Geldes also in umgekehrtem Verhältnis zur vorhandenen Quanti-
       tät Geld  steigen oder fallen. **) Aber die Warenwelt besteht aus
       unendlich verschiedenen  Gebrauchswerten,  deren  relativer  Wert
       keineswegs durch  ihre relative  Quantität bestimmt ist. Wie also
       denkt sich Hume diesen Austausch zwischen der Masse der Waren und
       der Masse des Goldes? Er begnügt sich mit der begriffslos dumpfen
       Vorstellung, daß jede Ware als aliquoter Teil der gesamten Waren-
       masse sich  gegen einen entsprechend aliquoten Teil der Goldmasse
       austauscht. Die prozessierende
       ---
       *) Siehe Law und Franklin über den Surpluswert, den Gold und Sil-
       ber aus Funktion als Geld erhalten sollen. Auch Forbonnais. /Note
       im Handexemplar./
       **) Diese Fiktion  kommt wörtlich  vor bei  Montesquieu. /Note im
       Handexemplar./
       -----
       1*) Im Handexemplar eingefügt; (1859) fehlt: ihren
       
       #140# Karl Marx
       -----
       Bewegung der  Waren, die  aus dem  in ihnen enthaltenen Gegensatz
       von Tauschwert  und Gebrauchswert  entspringt, in  dem Umlauf des
       Geldes erscheint  und in den verschiedenen Formbestimmtheiten des
       letztern sich  kristallisiert, ist  also ausgelöscht, und an ihre
       Stelle tritt  die eingebildete mechanische Gleichsetzung zwischen
       der Gewichtmasse der in einem Land befindlichen edeln Metalle und
       der gleichzeitig vorhandenen Warenmasse.
       Sir James Steuart eröffnet seine Untersuchung über Münze und Geld
       mit einer  ausführlichen Kritik  von Hume  und Montesquieu. *) Er
       ist in der Tat der erste, der die Frage stellt: Ist die Quantität
       des umlaufenden Geldes durch die Warenpreise oder sind die Waren-
       preise durch  die Quantität  des umlaufenden Geldes bestimmt? Ob-
       gleich seine  Darstellung getrübt ist durch phantastische Ansicht
       vom Maß  der Werte,  durch schwankende Darstellung von Tauschwert
       überhaupt und  durch Reminiszenzen des Merkantilsystems, entdeckt
       er die wesentlichen Formbestimmtheiten des Geldes und allgemeinen
       Gesetze des  Geldumlaufs, weil  er nicht mechanisch die Waren auf
       die eine  und das  Geld  auf  die  andre  Seite  stellt,  sondern
       tatsächlich aus  den verschiednen  Momenten des  Warenaustausches
       selbst die verschiednen Funktionen entwickelt.
       
       "Der Gebrauch  von Geld für inländische Zirkulation läßt sich zu-
       sammenfassen unter  zwei Hauptpunkte,  Zahlung dessen,  was einer
       schuldet. Kaufen dessen, was einer braucht; beides zusammengefaßt
       bildet die  Nachfrage für bares Geld (ready money demands)... Der
       Stand von  Handel, Manufaktur, Lebensweise und herkömmlichen Aus-
       gaben der  Einwohner,  wenn  alle  zusammengenommen,  regeln  und
       bestimmen die Masse der Nachfrage für bares Geld, d. h. die Masse
       der Veräußerungen.  Um diese  Mannigfaltigkeit der  Zahlungen ins
       Werk zu  setzen, ist  eine gewisse  Proportion Geld  nötig. Diese
       Proportion ihrerseits  kann zunehmen  oder abnehmen,  je nach Um-
       ständen,  obgleich   die  Quantität   der  Veräußerung   dieselbe
       bleibt... Jedenfalls  kann die  Zirkulation eines Landes nur eine
       bestimmte Quantität von Geld absorbieren." ** "Der Marktpreis der
       Ware wird  bestimmt durch die verwickelte Operation von Nachfrage
       und Konkurrenz  (demand and competition), die durchaus von der in
       einem Land  befindlichen Gold-  und Silbermasse  unabhängig sind.
       Was wird nun aus dem nicht als Münze erheischten Gold und Silber?
       Es wird als Schatz aufgehäuft oder als Material von Luxusartikeln
       verarbeitet. Fiele  die Gold-  und Silbermasse  unter das für die
       Zirkulation erheischte  Niveau, so ersetzt man sie durch symboli-
       sches Geld oder andre Auskunftsmittel. Bringt ein günstiger Wech-
       selkurs Überfluß  von Geld  ins Land  und schneidet  zugleich die
       Nachfrage für seine Versendung ins Ausland ab, so fällt es häufig
       in Koffer, wo es so nutzlos wird, als ob es in Minen läge." ***)
       ---
       *) Steuart, l.c. t. I, p. 394 seq.
       **) James Steuart. l.c. t. II, p. 377-379 passim.
       ***) l.c. p. 379-380 passim.
       
       #141# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Das zweite  von   S t e u a r t   entdeckte Gesetz ist der Reflux
       der auf  Kredit gegründeten  Zirkulation zu  ihrem Ausgangspunkt.
       Endlich entwickelt  er die Wirkungen, die die Verschiedenheit des
       Zinsfußes in  verschiedenen Ländern  auf die  internationale Aus-
       und Einwandrung  der edeln Metalle hervorbringt. Die beiden letz-
       tern Bestimmungen  deuten wir  hier nur der Vollständigkeit wegen
       an, da sie unserm Thema der einfachen Zirkulation fernliegen. *
       ----
       *) "Die zusätzlichen Münzen werden eingeschlossen werden, oder in
       Silbergeschirr ·verwandelt...  Was das Papiergeld angeht, so wird
       es, sobald  es den  ersten Zweck erfüllt, das Bedürfnis dessen zu
       befriedigen, der  es geborgt  hat, zu  dem Schuldner zurückkehren
       und realisiert  werden... Laß das Metallgeld eines Landes deshalb
       in noch so großer Proportion vermehrt oder vermindert weiden, die
       Waren werden  doch steigen  oder fallen  gemäß den Prinzipien der
       Nachfrage und  der Konkurrenz, und diese werden beständig von den
       Neigungen jener  abhängen, die Eigentum oder irgendwelche Art von
       Gegenwert zu  geben haben, aber niemals von der Menge der Münzen,
       die sie  besitzen... Laß sie" (nämlich die Menge des Metallgeldes
       in einem  Lande) "noch  so. klein sein, solange es wirkliches Ei-
       gentum irgendeiner  Art im  Lande gibt,  und eine  Konkurrenz des
       Konsumierens unter  denen, die  es besitzen, so werden die Preise
       hoch sein vermittels Tauschhandels, symbolischen Geldes, wechsel-
       seitiger Zahlungen  und tausend  anderer Erfindungen... Wenn dies
       Land Verkehr mit andern Nationen hat, so muß eine Proportion zwi-
       schen den  Preisen von  mancherlei Waren dort und anderswo beste-
       hen, und eine plötzliche Vermehrung oder Verminderung des Metall-
       geldes, angenommen, es könnte  v o n  s i c h  a u s  die Wirkung
       der Erhöhung  oder Senkung  von Preisen  hervorrufen, würde durch
       ausländische Konkurrenz  in ihrer  Wirkung    b e s c h r ä n k t
       werden." Steuart,  l. ct.  I, p.  400-401. "Die Zirkulation jedes
       Landes muß  der gewerblichen  Tätigkeit  der  Einwohner  angepaßt
       sein, welche  die auf  den Markt  kommenden Waren  produzieren...
       Wenn das Hartgeld eines Landes unter die Proportion zu dem Preise
       der zum Verkauf angebotenen Gewerbetätigkeit sinkt, dann wird man
       zu Erfindungen,  wie symbolischem Geld, seine Zuflucht nehmen, um
       ein Äquivalent  dafür zu  schaffen. Wenn  sich aber herausstellt,
       daß das  Metallgeld über  der Proportion  zu der Gewerbetätigkeit
       steht, wird  es keine  Wirkung der Preiserhöhung haben, noch wird
       es in  die Zirkulation  eintreten:  e s  w i r d  i n  S c h ä t-
       z e n   a u f g e h ä u f t   w e r d e n...   Wie groß immer die
       Menge des  Geldes in  einem Lande  sein mag, im Verhältnis zu der
       übrigen Welt,  so kann  niemals etwas  i n  Z i r k u l a t i o n
       bleiben als  die Menge,  die der  Konsumtion der  reichen und der
       Arbeit und  Gewerbetätigkeit  der  armen  Einwohner  nahezu  pro-
       portional ist",  und diese  Proportion ist  nicht bestimmt "durch
       die tatsächlich  im Lande befindliche Menge Geldes" (l.c. p. 407-
       408 passim.).  "Alle Länder  werden sich bemühen, ihr bares Geld,
       das nicht  für ihre eigne Zirkulation nötig ist, in jenes Land zu
       werfen, in  dem der  Geldzins im  Verhältnis zu ihrem eignen hoch
       ist." l.c.  t. II,  p. 5.  "Das reichste  Land in Europa kann das
       ärmste sein  an zirkulierendem  Metallgeld." l.c.  t. II, p. 6. -
       Sieh Polemik  gegen Steuart  bei Arthur  Young. /Zusatz  im Hand-
       exemplar./
       
       #142# Karl Marx
       -----
       Symbolisches Geld  oder Kreditgeld  - Steuart unterscheidet diese
       beiden Formen  des Geldes  noch nicht  - können die edeln Metalle
       als Kaufmittel  oder Zahlungsmittel in der innern Zirkulation er-
       setzen, aber  nicht auf dem Weltmarkt. Papiernoten sind daher das
       Geld der  Gesellschaft (money  of the  society), während Gold und
       Silber das Geld der Welt sind (money of the world). *)
       Es ist  Eigentümlichkeit der Nationen von "historischer" Entwick-
       lung im  Sinn der  historischen Rechtsschule  [27] ihre eigne Ge-
       schichte beständig  zu vergessen.  Obgleich daher die Streitfrage
       über das  Verhältnis der Warenpreise zur Quantität der Zirkulati-
       onsmittel während dieses halben Jahrhunderts fortwährend das Par-
       lament bewegt,  und Tausende  von Pamphleten, großen und kleinen,
       in England  hervorgerufen hat,  blieb Steuart  mehr  noch  "toter
       Hund" als  Spinoza dem Moses Mendelssohn zu Lessings Zeit schien.
       Selbst der  neueste Geschichtsschreiber der "currency", Maclaren,
       verwandelt Adam  Smith in  den Erfinder der Steuartschen Theorie,
       wie Ricardo in den der Humeschen. **) Während Ricardo Humes Theo-
       rie  verfeinerte,   registriert  Adam  Smith  die  Resultate  der
       Steuartschen Forschungen  als tote Tatsachen. Adam Smith hat sei-
       nen schottischen Weisheitsspruch, daß, "wenn ihr ein wenig gewon-
       nen habt, es oft leicht wird, viel zu gewinnen, die Schwierigkeit
       aber darin  liegt, das  wenige zu  gewinnen", auch  auf geistigen
       Reichtum angewandt und daher mit kleinlicher Sorgfalt die Quellen
       verheimlicht, denen  er das Wenige verdankt, woraus er in der Tat
       viel macht.  Mehr als  einmal zieht  er vor, der Frage die Pointe
       abzubrechen, wo  scharfe Formulierung ihn zwingen würde, mit sei-
       nen Vorgängern  abzurechnen. So  in  der  Geldtheorie.  Er  nimmt
       Steuarts Theorie stillschweigend an, indem er erzählt, das in ei-
       nem Lande  befindliche Gold und Silber werde teils als Münze ver-
       wandt, teils als Reservefonds aufgehäuft für Kaufleute in Ländern
       ohne Banken und als Bankreserve in Ländern mit Kreditzirkulation,
       teils diene  es als  Schatz zur Ausgleichung internationaler Zah-
       lungen, teils  werde es  zu Luxusartikeln  verarbeitet. Die Frage
       über die Quantität der zirkulierenden Münze beseitigt
       -----
       *) Steuart, l.c. t. II, p. 370. Louis Blanc verwandelt das "money
       of the  society", was  nichts heißt  als inländisches, nationales
       Geld, in  sozialistisches Geld,  was gar  nichts heißt, und macht
       folgerecht Jean Law zum Sozialisten. (Sieh seinen ersten Band der
       Geschichte der französischen Revolution.)
       **) Maclarcn, l.c. p. 43 seq. Patriotismus hat einen zu früh ver-
       storbenen deutschen Schriftsteller (Gustav Julius) verleitet, den
       alten Büsch  als Autorität  der Ricardoschen  Schule gegenüberzu-
       stellen. Ehren-Büsch  übertrug Steuarts geniales Englisch in Ham-
       burger Platt und verballhornte sein Original so oft als möglich.
       
       #143# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       er stillschweigend,  indem er das Geld ganz falsch als bloße Ware
       behandelt. *)  Sein Vulgarisateur,  der fade  J.-B. Say,  den die
       Franzosen zum  prince de la science 1*) ernannt haben, wie Johann
       Christoph Gottsched seinen Schönaich zum Homer und Pietro Aretino
       sich selbst  zum terror principum 2*) und lux mundi 3*) ernannte,
       hat dies nicht ganz naive Versehn Adam Smiths mit großer Wichtig-
       keit zum  Dogma zugeritten.** Polemische Spannung gegen die Illu-
       sionen des  Merkantilsystems verhinderte übrigens Adam Smith, die
       Phänomene der metallischen Zirkulation objektiv aufzufassen, wäh-
       rend seine  Anschauungen vom  Kreditgeld originell und tief sind.
       Wie in  den Versteinerungstheorien des 18.Jahrhunderts stets eine
       Unterströmung durchläuft, entspringend aus kritischer oder apolo-
       getischer Rücksicht auf die biblische Tradition von der Sündflut,
       so versteckt  sich hinter allen Geldtheorien des 18. Jahrhunderts
       ein heimliches  Ringen-mit dem  Monetarsystem, dem  Gespenst, das
       die Wiege  der bürgerlichen Ökonomie gehütet hatte und stets noch
       seinen Schlagschatten auf die Gesetzgebung warf.
       Die Forschungen  über das Geldwesen wurden im 19. Jahrhundert un-
       mittelbar angeregt,  nicht durch  die Phänomene der metallischen,
       sondern vielmehr  durch die der Banknotenzirkulation. Auf die er-
       stere wurde  nur zurückgegangen,  um die  Gesetze der letztern zu
       entdecken. Die  Suspension der  Barzahlungen der Bank von England
       seit 1797,  das später erfolgende Steigen im Preise vieler Waren,
       der Fall  des Münzpreises des Goldes unter seinen Marktpreis, die
       Depreziation der  Banknoten besonders seit 1809, boten die unmit-
       telbar praktischen Anlässe eines Parteikampfs im Parlament, eines
       theoretischen Turniers  außerhalb desselben, beide gleich leiden-
       schaftlich. Als  historischer Hintergrund  der Debatte diente die
       Geschichte des  Papiergelds im  18. Jahrhundert,  das Fiasko  der
       Lawschen Bank [28], die mit der wachsenden Quantität der Wertzei-
       chen Hand  in Hand  gehende Depreziation der Provinzial-Banknoten
       der englischen Kolonien in Nordamerika vom
       ---
       *) Dies nicht  exakt. Spricht vielmehr an einigen Stellen das Ge-
       setz richtig aus. /Note im Handexemplar./
       ** Der  Unterschied von "currency" und "money", d.h. von Zirkula-
       tionsmittel und  Geld findet sich daher nicht im "Wealth of Nati-
       ons". Getäuscht  von der  scheinbaren Unbefangenheit Adam Smiths,
       der seinen Hume und Steuart sehr genau kannte, bemerkt der ehrli-
       che Maclaren:  "Die Theorie  von der  Abhängigkeit der Preise von
       der Menge  der Zirkulationsmittel  hat bisher noch nicht die Auf-
       merksamkeit auf  sich gezogen; und Doktor Smith betrachtet gleich
       Herrn Locke"  (Locke wechselt  in seiner Ansicht) "das Metallgeld
       als nichts andres denn eine Ware." (Maclaren, l.c. p. 44.)
       -----
       1*) Fürsten  der  Wissenschaft  -  2*) Schrecken  der  Fürsten  -
       3*) Licht der Welt
       
       #144# Karl Marx
       -----
       Anfang bis  in die Mkte des 18. Jahrhunderts; dann später das von
       der amerikanischen  Zentralregierung während des Unabhängigkeits-
       krieges gesetzlich  aufgezwungene Papiergeld (Continental bills),
       endlich das auf noch größerer Stufenleiter ausgeführte Experiment
       der französischen Assignaten. Die meisten englischen Schriftstel-
       ler der  damaligen Zeit verwechseln die Banknotenzirkulation, die
       nach ganz  andern Gesetzen bestimmt wird, mit der Zirkulation von
       Wertzeichen oder  von Staatspapieren  mit Zwangskurs und, während
       sie die  Phänomene dieser  Zwangszirkulation aus den Gesetzen der
       metallischen Zirkulation  zu erklären  vorgeben, abstrahieren sie
       in der  Tat umgekehrt die Gesetze der letztern aus den Phänomenen
       der erstem.  Wir überspringen alle die zahlreichen Schriftsteller
       während der  Periode von 1800 bis 1809 und wenden uns sogleich zu
       Ricardo, sowohl weil er seine Vorgänger zusammenfaßt und ihre An-
       sichten schärfer  formuliert, als  weil die  Gestalt, die  er der
       Geldtheorie  gab,   bis  zu   diesem  Augenblick   die  englische
       Bankgesetzgebung beherrscht.  Ricardo, wie seine Vorgänger, wirft
       die Zirkulation  von Banknoten oder von Kreditgeld mit der Zirku-
       lation von  bloßen Wertzeichen  zusammen. Die  ihn  beherrschende
       Tatsache ist  die Depreziation des Papiergelds und das gleichzei-
       tige Steigen  der Warenpreise.  Was die  amerikanischen Minen für
       Hume, waren  die Papierzettelpressen  in Threadneedle Street [29]
       für Ricardo und er selbst identifiziert an einer Stelle ausdrück-
       lich beide Agentien. Seine ersten Schriften, die sich nur mit der
       Geldfrage beschäftigen, fallen in die Zeit der heftigsten Polemik
       zwischen der  Bank von  England, auf deren Seite die Minister und
       die Kriegspartei standen, und ihren Gegnern, um die sich die par-
       lamentarische Opposition,  die Whigs und die Friedenspartei grup-
       pierten. Sie  erschienen als  direkte Vorläufer des berühmten Be-
       richts des Bullionkomitees von 1810, worin Ricardos Ansichten ak-
       zeptiert sind.  *)  Die  Sonderbarkeit,  daß  Ricardo  und  seine
       Anhänger, die  das Geld  für bloßes Wertzeichen erklären, Bullio-
       nists (Goldbarrenmänner) heißen, rührt her nicht allein vom Namen
       dieses Komitees,  sondern vom Inhalt seiner Lehre selbst. In sei-
       nem Werke  über politische Ökonomie hat Ricardo dieselben Ansich-
       ten wiederholt  und weiter  entwickelt, nirgendwo  aber das Geld-
       wesen an  sich untersucht,  wie er  mit Tauschwert, Profit, Rente
       usw. tat.
       Ricardo bestimmt zunächst den Wert des Goldes und Silbers wie den
       aller andern Waren, durch das Quantum der in ihnen vergegenständ-
       lichten
       ---
       *) David Ricardo,  "The high price of Bullion, a proof of the de-
       preciation of  Banknotes", 4.  Edition, London  1811. (Die  erste
       Ausgabe erschien 1809.) Ferner: "Reply to Mr. Bosanquet's practi-
       cal observations  on the report of the bullion committee", London
       1811.
       
       #145# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Arbeitszeit. *)  In ihnen,  als Waren  von gegebenem Wert, werden
       die Werte der andern Waren gemessen. **) Die Quantität der Zirku-
       lationsmittel in  einem Lande ist nun bestimmt durch den Wert der
       Maßeinheit des  Geldes auf  der einen  Seite, durch die Summe der
       Tauschwerte der  Waren auf  der andern  Seite.  Modifiziert  wird
       diese Quantität  durch die Ökonomie in der Zahlungsweise. ***) Da
       so die Quantität, worin Geld von gegebenem Wert zirkulieren kann,
       sich bestimmt  findet und sein Wert innerhalb der Zirkulation nur
       in seiner  Quantität erscheint,  können bloße Wertzeichen dessel-
       ben, wenn  ausgegeben in der durch seinen Wert bestimmten Propor-
       tion, es in der Zirkulation ersetzen, und zwar
       
       "befindet sich  das umlaufende  Geld in  seinem vollendetsten Zu-
       stand, wenn  es ausschließlich  aus Papier besteht, das von glei-
       chem Wert ist mit dem Gold, welches es zu repräsentieren vorgibt"
       +).
       
       Bisher also  bestimmt Ricardo,  den Wert  des Geldes  als gegeben
       vorausgesetzt, die  Quantität der  Zirkulationsmittel  durch  die
       Preise der  Waren, und das Geld als Wertzeichen bedeutet ihm Zei-
       chen eines  bestimmten Goldquantums, nicht wie bei Hume wertlosen
       Repräsentanten der Waren.
       Wo Ricardo  plötzlich abbricht vom ebenen Gang seiner Darstellung
       und in  die umgekehrte  Ansicht umschlägt,  wendet er sich sofort
       zur internationalen Zirkulation der edeln Metalle und verwirrt so
       das Problem durch das Hereinbringen fremder Gesichtspunkte. Indem
       wir  seinen   innern  Gedankensprecher  verfolgen,  schieben  wir
       zunächst alle  künstlichen Inzidenzpunkte  beiseite und  verlegen
       daher die  Gold- und Silberminen in das Innere der Länder, wo die
       edeln Metalle als Geld zirkulieren. Der einzige Satz, der aus Ri-
       cardos bisheriger  Entwicklung folgt, ist, daß bei gegebenem Wert
       des Goldes die Quantität des zirkulierenden Geldes sich durch die
       Warenpreise bestimmt  findet. In  einem gegebenen Moment also ist
       die Masse des in einem
       ---
       *) David Ricardo,  "On the principles of political economy etc.",
       p. 77.  "Der Wert der edeln Metalle hängt schließlich ab, wie der
       aller andern  Waren, von der Totalquantität der Arbeit, nötig, um
       sie zu erhalten und auf den Markt zu bringen."
       **) l.c. p. 77, 180. 181.
       ***) Ricardo, l.c.  p. 421.  "Die Quantität  Geld, die  in  einem
       Lande angewandt  werden kann,  hängt von  seinem Wert  ab. Zirku-
       lierte Gold  allein, so wäre fünfzehnmal weniger davon nötig, als
       wenn  Silber   allein  angewandt   würde."  Siehe  auch  Ricardo,
       "Proposals for  an economical  and secure currency", London 1816,
       p. 8,  wo er  sagt: "Die Quantität der zirkulierenden Noten hängt
       ab von  dem Betrag,  der für die Zirkulation des Landes erheischt
       ist, und  dieser ist  geregelt durch  den Wert der Maßeinheit des
       Geldes, den Belauf der Zahlungen und die Ökonomie in ihrer Reali-
       sierung."
       +) Ricardo, "Principles of political economy", p. 432, 433.
       
       #146# Karl Marx
       -----
       Lande zirkulierenden Goldes einfach bestimmt durch den Tauschwert
       der zirkulierenden  Waren. Gesetzt  nun, die Summe dieser Tausch-
       werte nehme  ab, entweder weil weniger Waren zu den alten Tausch-
       werten produziert werden, oder weil infolge vermehrter Produktiv-
       kraft der  Arbeit dieselbe Warenmasse verminderten Tauschwert er-
       hält. Oder  unterstellen wir umgekehrt, die Summe der Tauschwerte
       vermehre sich, weil sich die Masse der Waren bei gleichbleibenden
       Produktionskosten vermehrt, oder weil der Wert, sei es derselben,
       sei es einer kleinern Warenmasse, infolge verminderter Produktiv-
       kraft der  Arbeit wächst.  Was wird  in  beiden  Fällen  aus  der
       g e g e b e n e n  Quantität des zirkulierenden Metalls? Wenn das
       Gold nur  Geld ist,  weil es als Zirkulationsmittel umläuft, wenn
       es gezwungen  ist, in der Zirkulation zu Verharren, wie vom Staat
       ausgegebenes Papiergeld mit Zwangskurs (und dies liegt Ricardo im
       Sinn), dann  wird die  Quantität des zirkulierenden Geldes im er-
       sten Fall überschwellen im Verhältnis zum Tauschwert des Metalls;
       im zweiten würde sie unter ihrem normalen Niveau stehen. Obgleich
       also mit  eignem Wert begabt, wird das Gold im ersten Fall zu ei-
       nem Zeichen von Metall von niedrigerem Tauschwert als seinem eig-
       nen, im  letztern zum  Zeichen eines  Metalls von höherm Wert. Im
       ersten Fall wird es als Wertzeichen unter, im zweiten über seinem
       wirklichen Wert stehn (wieder eine Abstraktion vom Papiergeld mit
       Zwangskurs). Im  ersten Fall wäre es dasselbe, als wenn die Waren
       in Metall  von niedrigerem  Wert, im zweiten, als wenn sie in Me-
       tall von  höherm Wert  als Gold  geschätzt würden. Im ersten Fall
       würden die  Warenpreise daher steigen, im zweiten würden sie sin-
       ken. In  beiden Fällen  wäre die  Bewegung der  Warenpreise,  ihr
       Steigen oder  Fallen, Wirkung  der relativen  1*) Expansion  oder
       Kontraktion der  Masse des  zirkulierenden Goldes über oder unter
       das seinem  eignen Wert  entsprechende Niveau,  d. h. die normale
       Quantität, die  durch das  Verhältnis zwischen seinem eignen Wert
       und dem Wert der zu zirkulierenden Waren bestimmt ist.
       Derselbe  Prozeß  würde  stattfinden,  wenn  die  Preissumme  der
       zirkulierenden Waren  unverändert bliebe, aber die Masse des zir-
       kulierenden Goldes  unter oder über das richtige Niveau zu stehen
       käme, das erste, wenn die in der Zirkulation abgenutzte Goldmünze
       nicht durch  eine entsprechende neue Produktion der Minen ersetzt
       würde, das zweite, wenn die neue Zufuhr von den Minen die Bedürf-
       nisse der  Zirkulation überholt  hätte. In beiden Fällen ist vor-
       ausgesetzt, daß  die Produktionskosten  des Goldes oder sein Wert
       derselbe bleibt.
       Um zu resümieren: Das zirkulierende Geld steht auf dem normalen
       -----
       1*) Im Handexemplar eingefügt; (1859) fehlt: relativen
       
       #147# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Niveau, wenn seine Quantität, bei gegebenem Tauschwert der Waren,
       durch seinen  eignen Metallwert  bestimmt ist.  Es schwillt über,
       das Gold  sinkt unter seinen eignen Metallwert und die Preise der
       Waren steigen, weil die Summe der Tauschwerte der Warenmasse sich
       vermindert oder  die Zufuhr  des Goldes  von den  Minen sich ver-
       mehrt. Es  kontrahiert sich unter sein richtiges Niveau, das Gold
       steigt über  seinen eignen Metallwert und die Warenpreise sinken,
       weil die  Summe der Tauschwerte der Warenmasse sich vermehrt oder
       die Zufuhr  des Goldes  von den  Minen nicht  die Masse  des  ab-
       genutzten Goldes  ersetzt. In beiden Fällen ist das zirkulierende
       Gold Wertzeichen von größerm oder kleinerm Wert, als den es wirk-
       lich enthält.  Es kann  zu einem  appreziierten und depreziierten
       Zeichen seiner  selbst werden. Sobald die Waren sich allgemein in
       diesem neuen Wert des Geldes geschätzt hätten und die allgemeinen
       Warenpreise entsprechend gestiegen oder gefallen wären, würde die
       Quantität des zirkulierenden Goldes den Bedürfnissen der Zirkula-
       tion wieder  entsprechen (eine Konsequenz, die Ricardo mit beson-
       derm Vergnügen  hervorhebt), aber den Produktionskosten der edeln
       Metalle und  daher ihrem Verhältnis als Ware zu den übrigen Waren
       widersprechen. Entsprechend  der  Ricardoschen  Theorie  von  den
       Tauschwerten überhaupt,  würde das Steigen des Goldes über seinen
       Tauschwert, d.h.  den durch die in ihm enthaltene Arbeitszeit be-
       stimmten Wert,  eine Vermehrung  der Produktion des Goldes veran-
       lassen, bis  seine vermehrte  Zufuhr es wieder auf seine richtige
       Wertgröße herabgesetzt  hätte. Umgekehrt  würde  ein  Sinken  des
       Goldes unter seinen Wert eine Verminderung seiner Produktion ver-
       anlassen, bis  es wieder  zu seiner richtigen Wertgröße gestiegen
       wäre. Durch  diese umgekehrten  Bewegungen würde  der Widerspruch
       zwischen dem Metallwert des Goldes und seinem Wert als Zirkulati-
       onsmittel sich  ausgleichen, das richtige Niveau der zirkulieren-
       den Goldmasse sich herstellen und die Höhe der Warenpreise wieder
       dem Maß  der Werte  entsprechen. Diese  Fluktuationen im Wert des
       zirkulierenden Goldes  würden ebensosehr  das Gold  in Barrenform
       ergreifen, da  nach der  Voraussetzung alles  Gold, das nicht als
       Luxusartikel verbraucht wird, zirkuliert. Da das Gold selbst, sei
       es als  Münze, sei es als Barre, Wertzeichen von größerm oder ge-
       ringerm Metallwert  als seinem eignen werden kann, so versteht es
       sich,  daß  etwa  zirkulierende  konvertible  Banknoten  dasselbe
       Schicksal teilen.  Obgleich die  Banknoten konvertibel sind, also
       ihr Realwert  ihrem Nominalwert  entspricht, kann die Gesamtmasse
       des zirkulierenden Geldes, Gold und Noten (the aggregate currency
       consisting of  metal and  of convertible  notes) appreziiert oder
       depreziiert werden, je nachdem ihre Gesamtquantität, aus den vor-
       her entwickelten  Gründen, über oder unter das Niveau steigt oder
       fällt, das durch
       
       #148# Karl Marx
       -----
       den Tauschwert  der zirkulierenden  Waren und  den Metallwert des
       Goldes bestimmt  ist. Inkonvertibles  Papiergeld, von  diesem Ge-
       sichtspunkt aus,  besitzt nur den Vorzug vor konvertiblem Papier-
       geld, daß es doppelt depreziiert werden kann. Es mag fallen unter
       den Wert  des Metalls,  das es zu repräsentieren vorgibt, weil es
       in zu großer Anzahl ausgegeben wird, oder es mag fallen, weil das
       von ihm  repräsentierte Metall unter seinen eigenen Wert gefallen
       ist. Diese  Depreziation, nicht  des Papiers  gegen Gold, sondern
       des Goldes  und Papiers zusammengenommen, oder der gesamten Masse
       der Zirkulationsmittel  eines Landes, ist eine der Haupterfindun-
       gen Ricardos,  die Lord  Overstone et Co. in ihren Dienst preßten
       und zu  einem Fundamentalprinzip von Sir Robert Peels Bankgesetz-
       gebung von 1844 und 1845 machten.
       Was bewiesen werden sollte, war, daß der Preis der Waren oder der
       Wert des  Goldes von der Masse des zirkulierenden Goldes abhängt.
       Der Beweis  besteht in  der Voraussetzung des zu Beweisenden, daß
       jede Quantität  des edeln Metalls, das als Geld dient, in welchem
       Verhältnis  immer  zu  seinem  innern  Wert,  Zirkulationsmittel,
       Münze, und  so Wertzeichen  für die zirkulierenden Waren, welches
       immer die Gesamtsumme ihres Wertes, werden muß. In andern Worten,
       der Beweis  besteht in  der Abstraktion von allen andern Funktio-
       nen, die  das Geld  außer seiner  Funktion als Zirkulationsmittel
       [vollzieht]. 1*)  Wenn hart  gedrängt, wie z.B. in seiner Polemik
       mit Bosanquet,  flüchtet Ricardo,  ganz unter  der Herrschaft des
       Phänomens der  durch ihre Quantität depreziierten Wertzeichen, zu
       dogmatischer Versicherung. *)
       Hätte Ricardo  nun diese  Theorie in  der Art,  wie  wir  es  ge-
       tan,abstrakt aufgestellt,  ohne Hereinbringen  konkreter Verhält-
       nisse und  von der  Frage selbst  ablenkender Inzidenzpunkte,  so
       trat ihre  Hohlheit schlagend  hervor. Er streicht aber die ganze
       Entwicklung   i n t e r n a t i o n a l   an. Es  wird sich  aber
       leicht nachweisen  lassen, daß  die scheinbare Größe des Maßstabs
       an der Kleinheit der Grundideen nichts ändert.
       Der erste Satz war also: Die Quantität des zirkulierenden Metall-
       gelds ist  normal, wenn  sie bestimmt ist durch die in seinem Me-
       tallwert geschätzte  Wertsumme der zirkulierenden Waren. Interna-
       tional ausgedrückt  lautet dies: Im normalen Zustand der Zirkula-
       tion besitzt jedes Land eine seinem Reichtum und seiner Industrie
       entsprechende Masse Geld. Geld zirkuliert in
       ---
       *) David Ricardo,  "Reply to Mr. Bosanquet's practical observati-
       ons etc.",  p. 49.  "Daß die  Waren im  Preis steigen oder fallen
       würden,  im  Verhältnis  zur  Vermehrung  oder  Verminderung  des
       Geldes,   s e t z e   i c h  a l s  e i n e  u n b e s t r e i t-
       b a r e  T a t s a c h e  v o r a u s."
       -----
       1*) Im Handexemplar  korrigiert; (1859) von allen anderen Formbe-
       stimmtheiten, die das Geld außer seiner Form als Zirkulationsmit-
       tel besitzt
       
       #149# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       einem seinem  wirklichen Wert  oder seinen Produktionskosten ent-
       sprechenden Wert;  d.h. es hat in  a l l e n  L ä n d e r n  den-
       selben Wert. *) Es würde daher nie Geld von einem Lande ins andre
       exportiert oder  importiert werden. **) Es fände also ein Gleich-
       gewicht zwischen  den currencies  (den Gesamtmassen des zirkulie-
       renden Geldes)  der verschiedenen  Länder statt. Das richtige 1*)
       Niveau der  nationalen currency  ist nun ausgedrückt als interna-
       tionales Gleichgewicht  der currencies, und in der Tat nichts ge-
       sagt, als  daß die  Nationalität nichts ändert an dem allgemeinen
       ökonomischen Gesetz.  Wir sind jetzt wieder bei demselben fatalen
       Punkt angelangt wie vorher. Wie wird das richtige Niveau gestört,
       was nun  lautet, wie  wird das  internationale Gleichgewicht  der
       currencies gestört, oder wie hört das Geld auf, denselben Wert in
       allen Ländern  zu haben,  oder endlich, wie hört es auf, in jedem
       Lande seinen eignen Wert zu haben? Wie vorhin das richtige Niveau
       gestört wurde,  weil die Masse des zirkulierenden Goldes zu- oder
       abnahm, bei  gleichbleibender Wertsumme  der Waren, oder weil die
       Quantität des  zirkulierenden Geldes  dieselbe blieb, während die
       Tauschwerte der Waren zu- oder abnahmen, so wird jetzt das inter-
       nationale durch  den Wert des Metalls selbst bestimmte Niveau ge-
       stört, weil  die Masse  des in  einem Lande  befindlichen  Goldes
       wächst infolge  neuer in  ihm entdeckter  Metallminen ***),  oder
       weil die  Summe der Tauschwerte der zirkulierenden Waren in einem
       besondern Lande  zu- oder  abgenommen hat. Wie vorhin die Produk-
       tion der  edlen Metalle sich verminderte oder vermehrte, je nach-
       dem es  nötig war, die currency zu kontrahieren oder zu expandie-
       ren und  die Warenpreise  entsprechend zu senken oder zu erhöhen,
       ebenso wirken  jetzt Export und Import aus einem Lande in das an-
       dre. In  dem Land,  worin die  Preise gestiegen  und der Wert des
       Goldes, infolge  der aufgeschwollenen  Zirkulation, unter  seinen
       Metallwert gefallen wäre, wäre das Gold depreziiert im Verhältnis
       zu den  andern Ländern,  und folglich wären die Preise der Waren,
       verglichen mit den andern Ländern, erhöht. Gold würde also ausge-
       führt, Waren  eingeführt werden.  Wenn umgekehrt,  umgekehrt. Wie
       vorhin die  Produktion von  Gold, würden jetzt Import oder Export
       von Gold  und mit ihnen Steigen oder Fallen der Warenpreise fort-
       dauern, bis, wie vorher das richtige Wertverhältnis zwischen
       ---
       *) Ricardo, "The high price of Bullion etc." "Geld würde in allen
       Ländern  d e n  s e l b e n  Wert haben." (p. 4.) In seiner poli-
       tischen Ökonomie  hat Ricardo diesen Satz modifiziert, aber nicht
       in einer Weise, die hier ins Gewicht fällt.
       **) l.c. p. 3-4.
       ***) l.c. p. 4.
       -----
       1*) Im Handexemplar eingefügt; (1859) fehlt: richtige
       
       #150# Karl Marx
       -----
       Metall und Ware, nun das Gleichgewicht zwischen den internationa-
       len currencies  wiederhergestellt wäre.  Wie im  ersten Fall  die
       Produktion des  Goldes sich  nur vermehrte oder verminderte, weil
       das Gold  über oder unter seinem Werte stand, so würde die inter-
       nationale Wanderung  des Goldes nur aus diesem Grund stattfinden.
       Wie im  ersten Fall  jede Veränderung  in seiner  Produktion  die
       Quantität des zirkulierenden Metalls und damit [die] Preise affi-
       zieren würde, so nun der internationale Import und Export. Sobald
       der relative Wert zwischen Gold und Ware oder die normale Quanti-
       tät der Zirkulationsmittel hergestellt wäre, würde im ersten Fall
       keine fernere  Produktion, im  zweiten kein  fernerer Export oder
       Import, außer zum Ersatz der abgenutzten Münze und zum Konsum der
       Luxusindustrie stattfinden. Es folgt daher,
       
       "daß die  Versuchung, Gold  auszuführen als Äquivalent für Waren,
       oder eine  ungünstige Handelsbilanz  nie stattfinden  kann, außer
       infolge einer  überschwellenden Quantität der Zirkulationsmittel"
       *).
       
       Es wäre stets nur die Entwertung oder Überwertung des Metalls in-
       folge der  Expansion oder Kontraktion der Masse der Zirkulations-
       mittel über  oder unter  ihr richtiges Niveau, wodurch seine Ein-
       fuhr oder  Ausfuhr bewirkt  würden. **) Es ergäbe sich ferner: da
       im ersten  Fall die  Produktion des Goldes nur vermehrt oder ver-
       mindert, im  zweiten Falle  Gold nur  importiert oder  exportiert
       wird, weil seine Quantität über oder unter ihrem richtigen Niveau
       steht, weil es über oder unter seinen Metallwert appreziiert oder
       depreziiert ist,  also die  Warenpreise zu  hoch oder  zu niedrig
       sind, so wirkt jede solche Bewegung als Korrektivmittel ***), in-
       dem sie  durch  Expansion  oder  Kontraktion  des  zirkulierenden
       Geldes die  Preise wieder  auf ihr  wahres Niveau zurückführt, im
       ersten Fall  das Niveau zwischen Wert des Goldes und Wert der Wa-
       ren, im  zweiten Falle  das internationale Niveau der currencies.
       In andern  Worten: Das  Geld zirkuliert  in verschiedenen Ländern
       nur insofern es in jedem Lande als Münze zirkuliert. Das Geld ist
       nur Münze,  und die  Quantität des  in einem  Lande  befindlichen
       Goldes muß  daher in  die  Zirkulation  eingehn,  kann  also  als
       Wertzeichen seiner  selbst über  oder unter  seinen Wert  steigen
       oder fallen.  Damit sind wir auf dem Umweg dieser internationalen
       Verwickelung wieder  glücklich bei dem einfachen Dogma angelangt,
       das den Ausgangspunkt bildet.
       ---
       *) "Eine ungünstige  Handelsbilanz kann nie anders als durch eine
       Überfülle von  Zirkulationsmitteln entstehen."  (Ricardo, l.c. p.
       11, 12.)
       **) "Der Export des Hartgelds wird durch seine Billigkeit hervor-
       gerufen und  ist nicht die Wirkung, sondern die Ursache einer un-
       günstigen Bilanz" (l.c. p. 14).
       ***) l.c.p. 17.
       
       #151# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Wie Ricardo  die wirklichen Phänomene im Sinne seiner abstrakten-
       Theorie gewaltsam zurechtkonstruiert 1*), werden einige Beispiele
       zeigen. Er  behauptet z.B.,  in Zeiten  von Mißernten,  häufig in
       England während der Perioden von 1800 bis 1820, werde Gold expor-
       tiert, nicht  weil Korn  bedurft und  Gold Geld ist, also auf dem
       Weltmarkt stets  wirksames  2*)  Kaufmittel  und  Zahlungsmittel,
       sondern weil  das Gold  in seinem  Wert depreziiert sei gegen die
       andern Waren  und folglich  die currency  des Landes,  worin  die
       Mißernte stattfindet, depreziiert sei im Verhältnis zu den andern
       nationalen currencies.  Weil nämlich  der Mißwachs  die Masse der
       zirkulierenden Waren  vermindert habe, sei die gegebene Quantität
       des zirkulierenden Geldes über ihr normales Niveau hinausgetreten
       und seien folglich alle Warenpreise gestiegen. *) Im Gegensatz zu
       dieser paradoxen  Auslegung wurde  statistisch nachgewiesen,  daß
       seit 1793  bis zur  neuesten Zeit,  im Fall von Mißernten in Eng-
       land, nicht die vorhandene Quantität der Zirkulationsmittel über-
       schwoll, sondern ungenügend wurde, und daher mehr Geld als früher
       zirkulierte und zirkulieren mußte. **)
       Ebenso behauptete  Ricardo zur  Zeit der napoleonischen Kontinen-
       talsperre [30]  und der englischen Blockade-Dekrete [31], daß die
       Engländer Gold  statt Ware  nach dem Kontinent exportierten, weil
       ihr Geld  depreziiert sei im Verhältnis zu dem Geld der kontinen-
       talen Länder, ihre Waren daher im Preis
       ---
       *) Ricardo, l.c. p. 74,75. - Infolge einer schlechten Ernte würde
       England in  die Lage  eines Landes kommen, das eines Teils seiner
       Waren beraubt  worden ist, und deshalb eines verringerten Betrags
       des zirkulierenden  Mediums bedarf.  Die Zirkulationsmittel,  die
       vorher den  Zahlungen gleich  waren, würden jetzt überflüssig und
       verhältnismäßig billig  werden seiner verringerten Produktion ge-
       genüber. Die Ausfuhr dieser Summe würde deshalb den Wert des Zir-
       kulationsmittels dem  Wert der  Zirkulationsmittel anderer Länder
       gegenüber wiederherstellen."  Seine Konfusion  zwischen Geld  und
       Ware, und  zwischen Geld  und Münze zeigt sich lächerlich in fol-
       gendem Satz:  "Wenn wir annehmen können, daß nach einer ungünsti-
       gen Ernte,  wenn England  Gelegenheit für eine ungewöhnliche Ein-
       fuhr von  Korn hat,  ein andres Land einen Überfluß jener Artikel
       besitzt, aber kein Bedürfnis für irgendwelche Waren, so würde un-
       zweifelhaft folgen,  daß solch ein Land sein Korn nicht ausführen
       würde im  Taµsch gegen  Waren:   a b e r  e s  w ü r d e  K o r n
       a u c h   n i c h t   g e g e n   G e l d  a u s f ü h r e n,  da
       dies eine  Ware ist,  die kein Land jemals absolut benötigt, son-
       dern relativ."  (l.c. p.  75.) Puschkin  in seinem  Heldengedicht
       läßt den  Vater seines  Helden nie  begreifen, daß Ware Geld sei.
       Daß Geld aber Ware ist, haben die Russen von jeher begriffen, wie
       nicht nur  der englische  Kornimport von  1838 bis  1842 beweist,
       sondern ihre ganze Handelsgeschichte.
       **) Conf. Thomas  Tooke, "History  of prices"  und James  Wilson,
       "Capital, currency  and banking". (Letzteres Buch ist der Abdruck
       einer Reihe von Artikeln, die 1844, 1845 und 1847 im "London Eco-
       nomist" [19] erschienen.)
       -----
       1*) (1859) zurechtkonstatiert  - 2*) im  Handexemplar korrigiert;
       (1859) wirkendes
       
       #152# Karl Marx
       -----
       relativ höher standen und es so eine vorteilhaftere Handelsspeku-
       lation sei,  Gold statt  Waren auszuführen.  Nach ihm war England
       der Markt,  wo die Waren teuer und das Geld wohlfeil war, während
       auf dem Kontinent die Waren wohlfeil waren und das Geld teuer.
       
       "Die Tatsache", sagt ein englischer Schriftsteller, "war der rui-
       nierend niedrige Preis unserer Fabrikate und Kolonialprodukte un-
       ter der  Wirkung des  Kontinentalsystems während  der  letzten  6
       Jahre des  Krieges. Die  Preise von Zucker und Kaffee z. B. waren
       in Gold  geschätzt vier- oder fünfmal höher auf dem Kontinent als
       dieselben Preise  in England  geschätzt in  Banknoten. Es war die
       Zeit, wo  die französischen  Chemiker den  Runkelrübenzucker ent-
       deckten und  Kaffee durch Zichorien ersetzten, während gleichzei-
       tig englische Pächter im Mästen der Ochsen mit Sirup und Melassen
       Experimente machten,  wo England  Besitz von  Helgoland nahm,  um
       hier ein  Warendepot zu  bilden zur  Erleichterung des Schmuggels
       nach dem  Norden von  Europa, und wo die leichteren Sorten briti-
       scher Fabrikate ihren Weg nach Deutschland durch die Türkei such-
       ten... Fast  alle Waren  der Welt  waren in  unsern  Warenhäusern
       akkumuliert und  lagen  daselbst  festgebannt,  außer  wenn  eine
       kleine Quantität erlöst wurde durch eine französische Lizenz, wo-
       für die  Hamburger und  Amsterdamer Kaufleute Napoleon eine Summe
       von 40-50  Tausend Pfd.  St. bezahlt  hatten. Komische  Kaufleute
       mußten es  sein, die solche Summen zahlten für die Freiheit, eine
       Ladung Waren  von einem  teuren Markt  nach einem  wohlfeilen  zu
       bringen. Was war die klare Alternative für einen Kaufmann? Entwe-
       der Kaffee  zu kaufen für 6 Pence in Banknoten und ihn nach einem
       Platz zu senden, wo er das Pfund unmittelbar verkaufen konnte für
       3 oder 4 sh. in Gold, oder Gold zu kaufen mit Banknoten zu 5 Pfd.
       St. eine  Unze und es nach einem Platz zu senden, wo es zu 3 Pfd.
       St. 17 sh. 10 1/2 d. geschätzt wurde. Es ist also abgeschmackt zu
       sagen, daß man Gold statt Kaffee remittierte als vorziehbare mer-
       kantilische Operation... Es gab kein Land in der Welt, wo eine so
       große Quantität  wünschenswerter  Waren  damals  erhalten  werden
       konnte als in England. Bonaparte examinierte stets genau die eng-
       lischen Preiskurante.  Solange er fand, daß in England Gold teuer
       und Kaffee  wohlfeil war,  zeigte er  sich mit  dem Wirken seines
       Kontinentalsystems zufrieden." *)
       Gerade zur  Zeit, wo Ricardo seine Geldtheorie zuerst aufstellte,
       und das  Bullionkomitee sie seinem parlamentarischen Bericht ein-
       verleibte, im Jahre 1810, fand ein ruinierender Fall in den Prei-
       sen aller  englischen Waren  statt, verglichen mit 1808 und 1809,
       während das  Gold 1*)  verhältnismäßig im Wert stieg. Agrikultur-
       produkte bildeten  eine Ausnahme, weil ihre Einfuhr von außen auf
       Hindernisse stieß  und ihre  im  Inland  vorhandene  Masse  durch
       Mißernten dezimiert  war. **)  Ricardo verkannte  so gänzlich die
       Rolle der
       ---
       *) James Deacon Hume, "Letters on the Cornlaws", London 1834, p.)
       29-31.
       **) Thomas Tooke, "History of prices etc.", London 1848, p. 110.
       -----
       1*) Im Handexemplar korrigiert; (1859) Geld
       
       #153# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       edeln Metalle  als internationaler Zahlungsmittel, daß er in sei-
       ner Aussage  vor dem Komitee des Hauses der Lords (1819) erklären
       konnte:
       
       "Daß Goldabflüsse  für Ausfuhr  gänzlich aufhören  würden, sobald
       die Barzahlungen  wiederaufgenommen und  der Geldumlauf  auf sein
       metallisches Niveau zurückgeführt wäre."
       
       Er starb  rechtzeitig gerade vor dem Ausbruch der Krise von 1825,
       die seine Prophezeiung Lügen strafte. Die Periode, worin Ricardos
       schriftstellerische Tätigkeit  fällt,  war  überhaupt  wenig  ge-
       eignet, um  die Funktion  der edeln Metalle als Weltgeld zu beob-
       achten. Vor  der Einführung  des Kontinentalsystems  war die Han-
       delsbilanz fast  immer zugunsten  Englands und  während desselben
       waren die  Transaktionen mit  dem europäischen Kontinent zu unbe-
       deutend, um  den englischen  Wechselkurs zu affizieren. Die Geld-
       sendungen waren  hauptsächlich  politischer  Natur,  und  Ricardo
       scheint die  Rolle, die die Subsidiengelder im englischen Goldex-
       port spielten, gänzlich verkannt zu haben. *)
       Unter den  Zeitgenossen Ricardos, welche die Schule für die Prin-
       zipien seiner  politischen Ökonomie  bildeten, ist James Mill der
       bedeutendste. Er hat versucht, Ricardos Geldtheorie auf Grundlage
       der einfachen metallischen Zirkulation darzustellen, ohne die un-
       gehörigen internationalen  Verwicklungen,  wohinter  Ricardo  die
       Dürftigkeit seiner  Ansicht versteckt,  und ohne  alle polemische
       Rücksicht auf  die Operationen der Bank von England. Seine Haupt-
       sätze sind folgende **):
       
       "Der Wert des Geldes ist gleich der Proportion, worin man es aus-
       tauscht gegen  andre Artikel, oder der Quantität Geld, die man im
       Austausch für  eine bestimmte  Quantität andrer Sachen gibt. Dies
       Verhältnis ist  bestimmt durch  die Totalquantität  des in  einem
       Lande befindlichen  Geldes. Unterstellt  man auf  der einen Seite
       alle Waren eines Landes, und auf der andern all sein Geld, so ist
       es evident,  daß beim  Austausch der  beiden Seiten  der Wert des
       Geldes, d.  h. die  Quantität von  Waren, für die es ausgetauscht
       wird, ganz von seiner eignen Quantität abhängt. Der Fall ist ganz
       derselbe im  wirklichen Verlauf der Dinge. Die Totalmasse der Wa-
       ren eines  Landes tauscht  sich nicht auf einmal gegen die Total-
       masse des  Geldes aus, sondern die Waren tauschen sich in Portio-
       nen, und  oft in sehr kleinen Portionen, zu verschiedenen Epochen
       im Laufe des Jahres aus. Dasselbe Stück Geld, das heute zu diesem
       Austausch gedient  hat, kann  morgen zu  einem andern dienen. Ein
       Teil des  Geldes wird zu einer größern Anzahl von Austauschakten,
       ein andrer zu einer sehr kleinen angewandt, ein dritter wird auf-
       gehäuft und  dient gar keinem Austausch. Unter diesen Variationen
       wird es
       ---
       *) Vgl. W. Blake, die oben zitierten "Observations etc."
       **) James Mill,  "Elements of  political economy."  Im Text über-
       setzt aus  der französischen  Übersetzung von J.T. Parisot, Paris
       1823.
       
       #154# Karl Marx
       -----
       einen Durchschnitt  geben, begründet  auf  die  Anzahl  von  Aus-
       tauschakten, wozu  jedes Goldstück verwandt worden wäre, wenn je-
       des dieselbe  Anzahl von  Austauschakten realisierte. Man fixiere
       diese Durchschnittszahl  beliebig, z.B. auf 10. Hat jedes im Land
       befindliche Geldstück  zu 10  Einkäufen gedient, so ist dies das-
       selbe, als  ob sich  die Totalmasse  der Geldstücke verzehnfacht,
       und jedes  nur zu einem einzigen Einkauf gedient hätte. In diesem
       Fall ist  der Wert  aller Waren gleich 10 mal dem Wert des Geldes
       usw. Wenn  umgekehrt, statt  daß jedes  Geldstück im  Jahre zu 10
       Einkäufen diente, die Totalmasse des Geldes verzehnfacht wäre und
       jedes Geldstück  nur einen  Austausch vollzöge,  so ist klar, daß
       jede Vermehrung  dieser Masse  eine verhältnismäßige Verminderung
       im Werte  jedes der  Goldstücke  für  sich  genommen  verursachen
       würde. Da  man unterstellt,  daß die  Masse aller  Waren, wogegen
       sich das  Geld austauschen kann, dieselbe bleibt, so ist der Wert
       der Gesamtmasse  des Geldes nicht größer geworden nach Vermehrung
       seiner Quantität,  als er  vorher war. Unterstellt man Vermehrung
       um ein  Zehnteil, so  muß der  Wert jedes aliquoten Teils der Ge-
       samtmasse, z.  B. einer Unze, sich um ein Zehnteil vermindert ha-
       ben. Welches  also auch immer der Grad der Verminderung oder Ver-
       mehrung der Totalmasse des Geldes sei, wenn die Quantität der an-
       dern Sachen dieselbe bleibt, so erfährt diese Gesamtmasse und je-
       der ihrer  Teile wechselseitig eine verhältnismäßige Verminderung
       oder Vermehrung. Es ist klar, daß dieser Satz von absoluter Wahr-
       heit ist.  So oft  der Geldwert  ein Steigen oder Fallen erfahren
       hat, und  so oft  die Quantität  der Waren,  wogegen man  es aus-
       tauschen konnte, und die Bewegung der Zirkulation dieselben blei-
       ben, muß  dieser Wechsel  eine verhältnismäßige  Vermehrung  oder
       Verminderung des  Geldes zur Ursache gehabt haben und kann keiner
       andern Ursache  zugeschrieben werden.  Vermindert sich  die Masse
       der Waren,  während die  Quantität des Geldes dieselbe bleibt, so
       ist es, als ob sich die Gesamtsumme des Geldes vermehrt hätte und
       umgekehrt. Ähnliche  Wechsel sind  das Resultat jedes Wechsels in
       der Bewegung  der Zirkulation. Jede Vermehrung der Anzahl der Um-
       läufe produziert  denselben Effekt,  wie eine Totalvermehrung des
       Geldes; eine  Verminderung in jener Anzahl bringt unmittelbar die
       umgekehrte Wirkung hervor... Wenn ein Teil der jährlichen Produk-
       tion gar  nicht ausgetauscht  wird, wie  das, was die Produzenten
       selbst konsumieren, so kommt dieser Teil nicht in Rechnung. Da er
       sich nicht  gegen Geld austauscht, ist er. in bezug auf das Geld,
       als ob er überhaupt nicht existierte... So oft die Vermehrung und
       Verminderung des  Geldes frei  stattfinden kann, ist die in einem
       Lande befindliche  Gesamtquantität desselben  geregelt durch  den
       Wert der  edeln Metalle... Gold und Silber aber sind Waren, deren
       Wert, wie  der aller  übrigen Waren durch ihre Produktionskosten,
       das Quantum in ihnen enthaltener Arbeit bestimmt wird." *)
       
       Der ganze  Scharfsinn Mills  löst sich in eine Reihe ebenso will-
       kürlicher als  abgeschmackter Unterstellungen auf. Er will bewei-
       sen, daß  der Preis  der Waren  oder der Wert des Geldes bestimmt
       ist "durch  die Totalquantität  des in  einem Lande existierenden
       Geldes".  U n t e r s t e l l t  man, daß die Masse und
       ---
       *) l.c. p. 128-136 passim.
       
       #155# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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       der Tauschwert  der zirkulierenden Waren dieselben bleiben, nicht
       minder die Zirkulationsgeschwindigkeit, und der durch die Produk-
       tionskosten bestimmte  Wert der  edeln Metalle,  und   u n t e r-
       s t e l l t   man zugleich, daß dennoch die Quantität des  z i r-
       k u l i e r e n d e n  Metallgelds sich vermehrt oder vermindert,
       im Verhältnis  zu der  Masse des  im Lande   e x i s t i e r e n-
       d e n   Geldes,  so  wird  es  in  der  Tat  "evident",  daß  man
       unterstellt hat,  was man zu beweisen vorgab. Mill fällt übrigens
       in denselben  Fehler wie  Hume, Gebrauchswerte,  nicht Waren  von
       gegebenem Tauschwert,  zirkulieren zu lassen, und daher wird sein
       Satz falsch, selbst wenn man alle seine "Unterstellungen" zugibt.
       Die Zirkulationsgeschwindigkeit  mag dieselbe bleiben, ebenso der
       Wert der  edeln Metalle,  ebenso  die    Q u a n t i t ä t    der
       zirkulierenden Waren,  und dennoch  mag  mit  dem  Wechsel  ihres
       Tauschwerts bald  eine größere,  bald eine geringere Geldmasse zu
       ihrer Zirkulation  erheischt sein.  Mill sieht  die Tatsache, daß
       ein Teil  des im  Lande existierenden  Geldes zirkuliert, während
       der  andere   stagniert.  Mit   Hilfe  einer   höchst   komischen
       Durchschnittsrechnung   u n t e r  s t e l l t  er, daß, obgleich
       es in Wirklichkeit anders scheint, in der Wahrheit alles in einem
       Lande befindliche  Geld zirkuliert.  Unterstelle,  es  liefen  10
       Millionen Silbertaler  zweimal während  des Jahres in einem Lande
       um, so  könnten 20 Millionen umlaufen, wenn jeder Taler nur einen
       Einkauf vollzöge.  Und wenn  die Gesamtsumme  des in dem Lande in
       allen Formen befindlichen Silbers 100 Millionen Taler beträgt, so
       kann man  unterstellen, daß  die 100  Millionen umlaufen  können,
       wenn jedes  Geldstück in  fünf Jahren  einen Einkauf bewirkt. Man
       könnte auch  unterstellen, daß  alles Geld  der Welt in Hampstead
       umläuft, aber  jeder aliquote Teil desselben, statt etwa drei Um-
       läufe in  einem Jahr, einen Umlauf in 3 000 000 Jahren vollzieht.
       Die eine  Unterstellung ist  gerade so  wichtig wie die andre für
       die Bestimmung  des Verhältnisses  zwischen Summe der Warenpreise
       und Quantität  der Umlaufsmittel. Mill fühlt, daß es für ihn ent-
       scheidend wichtig  ist, die  Waren unmittelbar zusammenzubringen,
       nicht mit  dem in  Zirkulation befindlichen Quantum Geld, sondern
       mit dem  Gesamtvorrat des  jedesmal in  einem Lande existierenden
       Geldes. Er  gibt zu,  daß die  Totalmasse der  Waren eines Landes
       sich "nicht  auf einmal"  gegen die  Totalmasse des  Geldes  aus-
       tauscht, sondern  verschiedene Portionen  Waren zu  verschiedenen
       Epochen des  Jahres gegen  verschiedene Portionen  Geld. Um  dies
       Mißverhältnis zu  beseitigen, unterstellt  er, daß  es nicht exi-
       stiere. Übrigens  ist diese ganze Vorstellung von dem unmittelba-
       ren Gegenübertreten  von Waren  und Geld  und ihrem unmittelbaren
       Austausch abstrahiert  aus der  Bewegung der  einfachen Käufe und
       Verkäufe oder  der Funktion  des Geldes  als Kaufmittel. Schon in
       der Bewegung  des Geldes  als Zahlungsmittel  verschwindet  diese
       gleichzeitige Erscheinung von Ware und Geld.
       
       #156# Karl Marx
       -----
       Die Handelskrisen  während des  19. Jahrhunderts,  namentlich die
       großen Krisen  von 1825  und 1836,  riefen keine Fortentwicklung,
       wohl aber neue Nutzanwendung der Ricardoschen Geldtheorie hervor.
       Es waren  nicht mehr einzelne ökonomische Phänomene, wie bei Hume
       die Depreziation  der edeln  Metalle im  16. und  17.Jahrhundert,
       oder wie  bei Ricardo  die Depreziation  des Papiergeldes während
       des 18.  und anfangs  des 19.  Jahrhunderts, sondern  die  großen
       Weltmarktsungewitter, worin  der Widerstreit  aller Elemente  des
       bürgerlichen Produktionsprozesses  sich entladet,  deren Ursprung
       und Abwehr  innerhalb  der  oberflächlichsten  und  abstraktesten
       Sphäre dieses  Prozesses, der Sphäre der Geldzirkulation, gesucht
       wurden. Die  eigentlich  theoretische  Voraussetzung,  wovon  die
       Schule der  ökonomischen Wetterkünstler  ausgeht, besteht  in der
       Tat in  nichts anderm  als dem Dogma, daß Ricardo die Gesetze der
       rein metallischen  Zirkulation entdeckt hat. Was ihnen zu tun üb-
       rigblieb, war die Unterwerfung der Kredit- oder Banknotenzirkula-
       tion unter diese Gesetze.
       Das allgemeinste und sinnfälligste Phänomen der Handelskrisen ist
       plötzlicher, allgemeiner  Fall der  Warenpreise, folgend  auf ein
       längeres, allgemeines Steigen derselben. Allgemeiner Fall der Wa-
       renpreise kann  ausgedrückt werden  als Steigen im relativen Wert
       des Geldes,  verglichen mit  allen Waren, und allgemeines Steigen
       der Preise  umgekehrt als  Fallen des relativen Werts des Geldes.
       In beiden  Ausdrucksweisen ist  das Phänomen ausgesprochen, nicht
       erklärt. Ob  ich die  Aufgabe stelle:  zu erklären das allgemeine
       periodische Steigen  der Preise,  wechselnd mit  allgemeinem Fall
       derselben, oder  dieselbe Aufgabe  so formuliere: zu erklären das
       periodische Fallen  und Steigen  des relativen  Werts des Geldes,
       verglichen mit  den Waren, die verschiedene Phraseologie läßt die
       Aufgabe ebenso unverändert, wie es ihre Übersetzung aus der deut-
       schen in  die englische  Sprache tun  würde. Ricardos Geldtheorie
       kam daher  ungemein gelegen,  da sie  einer Tautologie den Schein
       eines Kausalverhältnisses  gibt. Woher das periodische allgemeine
       Fallen der  Warenpreise? Vom  periodischen Steigen  des relativen
       Werts des  Geldes. Woher  umgekehrt das  allgemeine,  periodische
       Steigen der Warenpreise? Von einem periodischen Fall im relativen
       Wert des  Geldes. Es könnte ebenso richtig gesagt werden, daß das
       periodische Steigen  und Fallen der Preise von ihrem periodischen
       Steigen und  Fallen herrührt. Die Aufgabe selbst ist gestellt un-
       ter der  Voraussetzung, daß  der immanente  Wert des Geldes, d.h.
       sein durch  die Produktionskosten  der edeln  Metalle  bestimmter
       Wert  u n v e r ä n d e r t  bleibt. Soll die Tautologie mehr als
       Tautologie sein,  so beruht sie auf Verkennung der elementarisch-
       sten Begriffe.  Wenn der Tauschwert von A gemessen in B fällt, so
       wissen wir,  daß dies  ebensogut von einem Fallen des Werts von A
       wie von
       
       #157# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       einem Steigen  des Werts  von B herrühren kann. Ebenso umgekehrt,
       wenn der  Tauschwert von  A gemessen in B steigt. Die Verwandlung
       der Tautologie  in ein  Kausalverhältnis einmal zugegeben, ergibt
       sich alles  andre mit  Leichtigkeit. Das  Steigen der Warenpreise
       entspringt aus  dem Fallen  des Werts  des Geldes, das Fallen des
       Geldwerts aber, wie wir von Ricardo wissen, aus übervoller Zirku-
       lation, d.h.  daher, daß die Masse des zirkulierenden Geldes über
       das durch  seinen eignen immanenten Wert und die immanenten Werte
       der Waren  bestimmte Niveau  steigt. Ebenso  umgekehrt das allge-
       meine Fallen  der Warenpreise  aus dem Steigen des Geldwerts über
       seinen immanenten Wert infolge einer untervollen Zirkulation. Die
       Preise steigen  und fallen  also periodisch,  weil periodisch  zu
       viel oder  zu wenig  Geld zirkuliert. Wird nun etwa nachgewiesen,
       daß  das   Steigen  der   Preise  mit  einer  verminderten  Geld-
       zirkulation, und  das Fallen der Preise mit einer vermehrten Zir-
       kulation zusammenfiel, so kann trotzdem behauptet werden, infolge
       irgendeiner, wenn  auch statistisch durchaus unnachweisbaren Ver-
       minderung oder  Vermehrung der  zirkulierenden Warenmasse sei die
       Quantität des zirkulierenden Geldes, obgleich nicht absolut, doch
       relativ vermehrt  oder vermindert worden. Wir sahen nun, daß nach
       Ricardo diese  allgemeinen Schwankungen der Preise auch bei einer
       rein metallischen Zirkulation stattfinden müssen, sich aber durch
       ihre Abwechslung  ausgleichen, indem  z.B. untervolle Zirkulation
       Fallen der  Warenpreise, das  Fallen der  Warenpreise Ausfuhr der
       Waren ins  Ausland, diese  Ausfuhr aber  Einfluß von Geld ins In-
       land, dieser Einfluß von Geld aber wieder Steigen der Warenpreise
       hervorruft. Umgekehrt  bei einer übervollen Zirkulation, wo Waren
       importiert und  Geld exportiert  werden. Da  nun trotz dieser aus
       der Natur  der Ricardoschen Metallzirkulation selbst entspringen-
       den allgemeinen  Preisschwankungen ihre  heftige  und  gewaltsame
       Form, ihre Krisenform, den Perioden entwickelten Kreditwesens an-
       gehört, so  wird es  sonnenklar, daß  die Ausgabe  von  Banknoten
       nicht exakt  nach den Gesetzen der metallischen Zirkulation regu-
       liert wird. Die metallische Zirkulation besitzt ihr Heilmittel im
       Import und  Export der edeln Metalle, die sofort als Münze in Um-
       lauf treten  und so  durch ihren  Einfluß oder Ausfluß die Waren-
       preise fallen  oder steigen  machen.  Dieselbe  Wirkung  auf  die
       Warenpreise muß  nun künstlich  durch Nachahmung  der Gesetze der
       Metallzirkulation von  den Banken  hervorgebracht werden.  Fließt
       Gold vom  Ausland ein, so ist das ein Beweis, daß die Zirkulation
       untervoll ist,  der Geldwert zu hoch und die Warenpreise zu nied-
       rig stehn  und folglich Banknoten im Verhältnis zu dem neu impor-
       tierten Gold  in Zirkulation  geworfen werden  müssen. Sie müssen
       umgekehrt der Zirkulation entzogen werden, im Verhältnis wie Gold
       aus dem Land ausströmt. In andern Worten, die Ausgabe der Bankno-
       ten
       
       #158# Karl Marx
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       muß reguliert werden nach dem Import und Export der edeln Metalle
       oder nach  dem Wechselkurs.  Ricardos falsche  Voraussetzung, daß
       Gold 1*)  nur Münze  ist, daher alles importierte Gold das umlau-
       fende Geld  vermehrt, und  darum die  Preise steigen macht, alles
       exportierte Gold die Münze vermindert und darum die Preise fallen
       macht,  diese   theoretische  Voraussetzung   wird  hier    z u m
       p r a k t i s c h e n  E x p e r i m e n t,  s o  v i e l  M ü n-
       z e   z i r k u l i e r e n  z u  m a c h e n,  a l s  j e d e s-
       m a l   G o l d   v o r h a n d e n  i s t.  Lord Overstone (Ban-
       kier Jones  Loyd), Oberst  Torrens, Norman,  Clay, Arbulhnot  und
       eine Unzahl  andrer Schriftsteller,  in England bekannt unter dem
       Namen der  Schule  des  "currency  principle"  2*),  haben  diese
       Doktrin nicht nur gepredigt, sondern vermittelst Sir Robert Peels
       Bankakte  von   1844  und  1845  zur  Grundlage  der  bestehenden
       englischen und schottischen Bankgesetzgebung gemacht. Ihr schmäh-
       liches Fiasko,  theoretisch wie  praktisch, nach Experimenten auf
       der größten  nationalen Stufenleiter,  kann erst in der Lehre vom
       Kredit dargestellt werden. *) Soviel aber sieht man, wie Ricardos
       Theorie, die  das Geld in seiner flüssigen Form als Zirkulations-
       mittel isoliert,  damit endet,  der Zu- und Abnahme der edeln Me-
       talle eine absolute Einwirkung auf die bürgerliche Ökonomie zuzu-
       schreiben, wie sie der Aberglaube des Monetarsystems nie geträumt
       hatte. So  wurde Ricardo, der das Papiergeld für die vollendetste
       Form des Geldes erklärt, zum Propheten der Bullionisten.
       ---
       *) Einige Monate  vor dem  Ausbruch der  allgemeinen Handelskrise
       von 1857 saß ein Komitee des Hauses der Gemeinen, um Untersuchun-
       gen über  die Wirkungen  der Bankgesetze  von 1844 und 1845 anzu-
       stellen. Lord  Overstone, der  theoretische Vater dieser Gesetze,
       erging sich in seiner Aussage vor dem Komitee in folgender Renom-
       mage: "Durch  strenge und  prompte Einhaltung  der Grundsätze des
       Akts von  1844 ist alles mit Regelmäßigkeit und Leichtigkeit ver-
       laufen, das  Geldsystem ist sicher und unerschüttert, die Prospe-
       rität des  Landes ist  unbestritten, das öffentliche Vertrauen in
       den Akt  von 1844 gewinnt täglich an Stärke. Wünscht der Ausschuß
       noch weitere praktische Belege für die Gesundheit der Prinzipien,
       auf denen  dieser Akt  beruht, und der wohltätigen Folgen, die er
       sichergestellt hat,  so ist  die wahre  und hinreichende  Antwort
       diese: Schauen  Sie um  sich; betrachten Sie die gegenwärtige Ge-
       schäftslage unseres  Landes, betrachten Sie die Zufriedenheit des
       Volks; betrachten  Sie den  Reichtum und  die  Prosperität  aller
       Klassen der  Gesellschaft; und dann, nachdem dies geschehen, wird
       der Ausschuß  imstande sein  zu entscheiden,  ob er die Fortdauer
       eines Akts  verhindern will,  unter dem  solche Erfolge  erreicht
       worden sind."  So stieß  Overstone in  seine  eigene  Posaune  am
       14.Juli 1857;  am 12.November desselben Jahres hatte das Ministe-
       rium das wundertätige Gesetz von 1844 auf seine eigne Verantwort-
       lichkeit zu suspendieren.
       -----
       1*) Im Handexemplar  korrigiert; (1859)  Geld -2*) "Geldumlaufge-
       setzes"
       
       #159# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
       -----
       Nachdem Humes  Theorie oder der abstrakte Gegensatz gegen das Mo-
       netarsystem so  bis zur  letzten Konsequenz entwickelt war, wurde
       Steuarts konkrete Auffassung des Geldes schließlich wieder in ihr
       Recht eingesetzt  durch Thomas Tooke. *) Tooke leitet seine Prin-
       zipien nicht  aus irgendeiner  Theorie her, sondern aus gewissen-
       hafter Analyse  der Geschichte der Warenpreise von 1793 bis 1856.
       In der  ersten Ausgabe seiner Geschichte der Preise, die 1823 er-
       schien, ist Tooke noch ganz befangen von der Ricardoschen Theorie
       und müht  sich vergebens,  die Tatsachen  mit dieser Theorie aus-
       zugleichen. Sein  Pamphlet "On the currency", das nach der Krisis
       von 1825 erschien, könnte sogar als erste konsequente Aufstellung
       der später  von Overstone  geltend gemachten Ansichten betrachtet
       werden. Fortgesetzte  Forschungen in  der Geschichte  der  Waren-
       preise zwangen  ihn jedoch zur Einsicht, daß jener direkte Zusam-
       menhang zwischen Preisen und Quantität der Umlaufsmittel, wie ihn
       die Theorie voraussetzt, ein bloßes Hirngespinst ist, daß die Ex-
       pansion und  Kontraktion der  Umlaufsmittel, bei gleichbleibendem
       Wert der  edeln Metalle,  stets Wirkung,  nie Ursache  der Preis-
       schwankungen, daß  die Geldzirkulation  überhaupt nur eine sekun-
       däre Bewegung ist, und daß das Geld im wirklichen Produktionspro-
       zeß noch ganz andre Formbestimmtheiten erhält, als die des Zirku-
       lationsmittels. Seine  Detailuntersuchungen gehören  einer andern
       Sphäre als der der einfachen Metallzirkulation an, und können da-
       her hier  noch nicht  erörtert werden, so wenig wie die derselben
       Richtung angehörigen Untersuchungen von Wilson und Fullarton. **)
       Alle diese  Schriftsteller fassen  das Geld nicht einseitig, son-
       dern in  seinen verschiedenen  Momenten auf,  aber nur stofflich,
       ohne irgendeinen  lebendigen Zusammenhang,  sei es dieser Momente
       untereinander, sei es mit dem Gesamtsystem der ökonomischen Kate-
       gorien.   G e l d   im Unterschied  von  Z i r k u l a t i o n s-
       m i t t e l   werfen sie daher fälschlich mit  K a p i t a l  zu-
       sammen oder  gar mit  Ware, obgleich  sie andererseits wieder ge-
       zwungen sind,  seinen Unterschied von beiden gelegentlich geltend
       zu machen.  ***) Wenn  Gold z.B.  ins Ausland  geschickt wird, so
       wird in der
       ---
       *) Tooke war  gänzlich unbekannt  mit Steuarts  Schrift, wie sich
       aus seiner  "History of  prices from  1839 to 1847", London 1848,
       ergibt, worin er die Geschichte der Geldtheorien zusammenfaßt.
       **) Tookes bedeutendste  Schrift, außer  der "History of prices",
       die sein  Mitarbeiter Newmarch in sechs Bänden herausgegeben hat,
       ist "An  Inquiry into  the currency  principle, the connection of
       currency with  prices etc.",  2. Edition,  London  1844.  Wilsons
       Schrift haben wir bereits zitiert. Er ist schließlich noch zu er-
       wähnen John Fullarton, "On the regulation of currencies", 2. Edi-
       tion, London 1845.
       ***) 'Es ist  zu unterscheiden  zwischen Geld  als Ware,    d a s
       h e i ß t  Kapital, und Geld als Zirkulationsmittel." (Tooke, "An
       Inquiry into the currency principle etc.", p. 10.)
       
       #160# Karl Marx
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       Tat Kapital  ins Ausland  geschickt, aber  dasselbe findet statt,
       wenn Eisen,  Baumwolle, Getreide, kurz jede Ware exportiert wird.
       Beide sind  Kapital und  unterscheiden sich daher nicht als Kapi-
       tal, sondern als Geld und Ware. Die Rolle des Goldes als interna-
       tionales Tauschmittel  entspringt also  nicht aus  seiner Formbe-
       stimmtheit als  Kapital, sondern aus seiner spezifischen Funktion
       als Geld.  Ebenso wenn  Gold oder  an seiner Stelle Banknoten als
       Zahlungsmittel im  innern Handel funktionieren, sind sie zugleich
       Kapital. Aber  Kapital in  der Form von Ware, wie die Krisen z.B.
       sehr handgreiflich zeigen, könnte nicht an ihre Stelle treten. Es
       ist also wieder der Unterschied des Goldes als Geld von der Ware,
       nicht sein  Dasein als  Kapital, wodurch  es  zum  Zahlungsmittel
       wird. Selbst  wo Kapital  direkt als  Kapital exportiert wird, um
       eine bestimmte  Wertsumme, z.B.  auf Zinsen im Ausland zu verlei-
       hen, hängt  es von  Konjunkturen ab,  ob es  in der Form von Ware
       oder von  Gold exportiert  wird, und wird es in der letztern Form
       exportiert, so  geschieht es wegen der spezifischen Formbestimmt-
       heit der edeln Metalle als Geld gegenüber der Ware. Überhaupt be-
       trachten jene  Schriftsteller das  Geld nicht  zuerst in  der ab-
       strakten Gestalt, wie es innerhalb der einfachen Warenzirkulation
       entwickelt wird  und aus  der Beziehung der prozessierenden Waren
       selbst hervorwächst.  Sie schwanken  daher beständig  hin und her
       zwischen den abstrakten Formbestimmtheiten, die Geld im Gegensatz
       zur Ware  erhält, und  den Bestimmtheiten  desselben, worin  sich
       konkretere Verhältnisse,  wie Kapital,  revenue  u.  dèrgl.  ver-
       stecken. *)
       
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       "Man kann  sich darauf  verlassen, daß  Gold und Silber bei ihrer
       Zufuhr fast  genau die  benötigte Summe  realisieren... Gold  und
       Silber besitzen einen unendlichen Vorteil vor allen anderen Arten
       von Waren... durch den Umstand, daß sie allgemein als Geld im Ge-
       brauch sind...  Nicht in  Tee, Kaffee,  Zucker oder  Indigo  sind
       Schulden, ausländische  oder einheimische, gewöhnlich vertragsge-
       mäß zu  zahlen, sondern  in Münzen; und die Geldsendung, entweder
       in eben der bezeichneten Münze oder in Barren, die sofort in jene
       Münze verwandelt  werden können,  durch die  Münzstätte oder  den
       Markt des  Landes, in  das sie geschickt werden, muß dem Absender
       stets die  sichersten, unmittelbarsten und genauesten Mittel bie-
       ten, um  diesen Zweck  zu erreichen ohne Gefahr eines Fehlschlags
       wegen  Mangels   an  Nachfrage   oder  Schwanken   des  Preises."
       (Fullarton, l.c.  p. 132, 133.) "Jeder andre Artikel" (außer Gold
       und Silber)  "kann in  Menge oder  Art außerhalb der gewöhnlichen
       Nachfrage des  Landes stehn, in das er gesandt wird." (Tooke, "An
       Inquiry etc." [p. 10].)
       *) Die Verwandlung  des Gelds in Kapital weiden wir betrachten im
       3. Kapitel,  das vom Kapital handelt und den Schluß dieses ersten
       Abschnitts bildet.

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