Quelle: MEW 13 Januar 1859 - Februar 1860
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ZWEITES KAPITEL
Das Geld oder die einfache Zirkulation
In einer Parlamentsdebatte über Sir Robert Peels Bankakte von
1844 und 1845 [13] bemerkte Gladstone, die Liebe selbst habe
nicht mehr Menschen zu Narren gemacht als das Grübeln über das
Wesen des Geldes. Er sprach von Briten zu Briten. Holländer dage-
gen, Leute, die Pettys Zweifel zum Trotz von jeher einen
"himmlischen Witz" besaßen für die Geldspekulation, haben nie ih-
ren Witz verloren in Spekulation über das Geld.
Die Hauptschwierigkeit in der Analyse des Geldes ist überwunden,
sobald sein Ursprung aus der Ware selbst begriffen ist. Unter
dieser Voraussetzung handelt es sich nur noch darum, seine eigen-
tümlichen Formbestimmtheiten rein aufzufassen, was einigermaßen
erschwert wird, weil alle bürgerlichen Verhältnisse vergoldet
oder versilbert, als Geldverhältnisse erscheinen, und die Geld-
form daher einen unendlich mannigfaltigen Inhalt zu besitzen
scheint, der ihr selbst fremd ist.
In der folgenden Untersuchung ist festzuhalten, daß es sich nur
um die Formen des Geldes handelt, die unmittelbar aus dem Aus-
tausch der Waren herauswachsen, nicht aber um seine, einer höhern
Stufe des Produktionsprozesses angehörigen Formen, wie z. B. Kre-
ditgeld. Der Vereinfachung wegen ist Gold überall als die Geld-
ware unterstellt.
1. Maß der Werte
Der erste Prozeß der Zirkulation ist sozusagen theoretischer,
vorbereitender Prozeß für die wirkliche Zirkulation. Die Waren,
die als Gebrauchswert existieren, schaffen sich zunächst die
Form, worin sie einander ideell als Tauschwert e r s c h e i-
n e n, als bestimmte Quanta vergegenständlichter a l l g e-
m e i n e r Arbeitszeit. Der erste notwendige Akt dieses Pro-
zesses ist, wie wir sahen, daß die Waren eine spezifische Ware,
sage Gold, als unmittelbare
#50# Karl Marx
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Materiatur der allgemeinen Arbeitszeit oder allgemeines Äquiva-
lent ausschließen. Kehren wir einen Augenblick zurück zur Form,
in welcher die Waren Gold in Geld verwandeln.
1 Tonne Eisen = 2 Unzen Gold,
1 Quarter Weizen = 1 Unze Gold,
1 Zentner Moccakaffee = 1/4 Unze Gold,
1 Zentner Pottasche = 1/2 Unze Gold,
1 Tonne brasilisches Holz = 1 1/2 Unzen Gold,
Y Ware = X Unze Gold.
In dieser Reihe von Gleichungen erscheinen Eisen, Weizen, Kaffee,
Pottasche usw. einander als Materiatur gleichförmiger Arbeit,
nämlich in Gold materialisierter Arbeit, worin alle Besonderheit
der in ihren verschiedenen Gebrauchswerten dargestellten wirkli-
chen Arbeiten völlig ausgelöscht ist. Als Wert sind sie iden-
tisch, Materiatur d e r s e l b e n Arbeit oder d i e s e l-
b e Materiatur der Arbeit, Gold. Als gleichförmige Materiatur
derselben Arbeit zeigen sie nur e i n e n Unterschied, quan-
titativen, oder erscheinen als verschiedene Wertgrößen, weil in
ihren Gebrauchswerten u n g l e i c h e Arbeitszeit enthalten
ist. Als diese einzelnen Waren verhalten sie sich zugleich als
Vergegenständlichung der allgemeinen Arbeitszeit zueinander,
indem sie sich zu der allgemeinen Arbeitszeit selbst als einer
ausgeschlossenen Ware, Gold, verhalten. Dieselbe prozessierende
Beziehung, wodurch sie sich füreinander als Tauschwerte dar-
stellen, stellt die im Gold enthaltene Arbeitszeit als die
allgemeine Arbeitszeit dar, wovon ein gegebenes Quantum sich in
verschiedenen Quantis Eisen, Weizen, Kaffee etc., kurz in den
Gebrauchswerten aller Waren ausdrückt oder sich unmittelbar in
der unendlichen Reihe der Warenäquivalente entfaltet. Indem die
Waren allseitig ihre Tauschwerte in Gold ausdrücken, drückt Gold
unmittelbar seinen Tauschwert in allen Waren aus. Indem die Waren
sich selbst füreinander die Form des Tauschwerts geben, geben sie
dem Gold die Form des allgemeinen Äquivalents oder Geldes.
Weil alle Waren ihre Tauschwerte in Gold messen, in dem Verhält-
nis, worin bestimmte Quantität Gold und bestimmte Quantität Ware
gleich viel Arbeitszeit enthalten, wird das Gold zum M a ß
d e r W e r t e, und zunächst ist es nur durch diese Bestimmung
als Maß der Werte, als welches sein eigener Wert sich unmittelbar
in dem Gesamtumkreis der Warenäquivalente mißt, daß es allgemei-
nes Äquivalent oder Geld wird. Andrerseits drückt sich nun der
Tauschwert aller Waren in Gold aus. Ein qualitatives und ein
quantitatives Moment sind in diesem Ausdruck zu unterscheiden.
Der Tauschwert der Ware ist vorhanden als Materiatur derselben
gleichförmigen Arbeitszeit; die
#51# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Wertgröße der Ware ist erschöpfend dargestellt, denn in dem Ver-
hältnis, worin die Waren dem Gold gleichgesetzt sind, sind sie
einander gleichgesetzt. Einerseits erscheint der a l l g e-
m e i n e Charakter der in ihnen enthaltenen Arbeitszeit, ande-
rerseits die Quantität derselben in ihrem goldenen Äquivalent.
Der Tauschwert der Waren, so als allgemeine Äquivalenz und
zugleich als Grad dieser Äquivalenz in einer spezifischen Ware,
oder in einer einzigen Gleichung der Waren mit einer spezifischen
Ware ausgedrückt, ist P r e i s. Der Preis ist die verwandelte
Form, worin der Tauschwert der Waren innerhalb des Zirku-
lationsprozesses e r s c h e i n t.
Durch denselben Prozeß also, wodurch die Waren ihre Werte als
Goldpreise darstellen, stellen sie das Gold als Maß der Werte und
daher als Geld dar. Wenn sie allseitig ihre Werte in Silber oder
Weizen oder Kupfer mäßen und daher als Silber-, Weizen- oder Kup-
ferpreise darstellten, würden Silber, Weizen, Kupfer Maß der
Werte und damit allgemeines Äquivalent. Um in der Zirkulation als
Preise zu erscheinen, sind die Waren der Zirkulation als Tausch-
werte vorausgesetzt. Maß der Werte wird das Gold nur, weil alle
Waren ihren Tauschwert in ihm schätzen. Die Allseitigkeit dieser
prozessierenden Beziehung, woraus allein sein Charakter als Maß
entspringt, setzt aber voraus, daß jede einzelne Ware sich in
Gold mißt im Verhältnis der in beiden enthaltenen Arbeitszeit,
daß also das wirkliche Maß zwischen Ware und Gold die Arbeit
selbst ist, oder Ware und Gold durch den unmittelbaren Tauschhan-
del einander als Tauschwerte gleichgesetzt werden. Wie diese
Gleichsetzung praktisch vor sich geht, kann nicht in der Sphäre
der einfachen Zirkulation erörtert werden. So viel leuchtet indes
ein, daß in Gold und Silber produzierenden Ländern bestimmte Ar-
beitszeit sich unmittelbar einem bestimmten Quantum Gold und Sil-
ber einverleibt, während in Ländern, die kein Gold und Silber
produzieren, dasselbe Resultat auf einem Um weg erreicht wird,
durch direkten oder indirekten Austausch der Landeswaren, d.h.
einer bestimmten Portion der nationalen Durchschnittsarbeit gegen
bestimmtes Quantum der in Gold und Silber materialisierten
Arbeitszeit der Minen besitzenden Länder. Um als Maß der Werte
dienen zu können, muß Gold der Möglichkeit nach ein v e r ä n-
d e r l i c h e r Wert sein, weil es nur als Materiatur der
Arbeitszeit zum Äquivalent anderer Waren werden kann, dieselbe
Arbeitszeit aber mit dem Wechsel der Produktivkräfte der realen
Arbeit in ungleichen Volumen derselben Gebrauchswerte sich
verwirklicht. Wie bei der Darstellung des Tauschwertes jeder Ware
im Gebrauchswert einer andern Ware ist bei der Schätzung aller
Waren in Gold nur vorausgesetzt, daß das Gold in einem gegebenen
Moment ein gegebenes Quantum Arbeitszeit darstellt. In bezug auf
seinen Wertwechsel gilt das früher entwickelte Gesetz der
#52# Karl Marx
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Tauschwerte. Bleibt der Tauschwert der Waren unverändert, so ist
ein allgemeines Steigen ihrer Goldpreise nur möglich, wenn der
Tauschwert des Goldes fällt. Bleibt der Tauschwert des Goldes un-
verändert, so ist ein allgemeines Steigen der Goldpreise nur mög-
lich, wenn die Tauschwerte aller Waren steigen. Umgekehrt im
Falle eines allgemeinen Sinkens der Warenpreise. Fällt oder
steigt der Wert einer Unze Gold infolge eines Wechsels der zu ih-
rer Produktion erheischten Arbeitszeit, so fällt oder steigt er
g l e i c h m ä ß i g f ü r a l l e a n d e r n Waren,
stellt also nach wie vor allen gegenüber Arbeitszeit von
g e g e b e n e r Größe dar. Dieselben Tauschwerte schätzen sich
nun in größern oder kleinern Goldquantis als zuvor, aber sie
schätzen sich im Verhältnis zu ihren Wertgrößen, bewahren also
dasselbe Wertverhältnis zueinander. Das Verhältnis von 2:4:8
bleibt dasselbe als 1:2:4 oder 4:8:16. Die veränderte Goldquanti-
tät, worin sich die Tauschwerte schätzen mit wechselndem Gold-
wert, verhindert ebensowenig die Funktion des Goldes als Maß der
Werte, wie der 15mal kleinere Wert des Silbers gegen Gold es ver-
hindert, das letztere aus dieser Funktion zu verdrängen. Weil die
Arbeitszeit das Maß zwischen Gold und Ware ist und das Gold nur
Maß der Werte wird, sofern alle Waren sich in ihm messen, ist es
bloßer Schein des Zirkulationsprozesses, als ob das Geld die Wa-
ren kommensurabel mache. *) Es ist vielmehr nur die Kommensurabi-
lität der Waren als vergegenständlichte Arbeitszeit, die das Gold
zu Geld macht.
Die reale Gestalt, worin die Waren in den Austauschprozeß eintre-
ten, ist die ihrer Gebrauchswerte. Wirkliches allgemeines Äquiva-
lent sollen sie erst
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*) Aristoteles sieht zwar ein, daß der Tauschwert der Waren den
Warenpreisen vorausgesetzt ist: "daß ... es den Tausch gab, bevor
es das Geld gegeben, ist einleuchtend; denn es macht keinen Un-
terschied, ob fünf Polster für ein Haus oder für soviel Geld, wie
fünf Polster wert sind". Andrerseits, da die Waren erst im Preise
die Form des Tauschwerts füreinander besitzen, läßt er sie kom-
mensurabel werden durch das Geld. "Alles muß einen Preis haben;
denn so wird immer Austausch sein und folglich Gesellschaft. Das
Geld macht, einem Maße gleich, in der Tat die Dinge kommensurabel
(????????), um sie dann einander gleichzusetzen. Denn es gibt
keine Gesellschaft ohne Austausch, der Austausch kann nicht sein
ohne die Gleichheit, die Gleichheit aber nicht ohne die Kommensu-
rabilität. "Er verhehlt sich nicht, daß diese verschiedenen vom
Gelde gemessenen Dinge durchaus inkommensurable Größen sind. Was
er sucht, ist die Einheit der Waren als Tauschwerte, die er als
antiker Grieche nicht finden konnte. Er hilft sich aus der Verle-
genheit, indem er das an und für sich Inkommensurable durch das
Geld kommensurabel werden läßt, soweit es für das praktische Be-
dürfnis nötig ist. "Es ist zwar in Wahrheit unmöglich, daß so
verschiedenartige Dinge kommensurabel seien, aber für das prakti-
sche Bedürfnis geschieht dies." (Aristoteles, "Ethica Nicoma-
chea", L. V, C. 8, edit. Bekkeri, Oxonii 1837.)
#53# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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werden durch ihre Entäußerung. Ihre Preisbestimmung ist ihre nur
ideelle Verwandlung in das allgemeine Äquivalent, eine Gleichung
mit dem Gold, die noch zu realisieren bleibt. Weil aber die Waren
in ihren Preisen nur ideell in Gold oder in nur vorgestelltes
Gold verwandelt sind, ihr Geldsein von ihrem reellen Sein noch
nicht wirklich getrennt ist, ist das Gold nur noch in ideelles
Geld verwandelt, nur noch Maß der Werte, und bestimmte Goldquanta
funktionieren in der Tat nur noch als Namen für bestimmte Quanta
Arbeitszeit. Von der bestimmten Weise, worin die Waren füreinan-
der ihren eignen Tauschwert darstellen, hängt jedesmal die Form-
bestimmtheit ab, worin das Gold sich als Geld kristallisiert.
Die Waren treten sich jetzt als Doppelexistenzen gegenüber, wirk-
lich als Gebrauchswerte, ideell als Tauschwerte. Die Doppelform
der Arbeit, die in ihnen enthalten ist, stellen sie jetzt fürein-
ander dar, indem die besondere reale Arbeit als ihr Gebrauchswert
wirklich da ist, während die allgemeine abstrakte Arbeitszeit in
ihrem Preise ein vorgestelltes Dasein erhält, worin sie gleichmä-
ßige und nur quantitativ verschiedene Materiatur derselben Wert-
substanz sind.
Der Unterschied von Tauschwert und Preis erscheint einerseits als
ein nur nomineller, wie Adam Smith sagt, daß die Arbeit der Real-
preis, das Geld der Nominalpreis der Waren ist. Statt 1 Quarter
Weizen in 30 Arbeitstagen zu schätzen, wird er jetzt geschätzt in
1 Unze Gold, wenn eine Unze Gold das Produkt von 30 Arbeitstagen
ist. Andrerseits ist der Unterschied so wenig bloßer Namensunter-
schied, daß in ihm vielmehr alle Ungewitter, die der Ware im
wirklichen Zirkulationsprozeß drohen, konzentriert sind. 30
Arbeitstage sind im Quarter Weizen enthalten und er ist daher
nicht erst in Arbeitszeit darzustellen. Aber Gold ist vom Weizen
verschiedene Ware, und nur in der Zirkulation kann sich bewähren,
ob der Quarter Weizen wirklich zur Unze Gold wird, wie in seinem
Preis antizipiert ist. Es hängt dies davon ab, ob oder ob nicht
er sich als Gebrauchswert, ob oder ob nicht das in ihm enthaltene
Quantum Arbeitszeit sich als das von der Gesellschaft zur
Produktion eines Quarters Weizen notwendig erheischte Quantum
Arbeitszeit bewährt. Die Ware als solche i s t Tauschwert, sie
h a t einen Preis. In diesem Unterschied von Tauschwert und
Preis erscheint es, daß die in der Ware enthaltene besondere
individuelle Arbeit erst durch den Prozeß der Entäußerung als ihr
Gegenteil, individualitätslose, abstrakt allgemeine und nur in
dieser Form gesellschaftliche Arbeit, d.h. Geld dargestellt
werden muß. Es erscheint zufällig, ob sie dieser Darstellung
fähig ist oder nicht. Obgleich daher im Preise der Tauschwert der
Ware nur ideell von ihr unterschiedene Existenz erhält und das
Doppeldasein der in ihr enthaltenen Arbeit nur noch als
verschiedene
#54# Karl Marx
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Ausdrucksweise existiert, andrerseits daher die Materiatur der
allgemeinen Arbeitszeit, das Gold, nur noch als vorgestelltes
Wertmaß der wirklichen Ware gegenübertritt, ist im Dasein des
Tauschwerts als Preis oder des Goldes als Wertmaß die Notwendig-
keit der Entäußerung der Ware gegen klingendes Gold, die Möglich-
keit ihrer Nichtveräußerung, kurz der ganze Widerspruch latent
enthalten, der daraus hervorgeht, daß das Produkt Ware ist, oder
daß die besondere Arbeit des Privatindividuums, um gesellschaft-
liche Wirkung zu haben, sich als ihr unmittelbares Gegenteil, als
abstrakt allgemeine Arbeit darstellen muß. Die Utopisten, die die
Ware wollen, aber nicht das Geld, auf Privataustausch beruhende
Produktion ohne die notwendigen Bedingungen dieser Produktion,
sind daher konsequent, wenn sie das Geld nicht erst in seiner
greifbaren Form, sondern schon in der gasartigen und hirngewebten
Form als Maß der Werte "vernichten". Im unsichtbaren Maß der
Werte lauert das harte Geld.
Den Prozeß vorausgesetzt, wodurch das Gold zum Maß der Werte und
der Tauschwert zum Preis geworden ist, sind alle Waren in ihren
Preisen nur noch vorgestellte Goldquanta von verschiedener Größe.
Als solche verschiedene Quanta desselben Dings, des Goldes, glei-
chen, vergleichen und messen sie sich untereinander und so ent-
wickelt sich technisch die Notwendigkeit, sie auf ein bestimmtes
Quantum Gold als M a ß e i n h e i t zu beziehen, eine Maß-
einheit, die dadurch zum Maßstab fortentwickelt wird, daß sie
sich in aliquote Teile und diese sich ihrerseits wieder in ali-
quote Teile abteilen. *) Goldquanta als solche aber messen sich
durch Gewicht. Der Maßstab findet sich also schon fertig vor in
den allgemeinen Gewichtsmaßen der Metalle, die bei aller metalli-
schen Zirkulation daher auch ursprünglich als Maßstab der Preise
dienen. Indem die Waren sich nicht mehr als durch die Arbeitszeit
zu messende Tauschwerte, sondern als in Gold gemessene gleichna-
mige Größen aufeinander beziehen, verwandelt sich das Gold aus
d e m M a ß d e r W e r t e in den M a ß s t a b d e r
P r e i s e. Die Vergleichung der Warenpreise unter sich als
verschiedene Goldquanta kristallisiert sich so in den Figuratio-
nen, die in ein gedachtes Goldquantum eingeschrieben werden und
es als Maßstab von aliquoten Teilen darstellen. Das Gold als Maß
der Werte und als Maßstab
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*) Die Sonderbarkeit, daß die Unze Gold in England als Maßeinheit
des Geldes in nicht aliquote Teile abgeteilt ist, erklärt sich
wie folgt: "Unser Münzwesen war ursprünglich nur der Verwendung
von Silber angepaßt - daher kann eine Unze Silber immer in eine
bestimmte aliquote Anzahl von Geldstücken geteilt werden; da aber
Gold erst in einer spätem Zeit in ein Münzwesen eingeführt wurde,
das nur dem Silber angepaßt war, kann eine Unze Gold nicht in
eine aliquote Anzahl von Münzen ausgeprägt werden." (Maclaren,
"History of the currency", p. 16, London 1858.)
#55# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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der Preise besitzt ganz verschiedene Formbestimmtheit, und die
Verwechslung der einen mit der andern hat die tollsten Theorien
hervorgerufen. Maß der Werte ist das Gold als vergegenständlichte
Arbeitszeit, Maßstab der Preise ist es als ein bestimmtes Metall-
gewicht. Maß der Werte wird das Gold, indem es als Tauschwert auf
die Waren als Tauschwert bezogen ist, im Maßstab der Preise dient
ein bestimmtes Quantum Gold andern Quantis Gold als Einheit.
Wertmaß ist das Gold, weil sein Wert veränderlich ist, Maßstab
der Preise, weil es als unveränderliche Gewichtseinheit fixiert
wird. Hier, wie in allen Maßbestimmungen gleichnamiger Größen
wird Festigkeit und Bestimmtheit der Maßverhältnisse entschei-
dend. Die Notwendigkeit, ein Quantum Gold als Maßeinheit und ali-
quote Teile als Unterabteilungen dieser Einheit festzusetzen, hat
die Vorstellung erzeugt, als ob ein bestimmtes Goldquantum, das
natürlich veränderlichen Wert hat, in ein fixes Wertverhältnis zu
den Tauschwerten der Waren gesetzt würde, wobei nur übersehen
ward, daß die Tauschwerte der Waren in Preise, in Goldquanta ver-
wandelt sind, bevor sich das Gold als Maßstab der Preise entwic-
kelt. Wie auch der Goldwert wechsle, verschiedene Goldquanta
stellen gegeneinander stets dasselbe Wertverhältnis dar. Fiele
der Goldwert um 1000%, so würden nach wie vor 12 Unzen Gold einen
12 mal größern Wert besitzen als eine Unze Gold, und in den Prei-
sen handelt es sich nur um das Verhältnis verschiedener Gold-
quanta zueinander. Da andrerseits eine Unze Gold mit dem Fallen
oder Steigen ihres Werts keineswegs ihr Gewicht verändert, verän-
dert sich ebensowenig das ihrer aliquoten Teile, und so tut das
Gold als fixer Maßstab der Preise stets denselben Dienst, wie im-
mer sein Wert wechsle. *)
Ein historischer Prozeß, den wir später aus der Natur der metal-
lischen Zirkulation erklären werden, brachte es mit sich, daß
derselbe Gewichtsname für ein stets wechselndes und abnehmendes
Gewicht edler Metalle in ihrer Funktion als Maßstab der Preise
beibehalten wurde. So bezeichnet das englische
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*) "Geld kann beständig im Wert schwanken und doch ebensogut ein
Maß des Wertes sein, als wenn es völlig unverändert bliebe. Ange-
nommen z.B., es sei im Wert vermindert... Vor der Verminderung
würde eine Guinee drei Bushels Weizen kaufen oder die Arbeit von
6 Tagen; später würde sie nur 2 Bushels Weizen kaufen oder die
Arbeit von 4 Tagen. In beiden Fällen, die Verhältnisse von Weizen
und Arbeit zu Geld gegeben, kann deren gegenseitiges Verhältnis
abgeleitet werden; mit andern Worten, wir können ermitteln, daß
ein Bushel Weizen 2 Arbeitstage wert ist. Das ist alles, was
Wertmessen einschließt und wird nach der Verminderung ebenso
glatt besorgt wie vorher. Die Auszeichnung eines Dinges als Wert-
maß ist gänzlich unabhängig von der Veränderlichkeit seines eig-
nen Werts." (p. 9, 10. Bailey, "Money and its vicissitudes", Lon-
don 1837.)
#56# Karl Marx
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Pfund weniger als ein Drittel seines ursprünglichen Gewichts, das
schottische Pfund vor der Union [14] nur noch 1/36, der französi-
sche Livre 1/74, der spanische Maravedi weniger als 1/1000, der
portugiesische Rei eine noch viel kleinere Proportion. So schie-
den sich historisch die Geldnamen der Metallgewichte von ihren
allgemeinen Gewichtsnamen. *) Da die Bestimmung der Maßeinheit,
ihrer aliquoten Teile und deren Namen einerseits rein konventio-
nell ist, andererseits innerhalb der Zirkulation den Charakter
der Allgemeinheit und Notwendigkeit besitzen soll, mußte sie
g e s e t z l i c h e Bestimmung werden. Die rein formelle Ope-
ration fiel also den Regierungen anheim. **) Das bestimmte Me-
tall, das als Material des Geldes diente, war gesellschaftlich
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*) "Die Münzen, deren Name heute nur noch ideell ist, sind bei
allen Völkern die ältesten; aber alle waren eine Zeitlang real"
(letzteres in dieser Ausdehnung unrichtig), "und eben weil sie
real waren, hat man mit ihnen gerechnet." (Galiani, "Deila Mo-
neta", l.c. p. 153.)
**) Der romantische A. Müller sagt: "Nach unseren Vorstellungen
hat jeder unabhängige Souverän das Recht, das Metallgeld zu er-
nennen, ihm einen gesellschaftlichen Nominalwert, Rang, Stand und
Titel beizulegen." (p. 288, Band II. A.H. Müller, "Die Elemente
der Staatskunst", Berlin 1809.) Was den Titel angeht, hat der
Herr Hofrat recht; er vergißt nur den G e h a l t. Wie konfus
seine "Vorstellungen" waren, zeigt sich z. B. in folgender
Stelle: "Jedermann sieht ein, wieviel auf die wahre Bestimmung
des Münzpreises ankommt, vorzüglich in einem Lande wie England,
wo die Regierung mit g r o ß a r t i g e r L i b e r a l i-
t ä t unentgeltlich münzt" (Herr Müller scheint zu glauben, daß
das englische Regierungspersonal die Münzkosten aus eigener
Privattasche bestreitet), "wo sie keinen Schlagschatz nimmt usw.,
und also, wenn diese den Münzpreis des Goldes beträchtlich höher
ansetzte als den Marktpreis, wenn sie anstatt I Unze Goldes jetzt
mit 3 Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d. zu zahlen, 3 Pfd. St. 19 sh. als
den Münzpreis einer Unze Goldes ansetzte, alles Geld nach der
Münze strömen, das dort erhaltene Silber auf dem Markte gegen das
hier wohlfeilere Gold umgesetzt, und so aufs neue der Münze
zugebracht und das Münzwesen in Unordnung geraten würde." (p.
280, 281 l.c.) Um die Ordnung auf der englischen Münze zu
erhalten, versetzt Müller sich in "Unordnung". Während Shilling
und Pence bloß Namen, durch Silber- und Kupfermarken re-
präsentierte Namen bestimmter Teile einer Unze Gold sind, bildet
er sich ein, die Unze Gold sei geschätzt in Gold, Silber und Kup-
fer, und beglückt so die Engländer mit einem dreifachen standard
of value 1*). Silber als Geldmaß neben dem Gold wurde zwar erst
formell abgeschafft im Jahre 1816 durch 56 George III. c. 68
2*). Gesetzlich war es der Sache nach schon abgeschafft 1734
durch 14 George II. c. 42, und noch viel früher durch die Praxis.
Es waren zwei Umstände, die A. Müller speziell zu einer so-
genannten h ö h e r n Auffassung der politischen Ökonomie befä-
higten. Einerseits seine
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1*) einer dreifachen Währung - 2*) 68. Gesetz aus dem 56. Regie-
rungsjahr Georgs III.
#57# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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gegeben. In verschiedenen Ländern ist der gesetzliche Maßstab der
Preise natürlich verschieden. In England z.B. wird die Unze als
Metallgewicht eingeteilt in Pennyweights, Grains und Carats Troy,
aber die Unze Gold als Maßeinheit des Geldes in 3 7/8 Sovereigns,
der Sovereign in 20 Shillinge, der Shilling in 12 Pence, so daß
100 Pfund 22karätiges Gold (1200 Unzen) gleich 4672 Sovereigns
und 10 Shilling. In dem Weltmarkt jedoch, worin die Landesgrenzen
verschwinden, verschwinden diese nationalen Charaktere der Geld-
maße wieder und weichen den allgemeinen Gewichtsmaßen der Me-
talle.
Der Preis einer Ware oder das Goldquantum, worin sie ideell ver-
wandelt ist, drückt sich jetzt also aus in den Geldnamen des
Goldmaßstabs. Statt also zu sagen, der Quarter Weizen ist gleich
einer Unze Gold, würde man in England sagen, er ist gleich 3 Pfd.
St. 17 sh. 10 1/2 d. Alle Preise drücken sich so gleichnamig aus.
Die eigentümliche Form, die die Waren ihrem Tauschwert geben, ist
verwandelt in G e l d n a m e n, worin sie einander sagen, was
sie wert sind. Das Geld 1*) seinerseits wird zum R e c h e n-
g e l d. *)
Die Verwandlung der Ware in Rechengeld im Kopfe, auf dem Papier,
in der Sprache, geht jedesmal vor sich, sobald irgendeine Art des
Reichtums unter dem Gesichtspunkt des Tauschwerts fixiert wird.
**) Zu dieser Verwandlung ist das Material des Goldes nötig, aber
nur als vorgestelltes. Um den Wert von 1000 Ballen Baumwolle in
einer bestimmten Anzahl von Unzen Gold zu schätzen und diese An-
zahl Unzen selbst wieder in den Rechennamen der Unze, in Pfd.
St., sh., d., auszudrücken, wird kein Atom wirklichen Goldes ge-
braucht. So zirkulierte in Schottland vor dem Bankakt Sir Robert
Peels von 1845 keine Unze Gold, obgleich die Unze Gold, und zwar
ausgedrückt als englischer Rechenmaßstab in 3 Pfd. St. 17 sh.
10 1/2 d. zum gesetzlichen Maß der Preise diente. So dient Silber
als Maß der Preise in dem Warenaustausch zwischen Sibirien und
China, obgleich der Handel in der
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ausgebreitete Unbekanntschaft mit ökonomischen Tatsachen, andrer-
seits sein bloß dilettantisches Schwärmereiverhältnis zur Philo-
sophie.
*) "Als man den Anarcharsis fragte, wozu die Hellenen das Geld
brauchen, antwortete er: zum Rechnen." (Athenaeus,
"Deipnosophistai", L. IV, 49, v. II [p. 120], ed. Schweighäuser
1802.)
**) G. Garnier, einer der altern französischen Übersetzer Adam
Smiths, hatte den sonderbaren Einfall, eine Proportion festzuset-
zen zwischen dem Gebrauch von Rechengeld und dem Gebrauch von
wirklichem Geld. Die Proportion ist 10 zu 1. (Garnier, G.,
"Histoire de la monnaie depuis les temps de la plus haute anti-
quité etc.", t. I, p. 78.)
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1*) (1859) Gold
#58# Karl Marx
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Tat bloßer Tauschhandel ist. Für das Gold als Rechengeld ist es
daher auch gleichgültig, ob oder ob nicht, sei es seine Maßein-
heit selbst, seien es ihre Abschnitte, wirklich gemünzt sind. In
England, zur Zeit Wilhelms des Eroberers, existierten 1 Pfd. St.,
damals 1 Pfund reines Silber, und der Shilling, 1/20 eines Pfun-
des, nur als Rechengeld, während der Penny, 1/240 Pfund Silber,
die größte existierende Silbermünze war. Umgekehrt existieren im
heutigen England keine Shillinge und Pence, obgleich sie gesetz-
liche Rechennamen für bestimmte Teile einer Unze Goldes sind. Das
Geld als Rechengeld mag überhaupt nur ideal existieren, während
das wirklich existierende Geld nach ganz anderem Maßstab gemünzt
ist. So bestand in vielen englischen Kolonien in Nordamerika das
zirkulierende Geld bis tief ins 18. Jahrhundert aus spanischen
und portugiesischen Münzen, während das Rechengeld überall das-
selbe war wie in England. *)
Weil das Gold als Maßstab der Preise in denselben Rechennamen er-
scheint wie die Warenpreise, also z. B. eine Unze Gold ebensowohl
wie eine Tonne Eisen in 3 Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d. ausgedrückt
wird, hat man diese seine Rechennamen seinen M ü n z p r e i s
genannt. Die wunderliche Vorstellung entstand daher, als ob das
Gold in seinem eigenen Material geschätzt werde, und im Unter-
schied von allen andern Waren von Staats wegen einen f i x e n
Preis erhalte. Man versah die Fixierung von Rechennamen für be-
stimmte Goldgewichte für Fixierung des Werts dieser Gewichte. **)
Das Gold, wo es als Element der Preisbestimmung und daher als Re-
chengeld dient, hat nicht nur keinen f i x e n, sondern über-
haupt feinen Preis. Um einen Preis zu haben, d.h. in einer
s p e z i f i s c h e n Ware sich als a l l g e m e i n e s
Äquivalent auszudrücken, müßte diese andere Ware dieselbe aus-
schließliche Rolle im Zirkulationsprozeß spielen wie das Gold.
Zwei alle andern Waren ausschließende Waren schließen sich aber
wechselseitig aus. Wo daher Silber und Gold gesetzlich als Geld,
d. h. als Wertmaß nebeneinander bestehen, ist stets der vergebli-
che
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*) Der Akt von Maryland von 1723, wodurch Tabak zur legalen Münze
gemacht, sein Wert aber auf englisches Goldgeld reduziert wurde,
nämlich ein Penny per Pfund Tabak, erinnert an die leges bar-
barorum [15], worin umgekehrt bestimmte Geldsummen wieder Ochsen,
Kühen usw. gleichgesetzt werden. In diesem Fall waren weder Gold
noch Silber, sondern der Ochs und die Kuh das wirkliche Material
des Rechengeldes.
**) So lesen wir zum Beispiel in den "Familiär words" des Herrn
David Urquhart: "Der Wert des Goldes soll durch sich selbst ge-
messen werden; wie kann irgendein Stoff das Maß seines eignen
Wertes in andern Dingen sein? Der Wert des Goldes soll durch sein
eigenes Gewicht festgestellt werden, unter einer falschen Benen-
nung dieses Gewichts - und eine Unze soll 50 viele Pfund und
Bruchteile von Pfund wert sein. Das ist Fälschung eines Maßes und
nicht Festsetzung eines Maßstabs." [p. 104/105.]
#59# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Versuch gemacht worden, sie als e i n e u n d d i e s e l b e
M a t e r i e zu behandeln. Unterstellt man, daß dieselbe Ar-
beitszeit sich unveränderlich in derselben Proportion von Silber
und Gold vergegenständlicht, so unterstellt man in der Tat, daß
Silber und Gold dieselbe Materie, und Silber, das minder wert-
volle Metall, ein unveränderlicher Bruchteil Gold ist. Von der
Regierung Edwards III. bis zur Zeit von Georg II. verläuft sich
die Geschichte des englischen Geldwesens in eine fortlaufende
Reihe von Störungen, hervorgehend aus der Kollision zwischen der
gesetzlichen Festsetzung des Wertverhältnisses von Gold und Sil-
ber und ihren wirklichen Wertschwankungen. Bald war Gold zu hoch
geschätzt, bald Silber. Des zu niedrig geschätzte Metall wurde
der Zirkulation entzogen, umgeschmolzen und exportiert. Das Wert-
verhältnis beider Metalle wurde dann wieder gesetzlich verändert,
aber der neue Nominalwert trat bald mit dem wirklichen Wertver-
hältnis in denselben Konflikt wie der alte. In unserer eigenen
Zeit hat der sehr schwache und vorübergehende Fall im Werte des
Goldes gegen Silber, infolge der indisch-chinesischen Silbernach-
frage, dasselbe Phänomen auf der größten Stufenleiter in
Frankreich erzeugt, Ausfuhr des Silbers und seine Vertreibung aus
der Zirkulation durch Gold. Während der Jahre 1855, 1856, 1857
betrug der Überschuß der Goldeinfuhr in Frankreich über die Gold-
ausfuhr aus Frankreich 41 580 000 Pfd. St., während der Überschuß
der Silberausfuhr über die Silbereinfuhr 34 704 000 Pfd. St. be-
trug. In der Tat, in Ländern wie in Frankreich, wo beide Metalle
gesetzlich Wertmaße sind, und beide in Zahlung angenommen werden
müssen, jeder aber beliebig in dem einen oder andern zahlen kann,
trägt das im Wert steigende Metall ein Agio und mißt wie jede an-
dere Ware seinen Preis in dem überschätzten Metall, während letz-
teres allein als Wertmaß dient. Alle geschichtliche Erfahrung in
diesem Gebiet reduziert sich einfach darauf, daß, wo gesetzlich
zwei Waren die Funktion des Wertmaßes versehen, faktisch immer
nur eine als solches den Platz behauptet. *)
B. Theorien von der Maßeinheit des Geldes
Der Umstand, daß die Waren als Preise nur ideell in Gold, das
Gold daher nur ideell in Geld verwandelt ist, veranlaßte die
Lehre von der i d e a l e n
---
*) "Geld als Maß des Handels sollte wie jedes andere Maß so stän-
dig als möglich gehalten werden. Dies ist unmöglich, wenn euer
Geld aus zwei Metallen besteht, deren Wertverhältnis beständig
wechselt." (John Locke, "Some Considerations on the Lowering of
Interest etc.", 1691; p. 65 in seinen "Works", 7. ed., London
1768, vol. II.)
#60# Karl Marx
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M a ß e i n h e i t d e s G e l d e s. Weil bei der Preisbe-
stimmung nur vorgestelltes Gold oder Silber, Gold und Silber nur
als Rechengeld funktionieren, wurde behauptet, die Namen Pfund,
Shilling, Pence, Taler, Frank usw. statt Gewichtteile von Gold
oder Silber oder irgendwie vergegenständlichte Arbeit zu be-
zeichnen, bezeichneten vielmehr ideale Wertatome. Stiege also
z.B. der Wert einer Unze Silber, so enthielte sie mehr solcher
Atome und müßte daher in mehr Shillingen berechnet und gemünzt
werden. Diese Doktrin, wieder geltend gemacht während der letzten
Handelskrise in England und sogar parlamentarisch vertreten in
zwei Sonderberichten, die dem Bericht des 1858 sitzenden Bankko-
mitees angehängt sind, datiert vom Ende des 17. Jahrhunderts. Zur
Zeit von Wilhelms III. Regierungsantritt betrug der englische
Münzpreis einer Unze Silber 5 sh. 2d. oder 1/62 Unze Silber wurde
Penny, 12 dieser Pence wurden Shilling genannt. Diesem Maßstab
gemäß wurde ein Silbergewicht von z.B. 6 Unzen Silber gemünzt in
31 Stücken mit dem Namen Shilling. Der M a r k t p r e i s der
Unze Silber stieg aber über ihren M ü n z p r e i s, von 5 sh.
2 d. auf 6 sh. 3 d., oder um eine Unze Rohsilber zu kaufen, muß-
ten 6 sh. 3 d. aufgewogen werden. Wie könnte der Marktpreis einer
Unze Silber über ihren Münzpreis steigen, wenn der Münzpreis bloß
Rechennamen für aliquote Teile einer Unze Silber? Das Rätsel lö-
ste sich einfach. Von den 5 600 000 Pfd. St. Silbergeld, das da-
mals zirkulierte, waren vier Millionen verschlissen, gekippt und
gewippt. Es zeigte sich bei einer Probe, daß 57 200 Pfd. St. in
Silber, die 220 000 Unzen wiegen sollten, nur 141 000 Unzen wo-
gen. Die Münze prägte immer nach demselben Maßstab, aber die
wirklich zirkulierenden leichten Shillinge stellten kleinere ali-
quote Teile der Unze dar, als ihr Name vorgab. Eine größere Quan-
tität dieser kleiner gewordenen Shillinge mußte folglich auf dem
Markt für die Unze Rohsilber gezahlt werden. Als infolge der so
entstandenen Störung eine allgemeine Ummünzung beschlossen wurde,
behauptete Lowndes, der Secretary to the treasury, der Wert der
Unze Silber sei gestiegen, sie müsse daher künftig in 6 sh. 3 d.
statt wie bisher in 5 sh. 2 d. gemünzt werden. Er behauptete also
in der Tat, daß, weil der Wert der Unze gestiegen, der Wert ihrer
aliquoten Teile gefallen sei. Seine falsche Theorie war aber nur
Beschönigung eines richtigen praktischen Zwecks. Die Staatsschul-
den waren in leichten Shillingen kontrahiert, sollten sie in
schweren zurückgezahlt werden? Statt zu sagen, zahlt 4 Unzen Sil-
ber zurück, wo ihr dem Namen nach 5 Unzen, in Wirklichkeit aber
nur 4 Unzen erhalten habt, sagte er umgekehrt, zahlt dem Namen
nach 5 Unzen zurück, reduziert sie aber dem Metallgehalt nach auf
4 Unzen und nennt Shilling was ihr bisher 4/5 Shilling nanntet.
Lowndes hielt sich also tatsächlich am Metallgehalt, während er
in der Theorie am Rechennamen
#61# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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festhielt. Seine Gegner, die bloß am Rechennamen festhielten und
daher einen um 25 bis 50% zu leichten Shilling identisch mit ei-
nem vollwichtigen Shilling erklärten, behaupteten umgekehrt, nur
am Metallgehalt festzuhalten. John Locke, der die neue Bour-
geoisie in allen Formen vertrat, die Industriellen gegen die Ar-
beiterklassen und die Paupers, die Kommerziellen gegen die altmo-
dischen Wucherer, die Finanzaristokraten gegen die Staatsschuld-
ner, und in einem eigenen Werk sogar den bürgerlichen Verstand
als menschlichen Normalverstand nachwies, nahm auch den Handschuh
gegen Lowndes auf. John Locke siegte und Geld, geborgt zu 10 oder
14 Shillingen die Guinee, wurde zurückgezahlt in Guineen von 20
Shillingen. *) Sir James Steuart faßt die ganze Transaktion iro-
nisch so zusammen:
"Die Regierung gewann bedeutend auf Steuern, die Gläubiger auf
Kapital und Zinsen, und die Nation, die allein Geprellte, war
kreuzfidel, weil ihr S t a n d a r d" (der Maßstab ihres eige-
nen Werts) "nicht herabgesetzt worden war." **)
---
*) Locke sagt u.a.: "Nennt eine Krone, was früher eine halbe
Krone hieß. Der Wert bleibt bestimmt durch den Metallgehalt. Wenn
ihr 1/20 Silbergewicht von einer Münze abschlagen könnt, ohne ih-
ren Wert zu verringern, so könnt ihr ebensogut 19/20 von ihrem
Silbergewicht abschlagen. Nach dieser Theorie müßte ein farthing,
wenn er Krone genannt wird, so viel von Gewürz, Seide oder andern
Waren kaufen, als ein Kronstück, das 60mal so viel Silber ent-
hält. Alles, was ihr tun könnt, ist, einer geringeren Quantität
Silber den Stempel und den Namen einer höhern Quantität geben. Es
ist aber Silber, nicht Namen, die Schulden zahlen und Waren kau-
fen. Wenn euer Erhöhen des Geldwerts nichts heißt als den aliquo-
ten Teilen eines Silberstücks nach Belieben Namen geben, z.B. den
achten Teil einer Unze Silber Penny nennen, so könnt ihr in der
Tat Geld so hoch ansetzen als es euch beliebt." Locke antwortete
Lowndes zugleich, daß das Steigen des Marktpreises über den Münz-
preis nicht vom "Steigen des Silberwerts, sondern vom Leichter-
werden der Silbermünze" herrühre. 77 gekippte und gewippte Shil-
linge wögen keinen Deut mehr als 62 vollwichtige. Endlich hob er
mit Recht hervor, daß, abgesehen von derEntsilberung der zirku-
lierenden Münze, der Marktpreis des Rohsilbers in England eini-
germaßen über den Münzpreis steigen könne, weil die Ausfuhr von
Rohsilber erlaubt, die von Silbermünze verboten sei. (Siehe l.c.
p. 54-116 passim.) Locke hütete sich ungemein, den brennenden
Punkt der Staatsschulden zu berühren, wie er ebenso vorsichtig
vermied, auf die delikate ökonomische Frage einzugehen. Letztere
war diese: Wechselkurs sowohl wie das Verhältnis von Rohsilber
zur Silbermünze bewiesen, daß das zirkulierende Geld bei weitem
n i c h t im Verhältnis zu seiner wirklichen Entsilberung depre-
ziiert war. Wir kommen auf diese Frage in allgemeiner Form im Ab-
schnitt vom Zirkulationsmittel zurück. Nicholas Barbon in "A dis-
course concerning coining the new money lighter, in answer to Mr.
Lock's considerations etc.", London 1696, versuchte vergebens,
Locke auf schwieriges Terrain zu locken.
**) Steuart, l.c. t. II, p. 156.
#62# Karl Marx
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Steuart meinte, bei weiterer kommerzieller Entwicklung werde die
Nation sich schlauer zeigen. Er irrte. Ungefähr 120 Jahre später
wiederholte sich dasselbe quid pro quo 1*).
Es war in der Ordnung, daß Bischof Berkeley, der "Vertreter eines
mystischen Idealismus in der englischen Philosophie, der Lehre
von der idealen Maßeinheit des Geldes eine theoretische Wendung
gab, was der praktische "Secretary to the treasury" versäumt
halte. Er fragt:
"Sind die Namen Livre, Pfund Sterling, Krone usw. nicht zu be-
trachten als bloße V e r h ä l t n i s n a m e n?" (nämlich
Verhältnis des abstrakten Werts als solchen). "Sind Gold, Silber
oder Papier mehr als bloße Billette oder Marken zur Berechnung,
Protokollierung und Übermachung davon?" (des Wertverhältnisses).
"Ist die M a c h t, die Industrie anderer" (gesellschaftliche
Arbeit) "zu kommandieren, nicht Reichtum? Und ist Geld in der Tat
etwas anderes als Marke oder Zeichen für Übertragung oder Regi-
strierung solcher Macht, und ist es von großer Wichtigkeit, wo-
raus das Material dieser Marken besteht?" *)
Hier findet sich Verwechslung einerseits zwischen Maß der Werte
und Maßstab der Preise, andrerseits zwischen Gold oder Silber als
Maß und als Zirkulationsmittel. Weil die edlen Metalle im Akt der
Zirkulation durch Marken ersetzt werden können, schließt Berke-
ley, daß diese Marken ihrerseits n i c h t s, nämlich den ab-
strakten Wertbegriff vorstellen.
So völlig entwickelt ist die Lehre von der idealen Maßeinheit des
Geldes bei Sir James Steuart, daß seine Nachfolger - bewußtlose
Nachfolger, indem sie ihn nicht kennen - weder eine neue Sprach-
wendung noch selbst ein neues Beispiel finden.
"Rechengeld", sagt er, "ist nichts als ein willkürlicher Maßstab
von gleichenTeilen, erfunden, um den relativen Wert verkäuflicher
Dinge zu messen. Rechengeld ist ganz verschieden von Münzgeld
(money coin), welches Preis ist **), und es könnte existieren,
obgleich es keine Substanz in der Welt gäbe, die ein proportio-
nelles Äquivalent für alle Waren wäre. Rechengeld verrichtet den-
selben Dienst für den Wert der Dinge wie Grade, Minuten, Sekunden
usw. für Winkel oder Maßstäbe für geographische Karten usw. In
allen diesen Erfindungen wird immer dieselbe Denomination als
Einheit
---
*) "The Querist" l.c. Der Abschnitt "Queries on Money" ist übri-
gens geistreich. Unter anderm bemerkt Berkeley mit Recht, daß ge-
rade die Entwicklung der nordamerikanischen Kolonien "es so klar
macht wie der Tag, daß Gold und Silber nicht so notwendig sind
zum Reichtum einer Nation, wie es sich die Allgemeinheit vor-
stellt".
**) Preis meint hier reales Äquivalent, wie bei den englischen
ökonomischen Schriftstellern des 17. Jahrhunderts.
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1) Mißverständnis
#63# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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angenommen. Wie die Nützlichkeit aller solcher Verrichtungen ein-
fach beschränkt ist auf die A n z e i g e v o n P r o-
p o r t i o n, so die der Geldeinheit. Sie kann daher keine
unveränderlich bestimmte Proportion zu irgendeinem Teil des Werts
haben, d. h. sie kann nicht fixiert sein an irgendein bestimmtes
Quantum von Gold, Silber oder irgendeiner andern Ware. Ist die
Einheit einmal gegeben, so kann man durch Multiplikation zum
größten Wert aufsteigen. Da der Wert der Waren abhängt von einem
allgemeinen Zusammenfluß auf sie einwirkender Umstände und von
den Grillen der Menschen, sollte ihr Wert nur als in ihrer
wechselseitigen Beziehung wechselnd betrachtet werden. Was immer
die Vergewisserung des Proportionswechsels vermittelst eines all-
gemeinen bestimmten und unveränderlichen Maßstabs stört und ver-
wirrt, muß schädlich auf den Handel einwirken. Geld ist ein nur
i d e a l e r M a ß s t a b von gleichen Teilen. Wenn gefragt
wird, was die Maßeinheit des Werts eines Teiles sein solle, ant-
worte ich durch die andere Frage: Was ist die Normalgröße eines
Grads, einer Minute, einer Sekunde? Sie besitzen keine, aber so-
bald ein Teil bestimmt ist, muß der Natur eines Maßstabs gemäß
der ganze Rest verhältnismäßig nachfolgen. Beispiele dieses
idealen Geldes sind das Bankgeld von Amsterdam und das Angolageld
der afrikanischen Küste." *)
Steuart hält sich einfach an der E r s c h e i n u n g des
Geldes in der Zirkulation als M a ß s t a b d e r P r e i s e
und als R e c h e n g e l d. Sind verschiedene Waren respektive
zu 15 sh., 20 sh., 36 sh. im Preiskurant notiert, so interessiert
mich in der Tat für die Vergleichung ihrer Wertgröße weder der
silberne Gehalt noch der Name des Shillings. Die Zahlenverhält-
nisse 15, 20, 36 sagen nun alles, und die Zahl 1 ist die einzige
Maßeinheit geworden. Rein abstrakter Ausdruck von Proportion ist
überhaupt auf die abstrakte Zahlenproportion selbst. Um konse-
quent zu sein, mußte Steuart daher nicht nur Gold und Silber,
sondern auch ihre legalen Taufnamen fahren lassen. Da er die Ver-
wandlung des Maßes der Werte in Maßstab der Preise nicht ver-
steht, glaubt er natürlich, das bestimmte Quantum Gold, das als
Maßeinheit dient, sei als Maß nicht auf andere Goldquanta, son-
dern auf Werte als solche bezogen. Weil die Waren durch Verwand-
lung ihrer Tauschwerte in Preise als gleichnamige Größen er-
scheinen, leugnet er die Qualität des Maßes, die sie gleichnamig
macht, und weil in dieser Vergleichung verschiedener Goldquanta
die Größe des als Maßeinheit dienenden Goldquantums konventio-
nell, leugnet er, daß sie überhaupt festgesetzt werden muß. Statt
1/360 Teil eines Kreises Grad zu nennen, mag er 1/180 Teil Grad
nennen ; der rechte Winkel würde dann gemessen durch 45 statt
durch 90 Grade, spitze und stumpfe Winkel entsprechend. Nichts-
destoweniger bliebe das Winkelmaß nach wie vor erstens eine qua-
litativ bestimmte mathematische Figur, der Kreis, und zweitens
ein quantitativ bestimmter Kreisabschnitt. Was Steuarts ökonomi-
sche Beispiele betrifft, so
---
*) Steuart, l.c. t. II. p. 102-107.
#64# Karl Marx
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schlägt er sich mit dem einen und beweist nichts mit dem andern.
Das Bankgeld von Amsterdam war in der Tat nur Rechenname für spa-
nische Dublonen, die ihr vollwichtiges Fett durch träges Lagern
im Bankkeller bewahrten, während die betriebsame Kurantmünze in
harter Reibung mit der Außenwelt abgemagert war. Was aber die
afrikanischen Idealisten betrifft, müssen wir sie ihrem Schicksal
überlassen, bis kritische Reisebeschreiber Näheres über sie mel-
den. *) Als annähernd ideales Geld im Sinne Steuarts könnte der
französische Assignat bezeichnet werden: "Nationaleigentum. Assi-
gnat von 100 Franks." Zwar war hier der Gebrauchswert spezifi-
ziert, den der Assignat vorstellen sollte, nämlich der konfis-
zierte Grund und Boden, aber die quantitative Bestimmung der Maß-
einheit war vergessen und "Frank" daher ein sinnloses Wort. Wie
viel oder wenig Land ein Assignatenfrank vorstellte, hing nämlich
vom Resultat der öffentlichen Versteigerung ab. In der Praxis je-
doch zirkulierte der Assignatenfrank als Wertzeichen für Silber-
geld, und an diesem Silbermaßstab maß sich daher seine Deprezia-
tion.
Die Epoche der Suspension der Barzahlungen der Bank von England
war kaum fruchtbarer in Schlachtbulletins als in Geldtheorien.
Die Depreziation der Banknoten und das Steigen des Marktpreises
über den Münzpreis des Goldes riefen auf Seiten einiger Verteidi-
ger der Bank wieder die Doktrin von dem idealen Geldmaß wach. Den
klassisch konfusen Ausdruck für die konfuse Ansicht fand Lord
Castlereagh [16], indem er die Maßeinheit des Geldes bezeichnete
als "a sense of value in reference to currency as compared with
commodities" 1*). Als die Umstände einige Jahre nach dem Pariser
Frieden [17] die Wiederaufnahme der Barzahlungen erlaubten, erhob
sich in kaum veränderter Form dieselbe Frage, die Lowndes unter
Wilhelm III, angeregt hatte. Eine enorme Staatsschuld und eine
während mehr als 20 Jahren aufgesummte Masse von Privatschulden,
festen Obligationen usw., waren in depreziierten Banknoten kon-
trahiert. Sollten sie zurückgezahlt werden in Banknoten, wovon
4672 Pfd. St. 10 sh. nicht dem Namen, sondern der Sache nach 100
Pfund 22karätiges Gold vorstellten? Thomas Attwood, ein Bankier
---
*) Bei Gelegenheit der jüngsten Handelskrise pries man in England
von gewisser Seite das afrikanische Idealgeld emphatisch, nachdem
sein Wohnsitz diesmal von der Küste weg ins Herz der Berberei ge-
rückt war. Man leitete die Freiheit der Berber von Handels- und
Industriekrisen aus der idealen Maßeinheit ihrer Bars ab. War es
nicht einfacher, zu sagen, daß Handel und Industrie die conditio
sine qua non 2*) für Handels- und Industriekrisen sind?
-----
1*) "eine Wertempfindung in bezug auf Umlaufsmittel verglichen
mit Waren" - 2*) unerläßliche Voraussetzung
#65# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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von Birmingham, trat auf als Lowndes redivivus. Nominell sollten
die Gläubiger so viel Shillinge zurückerhalten, als nominell kon-
trahiert waren, aber wenn 1/78 Unze Gold etwa nach dem alten
Münzfuß Shilling hieß, sollte nun sage 1/90 Unze Shilling getauft
werden. Attwoods Anhänger sind bekannt als die Birminghamer
Schule der "little Shillingmen" 1*). Der Zank über das ideale
Geldmaß, der 1819 begann, dauerte 1845 immer noch fort zwischen
Sir Robert Peel und Attwood, dessen eigene Weisheit, soweit sie
sich auf die Funktion des Geldes als Maß bezieht, in dem folgen-
den Zitat erschöpfend zusammengefaßt ist:
"Sir Robert Peel in seiner Polemik mit der Birminghamer Handels-
kammer fragt: Was wird eure Pfundnote repräsentieren? Was ist ein
Pfund? ... Was dann umgekehrt ist zu verstehen unter der gegen-
wärtigen Maßeinheit des Wertes?... 3 Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d.,
bedeuten sie eine U n z e G o l d oder ihren W e r t? Wenn
die U n z e selbst, warum nicht die Dinge bei ihrem Namen be-
nennen und statt Pfd. St., sh., d. nicht vielmehr sagen, Unze,
Pennyweight und Gran? Dann kehren wir zum System des unmittel-
baren Tauschhandels zurück... Oder bedeuten sie den W e r t?
Wenn eine Unze = 3 Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d., warum war sie zu
verschiedenen Zeiten bald 5 Pfd. St. 4 sh., bald 3 Pfd. St. 17
sh. 9 d. wert?... Der Ausdruck Pfund (£) hat Beziehung auf den
Wert, aber nicht auf den Wert, fixiert in einem unveränderlichen
Gewichtteil Gold. Das Pfund ist eine i d e a l e E i n-
h e i t... A r b e i t ist die Substanz, worin sich die Pro-
duktionskosten auflösen, und sie erteilt dem Gold seinen rela-
tiven Wert wie dem Eisen. W e l c h e r b e s o n d e r e R e-
c h e n n a m e d a h e r i m m e r g e b r a u c h t w e r-
d e, u m d i e T a g e s - o d e r W o c h e n a r b e i t
e i n e s M a n n e s z u b e z e i c h n e n, solcher Name
drückt den Wert der produzierten Ware aus." *)
In den letzten Worten zerrinnt die nebelhafte Vorstellung vom
idealen Geldmaß und bricht ihr eigentlicher Gedankeninhalt durch.
Die Rechennamen des Goldes, Pfd. St., sh. usw. sollen Namen für
bestimmte Quanta Arbeitszeit sein. Da die Arbeitszeit Substanz
und immanentes Maß der Werte ist, würden jene Namen so in der Tat
Wertproportionen selbst vorstellen. In andern Worten, die Ar-
beitszeit wird als wahre Maßeinheit des Geldes behauptet. Damit
treten wir aus der Birminghamer Schule heraus, bemerken aber noch
im Vorbeigehen, daß die Doktrin vom idealen Geldmaß neue Wichtig-
keit erhielt in der Streitfrage über Konvertibilität oder Nicht-
konvertibilität der Banknoten. Wenn Papier seine Denomination von
Gold oder Silber erhält, bleibt die Konvertibilität der Note,
d.h. ihre Umtauschbarkeit in Gold
---
*) "The Currency Question, the Gemini Letters", London 1844, p.
266-272 passim.
-----
1*) "Kleinshillingmänner"
#66# Karl Marx
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oder Silber, ökonomisches Gesetz, was immer das juristische Ge-
setz sagen mag. So wäre ein preußischer Papiertaler, obgleich ge-
setzlich inkonvertibel, sofort depreziiert, wenn er im gewöhnli-
chen Verkehr weniger als ein Silbertaler gälte, also nicht prak-
tisch konvertibel wäre. Die konsequenten Vertreter des inkonver-
tiblen Papiergeldes in England flüchteten daher zum idealen Geld-
maß. Wenn die Rechennamen des Geldes, Pfd. St., sh. usw. Namen
für eine bestimmte Summe, Wertatome sind, deren eine Ware bald
mehr, bald weniger im Austausch mit anderen Waren einsaugt oder
abgibt, ist eine englische 5-Pfund-Note z.B. ebenso unabhängig
von ihrem Verhältnis zu Gold wie von dem zu Eisen und Baumwolle.
Da ihr Titel aufgehört hätte, sie bestimmtem Quantum von Gold
oder irgendeiner andern Ware theoretisch gleichzusetzen, wäre die
Forderung ihrer Konvertibilität, d.h. ihrer praktischen Gleichung
mit bestimmtem Quantum eines spezifizierten Dings durch ihren Be-
griff selbst ausgeschlossen.
Die Lehre von der Arbeitszeit als unmittelbarer Maßeinheit des
Geldes ist zuerst systematisch entwickelt worden von John Gray.
*) Er läßt eine nationale Zentralbank vermittelst ihrer Zweigban-
ken die Arbeitszeit vergewissern, die in der Produktion der ver-
schiedenen Waren verbraucht wird. Im Austausch für die Ware er-
hält der Produzent ein offizielles Zertifikat des Werts, d.h.
einen Empfangsschein für so viel Arbeitszeit, als seine Ware ent-
hält **), und diese Banknoten von I Arbeitswoche, 1 Arbeitstag, I
Arbeitsstunde usw. dienen zugleich als Anweisung auf ein Äquiva-
lent in allen andern in den Bankdocks gelagerten Waren. ***) Das
ist das Grundprinzip, sorgfältig durchgeführt
---
*) John Gray, "The Social System. A Treatise on the Principle of
Exchange", Edinburgh 1831. Vgl. von demselben Schriftsteller:
"Lectures on the nature and use of money", Edinburgh 1848. Nach
der Februarrevolution sandte Gray der französischen provisori-
schen Regierung eine Denkschrift zu, worin er sie belehrt, daß
Frankreich nicht einer "organisation of labour" 1*) bedürfe,
sondern einer "Organisation of exchange" 2*), deren Plan völlig
ausgearbeitet vorliege in dem von ihm ausgeheckten Geldsystem.
Der brave John ahnte nicht, daß sechzehn Jahre nach Erscheinen
des "Social System" ein Patent auf dieselbe Entdeckung ausgelöst
worden war von dem erfindungsreichen Proudhon.
**) Gray, "The Social System etc.", p. 63. "Geld sollte lediglich
ein Empfangsschein, ein Beweis dafür sein, daß sein Inhaber ent-
weder bestimmten Wert zu dem vorhandenen nationalen Reichtum bei-
getragen hat, oder daß er auf den erwähnten Wert ein Recht erwor-
ben von irgend jemand, der ihn beigetragen hat." *** "Man lasse
ein Produkt, das vorher einen Schätzungswert erhält, auf eine
Bank
-----
1*) "Organisation der Arbeit" - 2*) "Organisation des Austau-
sches"
#67# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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im Detail und überall angelehnt an vorhandene englische Einrich-
tungen. Unter diesem System, sagt Gray,
"wäre es zu allen Zeiten ebenso leicht gemacht, für Geld zu ver-
kaufen, als es nun ist, mit Geld zu kaufen; die Produktion würde
die gleichförmige und nie versiegende Quelle der Nachfrage sein"
*).
Die edeln Metalle würden ihr "Privilegium" gegen andere Waren
verlieren und
"den ihnen gebührenden Platz im Markt einnehmen neben Butter und
Eiern und Tuch und Kaliko, und ihr Wert würde uns nicht mehr in-
teressieren als der der Diamanten". **)
"Sollen wir unser eingebildetes Maß der Werte beibehalten, Gold,
und so die Produktivkräfte des Landes fesseln, oder sollen wir
uns zum natürlichen Maß der Werte wenden, zur Arbeit, und die
Produktivkräfte des Landes freisetzen?" ***)
Da die Arbeitszeit das immanente Maß der Werte ist, warum neben
ihr ein anderes äußerliches Maß? Warum entwickelt sich der
Tauschwert zum Preis? Warum schätzen alle Waren ihren Wert in ei-
ner ausschließlichen Ware, die so in das adäquate Dasein des
Tauschwerts verwandelt wird, in Geld? Dies war das Problem, das
Gray zu lösen hatte. Statt es zu lösen, bildet er sich ein, die
Waren könnten sich unmittelbar aufeinander als Produkte der
gesellschaftlichen Arbeit beziehen. Sie können sich aber nur auf-
einander beziehen als das, was sie sind. Die Waren sind unmittel-
bar Produkte vereinzelter unabhängiger Privatarbeiten, die sich
durch ihre Entäußerung im Prozeß des Privataustausches als allge-
meine gesellschaftliche Arbeit bestätigen müssen, oder die Arbeit
auf Grundlage der Warenproduktion wird erst gesellschaftliche Ar-
beit durch die allseitige Entäußerung der individuellen Arbeiten.
Unterstellt Gray aber die in den Waren enthaltene Arbeitszeit als
u n m i t t e l b a r g e s e l l s c h a f t l i c h e, so un-
terstellt er sie als gemeinschaftliche Arbeitszeit oder als Ar-
beitszeit direkt assoziierter Individuen. So könnte in der Tat
eine spezifische Ware, wie Gold und Silber, den andern Waren
nicht als Inkarnation der allgemeinen Arbeit gegenübertreten, der
Tauschwert würde nicht zum Preis, aber der Gebrauchswert würde
auch nicht zum Tauschwert, das
---
legen und wieder herausnehmen, wann immer es benötigt wird, wobei
lediglich durch allgemeines Übereinkommen festgesetzt wird, daß
derjenige, der irgendeine Art von Eigentum in die vorgeschlagene
Nationalbank einlegt, aus ihr einen gleichen Wert, was immer sie
enthalten mag, herausnehmen darf, statt gezwungen zu sein, das-
selbe Ding herauszunehmen, das er eingelegt hat." l.c. p. 67/68.
*) l.c. p. 16.
**) Gray, "Lectures on money etc.", p. 182.
***) l.c. p. 169.
#68# Karl Marx
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Produkt würde nicht zur Ware, und so wäre die Grundlage der bür-
gerlichen Produktion selbst aufgehoben. Das ist aber keineswegs
Grays Meinung. D i e P r o d u k t e s o l l e n a l s W a-
r e n p r o d u z i e r t, a b e r n i c h t a l s W a r e n
a u s g e l a u s c h t w e r d e n. Gray überträgt einer Na-
tionalbank die Ausführung dieses frommen Wunsches. Einerseits
macht die Gesellschaft in der Form der Bank die Individuen un-
abhängig von den Bedingungen des Privataustausches, und ande-
rerseits läßt sie dieselben fortproduzieren auf der Grundlage des
Privataustausches. Die innere Konsequenz indes treibt Gray, eine
bürgerliche Produktionsbedingung nach der andern wegzuleugnen,
obgleich er bloß das aus dem Warenaustausch hervorgehende Geld
"reformieren" will. So verwandelter Kapital in Nationalkapital
*), das Grundeigentum in Nationaleigentum **), und wenn seiner
Bank auf die Finger gesehen wird, findet sich, daß sie nicht bloß
mit der einen Hand Waren empfängt und mit der andern Zertifikate
gelieferter Arbeit ausgibt, sondern die Produktion selbst regu-
liert. In seiner letzten Schrift "Lectures on money", worin Gray
ängstlich sein Arbeitsgeld als rein bürgerliche Reform darzustel-
len sucht, verwickelt er sich in noch schreiendem Widersinn.
Jede Ware ist unmittelbar Geld. Dies war Grays Theorie, abgelei-
tet aus seiner unvollständigen und daher falschen Analyse der
Ware. Die "organische" Konstruktion von "Arbeitsgeld" und
"Nationalbank" und "Warendocks" ist nur Traumgebild, worin das
Dogma als weltbeherrschendes Gesetz vorgegaukelt wird. Das Dogma,
daß die Ware unmittelbar Geld oder die in ihr enthaltene Sonder-
arbeit des Privatindividuums unmittelbar gesellschaftliche Arbeit
ist, wird natürlich nicht dadurch wahr, daß eine Bank an es
glaubt und ihm gemäß operiert. Der Bankerott würde in solchem
Falle vielmehr die Rolle der praktischen Kritik übernehmen. Was
bei Gray versteckt und namentlich ihm selbst verheimlicht bleibt,
nämlich daß das Arbeitsgeld eine ökonomisch klingende Phrase ist
für den frommen Wunsch, das Geld, mit dem Geld den Tauschwert,
mit dem Tauschwert die Ware und mit der Ware die bürgerliche Form
der Produktion loszuwerden, wird geradezu herausgesagt von eini-
gen englischen Sozialisten, die teils vor, teils nach Gray
schrieben. ***) Herrn Proudhon aber und seiner Schule blieb es
vorbehalten, die Degradation des G e l d e s und die Himmel-
fahrt der W a r e ernsthaft als Kern des Sozialismus
---
*) "Das Geschäft jedes Landes sollte auf der Grundlage eines na-
tionalen Kapitals geführt werden." (John Gray, "The Social System
etc.", p. 171.)
**) "Der Boden muß in Nationaleigentum umgewandelt werden" (l.c.
p. 298).
***) Sieh z.B. W. Thompson, "An Inquiry into the distribution of
wealth etc.", London 1824. Bray, "Labour's wrongs and labour's
remedy", Leeds 1839.
#69# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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zu predigen und damit den Sozialismus in ein elementares Mißver-
ständnis über den notwendigen Zusammenhang zwischen Ware und Geld
aufzulösen. *)
2. Zirkulationsmittel
Nachdem die Ware im Prozeß der Preisgebung ihre zirkulationsfä-
hige Form und das Gold seinen Geldcharakter erhalten hat, wird
die Zirkulation die Widersprüche, die der Austauschprozeß der Wa-
ren einschloß, zugleich darstellen und lösen. Der wirkliche Aus-
tausch der Waren, d.h. der gesellschaftliche Stoffwechsel, geht
vor in einem Formwechsel, worin sich die Doppelnatur der Ware als
Gebrauchswert und Tauschwert entfaltet, ihr eigener Formwechsel
sich aber zugleich in bestimmten Formen des Geldes kristalli-
siert. Die Darstellung dieses Formwechsels ist die Darstellung
der Zirkulation. Wie wir sahen, daß die Ware nur entwickelter
Tauschwert ist, wenn eine Welt von Waren und damit tatsächlich
entwickelte Teilung der Arbeit vorausgesetzt wird, so setzt die
Zirkulation allseitige Austauschakte und den beständigen Fluß ih-
rer Erneuerung voraus. Die zweite Voraussetzung ist, daß die Wa-
ren als p r e i s b e s t i m m t e Waren in den Austauschpro-
zeß eingehen oder innerhalb desselben als Doppelexistenzen für-
einander e r s c h e i n e n, reell als Gebrauchswerte, ideell
- im Preise - als Tauschwerte.
In den belebtesten Straßen Londons drängt sich Magazin an Maga-
zin, hinter deren hohlen Glasaugen alle Reichtümer der Welt pran-
gen, indische Shawls, amerikanische Revolver, chinesisches Por-
zellan, Pariser Korsetten, russische Pelzwerke und tropische Spe-
zereien, aber alle diese weltlustigen Dinge tragen an der Stirne
fatale weißliche Papiermarken, worin arabische Ziffern mit den
lakonischen Charakteren £, sh., d. eingegraben sind. Dies ist das
Bild der in der Zirkulation erscheinenden Ware.
a) Die Metamorphose der Waren
Bei näherer Betrachtung zeigt der Zirkulationsprozeß zwei ver-
schiedene Formen von Kreisläufen. Nennen wir die Ware W, das Geld
G, so können wir diese beiden Formen ausdrücken als:
W-G-W
G-W-G
---
*) Als Kompendium dieser melodramatischen Geldtheorie kann be-
trachtet werden: Alfred Darimon, "De la réforme des banques", Pa-
ris 1856.
#70# Karl Marx
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In diesem Abschnitt beschäftigt uns ausschließlich die erste
Form, oder die unmittelbare Form der Warenzirkulation.
Der Kreislauf W-G-W zerlegt sich in die Bewegung W-G, Austauschen
von Ware gegen Geld oder V e r k a u f e n; in die entgegenge-
setzte Bewegung G-W, Austauschen von Geld gegen Ware oder
K a u f e n, und in die Einheit beider Bewegungen W-G-W, Austau-
schen von Ware gegen Geld, um Geld gegen Ware auszutauschen, oder
V e r k a u f e n um zu K a u f e n. Als Resultat aber, worin
der Prozeß erlischt, ergibt sich W-W, Austausch von Ware gegen
Ware, der wirkliche Stoffwechsel.
W-G-W, wenn man vom Extrem der ersten Ware ausgeht, stellt ihre
Verwandlung in Gold und ihre Rückverwandlung aus Gold in Ware
dar, oder eine Bewegung, worin die Ware zuerst als besonderer Ge-
brauchswert existiert, dann diese Existenz abstreift, eine von
allem Zusammenhang mit ihrem naturwüchsigen Dasein losgelöste
Existenz als Tauschwert oder allgemeines Äquivalent gewinnt,
diese wieder abstreift und schließlich als wirklicher Gebrauchs-
wert für einzelne Bedürfnisse zurückbleibt. In dieser letzten
Form fällt sie aus der Zirkulation in die Konsumtion. Das Ganze
der Zirkulation W-G-W ist daher zunächst die Gesamtreihe der Me-
tamorphosen, welche jede einzelne Ware durchläuft, um unmittelba-
rer Gebrauchswert für ihren Inhaber zu werden. Die erste Metamor-
phose vollzieht sich in der ersten Hälfte der Zirkulation W-G,
die zweite in der andern Hälfte G-W, und die ganze Zirkulation
bildet das curriculum vitae 1*) der Ware. Aber die Zirkulation W-
G-W ist nur die Gesamtmetamorphose einer einzelnen Ware, indem
sie zugleich Summe von bestimmten einseitigen Metamorphosen ande-
rer Waren ist, denn jede Metamorphose der ersten Ware ist ihre
Verwandlung in eine andere Ware, also Verwandlung der andern Ware
in sie, also doppelseitige Verwandlung, die sich in demselben
Stadium der Zirkulation vollzieht. Wir haben zunächst jeden der
beiden Austauschprozesse, worin die Zirkulation W-G-W zerfällt,
isoliert zu betrachten.
W-G oder V e r k a u f: W, die Ware, tritt in den Zirkulations-
prozeß nicht nur als besonderer Gebrauchswert, z.B. als Tonne Ei-
sen, sondern als Gebrauchswert von bestimmtem Preis, sage von 3
Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d. oder einer Unze Gold. Dieser Preis,
während er einerseits der Exponent des im Eisen enthaltenen
Quantums Arbeitszeit, d.h. seiner Wertgröße ist, drückt zugleich
den frommen Wunsch des Eisens aus, Gold zu werden, d.h. der in
ihm selbst enthaltenen Arbeitszeit die Gestalt der allgemeinen
gesellschaftlichen Arbeitszeit zu geben. Gelingt diese
Transsubstantiation nicht, so hört
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1*) den Lebenslauf
#71# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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die Tonne Eisen auf, nicht nur Ware, sondern Produkt zu sein,
denn sie ist nur Ware, weil Nicht-Gebrauchswert für ihren Besit-
zer, oder seine Arbeit ist nur wirkliche Arbeit als nützliche Ar-
beit für andere, und sie ist nur nützlich für ihn als abstrakt
allgemeine Arbeit. Es ist daher die Aufgabe des Eisens oder sei-
nes Besitzers, den Punkt in der Warenwelt aufzufinden, wo Eisen
Gold anzieht. Diese Schwierigkeit, der salto mortale der Ware,
ist aber überwunden, wenn der Verkauf, wie hier in der Analyse
der einfachen Zirkulation unterstellt wird, wirklich vorgeht. In-
dem die Tonne Eisen durch ihre Veräußerung, d.h. ihr Übergehen
aus der Hand, wo sie Nicht-Gebrauchswert, in die Hand, worin sie
Gebrauchswert ist, sich als Gebrauchswert verwirklicht, reali-
siert sie zugleich ihren Preis und wird aus nur vorgestelltem
Gold wirkliches, Gold. An die Stelle des Namens Unze Gold oder 3
Pfd. St. 17 sh. 10 1/2 d. ist nun eine Unze wirklichen Goldes ge-
treten, aber die Tonne Eisen hat den Platz geräumt. Durch den
Verkauf W-G wird nicht nur die Ware, die in ihrem Preise ideell
in Gold verwandelt war, reell in Gold verwandelt, sondern durch
denselben Prozeß wird das Gold, das als Maß der Werte nur ideel-
les Gold war und in der Tat nur als Geldnamen der Waren selbst
figurierte, in wirkliches Geld verwandelt. *) Wie es ideell all-
gemeines Äquivalent wurde, weil alle Waren ihre Werte in ihm
maßen, wird es jetzt als Produkt der allseitigen Veräußerung der
Waren gegen es, und der Verkauf W-G ist der Prozeß dieser allge-
meinen Veräußerung, die absolut veräußerliche Ware, reelles Geld.
Gold wird aber nur im Verkauf reell Geld, weil die Tauschwerte
der Waren in den Preisen schon ideell Gold waren.
Im Verkauf W-G, ebenso wie im Kauf G-W, stehen sich zwei Waren
gegenüber, Einheiten von Tauschwert und Gebrauchswert, aber an
der Ware existiert ihr Tauschwert nur ideell als Preis, während
am Gold, obgleich es selbst ein wirklicher Gebrauchswert ist,
sein Gebrauchswert nur als Träger des Tauschwerts existiert und
daher nur als formaler, auf kein wirkliches individuelles Bedürf-
nis bezogener Gebrauchswert. Der Gegensatz von Gebrauchswert und
Tauschwert verteilt sich also polarisch an die beiden Extreme von
W-G, so daß die Ware dem Gold gegenüber Gebrauchswert ist, der
seinen ideellen Tauschwert, den Preis, erst im Gold realisieren
muß,
---
*) "Das Geld ist von zweierlei Art, ideales und reales; und es
wird in zwei verschiedenen Weisen gebraucht, um die Dinge zu
schätzen und um sie zu kaufen. Zum Schätzen ist das ideale Geld
geeignet, ebenso wie das reale und vielleicht auch besser. Der
andere Gebrauch des Geldes besteht im Kauf jener Dinge, die es
schätzt... Die Preise und die Kontrakte werden in idealem Gelde
geschätzt und in realem Gelde verwirklicht." (Galiani, l.c. pag.
112 seq.)
#72# Karl Marx
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während das Gold der Ware gegenüber Tauschwert ist, der seinen
formalen Gebrauchswert erst in der Ware materialisiert. Nur durch
diese Verdoppelung der Ware in Ware und Gold, und durch die wie-
der doppelte und entgegengesetzte Beziehung, worin jedes Extrem
ideell ist, was sein Gegenteil reell ist, und reell ist, was sein
Gegenteil ideell ist, also nur durch Darstellung der Waren als
doppelseitig polarischer Gegensätze lösen sich die in ihrem Aus-
tauschprozeß enthaltenen Widersprüche.
Wir haben bisher W-G als Verkauf betrachtet, Verwandlung von Ware
in Geld. Stellen wir uns aber auf die Seite des andern Extrems,
so erscheint derselbe Prozeß vielmehr als G-W, als Kauf, als
Verwandlung von Geld in Ware. Verkauf ist notwendig zugleich sein
Gegenteil, Kauf, das eine, wenn man den Prozeß von der einen, und
das andere, wenn man ihn von der andern Seite ansieht. Oder in
der Wirklichkeit unterscheidet sich der Prozeß nur, weil in W-G
die Initiative vom Extrem der Ware oder des Verkäufers, in G-W
vom Extrem des Geldes oder des Käufers ausgeht. Indem wir also
die erste Metamorphose der Ware, ihre Verwandlung in Geld als Re-
sultat des Durchlaufens des ersten Zirkulationsstadiums W-G dar-
stellen, unterstellen wir gleichzeitig, daß eine andere Ware sich
schon in Geld verwandelt hat, sich also schon im zweiten Zirkula-
tionsstadium G-W befindet. So geraten wir in einen fehlerhaften
Zirkel der Voraussetzungen. Die Zirkulation selbst ist dieser
fehlerhafte Zirkel. Betrachten wir G in W-G nicht schon als Meta-
morphose einer andern Ware, so nehmen wir den Austauschakt aus
dem Zirkulationsprozeß heraus. Außerhalb desselben verschwindet
aber die Form W-G, und es stehen sich nur noch zwei verschiedene
W, sage Eisen und Gold gegenüber, deren Austausch kein besonderer
Akt der Zirkulation, sondern des unmittelbaren Tauschhandels ist.
Gold ist Ware wie jede andere Ware an der Quelle seiner Produk-
tion. Sein relativer Wert und der des Eisens, oder jeder andern
Ware, stellt sich hier dar in den Quantitäten, worin sie sich
wechselseitig austauschen. Aber im Zirkulationsprozeß ist diese
Operation vorausgesetzt, in den Warenpreisen ist sein eigener
Wert bereits gegeben. Es kann daher nichts irriger sein, als die
Vorstellung, daß i n n e r h a l b d e s Z i r k u l a-
t i o n s p r o z e s s e s Gold und Ware in das Verhältnis des
unmittelbaren Tauschhandels treten und daher ihr relativer Wert
durch ihren Austausch als einfache Waren ermittelt wird. Wenn es
so scheint, als ob im Zirkulationsprozeß Gold als bloße Ware ge-
gen Waren ausgetauscht werde, entspringt der Schein einfach da-
her, daß in den Preisen bestimmte Quantität Ware schon bestimmtem
Quantum Gold gleichgesetzt, d.h. auf das Gold schon als Geld,
allgemeines Äquivalent, bezogen und d a h e r unmittelbar mit
ihm austauschbar ist. Soweit sich der Preis einer Ware im Gold
r e a l i s i e r t, tauscht sie sich gegen
#73# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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es als Ware aus, als besondere Materiatur der Arbeitszeit, aber
soweit es ihr Preis ist, der sich in ihm realisiert, tauscht sie
sich gegen es aus als Geld und nicht als Ware, d.h. gegen es als
allgemeine Materiatur der Arbeitszeit. In beiden Beziehungen aber
wird das Quantum Gold, wogegen sich die Ware innerhalb des Zirku-
lationsprozesses austauscht, nicht durch den Austausch bestimmt,
sondern der Austausch durch den Preis der Ware, d.h. ihren in
Gold geschätzten Tauschwert. *)
Innerhalb des Zirkulationsprozesses erscheint das Gold in jeder
Hand als Resultat des Verkaufs W-G. Da aber W-G, der Verkauf,
zugleich G-W, der Kauf, ist, zeigt sich, daß während W, die Ware,
wovon der Prozeß ausgeht, ihre erste Metamorphose, die andere
Ware, die als Extrem G gegenübersteht, ihre zweite Metamorphose
vollzieht und daher die zweite Hälfte der Zirkulation durchläuft,
während die erste Ware sich noch in der ersten Hälfte ihres Kur-
sus befindet.
Als Resultat des ersten Prozesses der Zirkulation, des Verkaufs,
ergibt sich der Ausgangspunkt des zweiten, das Geld. An die
Stelle der Ware in ihrer ersten Form ist ihr goldenes Äquivalent
getreten. Dies Resultat kann zunächst einen Ruhepunkt bilden, da
die Ware in dieser zweiten Form eigene ausharrende Existenz be-
sitzt. Die Ware, in der Hand ihres Inhabers kein Gebrauchswert,
ist jetzt in stets brauchbarer, weil stets austauschbarer Form
vorhanden, und es hängt von Umständen ab, wann und an welchem
Punkte auf der Oberfläche der Warenwelt sie wieder in Zirkulation
tritt. Ihre Goldverpuppung bildet einen selbständigen Abschnitt
in ihrem Leben, worin sie kürzer oder länger verweilen kann. Wäh-
rend im Tauschhandel der Austausch eines besondern Gebrauchswerts
unmittelbar an den Austausch eines andern besondern Gebrauchs-
werts gebunden ist, erscheint der allgemeine Charakter der
Tauschwert setzenden Arbeit in der Trennung und dem gleichgülti-
gen Auseinanderfallen der Akte des Kaufs und Verkaufs.
G-W, d e r K a u f, ist die umgekehrte Bewegung von W-G und
zugleich die zweite oder Schlußmetamorphose der Ware. Als Gold
oder in ihrem Dasein als allgemeines Äquivalent ist die Ware un-
mittelbar darstellbar in den Gebrauchswerten aller andern Waren,
die in ihren Preisen alle das Gold zugleich als ihr Jenseits an-
streben, zugleich aber die Note anzeigen, worin es erklingen muß,
damit ihre Leiber, die Gebrauchswerte, auf Seite des Geldes,
---
*) Es verhindert dies natürlich nicht, daß der Marktpreis der Wa-
ren über oder unter ihrem Wert stehen kann. Diese Rücksicht je-
doch ist der einfachen Zirkulation fremd und gehört einer ganz
andern, später zu betrachtenden Sphäre an, wo wir das Verhältnis
von Wert und Marktpreis untersuchen werden.
#74# Karl Marx
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ihre Seele, der Tauschwert, aber in das Gold selbst springt. Das
allgemeine Produkt der Veräußerung der Waren ist die absolut ver-
äußerliche Ware. Es existiert keine qualitative, sondern nur noch
eine quantitative Schranke für die Verwandlung des Goldes in
Ware, die Schranke seiner eigenen Quantität oder Wertgröße. "Es
ist alles zu haben für bar Geld." Während die Ware in der Bewe-
gung W-G durch Entäußerung als Gebrauchswert ihren eigenen Preis
und den Gebrauchswert des fremden Geldes realisiert, realisiert
sie in der Bewegung G-W durch ihre Entäußerung als Tauschwert ih-
ren eigenen Gebrauchswert und den Preis der andern Ware. Wenn die
Ware durch Realisierung ihres Preises zugleich das Gold in wirk-
liches Geld, verwandelt sie durch ihre Rückverwandlung das Gold
in ihr eigenes bloß verschwindendes Gelddasein. Da die Warenzir-
kulation entwickelte Teilung der Arbeit voraussetzt, also Viel-
seitigkeit der Bedürfnisse des einzelnen in umgekehrtem Ver-
hältnis zur Einseitigkeit seines Produkts, wird der Kauf G-W sich
bald in einer Gleichung mit einem Warenäquivalent darstellen,
bald zersplittern in eine jetzt durch den Kreis der Bedürfnisse
des Käufers und die Größe seiner Geldsumme umschriebene Reihe von
Warenäquivalenten. - Wie der Verkauf zugleich Kauf, so ist der
Kauf zugleich Verkauf, G-W zugleich W-G, aber die Initiative ge-
hört hier dem Gold oder dem Käufer.
Kehren wir nun zur Gesamtzirkulation W-G-W zurück, so zeigt sich,
daß in ihr eine Ware die Gesamtreihe ihrer Metamorphosen durch-
läuft. Gleichzeitig aber, während sie die erste Hälfte der Zirku-
lation beginnt und die erste Metamorphose vollzieht, tritt eine
zweite Ware in die zweite Hälfte der Zirkulation, vollzieht ihre
zweite Metamorphose und fällt aus der Zirkulation heraus, und um-
gekehrt tritt die erste Ware in die zweite Hälfte der Zirkula-
tion, vollzieht ihre zweite Metamorphose und fällt aus der Zirku-
lation heraus, während eine dritte Ware in die Zirkulation ein-
tritt, die erste Hälfte ihres Kursus durchmacht und die erste Me-
tamorphose vollzieht. Die Gesamtzirkulation W-G-W als Gesamtmeta-
morphose einer Ware ist also stets zugleich das Ende der Gesamt-
metamorphose einer zweiten und der Beginn der Gesamtmetamorphose
einer dritten Ware, also eine Reihe ohne Anfang und Ende. Be-
zeichnen wir zur Verdeutlichung, um die Waren zu unterscheiden, W
in beiden Extremen verschieden, z.B. als W'-G-W''. In der Tat,
das erste Glied W'-G unterstellt G als Resultat eines andern W-G,
ist also selbst nur das letzte Glied von W-G-W', während das
zweite Glied G-W'' in seinem Resultat W''-G ist, also selbst sich
darstellt als erstes Glied von W''-G-W''' usw. Ferner zeigt es
sich, daß das letzte Glied G-W, obgleich G Resultat nur eines
Verkaufs ist, sich darstellen kann als G-W'+G-W''+G-W''+ etc.,
sich also in eine Masse Käufe, d.h. eine Masse
#75# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Verkäufe, d.h. eine Masse erster Glieder von neuen Gesamtmetamor-
phosen von Waren zersplittern kann. Wenn also die Gesamtmetamor-
phose einer einzelnen Ware sich nicht nur als Glied einer an-
fangs- und endlosen Metamorphosenkette, sondern vieler solcher
Ketten darstellt, stellt sich der ZirkuIationsprozeß der Waren-
welt, da jede einzelne Ware die Zirkulation W-G-W durchläuft, als
ein unendlich verschlungenes Kettengewirr dieser an unendlich
verschiedenen Punkten stets endenden und stets neu beginnenden
Bewegung dar. Jeder einzelne Verkauf oder Kauf besteht aber
zugleich als ein gleich gültiger und isolierter Akt, dessen
ergänzender Akt zeitlich und räumlich von ihm getrennt sein kann
und sich daher nicht als Fortsetzung unmittelbar an ihn
anzuschließen braucht. Indem jeder besondere Zirkulationsprozeß
W-G oder G-W als Verwandlung einer Ware in Gebrauchswert und der
andern Ware in Geld, als erstes und zweites Stadium der
Zirkulation, nach zwei Seiten hin einen selbständigen Ruhepunkt
bildet, andererseits aber alle Waren in der ihnen gemein-
schaftlichen Gestalt des allgemeinen Äquivalents, des Goldes,
ihre zweite Metamorphose beginnen und sich an den Ausgangspunkt
der zweiten Zirkulationshälfte stellen, reiht sich in der
wirklichen Zirkulation ein beliebiges G-W an ein beliebiges W-G,
das zweite Kapitel im Lebenslauf einer Ware an das erste Kapitel
im Lebenslauf der andern. A z.B. verkauft Eisen für 2 Pfd. St.,
vollzieht also W-G oder die erste Metamorphose der Ware Eisen,
verschiebt aber den Kauf für spätere Zeit. Gleichzeitig kauft B,
der 14 Tage früher 2 Quarter Weizen für 6 Pfd. St. verkauft
hatte, mit denselben 6 Pfd. St. Rock und Hose von Moses und Sohn,
vollzieht also G-W oder die zweite Metamorphose der Ware Weizen.
Diese beiden Akte G-W und W-G erscheinen hier nur als Glieder
einer Kette, weil in G, im Gold, eine Ware aussieht wie die
andere und im Gold nicht wiederzuerkennen ist, ob es metamor-
phosiertes Eisen oder metamorphosierter Weizen. Im wirklichen
Zirkulationsprozeß stellt sich also W-G-W dar als unendlich
zufälliges Nebeneinander und Nacheinander buntgewürfelter Glieder
verschiedener Gesamtmetamorphosen. Der wirkliche Zirkulations-
prozeß e r s c h e i n t also nicht als Gesamtmetamorphose der
Ware, nicht als ihre Bewegung durch entgegengesetzte Phasen,
sondern als bloßes Aggregat vieler zufällig nebeneinander lau-
fender oder einander folgender Käufe und Verkäufe. Die Formbe-
stimmtheit des Prozesses ist so ausgelöscht, und um so voll-
ständiger als jeder einzelne Zirkulationsakt, z.B. der Verkauf,
zugleich sein Gegenteil, der Kauf, ist und umgekehrt. Andrerseits
i s t der Zirkulationsprozeß die Bewegung der Metamorphosen der
Warenwelt und muß sie daher auch in seiner Gesamtbewegung
widerspiegeln. Wie er sie reflektiert, betrachten wir im
folgenden Abschnitt. Hier mag nur noch bemerkt werden,
#76# Karl Marx
-----
daß in W-G-W die beiden Extreme W nicht in derselben Formbezie-
hung zu G stehen. Das erste W verhält sich als besondere Ware zum
Geld als der allgemeinen Ware, während Geld als die allgemeine
Ware sich zum zweiten W als einzelner Ware verhält. W-G-W kann
daher abstrakt logisch auf die Schlußform B-A-E reduziert werden,
worin die Besonderheit das erste Extrem, die Allgemeinheit die
zusammenschließende Mitte und die Einzelheit das letzte Extrem
bildet.
Die Warenbesitzer traten in den Zirkulationsprozeß einfach als
Hüter von Waren. Innerhalb desselben treten sie sich in der ge-
gensätzlichen Form von Käufer und Verkäufer gegenüber, der eine
personifizierter Zuckerhut, der andere personifiziertes Gold. Wie
nun der Zuckerhut Gold wird, wird der Verkäufer Käufer. Diese be-
stimmten sozialen Charaktere entspringen also keineswegs aus der
menschlichen Individualität überhaupt, sondern aus den Austausch-
verhältnissen von Menschen, die ihre Produkte in der bestimmten
Form der Ware produzieren. Es sind so wenig rein individuelle
Verhältnisse, die sich im Verhältnis des Käufers und Verkäufers
ausdrücken, daß beide nur in diese Beziehung treten, soweit ihre
individuelle Arbeit verneint, nämlich als Arbeit feines Individu-
ums Geld wird. So albern es daher ist, diese ökonomisch bürgerli-
chen Charaktere von Käufer und Verkäufer als ewige gesell-
schaftliche Formen der menschlichen Individualität aufzufassen,
ebenso verkehrt ist es, sie als Aufhebung der Individualität zu
betränen. *) Sie sind notwendige Darstellung der Individualität
auf Grundlage einer bestimmten Stufe
---
*) Wie tief selbst die ganz oberflächliche Form des Antagonismus,
der sich in Kauf und Verkauf darstellt, schöne Seelen verwundet,
zeigt der folgende Auszug aus Herrn Isaac Péreires "Leçons sur
l'industrie et les finances", Paris 1832. Daß derselbe Isaac der
als Erfinder und Diktator des Credit mobilier [18] berüchtigte
Pariser Börsenwolf ist, zeigt zugleich, was es mit der sentimen-
talen Kritik der Ökonomie auf sich hat. Herr Péreire, damals ein
Apostel St. Simons, sagt: "Weil die Individuen isoliert sind, die
einen von den andern getrennt, sei es in ihren Arbeiten, sei es
für die Konsumtion, darum gibt es unter ihnen Austausch der Pro-
dukte ihrer respektiven Gewerbe. Aus der Notwendigkeit des Tau-
sches entspringt die Notwendigkeit, den relativen Wert der Gegen-
stände zu bestimmen. Die Ideen vom Wert und vom Tausch sind also
eng verbunden, und alle beide drücken in ihrer wirklichen Form
den Individualismus und den Antagonismus aus... Man kann den Wert
der Produkte nur festsetzen, weil es Verkauf und Kauf gibt, mit
andern Worten, Antagonismus zwischen den verschiedenen Gliedern
der Gesellschaft. Man konnte sich nur da mit Preis, mit Wert be-
schäftigen, wo es Verkauf und Kauf gab, das heißt, wo jedes Indi-
viduum gezwungen war zu k ä m p f e n, um sich die zur Erhal-
tung der Existenz notwendigen Gegenstände zu verschaffen." (l.c.
pag. 2, 3 passim.)
#77# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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des gesellschaftlichen Produktionsprozesses. Im Gegensatz von
Käufer und Verkäufer drückt sich zudem die antagonistische Natur
der bürgerlichen Produktion noch so oberflächlich und formell
aus, daß dieser Gegensatz auch vorbürgerlichen Gesellschaftsfor-
men angehört, indem er bloß erheischt, daß die Individuen sich
aufeinander als Inhaber von Waren beziehen.
Betrachten wir nun das Resultat von W- G-W, so sinkt es zusammen
in den Stoffwechsel W-W. Ware ist gegen Ware, Gebrauchswert gegen
Gebrauchswert ausgetauscht worden, und die Geldwerdung der Ware,
oder die Ware als Geld, dient nur zur Vermittlung dieses Stoff-
wechsels. Das Geld erscheint so als bloßes T a u s c h-
m i t t e l der Waren, aber nicht als Tauschmittel überhaupt,
sondern durch den Zirkulationsprozeß charakterisiertes Tausch-
mittel, d.h. Z i r k u l a t i o n s m i t t e l. *)
Daraus, daß der Zirkulationsprozeß der Waren erlischt in W-W und
daher bloß durch Geld vermittelter Tauschhandel zu sein scheint,
oder daß überhaupt W-G-W nicht nur in zwei isolierte Prozesse
zerfällt, sondern zugleich ihre bewegte Einheit darstellt,
schließen wollen, daß nur die Einheit und nicht die Trennung zwi-
schen Kauf und Verkauf existiert, ist eine Manier des Denkens,
deren Kritik in die Logik und nicht in die Ökonomie gehört. Wie
die Trennung im Austauschprozeß von Kauf und Verkauf lokal-natur-
wüchsige, angestammt fromme, gemütlich alberne Schranken des
gesellschaftlichen Stoffwechsels sprengt, ist sie zugleich die
allgemeine Form der Zerreißung seiner zusammengehörigen Momente
und ihrer Festsetzung gegeneinander, mit einem Wort, die allge-
meine Möglichkeit der Handelskrisen, jedoch nur, weil der Gegen-
satz von Ware und Geld die abstrakte und allgemeine Form aller in
der bürgerlichen Arbeit enthaltenen Gegensätze ist. Geldzirkula-
tion kann daher stattfinden ohne Krisen, aber Krisen können nicht
stattfinden ohne Geldzirkulation. Dieses heißt jedoch nur, daß
da, wo die auf Privataustausch beruhende Arbeit noch nicht einmal
zur Geldbildung fortgegangen ist, sie natürlich noch weniger Phä-
nomene hervorbringen kann, welche die volle Entwicklung des bür-
gerlichen Produktionsprozesses voraussetzen. Man kann daher die
Tiefe der Kritik messen, die durch Abschaffung des "Privilegiums"
der edeln Metalle und durch ein sogenanntes "rationelles Geld-
system" die "Mißstände" der bürgerlichen Produktion beseitigen
will. Als Probe ökonomistischer Apologetik andererseits mag eine
Wendung hinreichen,
---
*) "Das Geld ist nur das Mittel und die bewegende Kraft, während
die dem Leben nützlichen Waren das Ziel und der Zweck sind."
Boisguillebert, "Le détail de la France", 1697, in Eugène Daires
"Economistes financiers du XVIII. siècle", vol. I, Paris 1843,
pag. 210.
#78# Karl Marx
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die als außerordentlich scharfsinnig verschrien ist. James Mill,
der Vater des bekannten englischen Ökonomen John Stuart Mill,
sagt:
"Es kann nie einen Mangel an Käufern für alle Waren geben. Wer
immer eine Ware zum Verkauf darbietet, verlangt eine Ware im Aus-
tausch dafür zu erhalten, und ist daher Käufer durch das bloße
Faktum, daß er Verkäufer ist. Käufer und Verkäufer aller Waren
zusammengenommen, müssen sich daher durch eine metaphysische
Notwendigkeit das Gleichgewicht halten. Wenn daher mehr Verkäufer
als Käufer von einer Ware da sind, muß es mehr Käufer als Verkäu-
fer von einer andern Ware geben." *)
Mill stellt das Gleichgewicht dadurch her, daß er den Zirkulati-
onsprozeß in unmittelbaren Tauschhandel verwandelt, in den unmit-
telbaren Tauschhandel aber wieder die dem Zirkulationsprozeß ent-
lehnten Figuren von Käufer und Verkäufer hineinschmuggelt. In
seiner Sprachverwirrung zu reden, gibt es in solchen Momenten, wo
alle Waren unverkaufbar sind, wie z.B. zu London und Hamburg,
während bestimmter Momente der Handelskrise 1857/58, in der Tat
mehr Käufer als Verkäufer von einer Ware, dem G e l d, und mehr
Verkäufer als Käufer von a l l e m a n d e r e n G e l d, den
Waren. Das metaphysische Gleichgewicht der Käufe und Verkäufe be-
schränkt sich darauf, daß jeder Kauf ein Verkauf und jeder Ver-
kauf ein Kauf ist, was kein sonderlicher Trost für die Warenhü-
ter, die es nicht zum Verkauf, also auch nicht zum Kauf bringen.
**)
---
*) November 1807 erschien in England eine Schrift von William
Spence unter dem Titel: "Britain independent of commerce", deren
Prinzip William Cobbett in seinem "Political Register" unter der
drastischeren Form "Perish commerce" weiter ausführte. Dagegen
veröffentlichte James Mill 1808 seine "Defence of commerce",
worin sich das im Text aus seinen "Elements of political economy"
entlehnte Argument schon findet. In seiner Polemik mit Sismondi
und Malthus über die Handelskrisen eignete sich J.-B. Say den ar-
tigen Fund an, und da es unmöglich wäre zu sagen, mit welchem
neuen Einfall dieser komische "prince de la science" 1*) die po-
litische Ökonomie bereichert hätte - sein Verdienst bestand viel-
mehr in der Unparteilichkeit, womit er seine Zeitgenossen Mal-
thus, Sismondi und Ricardo gleichmäßig mißverstand -, haben seine
kontinentalen Bewunderer ihn als Heber jenes Schatzes vom
metaphysischen Gleichgewicht der Käufe und Verkäufe ausposaunt.
**) Die Manier, worin die Ökonomen die verschiedenen Formbestim-
mungen der Ware darstellen, mag man aus folgenden Beispielen er-
sehen:
"Im Besitze von Geld brauchen wir nur einen Tausch zu machen, um
den Gegenstand des Wunsches zu erlangen, während wir mit anderen
Surplusprodukten zwei machen müssen, von denen der erste
(Besorgung des Geldes) unendlich schwieriger
-----
1*) "Fürst der Wissenschaft"
#79# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Die Trennung zwischen Verkauf und Kauf macht mit dem eigentlichen
Handel eine Masse Scheintransaktionen vor dem definitiven Aus-
tausch zwischen Warenproduzenten und Warenkonsumenten möglich.
Sie befähigt so eine Masse Parasiten, sich in den Produktionspro-
zeß einzudrängen und die Scheidung auszubeuten. Dies heißt aber
wieder nur, daß mit dem Geld als der allgemeinen Form der bürger-
lichen Arbeit die M ö g l i c h k e i t der Entwicklung ihrer
Widersprüche gegeben ist.
b) Der Umlauf des Geldes
Die wirkliche Zirkulation stellt sich zunächst dar als eine Masse
zufällig nebeneinanderlaufender Käufe und Verkäufe. Im Kauf wie
im Verkauf stehen sich Ware und Geld stets in derselben Beziehung
gegenüber, der Verkäufer auf Seite der Ware, der Käufer auf Seite
des Geldes. Geld als Zirkulationsmittel erscheint daher stets als
K a u f m i t t e l, womit seine unterschiedenen Bestimmungen in
den entgegengesetzten Phasen der Warenmetamorphose unerkenntlich
geworden sind.
Das Geld geht in demselben Akt in die Hand des Verkäufers über,
worin die Ware in die Hand des Käufers übergeht. Ware und Geld
laufen also in entgegengesetzter Richtung, und dieser Stellen-
wechsel, worin die Ware auf die eine, und das Geld auf die andre
Seite tritt, vollzieht sich gleichzeitig an unbestimmt vielen
Punkten auf der ganzen Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft.
Der erste Schritt aber, den die Ware in die Zirkulation tut, ist
zugleich ihr letzter Schritt. *) Ob sie aus der Stelle rückt,
weil Gold von ihr
---
ist als der zweite." Opdyke, G., "A treatise on political eco-
nomy", New York, pag. 287 bis 288.
"Die höhere Verkaufbarkeit von Geld ist gerade die Wirkung oder
natürliche Konsequenz der geringeren Verkaufbarkeit von Waren."
(Corbet. Th., "An inquiry into the causes and modes of the wealth
of individuals etc.", London 1841, pag. 117.) "Geld hat die Ei-
genschaft, immer gegen das austauschbar zu sein, was es mißt."
Bosanquet, "Metallic, Paper and Credit Currency etc.", London
1842, p. 100.
"Geld kann immer andere Waren kaufen, während andere Waren nicht
immer Geld kaufen können." Tooke, Th., "An Inquiry into the Cur-
rency Principle", 2. ed., London 1844, p. 10.
*) Dieselbe Ware kann mehrmals gekauft und wieder verkauft wer-
den. Sie zirkuliert dann nicht als bloße Ware, sondern in einer
Bestimmung, die auf dem Standpunkt der einfachen Zirkulation, des
einfachen Gegensatzes von Ware und Geld, nicht vorhanden ist.
#80# Karl Marx
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(W-G), oder weil sie vom Gold angezogen wird (G-W), mit dem einen
Ruck, dem einen Stellenwechsel, fällt sie aus der Zirkulation in
die Konsumtion. Die Zirkulation ist fortwährende Bewegung von Wa-
ren, aber von stets andern Waren, und jede Ware bewegt sich nur
einmal. Jede Ware beginnt die zweite Hälfte ihrer Zirkulation
nicht als dieselbe Ware, sondern als eine andere Ware, als Gold.
Die Bewegung der metamorphosierten Ware ist also die Bewegung des
Goldes. Dasselbe Stück Geld oder das identische Goldindividuum,
das im Akt W-G einmal die Stelle gewechselt hat mit einer Ware,
erscheint umgekehrt wieder als Ausgangspunkt von G - W und wech-
selt so die Stelle zum zweiten Male mit einer andern Ware. Wie es
aus der Hand des Käufers B in die Hand des Verkäufers A, geht es
nun aus der Hand des Käufers gewordenen A in die Hand von C über.
Die Formbewegung einer Ware, ihre Verwandlung in Geld und ihre
Rückverwandlung aus Geld, oder die Bewegung der Gesamtmetamor-
phose der Ware stellt sich also dar als die äußerliche Bewegung
desselben Geldstücks, das zweimal die Stellen mit zwei verschie-
denen Waren wechselt. So zersplittert und zufällig Käufe und Ver-
käufe nebeneinanderfallen, stets steht in der wirklichen Zirkula-
tion einem Käufer ein Verkäufer gegenüber, und das Geld, das an
die Stelle der verkauften Ware rückt, muß, bevor es in die Hand
des Käufers kam, schon einmal die Stelle mit einer andern Ware
gewechselt haben. Andrerseits geht es früher oder später wieder
aus der Hand des Käufers gewordenen Verkäufers in die eines neuen
Verkäufers über, und in dieser öfteren Wiederholung seines Stel-
lenwechsels drückt es die Verkettung der Metamorphosen der Waren
aus. Dieselben Geldstücke rücken also, stets in entgegengesetzter
Richtung zu den bewegten Waren, das eine häufiger, das andere
minder häufig, von einer Stelle der Zirkulation zur andern, und
beschreiben daher einen längern oder kürzern Zirkulationsbogen.
Diese verschiedenen Bewegungen desselben Geldstücks können nur in
der Zeit aufeinanderfolgen, wie umgekehrt die Vielheit und Zer-
splitterung der Käufe und Verkäufe in dem gleichzeitigen, räum-
lich nebeneinander laufenden einmaligen Stellenwechsel von Waren
und Geld erscheint.
Die Warenzirkulation W- G-W in ihrer einfachen Form vollzieht
sich im Übergang des Geldes aus der Hand des Käufers in die des
Verkäufers und aus der Hand des Käufers gewordenen Verkäufers in
die eines neuen Verkäufers. Damit ist die Metamorphose der Ware
beendet und folglich die Bewegung des Geldes, soweit sie ihr Aus-
druck. Da aber stets neue Gebrauchswerte als Waren produziert und
daher stets von neuem in die Zirkulation geworfen werden müssen,
wiederholt und erneuert sich W-G-W von Seiten derselben Warenbe-
sitzer. Das Geld, das sie als Käufer ausgegeben, kehrt in
#81# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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ihre Hand zurück, sobald sie von neuem als Verkäufer von Waren
erscheinen. Die beständige Erneuerung der Warenzirkulation spie-
gelt sich so darin ab, daß das Geld nicht nur beständig rouliert
aus einer Hand in die andere, über die ganze Oberfläche der bür-
gerlichen Gesellschaft, sondern zugleich eine Summe verschiedener
kleiner Kreisläufe beschreibt, ausgehend von unendlich ver-
schiedenen Punkten und zurückkehrend zu denselben Punkten, um von
neuem dieselbe Bewegung zu wiederholen.
Wenn der Formwechsel der Waren als bloßer Stellenwechsel des
Geldes erscheint und die Kontinuität der Zirkulationsbewegung
ganz auf Seite des Geldes fällt, indem die Ware immer nur einen
Schritt in entgegengesetzter Richtung mit dem Geld, das Geld aber
stets den zweiten Schritt für die Ware tut und B sagt, wo die
Ware A gesagt hat, so s c h e i n t die ganze Bewegung vom Geld
auszugehen, obgleich die Ware beim Verkauf das Geld aus seiner
Stelle zieht, also ebensowohl das Geld zirkuliert, wie sie vom
Geld im Kauf zirkuliert wird. Da das Geld ihr ferner stets in
derselben Beziehung als K a u f m i t t e l gegenübertritt, als
solches die Waren aber nur bewegt durch Realisieren ihres Prei-
ses, erscheint die ganze Bewegung der Zirkulation so, daß Geld
den Platz mit den Waren wechselt, indem es ihre Preise reali-
siert, sei es in gleichzeitig nebeneinander vorgehenden, beson-
dern Zirkulationsakten, sei es sukzessiv, indem dasselbe Geld-
stück verschiedene Warenpreise der Reihe nach realisiert. Be-
trachten wir z.B. W-G-W'-G-W''-G-W''' etc. ohne Rücksicht auf die
qualitativen Momente, die im wirklichen Zirkulationsprozeß uner-
kenntlich werden, so zeigt sich nur dieselbe monotone Operation.
G, nachdem es den Preis von W realisiert hat, realisiert der
Reihe nach die Preise von W'-W'' usw., und die Waren W'-W''-W'''
usw. treten stets an die Stelle, die das Geld verläßt. Das Geld
scheint also die Waren zu zirkulieren, indem es ihre Preise re-
alisiert. In dieser Funktion des Realisierens der Preise zirku-
liert es selbst beständig, indem es bald bloß eine Stelle wech-
selt, bald einen Zirkulationsbogen durchläuft, bald einen kleinen
Kreis beschreibt, wo Ausgangspunkt und Punkt der Rückkehr zusam-
menfallen. Als Zirkulationsmittel hat es seine eigene Zirkula-
tion. Die Formbewegung der prozessierenden Waren erscheint daher
als seine eigene, den Austausch der an sich bewegungslosen Waren
vermittelnde Bewegung. Die Bewegung des Zirkulationsprozesses der
Waren stellt sich also dar in der Bewegung des Geldes 1*) als
Zirkulationsmittel - im G e l d u m l a u f.
Wie die Warenbesitzer die Produkte ihrer Privatarbeiten als Pro-
dukte gesellschaftlicher Arbeit darstellten, indem sie ein Ding,
Gold, in unmittelbares
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1*) (1859) Goldes
#82# Karl Marx
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Dasein der allgemeinen Arbeitszeit und darum in Geld verwandel-
ten, so tritt ihnen jetzt ihre eigene allseitige Bewegung, wo-
durch sie den Stoffwechsel ihrer Arbeiten vermitteln, als eigen-
tümliche Bewegung eines Dings gegenüber, als Umlauf des Goldes.
Die gesellschaftliche Bewegung selbst ist für die Warenbesitzer
einerseits äußerliche Notwendigkeit, andrerseits bloß formeller
vermittelnder Prozeß, der jedes Individuum befähigt, für den Ge-
brauchswert, den es in die Zirkulation wirft, andere Gebrauchs-
werte von demselben Wertumfang aus ihr herauszuziehen. Der Ge-
brauchswert der Ware beginnt mit ihrem Herausfallen aus der Zir-
kulation, während der Gebrauchswert des Geldes 1*) als Zirkulati-
onsmittel sein Zirkulieren selbst ist. Die Bewegung der Ware in
der Zirkulation ist nur ein verschwindendes Moment, während rast-
loses Umhertreiben in ihr zur Funktion des Geldes wird. Diese
seine eigentümliche Funktion innerhalb des Zirkulationsprozesses
gibt dem Geld als Zirkulationsmittel neue Formbestimmtheit, die
nun näher zu entwickeln ist.
Zunächst leuchtet ein, daß der Geldumlauf eine unendlich zer-
splitterte Bewegung ist, da sich in ihm die unendliche Zersplit-
terung des Zirkulationsprozesses in Käufe und Verkäufe und das
gleichgültige Auseinanderfallen der sich ergänzenden Phasen der
Warenmetamorphose widerspiegeln. In den kleinen Kreisläufen des
Geldes, wo Ausgangspunkt und Punkt der Rückkehr zusammenfallen,
zeigt sich zwar sich zurückbiegende Bewegung, wirkliche Kreisbe-
wegung, aber einmal sind ebenso viele Ausgangspunkte da wie Wa-
ren, und schon durch ihre unbestimmte Vielheit entziehen sich
diese Kreisläufe aller Kontrolle, Messung und Berechnung. Ebenso-
wenig ist die Zeit bestimmt zwischen der Entfernung und der Rück-
kehr zum Ausgangspunkt. Auch ist es gleichgültig, ob ein solcher
Kreislauf in einem gegebenen Fall beschrieben wird oder nicht.
Kein ökonomisches Faktum ist allgemeiner bekannt, als daß einer
Geld mit der einen Hand ausgeben kann, ohne daß er es mit der an-
dern wieder einnimmt. Geld geht von unendlich verschiedenen Punk-
ten aus und kehrt an unendlich verschiedenen Punkten zurück, aber
das Zusammenfallen von Ausgangspunkt und Rückkehrpunkt ist zufäl-
lig, weil in der Bewegung W-G-W die Rückverwandlung des Käufers
in Verkäufer nicht notwendig bedingt ist. Noch weniger aber
stellt der Geldumlauf eine Bewegung dar, die von einem Zentrum
nach allen Punkten der Peripherie ausstrahlt, und von allen Punk-
ten der Peripherie nach demselben Zentrum zurückkehrt. Der soge-
nannte Zirkellauf des Geldes, wie er als Bild vorschwebt, be-
schränkt sich darauf, daß auf allen Punkten sein Erscheinen und
sein
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1*) (1859) Goldes
#83# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Verschwinden, sein rastloser Stellenwechsel gesehen wird. In ei-
ner höhern vermittelnden Form der Geldzirkulation, z.B. der
Banknotenzirkulation, werden wir finden, daß die Bedingungen der
Ausgabe des Geldes die Bedingungen seiner Rückströmung einschlie-
ßen. Für die einfache Geldzirkulation ist es dagegen zufällig,
daß derselbe Käufer wieder Verkäufer wird. Wo sich wirkliche Zir-
kelbewegungen konstant in ihr zeigen, sind sie bloße Widerspiege-
lung tieferer Produktionsprozesse. Z.B. der Fabrikant nimmt am
Freitag Geld von seinem Bankier, zahlt es am Samstag seinen Ar-
beitern aus, diese zahlen den größten Teil desselben gleich weg
an Krämer usw., und letztere bringen es am Montag zum Bankier zu-
rück.
Wir haben gesehn, daß das Geld in den räumlich bunt nebeneinan-
derfallenden Käufen und Verkäufen eine gegebene Masse von Preisen
gleichzeitig realisiert und nur einmal die Stelle mit den Waren
wechselt. Andrerseits aber, soweit in seiner Bewegung die Bewe-
gung der Gesamtmetamorphosen der Waren und die Verkettung dieser
Metamorphosen erscheint, realisiert dasselbe Geldstück die Preise
verschiedener Waren und vollzieht so eine größere oder geringere
Anzahl von Umläufen. Nehmen wir also den Zirkulationsprozeß eines
Landes in einem gegebenen Zeitabschnitt, einem Tag z.B., so wird
die zur Realisation der Preise und daher zur Zirkulation der Wa-
ren erheischte Goldmasse bestimmt sein durch das doppelte Moment
einerseits der Gesamtsumme dieser Preise, andrerseits der
Durchschnittsanzahl der Umläufe derselben Goldstücke. Diese An-
zahl der Umläufe oder die Geschwindigkeit des Geldumlaufs ist ih-
rerseits wieder bestimmt oder drückt nur aus die Durchschnittsge-
schwindigkeit, worin die Waren die verschiedenen Phasen ihrer Me-
tamorphose durchlaufen, worin diese Metamorphosen sich als Kette
fortsetzen und worin die Waren, die ihre Metamorphosen durchlau-
fen haben, durch neue Waren im Zirkulationsprozeß ersetzt werden.
Während also in der Preisgebung der Tauschwert aller Waren ideell
in ein Goldquantum von derselben Wertgröße verwandelt und in den
beiden isolierten Zirkulationsakten G-W und W-G dieselbe
Wertsumme doppelt vorhanden war, auf der einen Seite in Ware, auf
der andern in Gold, ist das Dasein des Goldes als Zirkulations-
mittel bestimmt nicht durch seine isolierte Beziehung auf die
einzelnen ruhenden Waren, sondern durch sein bewegtes Dasein in
der prozessierenden Warenwelt; durch seine Funktion, in seinem
Stellenwechsel den Formwechsel der Waren, also durch die
Geschwindigkeit seines Stellenwechsels die Geschwindigkeit ihres
Formwechsels darzustellen. Sein wirkliches Vorhandensein im Zir-
kulationsprozeß, d.h. die wirkliche Masse Gold, die zirkuliert,
ist also nun bestimmt durch sein funktionierendes Dasein im Ge-
samtprozeß selbst.
#84# Karl Marx
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Die Voraussetzung der Geldzirkulation ist die Warenzirkulation,
und zwar zirkuliert das Geld Waren, die Preise haben, d. h. ide-
ell schon bestimmten Goldquantitäten gleichgesetzt sind. In der
Preisbestimmung der Waren selbst ist die Wertgröße des als Maß-
einheit dienenden Goldquantums oder der Wert des Goldes als gege-
ben vorausgesetzt. Unter dieser Voraussetzung also ist das für
die Zirkulation erheischte Quantum Gold zunächst bestimmt durch
die Gesamtsumme der zu realisierenden Warenpreise. Diese Gesamt-
summe selbst aber ist bestimmt 1. durch den Preisgrad, die rela-
tive Höhe oder Niedrigkeit der in Gold geschätzten Tauschwerte
der Waren und 2. durch die Masse der zu bestimmten Preisen zirku-
lierenden Waren, also durch die Masse der Käufe und Verkäufe zu
gegebenen Preisen. *) Kostet ein Quarter Weizen 60 sh., so ist
noch einmal soviel Gold nötig, um ihn zu zirkulieren oder seinen
Preis zu realisieren, als wenn er nur 30 sh. kostet. Zur Zirkula-
tion von 500 Quarter zu 60 sh. ist noch einmal soviel Gold nötig,
als zur Zirkulation von 250 Quarter zu demselben Preis. Endlich
zur Zirkulation von 10 Quarter zu 100 sh. ist nur halb soviel
Gold nötig, als zur Zirkulation von 40 Quarter zu 50 sh. Es folgt
daher, daß die zur Warenzirkulation erheischte Quantität von Gold
fallen kann, trotz dem Steigen der Preise, wenn die Masse der
zirkulierten Waren in größerem Verhältnis abnimmt, als die Ge-
samtsumme der Preise wächst, und daß umgekehrt die Masse der
Zirkulationsmittel steigen kann, wenn die Masse der zirkulierten
Waren fällt, aber ihre Preissumme in größerem Verhältnis steigt.
Schöne englische Detailuntersuchungen haben so z.B. nachgewiesen,
daß in England in den ersten Stadien einer Getreideteurung die
Masse des zirkulierenden Geldes zunimmt, weil die Preissumme der
verminderten Getreidemasse größer ist, als die Preissumme der
größern Getreidemasse war, zugleich aber die Zirkulation der üb-
rigen Warenmasse zu ihren alten Preisen für einige Zeit ungestört
fortdauert. In einem späteren Stadium der Getreideteurung fällt
dagegen die Masse des zirkulierenden Geldes, entweder weil neben
dem Getreide weniger Waren zu den alten Preisen oder ebensoviel
Waren zu niedrigem Preisen verkauft werden.
---
*) Die Masse des Geldes ist gleichgültig, "vorausgesetzt, daß ge-
nug vorhanden ist, um die durch die Waren gegebenen Preise auf-
rechtzuerhalten". Boisguillebert, "Le détail de la France", l.c.
pag. 209. "Wenn die Zirkulation von Waren von 400 Millionen Pfd.
St. eine Masse Gold von 40 Millionen erheischt und diese Propor-
tion von 1/10 das adäquate Niveau war, dann, wenn der Wert der
zirkulierenden Waren aus natürlichen Gründen zu 430 Millionen
steigt, müßte die Goldmasse, um auf ihrem Niveau zu bleiben, zu
45 Millionen wachsen." W. Blake, "Observations on the effects
produced by the expenditure of Government etc.", London 1823,
pag. 80, 81.
#85# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Die Quantität des zirkulierenden Geldes ist aber, wie wir sahen,
nicht nur durch die Gesamtsumme der zu realisierenden Warenpreise
bestimmt, sondern zugleich durch die Geschwindigkeit, womit das
Geld umläuft oder in einem gegebenen Zeitabschnitt das Geschäft
dieser Realisation vollbringt. Wenn derselbe Sovereign an demsel-
ben Tage zehn Käufe macht, jedesmal von Ware zum Preis eines So-
vereign, also 10mal die Hände wechselt, vollbringt er exakt
dasselbe Geschäft wie 10 Sovereigns, deren jeder in einem Tag nur
einmal umläuft. *) Geschwindigkeit im Umlauf des Goldes kann also
seine Quantität ersetzen, oder das Dasein des Goldes im Zirku-
lationsprozeß ist nicht nur durch sein Dasein als Äquivalent
neben der Ware, sondern auch durch sein Dasein innerhalb der
Bewegung der Warenmetamorphose bestimmt. Die Geschwindigkeit des
Geldumlaufs ersetzt jedoch seine Quantität nur zu einem
bestimmten Grad, da unendlich zersplitterte Käufe und Verkäufe in
jedem gegebenen Zeitpunkt räumlich nebeneinanderfallen.
Steigen die Gesamtpreise der zirkulierenden Waren, aber in klei-
nerem Verhältnis als die Geschwindigkeit des Geldumlaufs wächst,
so wird die Masse der Zirkulationsmittel fallen. Nimmt umgekehrt
die Geschwindigkeit der Zirkulation ab in größerem Verhältnis als
der Gesamtpreis der zirkulierenden Warenmasse fällt, so wird die
Masse der Zirkulationsmittel steigen. Wachsende Quantität der
Zirkulationsmittel mit allgemein fallenden Preisen, abnehmende
Quantität der Zirkulationsmittel mit allgemein steigenden Preisen
ist eins der bestkonstatierten Phänomene in der Geschichte der
Warenpreise. Die Ursachen aber, die Steigen im Grad der Preise
und gleichzeitig noch höheres Steigen im Grad der Umlaufsge-
schwindigkeit des Geldes hervorbringen, sowie die umgekehrte Be-
wegung, fallen außerhalb der Betrachtung der einfachen Zirkula-
tion. Beispielsweise kann angeführt werden, daß unter anderm in
Epochen vorherrschenden Kredits die Geschwindigkeit des Geldum-
laufs schneller wächst als die Preise der Waren, während mit ab-
nehmendem Kredit die Preise der Waren langsamer fallen als die
Geschwindigkeit der Zirkulation. Der oberflächliche und formelle
Charakter der einfachen Geldzirkulation zeigt sich eben darin,
daß alle die Anzahl der Zirkulationsmittel bestimmenden Momente,
wie Masse der zirkulierenden Waren, Preise, Steigen oder Fallen
der Preise, Anzahl gleichzeitiger Käufe und Verkäufe, Geschwin-
digkeit des Geldumlaufs, abhängen von dem Prozeß der Metamorphose
der Warenwelt, der wieder abhängt vom Gesamtcharakter
---
*) "Es ist die Schnelligkeit des Geldumlaufs und nicht die Menge
des Metalls, was macht, daß viel oder wenig Geld vorhanden zu
sein scheint." (Galiani, l.c. pag. 99.)
#86# Karl Marx
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der Produktionsweise, Populationsmenge, Verhältnis von Stadt und
Land, Entwickelung der Transportmittel, von größerer oder gerin-
gerer Teilung der Arbeit, Kredit usw., kurz von Umständen, die
alle a u ß e r h a l b der einfachen Geldzirkulation liegen und
sich in ihr nur abspiegeln.
Die Geschwindigkeit der Zirkulation vorausgesetzt, ist die Masse
der Zirkulationsmittel also einfach bestimmt durch die Preise der
Waren. Preise sind also nicht hoch oder niedrig, weil mehr oder
weniger Geld umläuft, sondern es läuft mehr oder weniger Geld um,
weil die Preise hoch oder niedrig sind. Es ist dies eins der
wichtigsten ökonomischen Gesetze, dessen Nachweisung im Detail
durch die Geschichte der Warenpreise vielleicht das einzige Ver-
dienst der Nach-Ricardoschen englischen Ökonomie bildet. Zeigt
nun die Erfahrung, daß das Niveau der metallischen Zirkulation
oder die Masse des zirkulierenden Goldes oder Silbers in einem
bestimmten Lande zwar temporären Ebbungen und Flutungen ausge-
setzt ist und manchmal sehr heftigen Ebbungen und Flutungen *),
im ganzen aber für längere Zeitperioden sich gleichbleibt und die
Abweichungen vom Durchschnittsniveau nur zu schwachen Oszillatio-
nen fortgehn, so erklärt sich dies Phänomen einfach aus der ge-
gensätzlichen Natur der Umstände, die die Masse des zirkulieren-
den Geldes bestimmen. Ihre gleichzeitige Modifikation paralysiert
ihre Wirkung und läßt alles beim alten.
Das Gesetz, daß bei gegebener Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes
und gegebener Preissumme der Waren die Quantität des zirkulieren-
den Mediums bestimmt ist, läßt sich auch so ausdrücken, daß, wenn
die Tauschwerte der Waren und die Durchschnittsgeschwindigkeit
ihrer Metamorphosen gegeben sind, die Quantität des zirkulieren-
den Goldes von seinem eigenen Wert abhängt. Nähme daher der Wert
des Goldes, d. h. die zu seiner Produktion
---
*) Ein Beispiel vom außerordentlichen Fallen der metallischen
Zirkulation unter ihr Durchschnittsniveau bot England im Jahre
1858, wie man aus folgendem Auszug aus dem "London Economist"
[19] sehen wird: "Der Natur der Sache entsprechend" (nämlich dem
zersplitterten Charakter der einfachen Zirkulation) "kann man
keine sehr genauen Angaben erhalten über die Menge des Bargeldes,
das auf dem Markt und in den Händen der Klassen fluktuiert, die
nicht Bankgeschäfte treiben. Aber vielleicht ist die Aktivität
oder Unaktivität der Münzstätten der großen Handelsnationen eins
der richtigsten Anzeichen für die Veränderungen jener Menge. Es
wird viel erzeugt werden, wenn viel gebraucht wird, und wenig,
wenn wenig gebraucht wird... In der englischen Münze betrug die
Prägung im Jahre 1855: 9 245 000 Pfd. St., 1856: 6 476 000 Pfd.
St., 1857: 5 293 858 Pfd. St. Während des Jahres 1858 hatte die
Münze kaum etwas zu tun." "Economist", 10. Juli 1858. Gleichzei-
tig aber lagen im Bankkeller ungefähr 18 Millionen Pfund Sterling
Gold.
#87# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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erheischte Arbeitszeit, zu oder ab, so würden die Warenpreise in
umgekehrtem Verhältnisse steigen oder fallen, und diesem allge-
meinen Steigen oder Fallen der Preise würde bei gleichbleibender
Umlaufsgeschwindigkeit eine größere oder geringere Masse des
Goldes entsprechen, das zur Zirkulation derselben Warenmasse
erheischt wäre. Derselbe Wechsel fände statt, wenn das alte Wert-
maß durch ein wertvolleres oder wertloseres Metall verdrängt
würde. So bedurfte Holland, als es aus zarter Rücksicht auf die
Staatsgläubiger und aus Furcht vor den Wirkungen der kaliforni-
schen und australischen Entdeckungen das Goldgeld durch Silber-
geld ersetzte, 14- bis 15mal mehr Silber als früher Gold, um die-
selbe Warenmasse zu zirkulieren.
Aus der Abhängigkeit des zirkulierenden Goldquantums von der
wechselnden Summe der Warenpreise und von der wechselnden
Zirkulationsgeschwindigkeit folgt, daß die Masse der metallischen
Zirkulationsmittel der Kontraktion und Expansion fähig sein muß,
kurz, daß dem Bedürfnis des Zirkulationsprozesses entsprechend
das Gold bald als Zirkulationsmittel in den Prozeß eintreten,
bald wieder aus ihm ausscheiden muß. Wie der Zirkulationsprozeß
selbst diese Bedingungen verwirklicht, werden wir später sehn.
c) Die Münze. Das Wertzeichen
Das Gold in seiner Funktion als Zirkulationsmittel erhält eigene
Fasson, es wird M ü n z e. Damit sein Umlauf nicht durch tech-
nische Schwierigkeiten aufgehalten werde, wird es dem Maßstab des
Rechengeldes entsprechend gemünzt. Goldstücke, deren Gepräge und
Figur anzeigt, daß sie die in den Rechennamen des Geldes, Pfd.
St., sh. usw. vorgestellten Gewichtteile Gold enthalten, sind
Münzen. Wie die Bestimmung des Münzpreises, so fällt das techni-
sche Geschäft der Münzung dem Staat anheim. Wie als Rechengeld,
so erhält das Geld als Münze l o k a l e n u n d p o l i t i-
s c h e n C h a r a k t e r, spricht verschiedene Landesspra-
chen und trägt verschiedene Nationaluniform. Die Sphäre, worin
das Geld als Münze umläuft, scheidet sich daher als i n n e r e,
durch die Grenzen eines Gemeinwesens umschriebene Warenzir-
kulation von der a l l g e m e i n e n Zirkulation der Waren-
welt ab.
Indes Gold im Barrenzustande und Gold als Münze unterscheiden
sich nicht mehr als sein Münzname und sein Gewichtname. Was in
dem letzten Fall Namensunterschied, erscheint jetzt als bloßer
Unterschied der Figur. Die Goldmünze kann in den Schmelztiegel
geworfen und damit wieder in Gold sans phrase verwandelt werden,
wie umgekehrt der Goldbarren nur auf die Münze geschickt zu wer-
den braucht, um die Münzform zu erhalten. Die
#88# Karl Marx
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Verwandlung und Rückverwandlung aus der einen Figur in die andere
erscheint als rein technische Operation.
Für 100 Pfunde oder 1200 Unzen troy 22karätiges Gold erhält man
von der englischen Münze 4672 1/2 Pfd. St. oder Goldsovereigns,
und legt man diese Sovereigns auf die eine Seite der Waagschale,
100 Pfund Barrengold auf die andere, so wiegen sie gleich schwer,
und so ist der Beweis geliefert, daß der Sovereign nichts andres
ist, als das mit diesem Namen im englischen Münzpreis angezeigte
Gewichtteil Gold, mit eigener Figur und eigenem Stempel. Die
4672 1/2 Goldsovereigns werden von verschiedenen Punkten in Zir-
kulation geworfen, und von ihr ergriffen vollziehen sie an einem
Tage eine bestimmte Anzahl von Umläufen, der eine Sovereign mehr,
der andere weniger. Wäre die Durchschnittszahl der täglichen Um-
läufe von je einer Unze 10, so würden die 1200 Unzen Gold eine
Gesamtsumme von Warenpreisen zum Belauf von 12 000 Unzen oder
46 725 Sovereigns realisieren. Man mag eine Unze Gold drehen und
wenden wie man will, sie wird nie 10 Unzen Gold wiegen. Hier im
Zirkulationsprozeß wiegt aber in der Tat 1 Unze 10 Unzen. Das Da-
sein der Münze innerhalb des Zirkulationsprozesses ist gleich dem
in ihr enthaltenen Geldquantum multipliziert mit der Zahl ihrer
Umläufe. Außer ihrem wirklichen Dasein als einzelnes Goldstück
von bestimmtem Gewicht erhält die Münze also ein aus ihrer Funk-
tion entspringendes ideelles Dasein. Indes der Sovereign mag ein-
mal oder zehnmal umlaufen, in jedem einzelnen Kauf oder Verkauf
wirkt er nur als einzelner Sovereign. Es ist wie mit einem Gene-
ral, der am Schlachttag durch rechtzeitiges Erscheinen an 10 ver-
schiedenen Punkten 10 Generäle ersetzt, aber doch auf jedem
Punkte derselbe identische General ist. Die Idealisierung des
Zirkulationsmittels, die im Geldumlauf aus dem Ersetzen von Quan-
tität durch Geschwindigkeit entspringt, betrifft nur das funktio-
nelle Dasein der Münze innerhalb des Zirkulationsprozesses, er-
greift aber nicht das Dasein des einzelnen Geldstücks.
Der Geldumlauf jedoch ist äußere Bewegung, und der Sovereign, ob-
gleich er non olet 1*), treibt sich in gemischter Gesellschaft
um. In der Friktion mit allen Sorten von Händen, Beuteln, Ta-
schen, Börsen, Katzen, Säckeln, Kisten und Kasten reibt sich die
Münze auf, läßt hier ein Goldatom hängen, dort ein anderes und
verliert so durch die Abschleifung im Weltlauf mehr und mehr von
ihrem innern Gehalt. Indem sie benutzt wird, wird sie abgenutzt.
Halten wir den Sovereign in einem Momente fest, wo sein natur-
wüchsig gediegener Charakter nur noch schwach angegriffen
scheint.
-----
1*) nicht riecht
#89# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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"Ein Bäcker, der heute einen nagelneuen Sovereign frisch von der
Bank erhält und ihn morgen an den Müller wegzahlt, zahlt nicht
denselben wahrhaften (veritable) Sovereign; er ist leichter als
zur Zeit, wo er ihn erhielt." *)
"Es ist klar, daß die Münze durch die Natur der Dinge selbst
stets Stück für Stück in Depreziation fallen muß, infolge der
bloßen Wirkung der gewöhnlichen und unvermeidlichen Abschleifung.
Es ist eine physische Unmöglichkeit, zu irgendeiner Zeit selbst
für einen einzigen Tag leichte Münzen ganz von der Zirkulation
auszuschließen." **)
Jacob schätzt, daß von den 380 Millionen Pfd. St., die 1809 in
Europa existierten, 1829, also in einem Zeitraum von 20 Jahren,
19 Millionen Pfd. St. durch Abschleifen völlig verschwunden
waren. ***) Wie also die Ware beim ersten Schritt, den sie in die
Zirkulation hinein tut, aus ihr herausfällt, so stellt die Münze
nach ein paar Schritten in der Zirkulation mehr Metallgehalt vor
als sie hat. Je länger die Münze umläuft bei gleichbleibender
Zirkulationsgeschwindigkeit, oder je lebhafter ihre Zirkulation
in demselben Zeitraum wird, um so mehr löst sich ihr Dasein als
Münze von ihrem goldenen oder silbernen Dasein ab. Was übrig-
bleibt, ist magni nominis umbra 1*). Der Leib der Münze ist nur
noch ein Schatten. Während sie ursprünglich durch den Prozeß
schwerer, wird sie jetzt leichter durch ihn, fährt aber fort, in
jedem einzelnen Kauf oder Verkauf als das ursprüngliche Goldquan-
tum zu gelten. Der Sovereign fährt fort, als S c h e i n -
Sovereign, als Schein-Gold, die Funktion des legitimen Goldstücks
zu vollziehen. Während andre Wesen durch Reibung mit der Außen-
welt ihren Idealismus einbüßen, wird die Münze durch die Praxis
idealisiert, in bloßes Scheindasein ihres goldenen oder silbernen
Leibes verwandelt. Diese zweite, durch den Zirkulationsprozeß
selbst bewirkte Idealisierung des Metallgeldes, oder die
Scheidung zwischen seinem Nominalgehalt und seinem Realgehalt,
wird teils von Regierungen, teils von Privatabenteurern in
Münzfälschungen buntester Art ausgebeutet. Die ganze Geschichte
des Münzwesens vom Anfang des Mittelalters bis tief ins 18.
Jahrhundert löst sich auf in die Geschichte dieser doppelseitigen
---
*) Dodd, "Curiosities of industry etc.", London 1854 [p. 16].
**) "The currency theory reviewed etc. by a banker etc.", Edin-
burgh 1845, pag. 69 etc. "Wenn ein etwas gebrauchter Taler für
etwas weniger wert gälte als ein ganz neuer Taler, dann würde
sich die Zirkulation beständig aufgehalten finden, und es würde
keine einzige Zahlung ohne Streitigkeiten vor sich gehen."
(Garnier, G., "Histoire de la monnaie etc.", tom I, p. 24.)
***) Jacob, W., "An historical inquiry into the production and
consumption of the precious metals", London 1831, vol. II, ch.
XXVI [p. 322].
-----
1*) der Schatten eines großen Namens (Lucanus, "Pharsalia")
#90# Karl Marx
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und antagonistischen Fälschungen, und Custodis vielbändige Samm-
lung der italienischen Ökonomen dreht sich zum großen Teil um
diesen Punkt.
Das Scheindasein des Goldes innerhalb seiner Funktion tritt je-
doch in Konflikt mit seinem wirklichen Dasein. Eine Goldmünze hat
mehr, die andere weniger von ihrem Metallgehalt im Umlauf einge-
büßt, und der eine Sovereign ist daher jetzt in der Tat mehr wert
als der andere. Da sie aber in ihrem funktionellen Dasein als
Münze gleich viel gelten, der Sovereign, der 1/4 Unze ist, nicht
mehr als der Sovereign, der 1/4 Unze scheint, werden die voll-
wichtigen Sovereigns teilweise in den Händen gewissenloser Besit-
zer chirurgischen Operationen unterworfen, und künstlich an ihnen
vollbracht, was der Umlauf selbst natürlich an ihren leichten
Brüdern vollzog. Sie werden gekippt und gewippt und ihr überflüs-
siges Goldfett wandert in den Schmelztiegel. Wenn 4672 1/2 Gold-
sovereigns auf eine Waagschale gelegt, durchschnittlich nur noch
800 1*) Unzen wiegen statt 1200, werden sie, auf den Goldmarkt
gebracht, nur noch 800 1*) Unzen Gold kaufen oder der Marktpreis
des Goldes stiege über seinen Münzpreis. Jedes Geldstück, auch
wenn vollwichtig, gälte in seiner Münzform weniger als in seiner
Barrenform. Die vollwichtigen Sovereigns würden rückverwandelt in
ihre Barrenform, worin mehr Gold mehr Wert hat als weniger Gold.
Sobald dies Fallen unter den Metallgehalt die hinreichende Anzahl
Sovereigns ergriffen hätte, um anhaltendes Steigen des Marktprei-
ses des Goldes über seinen Münzpreis zu bewirken, würden die Re-
chennamen der Münze dieselben bleiben, aber künftig ein gerin-
geres Quantum Gold anzeigen. In andern Worten, der Maßstab des
Geldes würde sich ändern und das Gold künftig diesem neuen Maß-
stab entsprechend gemünzt werden. Durch seine Idealisierung als
Zirkulationsmittel hätte das Gold rückschlagend die gesetzlich
festgesetzten Verhältnisse, worin es Maßstab der Preise war, ver-
ändert. Dieselbe Revolution würde sich nach einem gewissen Zeit-
raum wiederholen, und so wäre das Gold sowohl in seiner Funktion
als Maßstab der Preise wie als Zirkulationsmittel einem beständi-
gen Wechsel unterworfen, so daß der Wechsel in der einen Form den
in der andern hervorbrächte und umgekehrt. Dies erklärt das frü-
her ermahnte Phänomen, daß in der Geschichte aller modernen Völ-
ker derselbe Geldname einem sich stets vermindernden Metallgehalt
verblieb. Der Widerspruch zwischen dem Gold als Münze und dem
Gold als Maßstab der Preise wird ebenso zum Widerspruch zwischen
dem Gold als Münze und dem Gold als allgemeinem Äquivalent, als
welches es nicht nur innerhalb der Landesgrenzen,
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1*) (1859) 80
#91# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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sondern auf dem Weltmarkt zirkuliert. Als Maß der Werte war Gold
stets vollwichtig, weil es nur als ideelles Gold diente. Als
Äquivalent in dem isolierten Akt W-G fällt es aus seinem bewegten
Dasein sofort in sein ruhendes zurück, aber als Münze tritt seine
natürliche Substanz in fortwährenden Konflikt mit seiner Funk-
tion. Vollständig ist die Verwandlung des Goldsovereigns in
Scheingold nicht zu vermeiden, aber die Gesetzgebung sucht seine
Festsetzung als Münze zu verhindern, indem er auf einem gewissen
Grad von Substanzmangel abgesetzt wird. Nach englischem Gesetz
z.B. ist ein Sovereign, der mehr als 0,747 Gran Gewicht verloren
hat, kein legaler Sovereign mehr. Die Bank von England, die zwi-
schen 1844 und 1848 allein 48 Millionen Goldsovereigns gewogen
hat, besitzt in der Goldwaage des Herrn Cotton eine Maschine, die
nicht nur den Unterschied von 1/100 Gran zwischen zwei Sovereigns
herausfühlt, sondern wie ein verständiges Wesen den untergewich-
tigen fortschnellt auf ein Brett, wo er unter eine andere Ma-
schine gerät, die ihn mit orientalischer Grausamkeit zersägt.
Indes könnte die Goldmünze unter diesen Bedingungen überhaupt
nicht zirkulieren, würde ihr Umlauf nicht auf bestimmte Kreise
der Zirkulation beschränkt, innerhalb deren Grenzen sie sich we-
niger schnell abnutzt. Sofern eine Goldmünze in der Zirkulation
als eine Viertel-Unze gilt, während sie nur noch 1/5 Unze wiegt,
ist sie in der Tat zum bloßen Zeichen oder Symbol für 1/20 Unze
Gold geworden, und so wird alle Goldmünze durch den Zirkulations-
prozeß selbst mehr oder minder in ein bloßes Zeichen oder Symbol
ihrer Substanz verwandelt. Aber kein Ding kann sein eigenes Sym-
bol sein. Gemalte Trauben sind nicht das Symbol wirklicher Trau-
ben, sondern Scheintrauben. Noch minder aber kann ein leichter
Sovereign das Symbol eines vollwichtigen sein, so wenig wie ein
abgemagertes Pferd Symbol eines fetten Pferdes sein kann. Da also
Gold zum Symbol seiner selbst wird, aber nicht als Symbol seiner
selbst dienen kann, erhält es in den Kreisen der Zirkulation,
worin es sich am schnellsten abnutzt, d. h. in den Kreisen, wo
Käufe und Verkäufe in den kleinsten Proportionen beständig erneu-
ert werden, ein von seinem Golddasein getrenntes symbolisches,
silbernes oder kupfernes Dasein. Obgleich nicht dieselben Gold-
stücke, würde stets eine bestimmte Proportion des gesamten Gold-
geldes sich in diesen Kreisen als Münze umtreiben. In dieser Pro-
portion wird das Gold durch silberne oder kupferne Marken er-
setzt. Während also nur eine spezifische Ware als Maß der Werte
und darum als Geld innerhalb eines Landes funktionieren kann,
können verschiedene Waren neben dem Gold als Münze dienen. Diese
subsidiären Zirkulationsmittel, silberne oder kupferne Marken z.
B., repräsentieren innerhalb der Zirkulation bestimmte Fraktionen
der Goldmünze. Ihr
#92# Karl Marx
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eigener Silber- oder Kupfergehalt ist daher nicht bestimmt durch
das Wertverhältnis zwischen Silber und Kupfer zu Gold, sondern
wird durch das Gesetz willkürlich festgesetzt. Sie dürfen nur in
den Quantitäten ausgegeben werden, worin die von ihnen repräsen-
tierten diminutiven Fraktionen der Goldmünze, sei es zum Auswech-
seln höherer Goldmünzen, sei es zum Realisieren entsprechend
kleiner Warenpreise, beständig umlaufen würden. Innerhalb der De-
tailzirkulation der Waren werden Silbermarken und Kupfermarken
wieder besondern Kreisen angehören. Der Natur der Sache nach
steht ihre Umlaufsgeschwindigkeit in umgekehrtem Verhältnis zum
Preise, den sie in jedem einzelnen Kauf und Verkauf realisieren,
oder zur Größe der Fraktion der Goldmünze, die sie vorstellen.
Erwägt man den ungeheuren Umfang des kleinen täglichen Verkehrs
in einem Lande wie England, so zeigt das relativ unbedeutende
Verhältnis der Gesamtquantität der zirkulierenden subsidiären
Münzen die Geschwindigkeit und Beständigkeit ihres Umlaufs. Aus
einem vor kurzem ausgegebenen parlamentarischen Bericht [20] er-
sehen wir z.B., daß 1857 die englische Münze Gold zum Belauf von
4 859 000 Pfd. St. münzte, Silber zum Nominalwert von 373 000
Pfd. St. und einem Metallwert von 363 000 Pfd. St. Der Gesamtbe-
trag des in den zehn am 31. Dezember 1857 abgelaufenen Jahren ge-
münzten Goldes war 55 239 000 Pfd. St. und nur 2 434 000 Pfd. St.
in Silber. Die Kupfermünze belief sich 1857 auf nur 6720 Pfd. St.
Nominalwert mit einem Kupferwert von 3492 Pfd. St., wovon 3136
Pfd. St. in Pence, 2464 in Halfpence und 1120 in Farthings. Der
Gesamtwert der in den letzten zehn Jahren geprägten Kupfermünze
war 141 477 Pfd. St. Nominalwert mit einem Metallwert von 73 503
Pfd. St. Wie die Goldmünze verhindert wird, sich in ihrer Funk-
tion als Münze festzusetzen durch gesetzliche Bestimmung des Me-
tallverlustes, der sie demonetisiert, so werden umgekehrt die
Silber- und Kupfermarken verhindert, aus ihren Zirkulationssphä-
ren in die Zirkulationssphäre der Goldmünze überzugehen und sich
als Geld festzusetzen, indem der Preisgrad bestimmt wird, den sie
gesetzlich realisieren. So z.B. braucht Kupfer in England nur zum
Belauf von 6 Pence, Silber nur zum Belauf von 40 sh. in Zahlung
angenommen zu werden. Würden Silber- und Kupfermarken in größern
Quantitäten ausgegeben als die Bedürfnisse ihrer Zirkulations-
sphären erheischen, so würden die Warenpreise nicht dadurch stei-
gen, sondern Akkumulation dieser Marken bei den Detailverkäufern
stattfinden, die schließlich gezwungen wären, sie als Metall zu
verkaufen. So hatten sich 1798 englische Kupfermünzen, von Pri-
vatleuten ausgegeben, zum Betrag von 20, 30, 50 Pfd. St. 1*) bei
Krämern akkumuliert,
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1*) (1859) 20 350 Pfd. St.
#93# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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die sie vergeblich wieder in Umlauf zu setzen suchten und
schließlich als Ware auf den Kupfermarkt werfen mußten. *)
Die Silber- und Kupfermarken, die die Goldmünze in bestimmten
Sphären der innern Zirkulation repräsentieren, besitzen einen ge-
setzlich bestimmten Silber- und Kupfergehalt, aber von der Zirku-
lation ergriffen, schleifen sie ab wie die Goldmünze und ideali-
sieren sich, der Geschwindigkeit und Beständigkeit ihres Umlaufs
entsprechend, noch rascher zu bloßen Schattenleibern. Sollte nun
wieder eine Grenzlinie der Entmetallung gezogen werden, auf der
Silber- und Kupfermarken ihren Münzcharakter einbüßten, so müßten
sie innerhalb bestimmter Kreise ihrer eigenen Zirkulationssphäre
selbst wieder durch anderes symbolisches Geld, sage Eisen und
Blei, ersetzt werden, und diese Darstellung von symbolischem Geld
durch anderes symbolisches Geld wäre ein Prozeß ohne Ende. In al-
len Ländern entwickelter Zirkulation zwingt daher die Notwendig-
keit des Geldumlaufs selbst den Münzcharakter der Silber- und
Kupfermarken von jedem Grad ihres Metallverlustes unabhängig zu
machen. Es erscheint damit, was in der Natur der Sache lag, daß
sie Symbole der Goldmünze sind, nicht weil sie aus Silber oder
Kupfer gemachte Symbole sind, nicht weil sie einen Wert haben,
sondern soweit sie keinen haben.
Relativ wertlose Dinge, wie P a p i e r, können also als Sym-
bole des Goldgeldes funktionieren. Das Bestehen der subsidiären
Münze aus Metallmarken, Silber, Kupfer usw., rührt großenteils
daher, daß in den meisten Ländern die minder wertvollen Metalle
als Geld zirkulierten, wie Silber in England, Kupfer in der
altrömischen Republik, in Schweden, Schottland usw., bevor der
Zirkulationsprozeß sie zur Scheidemünze degradierte und edleres
Metall an ihre Stelle gesetzt hatte. Es liegt übrigens in der Na-
tur der Sache, daß das aus der metallischen Zirkulation unmittel-
bar hervorwachsende Geldsymbol zunächst selbst wieder ein Metall
ist. Wie die Portion Gold, die stets als Scheidemünze zirkulieren
müßte, durch Metallmarken ersetzt wird, kann die Portion Gold,
die stets von der Sphäre der innern Zirkulation als Münze absor-
biert wird, also beständig umlaufen muß, durch wertlose Marken
ersetzt werden. Das Niveau, worunter die Masse der umlaufenden
Münze nie sinkt, ist in jedem Lande erfahrungsmäßig gegeben. Die
ursprünglich unscheinbare Differenz zwischen dem Nominalgehalt
und dem Metallgehalt der Metallmünze kann also bis zur absoluten
Scheidung fortgehen. Der Münzname des Geldes löst sich ab von
seiner Substanz und existiert außer
---
*) David Buchanan, "Observations on the subjects treated of in
Doctor Smith's Inquiry on the wealth of nations etc.", Edinburgh
1814, pag. 31.
#94# Karl Marx
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ihr in wertlosen Papierzetteln. Wie der Tauschwert der Waren
durch ihren Austauschprozeß sich in Goldgeld kristallisiert, sub-
limiert sich das Goldgeld im Umlauf zu seinem eigenen Symbol,
erst in der Form der verschlissenen Goldmünze, dann in der Form
der subsidiären Metallmünzen und schließlich in der Form der
wertlosen Marke, des Papiers, des bloßen W e r t z e i-
c h e n s.
Die Goldmünze erzeugte indes nur ihre erst metallnen, dann pa-
piernen Stellvertreter, weil sie trotz ihres Metallverlustes
fortfuhr, als Münze zu funktionieren. Sie zirkulierte nicht, weil
sie verschliß, sondern verschliß zum Symbol, weil sie fortzirku-
lierte. Nur soweit innerhalb des Prozesses das Goldgeld selbst
bloßes Zeichen seines eigenen Werts wird, können bloße Wert-
zeichen es ersetzen.
Sofern die Bewegung W-G-W prozessierende Einheit der zwei
unmittelbar ineinander umschlagenden Momente W-G, G-W ist, oder
soweit die Ware den Prozeß ihrer Gesamtmetamorphose durchläuft,
entwickelt sie ihren Tauschwert im Preis und im Geld, um sofort
diese Form wieder aufzuheben, wieder Ware zu werden oder vielmehr
Gebrauchswert. Sie geht also z u n u r s c h e i n b a r e r
V e r s e l b s t ä n d i g u n g ihres Tauschwerts fort. Wir
sahen andrerseits, daß das Gold, soweit es nur als Münze funktio-
niert oder sich beständig in Umlauf befindet, in der Tat nur die
Verkettung der Metamorphosen der Waren und i h r n u r v e r-
s c h w i n d e n d e s G e l d s e i n darstellt, den Preis
der einen Ware nur realisiert, um den der andern zu realisieren,
nirgendwo aber als ruhendes Dasein des Tauschwertes oder als
selbst ruhende Ware erscheint. Die Realität, die der Tauschwert
der Waren in diesem Prozeß erhält und den das Gold in seinem
Umlauf darstellt, ist nur die des elektrischen Funkens. Obgleich
es wirkliches Gold ist, funktioniert es nur als Scheingold und
kann daher in dieser Funktion durch Zeichen seiner selbst ersetzt
werden.
Das Wertzeichen, sage Papier, das als Münze funktioniert, ist
Zeichen des in seinem Münznamen ausgedrückten Quantums Gold, also
G o l d z e i c h e n. So wenig ein bestimmtes Quantum Gold an
sich ein Wertverhältnis ausdrückt, so wenig das Zeichen, das an
seine Stelle tritt. Sofern ein bestimmtes Quantum Gold als verge-
genständlichte Arbeitszeit eine bestimmte Wertgröße besitzt,
stellt das Goldzeichen Wert vor. Die von ihm vorgestellte Wert-
größe hängt aber jedesmal ab von dem Wert des von ihm vorgestell-
ten Goldquantums. Den Waren gegenüber stellt das Wertzeichen die
R e a l i t ä t i h r e s P r e i s e s v o r, ist signum
pretii 1*) und Zeichen ihres Werts nur, weil ihr Wert ausgedrückt
ist in ihrem Preise. In dem Prozeß W-G-W, soweit er als nur pro-
zessierende Einheit oder unmittelbares Ineinanderumschlagen der
beiden
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1*) Zeichen des Preises
#95# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Metamorphosen sich darstellt - und so stellt er sich dar in der
Zirkulationssphäre, worin das Wertzeichen funktioniert -, erhält
der Tauschwert der Waren im Preis nur ideelle, im Geld nur vorge-
stellte, symbolische Existenz. Der Tauschwert erscheint so n u r
als gedachter oder dinglich vorgestellter, aber besitzt keine
W i r k l i c h k e i t außer in den Waren selbst, sofern ein
bestimmtes Quantum Arbeitszeit in ihnen vergegenständlicht ist.
Es s c h e i n t daher, als ob das Wertzeichen den Wert der Wa-
ren u n m i t t e l b a r repräsentiere, indem es nicht als
Zeichen von Gold, sondern als Zeichen des im Preis nur ausge-
drückten, aber in der Ware allein vorhandenen Tauschwerts sich
darstellt. Dieser Schein ist aber falsch. Das Wertzeichen ist un-
mittelbar nur P r e i s z e i c h e n, also G o l d z e i-
c h e n, und nur auf einem Umweg Zeichen des Werts der Ware. Das
Gold hat nicht wie Peter Schlemihl seinen Schatten verkauft,
sondern kauft mit seinem Schatten. Das Wertzeichen wirkt daher
nur, soweit es innerhalb des Prozesses den Preis der einen Ware
gegenüber der andern oder jedem Warenbesitzer gegenüber G o l d
v o r s t e l l t. Ein bestimmtes relativ wertloses Ding, Stück
Leder, Papierzettel usw., wird zunächst gewohnheitsmäßig Zeichen
des Geldmaterials, behauptet sich jedoch nur als solches, indem
sein Dasein als Symbol durch den allgemeinen Willen der Waren-
besitzer garantiert wird, d.h. indem es gesetzlich konventionel-
les Dasein und daher Zwangskurs erhält. Staatspapiergeld mit
Zwangskurs ist die vollendete Form des W e r t z e i c h e n s,
und die einzige Form des Papiergelds, die unmittelbar aus der
metallischen Zirkulation oder der einfachen Warenzirkulation
selbst herauswächst. K r e d i t g e l d gehört einer höhern
Sphäre des gesellschaftlichen Produktionsprozesses an und wird
durch ganz andre Gesetze geregelt. Symbolisches Papiergeld ist in
der Tat durchaus nicht verschieden von der subsidiären
Metallmünze, nur in weiterer Zirkulationssphäre wirkend. Wenn die
bloß technische Entwicklung des Maßstabs der Preise oder des
Münzpreises und weiter die äußerliche Umformung des Rohgoldes in
Goldmünze schon die Einmischung des Staats hervorriefen und damit
die innere Zirkulation von der allgemeinen Warenzirkulation sich
sichtbar schied, so wird diese Scheidung vollendet durch die
Entwicklung der Münze zum Wertzeichen. Als bloßes Zirkulations-
mittel kann sich das Geld überhaupt nur verselbständigen inner-
halb der Sphäre der innern Zirkulation.
Unsre Darstellung hat gezeigt, daß das Münzdasein des Goldes als
von der Goldsubstanz selbst losgelöstes Wertzeichen aus dem Zir-
kulationsprozeß selbst entspringt, nicht aus Übereinkunft oder
Staatseinmischung. Rußland bietet ein frappantes Beispiel der na-
turwüchsigen Entstehung des Wertzeichens. Zur Zeit, wo Häute und
Pelzwerke dort als Geld dienten, schuf der Widerspruch zwischen
diesem vergänglich-unbehülflichen Material und seiner
#96# Karl Marx
-----
Funktion als Zirkulationsmittel die Gewohnheit, es durch kleine
Stücke gestempeltes Leder zu ersetzen, die so Anweisungen wurden,
zahlbar in Fellen und Pelzwerk. Später wurden sie unter dem Namen
Kopeken bloße Zeichen für Fraktionen des Silberrubels und erhiel-
ten sich stellenweise in diesem Gebrauch bis 1700, wo Peter der
Große sie gegen kleine vom Staat ausgegebene Kupfermünzen auszu-
lösen befahl. *) Antike Schriftsteller, die nur die Phänomene der
metallischen Zirkulation beobachten konnten, fassen die Goldmünze
1*) schon als Symbol oder Wertzeichen auf. So Plato **) und
Aristoteles ***). In Ländern ohne alle Kreditentwicklung wie
China findet sich Papiergeld
---
*) Henry Storch, "Cours d'économie politique etc." avec des notes
par J.-B. Say, Paris 1823, tom IV, pag. 79. Storch veröffent-
lichte sein Werk zu Petersburg in französischer Sprache. J.-B.
Say veranstaltete sofort einen Pariser Nachdruck, ergänzt mit an-
geblichen "Noten", die in der Tat nichts als Gemeinplätze enthal-
ten. Storch (siehe seine "Considérations sur la nature du revenu
national", Paris 1824) nahm diese Annexation seines Werkes durch
den "prince de la science" keineswegs höflich auf.
**) Plato, "De Republica", L. II. "Die Münze ist ein S y m b o l
des Tausches" (Opera omnia etc., ed. G. Stallbaumius, London
1850, pag. 304). Plato entwickelt das Geld nur in den beiden
Bestimmungen als Wertmaß und als Wertzeichen, verlangt aber außer
dem für die innere Zirkulation dienenden Wertzeichen ein andres
für den Verkehr Griechenlands mit dem Ausland. (Vgl. auch das
5.Buch seiner "Gesetze".)
***) Aristoteles, "Ethica Nicomachea", L. 5, C. 8, l.c. [p. 98].
"Zum alleinigen Tauschmittel des gegenseitigen Bedarfs wurde das
Geld zufolge Übereinkunft. Und daher hat es den Namen ???????,
daß es nicht von Natur, sondern durch Gesetz besteht und es an
uns liegt, dieses zu ändern und es nutzlos zu machen." Aristote-
les hat das Geld ungleich vielseitiger und tiefer aufgefaßt als
Plato. In der folgenden Stelle entwickelt er schön, wie aus dem
Tauschhandel zwischen verschiedenen Gemeinwesen die Notwendigkeit
entspringt, einer spezifischen Ware, also selbst wertvollen Sub-
stanz, den Charakter des Geldes zu geben. "Denn als die gegensei-
tige Hilfeleistung durch Einfuhr des Fehlenden und Ausfuhr des
Überschusses sich über größere Entfernungen erstreckte, entstand
a u s N o t w e n d i g k e i t die Verwendung des Geldes...
Man kam überein, beim gegenseitigen Austausch nichts anderes zu
geben und zu nehmen, als was s e l b s t e t w a s W e r t-
v o l l e s, den Vorteil handlichen Gebrauchs hätte... wie Eisen
und Silber oder etwas anderes Derartiges." (Aristoteles, "De
Republica", L. I, C. 9 l.c. [p. 14].) Diese Stelle zitiert Michel
Chevalier, der den Aristoteles entweder nicht gelesen oder nicht
verstanden hat, um zu beweisen, daß nach Aristoteles' Ansicht das
Zirkulationsmittel aus einer selbst wertvollen Substanz bestehen
müsse. Aristoteles sagt vielmehr ausdrücklich, daß das Geld als
bloßes Zirkulationsmittel bloß konventionelles oder gesetzliches
Dasein zu haben scheine, wie schon sein Name ??????? anzeige, und
wie es in der Tat seinen Gebrauchswert als Münze nur von seiner
Funktion selbst erhalte,
-----
1*) (1859) Geldmünze
#97# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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mit Zwangskurs schon frühzeitig *). Bei altern Vorrednern des
Papiergelds wird auch ausdrücklich auf die im Zirkulationsprozeß
selbst entspringende Verwandlung der Metallmünze in Wertzeichen
hingewiesen. So von Benjamin Franklin **) und vom Bischof Berke-
ley ***).
Wieviel Ries Papier können in Zettel zerschnitten als Geld zirku-
lieren? So gestellt wäre die Frage abgeschmackt. Die wertlosen
Marken sind Wertzeichen, nur soweit sie das Gold innerhalb des
Zirkulationsprozesses vertreten, und sie vertreten es nur, soweit
es selbst als Münze in den Zirkulationsprozeß eingehen würde,
eine Quantität, bestimmt durch seinen eignen Wert, wenn die
Tauschwerte der Waren und die Geschwindigkeit ihrer Metamorphosen
gegeben sind. Zettel von der Denomination von 5 Pfd. St. könnten
nur in 5mal geringerer Anzahl zirkulieren als Zettel von der De-
nomination von 1 Pfd. St., und vollzögen sich alle Zahlungen in
Shillingszetteln, so müßten 20mal mehr Shillings- als Pfd.-St.-
Zettel zirkulieren. Würde die Goldmünze durch Zettel von ver-
schiedener Denomination repräsentiert, z.B. 5-Pfd.-St.-Zettel, 1-
Pfd.-St.-Zettel, 10-Shilling-Zettel, so wäre die Quantität
---
nicht von einem ihm selbst angehörigen Gebrauchswert. "N i c h-
t i g scheint das Geld zu sein und ganz und gar durch Gesetz,
a b e r n i c h t s v o n N a t u r, s o d a ß e s a u-
ß e r U m l a u f g e s e t z t keinerlei Wert hat und un-
brauchbar ist zu irgend etwas Notwendigem." (l.c. [p. 15].)
*) Mandeville (Sir John), "Voyages and Travels", London, ed.
1705, p. 105: "Dieser Kaiser (von Cattay oder China) kann so viel
ausgeben, wie es ihm beliebt, ohne Beschränkung. Denn er ist
nicht abhängig und macht Geld nur aus bedrucktem Leder oder Pa-
pier. Und wenn dies Geld so lange umgelaufen ist, daß es anfängt,
sich aufzulösen, dann bringt man es in des Kaisers Schatzamt, und
dann nimmt man neues Geld an Stelle des alten. Und dieses Geld
läuft um im ganzen Land und in allen seinen Provinzen... man
macht Geld weder aus Gold noch aus Silber", und, meint Mande-
ville, "deshalb kann er immer von neuem und übermäßig viel ausge-
ben."
**) Benjamin Franklin, "Remarks and facts relative to the Ameri-
can paper money", 1764, pag. 348 l.c.: "Zu eben der Zeit wird so-
gar das Silbergeld in England zu einem Teil seines Werts zwangs-
mäßig zum gesetzlichen Zahlungsmittel gemacht; dieser Teil ist
der Unterschied zwischen seinem wirklichen Gewicht und seinem
Nennwert. Ein großer Teil der jetzt umlaufenden Shilling- und
Sechspencestücke ist durch Abnutzung 5, 10, 20 und einige der
Sechspencestücke sogar 50% zu leicht geworden. Für diesen Unter-
schied zwischen Real- und Nominalwert hat man keinen inneren
Wert; man hat nicht einmal Papier, man hat nichts. Es ist die ge-
setzliche Zahlungskraft, verbunden mit dem Bewußtsein, daß man es
leicht für denselben Wert weitergeben kann, was ein Silberstück
im Wert von 3 Pence für ein Sechspencestück passieren macht."
***) Berkeley, l.c. [p. 3]. "Wenn die Denomination der Münze bei-
behalten wird, nachdem ihr Metall den Weg alles Fleisches gegan-
gen, würde nicht dennoch die Zirkulation des Handels fortbe-
stehn?"
#98# Karl Marx
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dieser verschiedenen Sorten von Wertzeichen bestimmt nicht nur
durch das für die Gesamtzirkulation, sondern durch das für den
Zirkulationskreis jeder besondern Sorte nötige Quantum Gold. Wä-
ren 14 Millionen Pfd. St. (dies ist die Annahme der englischen
Bankgesetzgebung, aber nicht für die Münze, sondern für das Kre-
ditgeld) das Niveau, worunter die Zirkulation eines Landes nie
fiele, so könnten 14 Millionen Papierzettel, jeder das Wert-
zeichen für 1 Pfd. St., zirkulieren. Fiele oder stiege der Wert
des Goldes, weil die zu seiner Produktion erheischte Arbeitszeit
gefallen oder gestiegen wäre, so würde bei gleichbleibendem
Tauschwert derselben Warenmasse die Anzahl der zirkulierenden
Pfd.-St.-Zettel steigen oder fallen, im umgekehrten Verhältnis
zum Wertwechsel des Goldes. Würde das Gold als Maß der Werte
durch Silber ersetzt, wäre das Wertverhältnis von Silber zu Gold
wie 1:15, repräsentierte künftig jeder Zettel dasselbe Quantum
Silber, das er vorher von Gold repräsentierte, so müßten statt 14
Millionen künftig 210 Millionen Pfd.-St.-Zettel zirkulieren. Die
Quantität der Papierzettel ist also bestimmt durch die Quantität
des Goldgeldes, das sie in der Zirkulation vertreten, und da sie
nur Wertzeichen sind, sofern sie es vertreten, ist ihr Wert ein-
fach durch ihre Quantität bestimmt. Während also die Quantität
des zirkulierenden Goldes von den Warenpreisen abhängt, hängt um-
gekehrt der Wert der zirkulierenden Papierzettel ausschließlich
von ihrer eigenen Quantität ab.
Die Einmischung des Staats, der das Papiergeld mit Zwangskurs
ausgibt - und wir handeln nur von dieser Art Papiergeld -,
scheint das ökonomische Gesetz aufzuheben. Der Staat, der in dem
Münzpreis einem bestimmten Goldgewicht nur einen Taufnamen gab,
und in der Münzung nur seinen Stempel auf das Gold drückte,
scheint jetzt durch die Magie seines Stempels Papier in Gold zu
verwandeln. Da die Papierzettel Zwangskurs haben, kann niemand
ihn hindern, beliebig große Anzahl derselben in Zirkulation zu
zwängen und beliebige Münznamen, wie 1 Pfd. St., 5 Pfd. St., 20
Pfd. St., ihnen aufzuprägen. Die einmal in Zirkulation befindli-
chen Zettel ist es unmöglich herauszuwerfen, da sowohl die Grenz-
pfähle des Landes ihren Lauf hemmen, als sie allen Wert, Ge-
brauchswert wie Tauschwert, a u ß e r h a l b der Zirkulation
verlieren. Von ihrem funktionellen Dasein getrennt, verwandeln
sie sich in nichtswürdige Papierlappen. Indes ist diese Macht des
Staats bloßer Schein. Er mag beliebige Quantität Papierzettel mit
beliebigen Münznamen in die Zirkulation hineinschleudern, aber
mit diesem mechanischen Akt hört seine Kontrolle auf. Von der
Zirkulation ergriffen, fällt das Wertzeichen oder Papiergeld ih-
ren immanenten Gesetzen anheim.
Wären 14 Millionen Pfd. St. die Summe des zur Warenzirkulation
erheischten Goldes und würfe der Staat 210 Millionen Zettel, je-
den mit dem
#99# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Namen 1 Pfd. St., in Zirkulation, so würden diese 210 Millionen
in Repräsentanten von Gold zum Belauf von 14 Millionen Pfd. St.
umgewandelt. Es wäre dasselbe, als hätte der Staat die Pfd.-St.-
Zettel zu Repräsentanten eines 15mal minder wertvollen Metalls
oder eines 15mal kleinern Gewichtteils Goldes als zuvor gemacht.
Nichts wäre geändert als die Namengebung des Maßstabs der Preise,
die natürlich konventionell ist, ob sie nun direkt durch Änderung
des Münzfußes oder indirekt durch Vermehrung der Papierzettel in
einer für einen neuen niedrigem Maßstab erheischten Anzahl ge-
schieht. Da der Name Pfd.-St. jetzt ein 15mal kleineres Goldquan-
tum anzeigte, würden alle Warenpreise um das 15fache steigen und
nun wären in der Tat 210 Millionen Pfd.-St.-Zettel ganz ebenso
notwendig, wie vorher 14 Millionen. In demselben Maß, worin sich
die Gesamtsumme der Wertzeichen vermehrt hätte, hätte sich das
Quantum Gold, das jedes einzelne repräsentiert, vermindert. Das
Steigen der Preise wäre nur die Reaktion des Zirkulationsprozes-
ses, der die Wertzeichen gewaltsam dem Quantum Gold gleichsetzt,
an dessen Stelle sie zu zirkulieren vorgeben.
In der Geschichte der englischen und französischen Geldfälschun-
gen durch die Regierungen finden wir wiederholt, daß die Preise
nicht in dem Verhältnis stiegen, wie die Silbermünze verfälscht
wurde. Einfach, weil das Verhältnis, worin die Münze vermehrt
wurde, nicht dem Verhältnis entsprach, worin sie verfälscht war,
d.h. weil von der niedrigeren Metallkomposition nicht die ent-
sprechende Masse ausgegeben war, sollten die Tauschwerte der Wa-
ren künftig in ihr als Maß der Werte geschätzt und durch dieser
niedrigem Maßeinheit entsprechende Münzen realisiert werden. Dies
löst die in dem Duell zwischen Locke und Lowndes ungelöste
Schwierigkeit. Das Verhältnis, worin das Wertzeichen, sei es Pa-
pier oder gefälschtes Gold und Silber, dem Münzpreis gemäß be-
rechnete Gold- und Silbergewichte vertritt, hängt ab, nicht von
seinem eignen Material, sondern von seiner in Zirkulation befind-
lichen Quantität. Die Schwierigkeit im Verständnis dieses Ver-
hältnisses entspringt daher, daß das Geld in den beiden Funktio-
nen als Maß der Werte und als Zirkulationsmittel nicht nur umge-
kehrten, sondern dem Gegensatz beider Funktionen scheinbar wider-
sprechenden Gesetzen unterworfen ist. Für seine Funktion 1*) als
Maß der Werte, wo das Geld nur als Rechengeld dient und das Gold
nur als ideelles Gold, kommt alles auf das natürliche Material
an. In Silber geschätzt oder als Silberpreise stellen sich die
Tauschwerte natürlich ganz anders dar als in Gold geschätzt oder
als Goldpreise. Umgekehrt in seiner Funktion als Zirkula-
tionsmittel, wo das
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1*) Im Handexemplar eingefügt; (1859) fehlt: Für seine Funktion
#100# Karl Marx
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Geld nicht nur vorgestellt ist, sondern als ein wirkliches Ding
neben den andern Waren vorhanden sein muß, wird sein Material
gleichgültig, während alles von seiner Quantität abhängt. Für die
Maßeinheit ist es entscheidend, ob sie ein Pfund Gold, Silber
oder Kupfer ist; während bloße Anzahl die Münze zur entsprechen-
den Verwirklichung jeder dieser Maßeinheiten macht, welches immer
ihr eigenes Material sei. Es widerspricht aber dem gemeinen Men-
schenverstand, daß bei dem nur gedachten Geld alles von seiner
materiellen Substanz und bei der sinnlich vorhandenen Münze alles
von einem idealen Zahlenverhältnis abhängt.
Das Steigen oder Fallen der Warenpreise mit dem Steigen oder Fal-
len der Papierzettelmasse - letzteres wo die Papierzettel das
ausschließliche Zirkulationsmittel bilden - ist also nur durch
den Zirkulationsprozeß gewaltsam bewirkte Geltendmachung des von
außen mechanisch vorletzten Gesetzes, daß die Quantität des zir-
kulierenden Goldes durch die Preise der Waren und die Quantität
der zirkulierenden Wertzeichen durch die Quantität der Goldmünze
bestimmt ist, die sie in der Zirkulation vertreten. Andrerseits
wird daher jede beliebige Masse von Papierzetteln vom Zirkulati-
onsprozeß absorbiert und gleichsam verdaut, weil das Wertzeichen,
mit welchem Goldtitel es auch immer in die Zirkulation eintrete,
innerhalb derselben zum Zeichen des Goldquantums zusammenge-
quetscht wird, das an seiner Stelle zirkulieren könnte.
In der Zirkulation der Wertzeichen erscheinen alle Gesetze der
wirklichen Geldzirkulation umgekehrt und auf den Kopf gestellt.
Während das Gold zirkuliert, weil es Wert hat, hat das Papier
Wert, weil es zirkuliert. Während bei gegebenem Tauschwert der
Waren die Quantität des zirkulierenden Goldes von seinem eigenen
Wert abhängt, hängt der Wert des Papiers von seiner zirkulieren-
den Quantität ab. Während die Quantität des zirkulierenden Goldes
steigt oder fällt mit dem Steigen oder Fallen der Warenpreise,
scheinen die Warenpreise zu steigen oder zu fallen mit dem Wech-
sel in der Quantität des zirkulierenden Papiers. Während die Wa-
renzirkulation nur bestimmte Quantität Goldmünze absorbieren
kann, daher abwechselnde Kontraktion und Expansion des zirkulie-
renden Geldes sich als notwendiges Gesetz darstellt, scheint das
Papiergeld in jeder beliebigen Ausdehnung in die Zirkulation ein-
zugehen. Während der Staat die Gold- und Silbermünze verfälscht
und daher ihre Funktion als Zirkulationsmittel stört, sollte er
die Münze auch nur 1/100 Gran unter ihrem Nominalgehalt ausgeben,
vollzieht er eine völlig richtige Operation in der Ausgabe wert-
loser Papierzettel, die von dem Metall nichts besitzen als den
Münznamen. Während die Goldmünze augenscheinlich nur den Wert der
Waren repräsentiert, soweit
#101# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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dieser selbst in Gold geschätzt oder als Preis dargestellt ist,
scheint das Wertzeichen den Wert der Ware unmittelbar zu reprä-
sentieren. Es leuchtet daher ein, warum Beobachter, die die Phä-
nomene der Geldzirkulation einseitig an der Zirkulation von Pa-
piergeld mit Zwangskurs studierten, alle immanenten Gesetze der
Geldzirkulation verkennen mußten. In der Tat erscheinen diese Ge-
setze nicht nur verkehrt in der Zirkulation der Wertzeichen, son-
dern ausgelöscht, da das Papiergeld, wenn in richtiger Quantität
ausgegeben, Bewegungen vollzieht, die ihm nicht als Wertzeichen
eigentümlich sind, während seine eigentümliche Bewegung, statt
direkt aus der Metamorphose der Waren zu stammen, aus Verletzung
seiner richtigen Proportion zum Gold entspringt.
3. Geld
G e l d im Unterschied von Münze, das Resultat des Zirkulations-
prozesses in der Form W-G-W, bildet den Ausgangspunkt des Zirku-
lationsprozesses in der Form G-W-G, d.h. Geld gegen Ware austau-
schen, um Ware gegen Geld auszutauschen. In der Form W-G-W bildet
die Ware, in der Form G-W-G bildet das Geld den Ausgangspunkt und
den Endpunkt der Bewegung. In der ersten Form vermittelt das Geld
den Warenaustausch, in der letztern vermittelt die Ware das Wer-
den des Geldes zu Geld. Das Geld, das in der ersten Form als blo-
ßes Mittel, erscheint in der letztern als Endzweck der Zirkula-
tion, während die Ware, die in der ersten Form als Endzweck, in
der zweiten als bloßes Mittel erscheint. Da das Geld selbst schon
Resultat der Zirkulation W-G-W, erscheint in der Form G-W-G das
Resultat der Zirkulation zugleich als ihr Ausgangspunkt. Während
in W-G-W der Stoffwechsel, bildet das aus diesem ersten Prozeß
hervorgegangene Formdasein der Ware selbst den wirklichen Inhalt
des zweiten Prozesses G-W-G.
In der Form W-G-W sind beide Extreme Waren von derselben Wert-
größe, aber zugleich qualitativ verschiedene Gebrauchswerte. Ihr
Austausch W-W ist wirklicher Stoffwechsel. In der Form G-W-G da-
gegen sind beide Extreme Gold und zugleich Gold von derselben
Wertgröße. Gold gegen Ware austauschen, um Ware gegen Gold auszu-
tauschen, oder wenn wir das Resultat G-G betrachten, Gold gegen
Gold austauschen, scheint abgeschmackt. Übersetzt man aber G-W-G
in die Formel: K a u f e n um zu v e r k a u f e n, was
nichts heißt als durch eine vermittelnde Bewegung Gold gegen Gold
austauschen, so erkennt man sofort die herrschende Form der
bürgerlichen Produktion. In der Praxis wird jedoch nicht gekauft,
um zu verkaufen, sondern wohlfeil gekauft, um teurer zu verkau-
fen. Geld wird gegen Ware
#102# Karl Marx
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ausgetauscht, um dieselbe Ware wieder gegen größere Quantität
Geld auszutauschen, so daß die Extreme G, G, wenn nicht qualita-
tiv, so quantitativ verschieden sind. Solch ein quantitativer Un-
terschied setzt den A u s t a u s c h v o n N i c h t ä q u i-
v a l e n t e n voraus, während Ware und Geld als solche nur
gegensätzliche Formen der Ware selbst sind, also verschiedene
Existenzweisen derselben Wertgröße. Der Kreislauf G-W-G birgt
also unter den Formen Geld und Ware weiterentwickelte Produk-
tionsverhältnisse und ist innerhalb der einfachen Zirkulation nur
Reflex einer höheren Bewegung. Wir haben daher Geld im
Unterschied von Zirkulationsmittel aus der unmittelbaren Form der
Warenzirkulation W-G-W zu entwickeln.
Gold, d.h. die spezifische Ware, die als Maß der Werte und als
Zirkulationsmittel dient, wird ohne weiteres Zutun der Gesell-
schaft G e l d. In England, wo Silber weder Maß der Werte noch
herrschendes Zirkulationsmittel ist, wird es nicht Geld, ganz wie
Gold in Holland, sobald es als Wertmaß entthront wurde, aufhörte,
Geld zu sein. Eine Ware wird also zunächst Geld als Einheit von
Wertmaß und Zirkulationsmittel, oder die Einheit von Wertmaß und
Zirkulationsmittel ist Geld. Als solche Einheit besitzt das Gold
aber wieder selbständige und von seinem Dasein in beiden Funktio-
nen unterschiedene Existenz. Als Maß der Werte ist es nur ideel-
les Geld und ideelles Gold; als bloßes Zirkulationsmittel ist es
symbolisches Geld und symbolisches Gold; aber in seiner einfachen
metallischen Leibhaftigkeit ist Gold Geld oder Geld wirkliches
Gold.
Betrachten wir nun einen Augenblick die ruhende Ware Gold, die
Geld ist, in ihrem Verhältnis zu den andern Waren. Alle Waren
stellen in ihren Preisen eine bestimmte Summe Gold vor, sind also
nur vorgestelltes Gold oder vorgestelltes Geld, R e p r ä s e n-
t a n t e n d e s G o l d e s, wie umgekehrt im Wertzeichen
das Geld als bloßer Repräsentant der Warenpreise erschien. *) Da
alle Waren so nur vorgestelltes Geld sind, ist das Geld die
einzig wirkliche Ware. Im Gegensatz zu den Waren, die das
selbständige Dasein des Tauschwerts, der allgemeinen ge-
sellschaftlichen Arbeit, des abstrakten Reichtums, nur vorstel-
len, ist Gold d a s m a t e r i e l l e D a s e i n d e s
a b s t r a k t e n R e i c h t u m s. Nach der Seite des Ge-
brauchswerts drückt jede Ware nur ein Moment des stofflichen
Reichtums aus durch ihre Beziehung auf ein besonderes Bedürfnis,
eine nur vereinzelte Seite des Reichtums. Das Geld aber befrie-
digt jedes Bedürfnis, sofern es in den Gegenstand jedes Bedürf-
nisses unmittelbar umsetzbar ist.
---
*) "Es sind nicht nur die edeln Metalle Zeichen der Dinge...;
sondern abwechselnd sind die Dinge ... Zeichen für Gold und Sil-
ber." (A. Genovesi, "Lezioni di Economia Civile" (1765), p. 281
in Custodi, Parte Moderna, t. VIII.)
#103# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Sein eigener Gebrauchswert ist realisiert in der unendlichen
Reihe der Gebrauchswerte, die sein Äquivalent bilden. In seiner
gediegenen Metallität enthält es allen stofflichen Reichtum un-
aufgeschlossen, der in der Welt der Waren entrollt ist. Wenn also
die Waren in ihren Preisen das allgemeine Äquivalent oder den ab-
strakten Reichtum, Gold, repräsentieren, repräsentiert das Gold
in seinem Gebrauchswert die Gebrauchswerte aller Waren. Gold ist
d a h e r d e r m a t e r i e l l e R e p r ä s e n t a n t
d e s s t o f f l i c h e n R e i c h t u m s. Es ist der
"précis de toutes les choses" 1*) (Boisguillebert), das Kompen-
dium des gesellschaftlichen Reichtums. Es ist zugleich der Form
nach die unmittelbare Inkarnation der allgemeinen Arbeit und dem
Inhalt nach der Inbegriff aller realen Arbeiten. Es ist der all-
gemeine Reichtum als Individuum. *) In seiner Gestalt als Mittler
der Zirkulation erlitt es allerlei Unbill, wurde beschnitten und
sogar zum bloß symbolischen Papierlappen verflacht. Als Geld wird
ihm seine goldene Herrlichkeit zurückgegeben. Aus dem Knecht wird
es der Herr **). Aus dem bloßen Handlanger wird es zum Gott der
Waren. ***)
---
*) Petty: Gold und Silber sind "universal wealth". "Political
Arithmetic", l.c. p. 242.
**) E. Misselden, "Free Trade or the Means to make Trade florish
etc.", London 1622. "Die natürliche Materie des Handels ist die
merchandize 2*): which merchants from the end of trade have sti-
led commodities 3*). Die künstliche Materie des Handels ist Geld,
welches den Titel erhalten bat of sinewes of warre and of state
4*). Geld, obgleich es in Natur und Zeit nach der merchandize
kommt, yet for as much as it is now in use has become the chiefe
5*)." (p. 7.) Er vergleicht Ware und Geld "den beiden Söhnen des
alten Jakob, der seine rechte Hand auf den Jüngern und die linke
auf den altern legte". (l.c.)
Boisguillebert, "Dissertation sur la nature des richesse etc.",
l.c. "Hier ist also der Sklave des Handels sein Herr geworden...
Das Elend der Völker kommt nur daher, daß man einen Herren oder
vielmehr einen Tyrannen aus dem gemacht hat, der ein Sklave war."
(p. 395, 399.)
***) Boisguillebert, l.c. "Man hat ein Idol aus diesen Metallen
(Gold und Silber) gemacht, und indem man nunmehr den Zweck und
die Absicht aufgab, warum man sie in den Handel gerufen hatte,
nämlich um hier als Unterpfand in Tausch und wechselseitiger
Übergabe zu dienen, hat man sie fast von diesem Dienst befreit,
um sie zu G o t t h e i t e n zu machen, denen man mehr Güter
und wichtige Bedürfnisse und sogar Menschen geopfert hat und im-
mer noch opfert, als jemals das blinde Altertum seinen falschen
Göttern geopfert hat etc." (l.c. p. 395.)
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1*) "Sinn aller Dinge" - 2*) Kaufmannsware - 3*) welche Händler
aus Geschäftsgründen Gebrauchswaren genannt haben - 4*) Nerv des
Krieges und des Staates - 5*) ist dennoch, soweit es jetzt in Ge-
brauch ist, die Hauptsache geworden
#104# Karl Marx
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a) Schatzbildung
Das Gold schied sich zunächst als Geld vom Zirkulationsmittel da-
durch, daß die Ware den Prozeß ihrer Metamorphose abbrach und in
ihrer Goldverpuppung verharrte. Es erfolgt dies jedesmal, sobald
der Verkauf nicht in Kauf umschlägt. Die Verselbständigung des
Goldes als Geld ist also vor allem sinnfälliger Ausdruck des Zer-
fallens des Zirkulationsprozesses oder der Metamorphose der Ware
in zwei getrennte, gleichgültig nebeneinander bestehende Akte.
Die Münze selbst wird Geld, sobald ihr Lauf unterbrochen wird. In
der Hand des Verkäufers, der sie für eine Ware einlöst, ist sie
Geld, nicht Münze; sobald sie seine Hand verläßt, wird sie wieder
Münze. Jeder ist Verkäufer der einseitigen Ware, die er produ-
ziert, aber Käufer aller andern Waren, deren er zur gesellschaft-
lichen Existenz bedarf. Während sein Auftreten als Verkäufer von
der Arbeitszeit abhängt, die seine Ware zu ihrer Produktion
erheischt, ist sein Auftreten als Käufer durch beständige Er-
neuerung der Lebensbedürfnisse bedingt. Um kaufen zu können, ohne
zu verkaufen, muß er verkauft haben, ohne zu kaufen. In der Tat
ist die Zirkulation W-G-W nur die prozessierende Einheit des Ver-
kaufs und Kaufs, insofern sie zugleich der beständige Prozeß ih-
rer Trennung ist. Damit das Geld als Münze beständig fließt, muß
die Münze beständig zu Geld gerinnen. Der beständige Umlauf der
Münze ist bedingt durch ihre beständige Stockung in größern oder
kleinern Portionen, in allseitig innerhalb der Zirkulation eben-
sowohl entspringenden als sie bedingenden Reservefonds von Münze,
deren Bildung, Verteilung, Auflösung und Wiederbildung stets
wechselt, deren Dasein beständig verschwindet, deren Verschwinden
beständig da ist. Adam Smith hat diese unaufhörliche Verwandlung
der Münze in Geld und des Geldes in Münze so ausgedrückt, daß je-
der Warenbesitzer neben der besondern Ware, die er verkauft, eine
gewisse Summe der allgemeinen Ware, womit er kauft, stets vorrä-
tig haben müsse. Wir sahen, daß in der Zirkulation W-G-W das
zweite Glied G-W sich in eine Reihe Käufe zersplittert, die sich
nicht auf einmal, sondern sukzessiv in der Zeit vollziehen, so
daß eine Portion von G als Münze umläuft, während die andere als
Geld ruht. Das Geld ist hier in der Tat nur s u s p e n-
d i e r t e M ü n z e und die einzelnen Bestandteile der
umlaufenden Münzmasse erscheinen stets wechselnd, bald in der
einen, bald in der andern Form. Diese erste Verwandlung des
Zirkulationsmittels in Geld stellt daher ein nur technisches
Moment des Geldumlaufs selbst dar. *)
---
*) Boisguillebert wittert in der ersten Immobilisierung des per-
petuum mobile, d.h. der Verneinung seines funktionellen Daseins
als Zirkulationsmittel, sofort seine Verselbständigung
#105# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Die erste naturwüchsige Form des Reichtums ist die des Überflus-
ses oder des Überschusses, der nicht als Gebrauchswert unmittel-
bar erheischte Teil der Produkte, oder auch der Besitz solcher
Produkte, deren Gebrauchswert außerhalb des Kreises bloßer Be-
dürftigkeit fällt. Bei der Betrachtung des Übergangs von Ware zu
Geld sahen wir, daß dieser Überfluß oder Überschuß der Produkte
auf unentwickelter Produktionsstufe die eigentliche Sphäre des
Warenaustausches bildet. Überflüssige Produkte werden austausch-
bare Produkte oder Waren. Die adäquate Existenzform dieses Über-
flusses ist Gold und Silber, die erste Form, worin der Reichtum
als abstrakt gesellschaftlicher Reichtum festgehalten wird. Die
Waren können nicht nur in der Form des Goldes oder Silbers, d.h.
in dem Material des Geldes, aufbewahrt werden, sondern Gold und
Silber sind Reichtum in präservierter Form. Jeder Gebrauchswert
als solcher dient, indem er konsumiert, d.h. vernichtet wird. Der
Gebrauchswert des Goldes als Geld aber ist, Träger des Tausch-
werts zu sein, als formloser Rohstoff Materiatur der allgemeinen
Arbeitszeit. Als formloses Metall besitzt der Tauschwert eine un-
vergängliche Form. Gold oder Silber so als Geld immobilisiert,
ist S c h a t z. Bei Völkern von rein metallischer Zirkulation,
wie bei den Alten, zeigt sich Schatzbildung als ein allseitiger
Prozeß vom einzelnen bis zum Staat, der seinen Staatsschatz hü-
tet. In den altern Zeiten, in Asien und Ägypten, erscheinen diese
Schätze in der Hut der Könige und der Priester mehr als Zeugen
ihrer Macht. In Griechenland und Rom wird es Politik, Staats-
schätze zu bilden, als die stets gesicherte und stets schlagfer-
tige Form des Überflusses. Das schnelle Überführen solcher
Schätze von einem Land in das andere durch Eroberer und ihre
teilweise plötzliche Ausgießung in die Zirkulation bilden eine
Eigentümlichkeit der antiken Ökonomie.
Als v e r g e g e n s t ä n d l i c h t e A r b e i t s z e i t
bürgt das Gold für seine eigene Wertgröße, und da es Materiatur
der a l l g e m e i n e n Arbeitszeit ist, bürgt ihm der Zirku-
lationsprozeß für seine stete Wirkung als Tauschwert. Durch die
bloße Tatsache, daß der Warenbesitzer die Ware in ihrer Gestalt
als Tauschwert oder den Tauschwert selbst als Ware festhalten
kann, wird der Austausch der Waren, um sie in der verwandelten
Gestalt des Goldes zurückzuerhalten,
-----
gegen die Waren. Das Geld, sagt er, soll sein "in einer beständi-
gen Bewegung, was es nur sein kann, solange es beweglich ist,
aber sobald es unbeweglich wird, ist alles verloren". ("Le détail
de la France", p. 213.) Was er übersieht, ist, daß dies Stillste-
hen Bedingung seiner Bewegung ist. Was er in der Tat will, ist,
daß der Tauschwert *) der Waren als bloß verschwindende Form
ihres Stoffwechsels erscheine, aber nie sich als Selbstzweck be-
festige.
*) Soll heißen: die Wertform der Waren. [Note im Handexemplar.]
#106# Karl Marx
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eigenes Motiv der Zirkulation. Die Metamorphose der Ware W-G fin-
det statt um ihrer Metamorphose willen, um sie aus besonderm na-
türlichen Reichtum in allgemeinen gesellschaftlichen Reichtum zu
verwandeln. Statt des Stoffwechsels wird der Formwechsel Selbst-
zweck. Aus der bloßen Form schlägt der Tauschwert um in den In-
halt der Bewegung. Als Reichtum, als Ware erhält sich die Ware
nur, sofern sie sich innerhalb der Sphäre der Zirkulation erhält,
und sie erhält sich nur in diesem flüssigen Zustand, soweit sie
zu Silber und Gold verknöchert. Sie bleibt im Fluß als Kristall
des Zirkulationsprozesses. Gold und Silber fixieren sich indes
selber nur als Geld, sofern sie nicht Zirkulationsmittel sind.
A l s N i c h t - Z i r k u l a t i o n s m i t t e l w e r-
d e n s i e G e l d. 1*) Das Entziehen der Ware aus der
Zirkulation in der Form des Goldes ist also das einzige Mittel,
sie beständig innerhalb der Zirkulation zu halten.
Der Warenbesitzer kann von der Zirkulation nur als Geld zurücker-
halten, was er ihr als Ware gibt. Beständiges Verkaufen, fortwäh-
rendes Werfen von Waren in Zirkulation, ist daher erste Bedingung
der Schatzbildung vom Standpunkte der Warenzirkulation. Andrer-
seits verschwindet das Geld beständig als Zirkulationsmittel im
Zirkulationsprozeß selbst, indem es sich stets in Gebrauchswerten
verwirklicht und in vergängliche Genüsse auflöst. Es muß also dem
verzehrenden Strom der Zirkulation entrissen, oder die Ware muß
in ihrer ersten Metamorphose festgehalten werden, indem es ver-
hindert wird, seine Funktion als Kaufmittel zu vollziehen. Der
Warenbesitzer, der nun zum Schatzbildner geworden ist, muß mög-
lichst viel verkaufen und möglichst wenig kaufen, wie schon der
alte Cato lehrte: patrem familias vendacem, non emacem esse 2*).
Wie Arbeitsamkeit die positive, ist Sparsamkeit die negative
Bedingung der Schatzbildung. Je weniger das Äquivalent der Ware
in besondern Waren oder Gebrauchswerten der Zirkulation entzogen
wird, um so mehr wird es ihr in der Form des Geldes oder Tausch-
werts entzogen. *) Die Aneignung des Reichtums in seiner
allgemeinen Form bedingt also die Entsagung auf den Reichtum in
seiner stofflichen Wirklichkeit. Der lebendige Trieb der Schatz-
bildung ist daher der G e i z, für den nicht die Ware als Ge-
brauchswert, sondern der Tauschwert als Ware Bedürfnis ist. Um
sich des Überflusses in seiner allgemeinen Form zu bemächtigen,
müssen die
---
*) "Je mehr der Vorrat in Waren wächst, um so mehr nimmt der als
Schatz (in treasure) existierende ab." E. Misseiden, l.c. p. 23.
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1*) Im Handexemplar unterstrichen; (1859) nicht hervorgehoben -
2*) Der Hausvater soll verkaufsbegierig, nicht kauflustig sein
#107# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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besonderen Bedürfnisse als Luxus und Überfluß behandelt werden.
So machten im Jahre 1593 die Cortes Philipp II. eine Vorstellung,
worin es unter anderm heißt:
"Die Cortes von Valladolid vom Jahre 1586 baten Ew. Majestät,
nicht ferner die Einfuhr in das Königreich zu erlauben von Ker-
zen, Glaswaren, Bijouterien. Messern und ähnlichen Dingen, die
vom Ausland kommen, um diese dem menschlichen Leben so unnützen
Dinge auszutauschen gegen Gold, als ob die Spanier I n d i-
a n e r wären." [21]
Der Schatzbildner verachtet die weltlichen, zeitlichen und ver-
gänglichen Genüsse, um dem ewigen Schatz nachzujagen, den weder
die Motten noch der Rost fressen, der ganz himmlisch und ganz ir-
disch ist.
"Die allgemeine entfernte Ursache unseres Mangels an Gold", sagt
Misselden in der angeführten Schrift, "ist der große Exzeß dieses
Königreichs im Konsum von Waren fremder Länder, die sich uns
statt als commodities 1*) als discommodities 2*) erproben, indem
sie uns von ebenso vielem Schatze abschneiden, der sonst an die
Stelle dieser Spielsachen (toys) importiert würde. Wir konsumie-
ren unter uns einen viel zu großen Überfluß an Weinen von Spa-
nien, Frankreich, Rheinland, Levante; die Rosinen von Spanien,
die Korinthen der Levante, die Lawns (Sorte feiner Leinwand) und
Cambrics 3*) von Hainaut, die Seidenzeuge von Italien, Zucker und
Tabak von Westindien, die Gewürze von Ostindien, alles das ist
kein a b s o l u t e s B e d ü r f n i s für uns, und dennoch
werden diese Dinge gekauft mit hartem Gold." *)
Als Gold und Silber ist der Reichtum unvergänglich, sowohl weil
der Tauschwert in unverwüstlichem Metall existiert, als nament-
lich weil das Gold und Silber verhindert wird, als Zirkulations-
mittel zur nur verschwindenden Geldform der Ware zu werden. Der
vergängliche Gehalt wird so der unvergänglichen Form geopfert.
"Wird das Geld durch die Steuer von einem genommen, der es verißt
und vertrinkt und einem gegeben, der es in Verbesserung des Lan-
des, Fischfang, Minenwerken, Manufakturen oder selbst in Kleidern
verwendet, so ist immer ein Vorteil für das Gemeinwesen vorhan-
den, denn selbst Kleider sind nicht so vergänglich als Mahlzeiten
und Getränke. Wird es in Hausmöbeln verwandt, so ist der Vorteil
um so größer, im Bauen von Häusern noch größer usw., am größten
von allem, wenn Gold und Silber in das Land gebracht wird, weil
diese Dinge allein nicht vergänglich sind, sondern zu allen Zei-
ten und allen Orten als Reichtum geschätzt werden; alles andere
ist nur Reichtum pro hic et nunc 4*)." **)
---
*) l.c. p. 11-13 passim.
**) Petty, "Political Arithmetic", l.c. p. 196.
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1*) nötige Waren - 2*) unnötige Waren - 3*) Batiste - 4*) für
hier und jetzt
#108# Karl Marx
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Das Entreißen des Geldes aus dem Strom der Zirkulation und Retten
vor dem gesellschaftlichen Stoffwechsel zeigt sich auch äußerlich
im Vergraben, so daß der gesellschaftliche Reichtum als unterir-
discher unvergänglicher Schatz in ein ganz heimliches Privatver-
hältnis zum Warenbesitzer gebracht wird. Doktor Bernier, der sich
eine Zeitlang zu Delhi am Hofe Aurangzebs aufhielt, erzählt, wie
die Kaufleute ihr Geld heimlich und tief vergraben, besonders
aber die nichtmohammedanischen Heiden, die fast allen Handel und
alles Geld in der Hand haben,
"befangen wie sie sind im Glauben, daß das Gold und Silber, wel-
ches sie während ihres Lebens verbergen, ihnen nach dem Tode in
der andern Welt dienen wird" *).
Der Schatzbildner ist übrigens, soweit sein Asketismus mit tat-
kräftiger Arbeitsamkeit verbunden ist, von Religion wesentlich
Protestant und noch mehr Puritaner.
"Das kann man nicht leugnen, daß Kaufen und Verkaufen ein nötig
Ding ist, das man nicht entbehren, und wohl christlich brauchen
kann, sonderlich in Dingen, die zur Not und Ehre dienen, denn
also haben auch die Patriarchen verkauft und gekauft, Vieh,
Wolle, Getreide, Butter, Milch und andere Güter. Es sind Gottes-
gaben, die er aus der Erde gibt und unter die Menschen teilt.
Aber der ausländische Kaufhandel, der aus Kalikat und Indien und
dergleichen War herbringt, als solch köstlich Seiden und Goldwerk
und Würze, die nur zur Pracht und keinem Nutzen dient, und Land
und Leuten das Geld aussaugt, sollte nicht zugelassen werden, so
wir ein Regiment und Fürsten hätten. Doch hievon will ich jetzt
nicht schreiben; denn ich achte, es werde zuletzt, wenn wir nicht
mehr Geld haben, von ihm selbst ablassen müssen, wie auch der
Schmuck und Fraß: es will doch sonst kein Schreiben und Lehren
helfen, bis uns die Not und Armut zwingt." **)
In Zeiten der Erschütterung des gesellschaftlichen Stoffwechsels
findet selbst in der entwickelten bürgerlichen Gesellschaft das
Vergraben des Geldes
---
*) François Bernier, "Voyages contenant la description des états
du Grand Mogol", Pariser Ausgabe 1830, t. 1, conf. p. 312-314.
**) Dohjor Martin Luther, "Bücher vom Kaufhandel und Wucher",
1524. An derselben Stelle sagt Luther: "Gott hat uns Deutsche da-
hin geschleudert, daß wir unser Gold und Silber müssen in fremde
Länder stoßen, alle Welt reich machen und selbst Bettler bleiben.
England sollte wohl weniger Goldes haben, wenn Deutschland ihm
sein Tuch ließe, und der König von Portugal sollte auch weniger
haben, wenn wir ihm seine Würze ließen. Rechne Du, wie viel
Geldes eine Messe zu Frankfurt aus deutschen Landen geführt wird,
ohne Not und Ursache: so wirst Du Dich wundern, wie es zugehe,
daß noch ein Heller in deutschen Landen sei. Frankfurt ist das
Silber- und Goldloch, dadurch aus deutschem Lande fließt, was nur
quillet und wächst, gemünzt oder geschlagen wird bei uns: wäre
das Loch zugestopft, so dürft man itz der Klage nicht
#109# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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als Schatz statt. Der gesellschaftliche Zusammenhang in seiner
kompakten Form - für den Warenbesitzer besteht dieser Zusammen-
hang in der Ware und das adäquate Dasein der Ware ist Geld - wird
gerettet vor der gesellschaftlichen Bewegung. Der gesellschaftli-
che nervus rerum 1*) wird bestattet neben dem Körper, dessen Nerv
er ist.
Der Schatz wäre nun bloß nutzloses Metall, seine Geldseele wäre
aus ihm entflohen und er bliebe als ausgebrannte Asche der Zirku-
lation, als ihr caput mortuum 2*) zurück, stünde er nicht in be-
ständiger Spannung zu ihr. Geld oder verselbständigter Tauschwert
ist seiner Qualität nach Dasein des abstrakten Reichtums, ande-
rerseits aber ist jede gegebene Geldsumme quantitativ begrenzte
Wertgröße. Die quantitative Grenze des Tauschwerts widerspricht
seiner qualitativen Allgemeinheit, und der Schatzbildner empfin-
det die Grenze als Schranke, die in der Tat zugleich in qualita-
tive Schranken umschlägt, oder den Schatz zum bloß beschränkten
Repräsentanten des stofflichen Reichtums macht. Geld, als das
allgemeine Äquivalent, stellt sich, wie wir sahen, unmittelbar
dar in einer Gleichung, worin es selbst die eine Seite, die un-
endliche Reihe der Waren aber die andere Seite bildet. Von der
Größe des Tauschwerts hängt es ab, wieweit es sich annähernd als
solche unendliche Reihe realisiert, d. h. seinem Begriff als
Tauschwert entspricht. Die Bewegung des Tauschwerts als Tausch-
wert, als Automat, kann überhaupt nur die sein, über seine quan-
titative Grenze hinauszugehen. Indem aber eine quantitative
Grenze des Schatzes überschritten wird, wird eine neue Schranke
geschaffen,
---
hören, wie allenthalben eitel Schuld und kein Geld, alle Land und
Städte ausgewuchert sind. Aber laß gehen, es will doch also ge-
hen: wir Deutsche müssen Deutsche bleiben! wir lassen nicht ab,
wir müssen denn." [p. 4/5.]
Misselden in der oben angeführten Schrift will das Gold und Sil-
ber wenigstens im Kreis der Christenheit halten: "Das Geld wird
vermindert durch den Handel jenseits der Christenheit mit der
Türkei, Persien und Ostindien. Diese Handelszweige werden größ-
tenteils mit barem Geld geführt, jedoch ganz anders wie die Han-
delszweige der Christenheit in sich selbst. Denn obgleich der
Handel innerhalb der Christenheit mit barem Geld getrieben wird,
ist doch das Geld fortwährend eingeschlossen innerhalb seiner
Grenzen. Da ist in der Tat Strömung und Gegenströmung, Flut und
Ebbe des Geldes in dem innerhalb der Christenheit geführten Han-
del, denn manchmal ist es reichlicher an einem Teil, mangelnder
an einem andern, je nachdem ein Land Mangel hat und ein anderes
Überfluß: es kommt und geht und wirbelt im Kreis der Christen-
heit, aber bleibt stets von seiner Linie umfangen. Aber das Geld,
womit außerhalb der Christenheit in die oben angegebenen Länder
hinausgehandelt wird, ist beständig ausgegeben und kehrt nie zu-
rück." [p. 19, 20.]
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1*) Nerv der Dinge - 2*) chemischer Rückstand
#110# Karl Marx
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die wieder aufgehoben werden muß. Es ist nicht eine bestimmte
Grenze des Schatzes, die als Schranke erscheint, sondern jede
Grenze desselben. Die Schatzbildung hat also keine immanente
Grenze, kein Maß in sich, sondern ist ein endloser Prozeß, der in
seinem jedesmaligen Resultat ein Motiv seines Anfangs findet.
Wenn der Schatz nur vermehrt wird, indem er konserviert wird, so
wird er aber auch nur konserviert, indem er vermehrt wird.
Das Geld ist nicht nur e i n Gegenstand der Bereicherungssucht,
es ist d e r Gegenstand derselben. Sie ist wesentlich auri
sacra fames 1*). Die Bereicherungssucht im Unterschied von der
Sucht nach besonderm natürlichen Reichtum oder Gebrauchswerten,
wie Kleider, Schmuck, Herden usw., ist nur möglich, sobald der
allgemeine Reichtum als solcher in einem besondern Ding indivi-
dualisiert ist und daher als einzelne Ware festgehalten werden
kann. Das Geld erscheint also ebensosehr als Gegenstand wie
Quelle der Bereicherungssucht. *) Was in der Tat zugrunde liegt,
ist, daß der Tauschwert als solcher und damit seine Vermehrung
zum Zweck wird. Der Geiz hält den Schatz fest, indem er dem Geld
nicht erlaubt, Zirkulationsmittel zu werden, aber die Goldgier
erhält seine Geldseele, seine beständige Spannung gegen die Zir-
kulation.
Die Tätigkeit nun, wodurch der Schatz gebildet wird, ist einer-
seits Entziehen des Geldes aus der Zirkulation durch beständig
wiederholten Verkauf, andrerseits einfaches Aufspeichern,
A k k u m u l i e r e n. Es ist in der Tat nur in der Sphäre der
einfachen Zirkulation, und zwar in der Form der Schatzbildung,
daß die Akkumulation des Reichtums als solche stattfindet, wäh-
rend, wie wir später sehen werden, die andern sog. Formen der Ak-
kumulation nur mißbräuchlich, nur durch Erinnerung an die einfa-
che Geldakkumulation, als Akkumulation gelten. Alle andern Waren
werden aufgehäuft entweder als Gebrauchswerte, und dann ist die
Art ihrer Aufhäufung bestimmt durch die Besonderheit ihres Ge-
brauchswerts. Aufhäufen von Getreide z.B. erfordert besondre Vor-
richtungen. Schafe aufhäufen macht mich zum Hirten, Sklaven und
Land aufhäufen macht Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse
nötig usw. Die Vorratbildung des besondern Reichtums erfordert
besondere Prozesse, unterschieden vom einfachen Akt des Auf-
häufèns selbst, und entwickelt besondre Seiten der Individuali-
tät. Oder der Reichtum in der
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*) "Im Geld liegt der Ursprung des Geizes ... allmählich ent-
brennt hier eine Art Tollheit, schon nicht mehr Geiz, sondern
Goldgier." (Plinius, "Historia naturalis", L. XXXIII, C. III,
Sect. 14.)
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1*) verfluchte Gier nach Gold (Virgil, "Aeneis")
#111# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Form von Waren wird als Tauschwert aufgehäuft, und dann erscheint
die Aufhäufung als eine kaufmännische oder spezifisch ökonomische
Operation. Das Subjekt derselben wird Kornhändler, Viehhändler
usw. Gold und Silber sind Geld nicht durch irgendeine Tätigkeit
des Individuums, das sie aufhäuft, sondern als Kristalle des ohne
sein Zutun vor sich gehenden Zirkulationsprozesses. Er hat nichts
zu tun, als sie beiseite zu schaffen und Gewicht zu Gewicht zu
häufen, eine ganz inhaltslose Tätigkeit, die auf alle anderen Wa-
ren angewandt, sie entwerten würde. *)
Unser Schatzbildner erscheint als Märtyrer des Tauschwerts, hei-
liger Asket auf dem Gipfel der Metallsäule. Es ist ihm nur um den
Reichtum in seiner gesellschaftlichen Form zu tun, und darum ver-
gräbt er ihn vor der Gesellschaft. Er verlangt die Ware in ihrer
stets zirkulationsfähigen Form, und darum entzieht er sie der
Zirkulation. Er schwärmt für den Tauschwert, und darum tauscht er
nicht aus. Die flüssige Form des Reichtums und sein Petrefakt,
Elixier des Lebens und Stein der Weisen, spuken alchimistisch
toll durcheinander. In seiner eingebildeten schrankenlosen Genuß-
sucht entsagt er allem Genüsse. Weil er alle gesellschaftlichen
Bedürfnisse befriedigen will, befriedigt er kaum die natürliche
Notdurft. Indem er den Reichtum in seiner metallischen Leiblich-
keit festhält, verdunstet er ihn zum bloßen Hirngespinst. In der
Tat aber ist das Aufhäufen des Geldes um des Geldes willen die
barbarische Form der Produktion um der Produktion willen, d.h.
Entwicklung der Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit
hinaus über die Schranken herkömmlicher Bedürfnisse. Je unentwic-
kelter die Warenproduktion,
-----
*) Horaz versteht also nichts von der Philosophie der Schatzbil-
dung, wenn er sagt ("Satiren", L. II, Satire III):
"Kaufte sich jemand Lauten und häufte den Kram aufeinander,
Während er weder der Laute, noch einer der Musen sich hingab.
Ahlen und Leist, wer nicht Schuhmacher, und Segel zur Schiffahrt,
Wer nicht hold dem Verkehre zur See: Wahnwitzig und hirnlos
Nennte mit Recht ihn jeder. In was ist von diesen verschieden,
Wer sein Silber und Gold einscharrt, nicht weiß zu gebrauchen.
Und das Gesammelte nicht, gleich Heiligem, wagt zu berühren?"
Herr Senior versteht die Sache besser: "Das Geld scheint das ein-
zige Ding zu sein, nach dem das Verlangen allgemein ist, und zwar
deshalb, weil das Geld ein a b s t r a k t e r R e i c h t u m
ist und weil die Menschen, wenn sie es besitzen, alle ihre Be-
dürfnisse befriedigen können, welcher Art sie auch seien."
("Principes fondamentaux de l'économie politique, traduit par le
Comte Jean Arrivabene", Paris 1836, p. 221.) Oder Storch: "Da das
Geld alle andern Reichtümer repräsentiert, hat man es nur aufzu-
häufen, um sich alle in der Welt existierenden Arten von Reichtum
zu verschaffen." (l.c. t. II, p. 135.)
#112# Karl Marx
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um so wichtiger ist die erste Verselbständigung des Tauschwerts
als Geld, die Schatzbildung, die daher eine große Rolle spielt
bei den alten Völkern, in Asien bis auf die heutige Stunde, und
bei den modernen Bauernvölkern, wo der Tauschwert noch nicht alle
Produktionsverhältnisse ergriffen hat. Die spezifisch ökonomische
Funktion der Schatzbildung innerhalb der metallischen Zirkulation
selbst werden wir sogleich betrachten, erwähnen aber noch vorher
eine andre Form der Schatzbildung.
Ganz abgesehn von ihren ästhetischen Eigenschaften sind silberne
und goldne Waren, sofern das Material, woraus sie bestehen, Mate-
rial des Geldes ist, umwandelbar in Geld, wie Goldgeld oder Gold-
barren in sie umwandelbar sind. Weil Gold und Silber das Material
des abstrakten Reichtums sind, besteht die größte Schaustellung
des Reichtums in ihrer Benutzung als konkrete Gebrauchswerte, und
wenn der Warenbesitzer auf gewissen Stufen der Produktion seinen
Schatz verbirgt, treibt es ihn überall, wo es mit Sicherheit ge-
schehn kann, als rico hombre 1*) den andern Warenbesitzern zu er-
scheinen. Er vergoldet sich und sein Haus. *) In Asien, nament-
lich in Indien, wo die Schatzbildung nicht wie in der bürgerli-
chen Ökonomie als eine untergeordnete Funktion des Mechanismus
der Gesamtproduktion erscheint, sondern der Reichtum in dieser
Form als letzter Zweck festgehallen wird, sind Gold- und Silber-
waren eigentlich nur ästhetische Form der Schätze. Im mittel-
altrigen England waren Gold- und Silberwaren, da ihr Wert nur we-
nig durch die zugefügte rohe Arbeit vermehrt wurde, gesetzlich
als bloße Form des Schatzes betrachtet. Ihr Zweck war, wieder in
Zirkulation geworfen zu werden und ihre Feinheit daher ganz
ebenso vorgeschrieben, wie die der Münze selbst. Der wachsende
Gebrauch von Gold und Silber als Luxusgegenstände mit wachsendem
Reichtum ist eine so einfache Sache, daß sie den Alten völlig
klar war **), während die modernen Ökonomen den falschen Satz
aufgestellt haben, daß der Gebrauch silberner und goldner Waren
nicht zunehme im Verhältnis zum Steigen des Reichtums, sondern
nur im Verhältnis zum Wertfall der edeln Metalle. Ihre sonst ge-
nauen Nachweisungen über die Verwendung
---
*) Wie sehr der inner man 2*) des Warenindividuums unverändert
bleibt, auch wo es sich zivilisiert und zum Kapitalisten entwic-
kelt hat, beweist z.B. der Londoner Repräsentant eines kosmopoli-
tischen Bankierhauses, der als passendes Familienwappen eine
Banknote von 100 000 Pfd. St. in Glas und Rahmen hängen hat. Die
Pointe ist hier das spöttisch vornehme Herabsehen der Note auf
die Zirkulation.
**) Siehe die später zitierte Stelle von Xenophon.
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1*) reicher Mann - 2*) innere Mensch
#113# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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des kalifornischen und australischen Goldes zeigen daher stets
einen Ausfall, weil der gestiegne Konsum des Goldes als Rohmate-
rial in ihrer Einbildung nicht gerechtfertigt ist durch entspre-
chenden Fall in seinem Wert. Von 1810 bis 1830, infolge des
Kampfs der amerikanischen Kolonien mit Spanien [22] und der Un-
terbrechung der Minenarbeit durch Revolutionen, hatte die jährli-
che Durchschnittsproduktion der edeln Metalle um mehr als die
Hälfte abgenommen. Die Abnahme der in Europa zirkulierenden Münze
betrug beinahe 1/6, 1829 verglichen mit 1809. Obgleich also die
Quantität der Produktion abgenommen hatte und die Produktionsko-
sten gestiegen, wenn überhaupt verändert waren, nahm nichtsdesto-
weniger der Konsum der edeln Metalle als Luxusgegenstände außer-
ordentlich zu, in England schon während des Krieges, auf dem Kon-
tinent seit dem Pariser Frieden. Er stieg mit dem Wachstum des
allgemeinen Reichtums. *) Als allgemeines Gesetz kann aufgestellt
werden, daß die Umwandlung von Gold- und Silbergeld in Luxus-
gegenstände während des Friedens, ihre Rückverwandlung in Barren
oder auch Münze aber nur in sturmvollen Zuständen vorwiegt. **)
Wie bedeutend das Verhältnis des in der Form von Luxusware exi-
stierenden Gold- und Silberschatzes zu dem als Geld dienenden
edeln Metall ist, mag daraus ersehn werden, daß 1829 das Verhält-
nis nach Jacob in England wie 2 zu 1 war, in ganz Europa und Ame-
rika aber 1/4 mehr edles Metall in Luxusgegenständen als in Geld
existierte.
Wir sahen, daß der Geldumlauf bloß die Erscheinung der Metamor-
phose der Waren ist oder des Formwechsels, worin sich der gesell-
schaftliche Stoffwechsel vollzieht. Mit der wechselnden Preis-
summe der zirkulierenden Waren oder dem Umfang ihrer gleichzeiti-
gen Metamorphosen einerseits, mit der jedesmaligen Geschwindig-
keit ihres Formwechsels andrerseits, mußte daher die Gesamtquan-
tität des zirkulierenden Goldes beständig expandieren oder kon-
trahieren, was nur möglich unter der Bedingung, daß die Gesamt-
quantität des in einem Lande befindlichen Geldes fortwährend in
wechselndem Verhältnis steht zur Quantität des in Zirkulation be-
findlichen Geldes. Diese Bedingung wird durch die Schatzbildung
erfüllt. Fallen die Preise oder steigt die Zirkulationsgeschwin-
digkeit, so absorbieren die Schatzreservoirs den aus der Zirkula-
tion abgesonderten Teil des Geldes; steigen die Preise oder fällt
---
*) Jacob, l.c. t. II, ch. 25 und 26.
**) "In Zeiten großer Erregung und Unsicherheit, besonders wäh-
rend innerer Aufstände oder Invasionen, werden Gold- und Silber-
gegenstände schnell in Geld verwandelt; in Perioden der Ruhe und
des Wohlstandes hingegen wird Geld in Silbergeschirr und Schmuck-
gegenstände verwandelt" (l.c. t. II. p. 357).
#114# Karl Marx
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die Zirkulationsgeschwindigkeit, so öffnen sich die Schätze und
strömen teilweise in die Zirkulation zurück. Die Erstarrung des
zirkulierenden Geldes in Schatz und das Ergießen der Schätze in
die Zirkulation ist beständig wechselnde oszillatorische Bewe-
gung, worin das Vorwiegen der einen oder der andern Richtung aus-
schließlich durch die Schwankungen der Warenzirkulation bestimmt
ist. Die Schätze erscheinen so als Zufuhr- und Abzugskanäle des
zirkulierenden Geldes, so daß immer nur das durch die unmittelba-
ren Bedürfnisse der Zirkulation selbst bedingte Quantum Geld als
Münze zirkuliert. Dehnt sich der Umfang der Gesamtzirkulation
plötzlich aus und wiegt die flüssige Einheit von Verkauf und Kauf
vor, so daß aber die Gesamtsumme der zu realisierenden Preise
noch rascher wächst als die Geschwindigkeit des Geldumlaufs, so
entleeren sich die Schätze zusehends; sobald die Gesamtbewegung
ungewöhnlich stockt oder die Trennung von Verkauf und Kauf sich
befestigt, erstarrt das Zirkulationsmittel in auffallenden Pro-
portionen zu Geld und füllen sich die Schatzreservoirs weit über
ihr Durchschnittsniveau. In Ländern rein metallischer Zirkulation
oder unentwickelter Produktionsstufe sind die Schätze unendlich
zersplittert und zerstreut über die ganze Oberfläche des Landes,
während sie in bürgerlich entwickelten Ländern in den Bankreser-
voirs konzentriert werden. Der Schatz ist nicht zu verwechseln
mit der Münzreserve, die selbst einen Bestandteil der stets in
Zirkulation befindlichen Gesamtquantität Geld bildet, während das
aktive Verhältnis von Schatz und Zirkulationsmittel das Sinken
oder Steigen jener Gesamtquantität unterstellt. Gold- und Silber-
waren bilden, wie wir gesehn, ebenfalls sowohl einen Abzugskanal
der edlen Metalle, wie latente Zufuhrquelle. In gewöhnlichen Zei-
ten ist nur ihre erstere Funktion wichtig für die Ökonomie der
metallischen Zirkulation. *)
---
*) In der folgenden Stelle entwickelt Xenophon Geld in seiner
spezifischen Formbestimmtheit als Geld und Schatz; "In diesem
einzigen Gewerbe von allen, die ich kenne, erregt niemand der an-
dern damit Beschäftigten Neid... Denn je reicher die Silberberg-
werke erscheinen, und je mehr Silber gefördert wird, desto mehr
Leute ziehen sie zu dieser Arbeit heran. Wenn man für die Wirt-
schaft genügend Hausgerät erworben hat, wird man wenig mehr kau-
fen; Silber jedoch besitzt niemand so viel, daß er nicht noch
mehr zu haben wünscht, und wenn es bei jemand in Fülle, dann ver-
gräbt er das Überflüssige und freut sich daran nicht weniger, als
wenn er es gebrauchte. Wenn nämlich die Städte aufblühn, dann
brauchen die Leute das Silber besonders. Denn die Männer wollen
außer schönen Waffen auch gute Pferde, prächtige Häuser und Ein-
richtungen kaufen, die Frauen aber begehren allerlei Gewänder und
goldenen Schmuck. Wenn aber die Städte Not leiden durch Mißernte
oder Krieg, dann braucht man Geld infolge Unfruchtbarkeit des Bo-
dens zum, Kauf von Lebensmitteln oder zur
#115# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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b) Zahlungsmittel
Die beiden Formen, worin Geld sich bisher vom Zirkulationsmittel
unterschied, waren die der s u s p e n d i e r t e n M ü n z e
und des S c h a t z e s. Die erste Form reflektierte in der
vorübergehenden Verwandlung der Münze in Geld, daß das zweite
Glied von W-G-W der Kauf G-W, sich innerhalb einer bestimmten
Zirkulationssphäre zersplittern muß in eine Reihe sukzessiver
Käufe. Die Schatzbildung aber beruhte einfach auf Isolierung des
Akts W-G, der nicht zu G-W fortging, oder war nur selbständige
Entwicklung der ersten Metamorphose der Ware, das Geld, entwic-
kelt als das entäußerte Dasein aller Waren im Gegensatz zum Zir-
kulationsmittel als dem Dasein der Ware in ihrer sich stets ver-
äußernden Form. Münzreserve und Schatz waren nur Geld als Nicht-
Zirkulationsmittel, NichtZirkulationsmittel aber nur, weil sie
nicht zirkulierten. In der Bestimmung, worin wir das Geld jetzt
betrachten, zirkuliert es oder tritt in die Zirkulation, aber
nicht in der Funktion des Zirkulationsmittels. Als Zirkulations-
mittel war das Geld stets Kaufmittel, jetzt wirkt es als Nicht-
kaufmittel.
Sobald das Geld durch die Schatzbildung als Dasein des abstrakten
gesellschaftlichen Reichtums und materieller Repräsentant des
stofflichen Reichtums entwickelt ist, erhält es in dieser seiner
Bestimmtheit als Geld eigentümliche Funktionen innerhalb des Zir-
kulationsprozesses. Zirkuliert das Geld als bloßes Zirkulations-
mittel und darum als Kaufmittel, so ist unterstellt, daß Ware und
Geld sich gleichzeitig gegenüberstehen, also dieselbe Wertgröße
doppelt vorhanden ist, auf dem einen Pol als Ware in der Hand des
Verkäufers, auf dem andern Pol als Geld in der Hand des Käufers.
Diese gleichzeitige Existenz der beiden Äquivalente auf entgegen-
gesetzten Polen und ihr gleichzeitiger Stellenwechsel oder ihre
wechselseitige Entäußerung unterstellt ihrerseits, daß Verkäufer
und Käufer sich nur als Besitzer vorhandener Äquivalente aufein-
ander beziehn. Indes der Prozeß der Metamorphose der Waren, der
die verschiedenen Formbestimmtheiten des Geldes erzeugt, metamor-
phosiert auch die Warenbesitzer oder verändert die gesellschaft-
lichen Charaktere, worin sie einander erscheinen. In dem Prozeß
der
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Anwerbung von Hilfstruppen." (Xenophon, "De Vectigalibus", C.
IV.) Aristoteles in C. 9, L. I der "Republik" entwickelt die bei-
den Bewegungen der Zirkulation W-G-W und G-W-G in ihrem Gegensatz
unter dem Namen der "Ökonomik" und "Chrematistik". Beide Formen
werden von den griechischen Tragikern, namentlich von Euripides,
gegenübergestellt als ???? 1*) und ?????? 2*).
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1*) Recht - 2*) Eigennutz
#116# Karl Marx
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Metamorphose der Ware wechselt der Warenhüter ebensooft die Haut
als die Ware wandelt oder das Geld in neuen Formen anschießt. So
standen sich die Warenbesitzer ursprünglich nur als Warenbesitzer
gegenüber, wurde n dann der eine Verkäufer, der andre Käufer,
dann jeder abwechselnd Käufer und Verkäufer, dann Schatzbildner,
endlich reiche Leute. So kommen die Warenbesitzer nicht aus dem
Zirkulationsprozeß heraus, wie sie in ihn eingetreten sind. In
der Tat sind die verschiedenen Formbestimmtheiten, die das Geld
im Zirkulationsprozeß erhält, nur kristallisierter Formwechsel
der Waren selbst, der seinerseits nur gegenständlicher Ausdruck
der wandelnden gesellschaftlichen Beziehungen ist, worin die Wa-
renbesitzer ihren Stoffwechsel vollziehn. Im Zirkulationsprozeß
entspringen neue Verkehrsverhältnisse, und als Träger dieser ver-
änderten Verhältnisse erhalten die Warenbesitzer neue ökonomische
Charaktere. Wie innerhalb der innern Zirkulation das Geld sich
idealisiert und bloßes Papier als Repräsentant des Goldes die
Funktion des Geldes verrichtet, so gibt derselbe Prozeß dem Käu-
fer oder Verkäufer, der als bloßer Repräsentant von Geld oder
Ware in ihn eintritt, d.h. zukünftiges Geld oder zukünftige Ware
repräsentiert, die Wirksamkeit des wirklichen Verkäufers oder
Käufers.
Alle Formbestimmtheiten, wozu sich Gold als Geld entwickelt, sind
nur Entfaltung der in der Metamorphose der Waren eingeschlossenen
Bestimmungen, die aber in dem einfachen Geldumlauf, der Erschei-
nung des Gelds als Münze oder der Bewegung W-G-W als prozessie-
render Einheit, nicht zu selbständiger Gestalt ausgeschieden wur-
den, oder auch, wie z.B. die Abbrechung der Metamorphose der
Ware, als bloße Möglichkeiten erschienen. Wir sahen, daß im Pro-
zeß W-G die Ware als wirklicher Gebrauchswert und ideeller
Tauschwert sich auf das Geld als wirklichen Tauschwert und nur
ideellen Gebrauchswert bezog. Indem der Verkäufer die Ware als
Gebrauchswert veräußerte, realisierte er ihren eigenen Tauschwert
und den Gebrauchswert des Geldes. Umgekehrt, indem der Käufer das
Geld als Tauschwert veräußerte, realisierte er seinen Gebrauchs-
wert und den Preis der Ware. Es fand dementsprechend Stellenwech-
sel von Ware und Geld statt. Der lebendige Prozeß dieses doppel-
seitig polarischen Gegensatzes wird nun wieder in seiner Verwirk-
lichung gespalten. Der Verkäufer veräußert die Ware wirklich und
realisiert ihren Preis zunächst selbst nur wieder ideell. Er hat
sie zu ihrem Preis verkauft, der aber erst in einer später fest-
gesetzten Zeit realisiert wird. Der Käufer kauft als Repräsentant
von künftigem Geld, während der Verkäufer als der Besitzer von
gegenwärtiger Ware verkauft. Auf der Seite des Verkäufers wird
die Ware als Gebrauchswert wirklich veräußert, ohne daß sie als
Preis wirklich realisiert wäre; auf der Seite des Käufers wird
#117# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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das Geld wirklich im Gebrauchswerte der Ware realisiert, ohne daß
es als Tauschwert wirklich veräußert wäre. Statt daß früher das
Wertzeichen, vertritt hier der Käufer selbst symbolisch das Geld.
Wie aber früher die allgemeine Symbolik des Wertzeichens die Ga-
rantie und den Zwangskurs des Staates, ruft jetzt die persönliche
Symbolik des Käufers gesetzlich erzwingbare Privatkontrakte unter
den Warenbesitzern hervor.
Umgekehrt kann im Prozeß G - W das Geld als wirkliches Kaufmittel
entäußert und der Preis der Ware so realisiert werden, ehe der
Gebrauchswert des Geldes realisiert oder die Ware veräußert wird.
Dies findet z.B. statt in der alltäglichen Form der Pränumera-
tion. Oder in der Form, worin die englische Regierung das Opium
der Ryots in Indien, oder in Rußland ansässige fremde Kaufleute
großenteils russische Landeserzeugnisse kaufen. So wirkt jedoch
das Geld nur in der schon bekannten Form des Kaufmittels und er-
hält daher keine neue Formbestimmtheit. *) Wir verweilen daher
nicht bei dem letztern Fall, bemerken jedoch mit Bezug auf die
verwandelte Gestalt, worin beide Prozesse G-W und W-G hier auf-
treten, daß der bloß gemeinte. Unterschied von Kauf und Verkauf,
wie er unmittelbar in der Zirkulation erscheint, jetzt zum wirk-
lichen Unterschied wird, indem in der einen Form nur die Ware, in
der andern nur das Geld vorhanden ist, in beiden aber nur das Ex-
trem, von dem die Initiative ausgeht. Zudem haben beide Formen
gemein, daß in beiden das eine Äquivalent nur in dem gemeinsamen
Willen des Käufers und Verkäufers vorhanden ist, ein Wille, der
beide bindet und bestimmte gesetzliche Formen erhält.
Verkäufer und Käufer werden Gläubiger und Schuldner. Wenn der Wa-
renbesitzer als Hüter des Schatzes eher eine komische Figur
spielte, wird er nun schrecklich, indem er nicht sich selbst,
sondern seinen Nächsten als Dasein einer bestimmten Geldsumme
auffaßt und nicht sich, sondern ihn zum Märtyrer des Tauschwerts
macht. Aus einem Gläubigen wird er zum Gläubiger, aus der Reli-
gion fällt er in die Jurisprudenz.
"I stay here on my bond!" [23]
In der veränderten Form W-G also, worin die Ware vorhanden und
das Geld nur repräsentiert ist, funktioniert das Geld zunächst
als Maß der Werte. Der Tauschwert der Ware wird in Geld als sei-
nem Maß geschätzt, aber als kontraktlich gemeßner Tauschwert exi-
stiert der Preis nicht nur im Kopf des
---
*) Kapital wird natürlich auch in der Form des Geldes avanciert
und das vorgeschoßne Geld mag vorgeschoßnes Kapital sein, dieser
Gesichtspunkt fällt aber nicht in den Horizont der einfachen Zir-
kulation.
#118# Karl Marx
-----
Verkäufers, sondern zugleich als Maß der Verpflichtung des Käu-
fers. Zweitens funktioniert das Geld hier als Kaufmittel, ob-
gleich es nur den Schatten seines künftigen Daseins vor sich her-
wirft. Es zieht nämlich die Ware aus ihrer Stelle, aus der Hand
des Verkäufers in die des Käufers. Wird der Termin für Erfüllung
des Kontrakts fällig, so tritt das Geld in Zirkulation, denn es
wechselt die Stelle und geht aus der Hand des vergangnen Käufers
in die des vergangnen Verkäufers über. Aber es tritt nicht in
Zirkulation als Zirkulationsmittel oder Kaufmittel. Als solches
funktionierte es, ehe es da war, und es erscheint, nachdem es
aufgehört hat, als solches zu funktionieren. Es tritt vielmehr in
Zirkulation als das einzige adäquate Äquivalent für Ware, als ab-
solutes Dasein des Tauschwerts, als letztes Wort des Austausch-
prozesses, kurz als Geld, und zwar als Geld in der bestimmten
Funktion als a l l g e m e i n e s Z a h l u n g s m i t t e l.
In dieser Funktion als Zahlungsmittel erscheint das Geld als die
absolute Ware, aber innerhalb der Zirkulation selbst, nicht wie
der Schatz außerhalb derselben. Der Unterschied von Kaufmittel
und Zahlungsmittel macht sich sehr unangenehm bemerkbar in den
Epochen der Handelskrisen. *)
Ursprünglich erscheint in der Zirkulation die Verwandlung des
Produkts in Geld nur als individuelle Notwendigkeit für den Wa-
renbesitzer, sofern sein Produkt Gebrauchswert nicht für ihn ist,
sondern es erst durch seine Entäußerung werden soll. Um aber zu
zahlen am kontraktlichen Termin, muß er vorher Ware verkauft ha-
ben. Ganz unabhängig von seinen individuellen Bedürfnissen ist
daher der Verkauf durch die Bewegung des Zirkulationsprozesses in
eine gesellschaftliche Notwendigkeit für ihn verwandelt. Als ver-
gangner Käufer einer Ware wird er zwangsweise Verkäufer einer an-
dern Ware, nicht um das Geld als Kaufmittel, sondern um es als
Zahlungsmittel zu erhalten, als die absolute Form des Tausch-
werts. Die Verwandlung von Ware in Geld als abschließender Akt,
oder die erste Metamorphose der Ware als Selbstzweck, die in der
Schatzbildung Laune des Warenbesitzers schien, ist jetzt zu einer
ökonomischen Funktion geworden. Das Motiv und der Inhalt des Ver-
kaufs, um zu zahlen, ist aus der Form des Zirkulationsprozesses
selbst entspringender Inhalt desselben.
In dieser Form des Verkaufs vollzieht die Ware ihren Stellenwech-
sel, zirkuliert, während sie ihre erste Metamorphose, ihre Ver-
wandlung in Geld aufschiebt. Auf der Seite des Käufers dagegen
wird die zweite Metamorphose vollzogen, d.h. Geld in Ware rück-
verwandelt, ehe die erste Metamorphose vollzogen ist, d.h. Ware
in Geld verwandelt worden ist. Die erste Metamorphose
---
*) Unterschied von Kaufmittel und Zahlungsmittel bei Luther be-
tont. [Note im Handexemplar.]
#119# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
-----
erscheint also hier in der Zeit nach der zweiten. Und damit er-
hält das Geld, die Gestalt der Ware in ihrer ersten Metamorphose,
neue Formbestimmtheit. Geld oder die selbständige Entwicklung des
Tauschwerts ist nicht mehr vermittelnde Form der Warenzirkula-
tion, sondern ihr abschließendes Resultat.
Daß solche Z e i t v e r k ä u f e, worin beide Pole des Ver-
kaufs getrennt in der Zeit existieren, naturwüchsig aus der ein-
fachen Warenzirkulation hervorgehn, bedarf keines ausführlichen
Beweises. Zunächst bringt es die Entwicklung der Zirkulation mit
sich, daß das wechselseitige Auftreten derselben Warenbesitzer
füreinander als Verkäufer und Käufer sich wiederholt. Die wieder-
holte Erscheinung bleibt nicht bloß zufällig, sondern Ware wird
z.B. bestellt für einen künftigen Termin, an welchem sie gelie-
fert und bezahlt werden soll. In diesem Fall ist der Verkauf ide-
ell, d. h. hier juristisch vollzogen, ohne daß Ware und Geld
leiblich erscheinen. Beide Formen des Geldes als Zirkulationsmit-
tel und Zahlungsmittel fallen hier noch zusammen, indem einmal
Ware und Geld gleichzeitig die Stelle wechseln, andrerseits das
Geld nicht die Ware kauft, sondern den Preis der früher verkauf-
ten Ware realisiert. Ferner bringt es die Natur einer Reihe von
Gebrauchswerten mit sich, daß sie nicht mit tatsächlicher Über-
lieferung der Ware, sondern nur durch Überlassung derselben für
eine bestimmte Zeit wirklich veräußert werden. Z.B. wenn der Ge-
brauch eines Hauses verkauft wird für einen Monat, ist der Ge-
brauchswert des Hauses erst nach Ablauf des Monats geliefert, ob-
gleich es im Anfang des Monats die Hände wechselt. Da das fak-
tische Überlassen des Gebrauchswerts und seine wirkliche Entäuße-
rung hier der Zeit nach auseinanderfallen, findet die Realisie-
rung seines Preises ebenfalls später statt als sein Stellenwech-
sel. Endlich aber veranlaßt der Unterschied der Zeitdauer und
Zeitepoche, worin die verschiedenen Waren produziert werden, daß
der eine als Verkäufer auftritt, während der andere noch nicht
als Käufer auftreten kann, und bei der öftern Wiederholung von
Kauf und Verkauf unter denselben Warenbesitzern fallen so die
beiden Momente des Verkaufs auseinander, entsprechend den Produk-
tionsbedingungen ihrer Waren. So entsteht ein Verhältnis von
Gläubiger und Schuldner unter den Warenbesitzern, das zwar die
naturwüchsige Grundlage des Kreditsystems bildet, aber vollstän-
dig entwickelt sein kann, bevor das letztre existiert. Es ist in-
des klar, daß mit der Ausbildung des Kreditwesens, also der bür-
gerlichen Produktion überhaupt, die Funktion des Geldes als Zah-
lungsmittel sich ausdehnen wird auf Kosten seiner Funktion als
Kaufmittel und noch mehr als Element der Schatzbildung. In Eng-
land z. B. ist Geld als Münze beinahe ausschließlich in die
Sphäre des Detailhandels und des Kleinhandels zwischen
#120# Karl Marx
-----
Produzenten und Konsumenten gebannt, während es als Zahlungsmit-
tel die Sphäre der großen Handelstransaktionen beherrscht. *)
Als allgemeines Zahlungsmittel wird Geld die a l l g e m e i n e
W a r e der Kontrakte - zunächst nur innerhalb der Sphäre der
Warenzirkulation. **) Jedoch mit seiner Entwicklung in dieser
Funktion lösen sich allmählich alle andern Formen der Zahlung in
Geldzahlung auf. Der Grad, worin Geld als ausschließliches Zah-
lungsmittel entwickelt ist, zeigt den Grad an, worin der Tausch-
wert sich der Produktion in ihrer Tiefe und Breite bemächtigt
hat. ***)
Zunächst ist die Masse des als Zahlungsmittel zirkulierenden
Geldes bestimmt durch den Belauf der Zahlungen, d. h. die Preis-
summe der veräußerten Waren, nicht der zu veräußernden, wie im
einfachen Geldumlauf. Die so
---
*) Herr Macleod verkennt, trotz seines doktrinären Definitions-
dünkels, so sehr die elementarischsten ökonomischen Verhältnisse,
daß er das Geld überhaupt entspringen läßt aus seiner entwickelt-
sten Form, der des Zahlungsmittels. Er sagt unter anderm: Da die
Leute nicht immer gleichzeitig ihre wechselseitigen Dienste be-
dürfen, und nicht in demselben Wertumfang, "so würde ein gewisser
Unterschied oder Betrag des Dienstes übrigbleiben, vom Ersten an
den Zweiten zahlbar - Schuld". Der Besitzer dieser Schuld braucht
die Dienste eines andern, der der seinigen nicht unmittelbar be-
darf, und "überträgt dem Dritten die Schuld, die der Erste an ihn
hat. Der Schuldschein geht so von einer Hand zur andren - Umlauf-
mittel... Wenn jemand eine Schuldverpflichtung empfängt, die in
Metallgeld ausgedrückt ist, so kann er nicht nur über die Dienste
des ursprünglichen Schuldners verfügen, sondern über die der gan-
zen arbeitenden Gemeinschaft." Macleod, "Theory and Practice of
Banking etc.", London 1855, v. I. ch. 1 [p. 23 f., 29].
**) Bailey, l.c. p. 3: "Geld ist die allgemeine Ware der Kon-
trakte, oder diejenige, in der die Mehrzahl der Eigentumsver-
träge, die in späterer Zeit erfüllt werden sollen, abgeschlossen
werden."
***) Senior, l.c.p. 221, sagt: "Da der Wert aller Dinge in einem
bestimmten Zeitraum wechselt, so nimmt man als Zahlungsmittel die
Sache, deren Wert am wenigsten wechselt, die am längsten eine ge-
gebene Durchschnittsfähigkeit, Sachen zu kaufen, bewahrt. So wird
das Geld Ausdruck oder Repräsentant der Werte." Umgekehrt. Weil
Gold, Silber etc. Geld, d.h. Dasein des verselbständigten Tausch-
werts geworden sind, werden sie allgemeine Zahlungsmittel. Wo die
von Herrn Senior erwähnte Rücksicht auf die Dauer der Wertgröße
des Geldes eintritt, d.h. in Perioden, wo das Geld durch die Ge-
walt der Umstände sich als allgemeines Zahlungsmittel durchsetzt,
wird grade auch das Schwanken in der Wertgröße des Geldes ent-
deckt. Eine solche Periode war in England die Zeit der Elisabeth,
und es war zu ihrer Zeit, daß Lord Burleigh und Sir Thomas Smith,
mit Rücksicht auf die sichtbar werdende Depreziation der edeln
Metalle eine Parlamentsakte durchsetzten, die die Universitäten
von Oxford und Cambridge verpflichtet, ein Drittel ihrer Grund-
renten sich in Weizen und Malz zu reservieren.
#121# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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bestimmte Summe wird jedoch doppelt modifiziert, erstens durch
die Geschwindigkeit, womit dasselbe Geldstück dieselbe Funktion
wiederholt oder sich die Masse der Zahlungen als prozessierende
Kette von Zahlungen darstellt. A zahlt B, worauf B C zahlt und so
fort. Die Geschwindigkeit, womit dasselbe Geldstück seine Funk-
tion als Zahlungsmittel wiederholt, hängt einerseits ab von der
Verkettung der Verhältnisse von Gläubiger und Schuldner unter den
Warenbesitzern, so daß derselbe Warenbesitzer der Gläubiger ge-
genüber dem einen, Schuldner gegenüber dem andern ist usw., ande-
rerseits von der Zeitlänge, die die verschiedenen Zahlungstermine
trennt. Diese Kette von Zahlungen oder nachträglichen ersten Me-
tamorphosen der Waren ist qualitativ verschieden von der Kette
der Metamorphosen, die sich im Umlauf des Gelds als Zirkulations-
mittel darstellt. Letztere erscheint nicht nur in zeitlicher Suk-
zession, sondern w i r d erst in derselben. Die Ware wird Geld,
dann wieder Ware und befähigt so die andere Ware, Geld zu werden
usw., oder der Verkäufer wird Käufer, wodurch ein anderer Waren-
besitzer Verkäufer wird. Dieser Zusammenhang entsteht zufällig im
Prozeß des Warenaustauschs selbst. Daß aber Geld, womit A den B
bezahlt hat, von B an C, von C an D usw. fortgezahlt wird, und
zwar in rasch aufeinanderfolgenden Zeiträumen - in diesem äußer-
lichen Zusammenhang tritt nur ein schon fertig vorhandener ge-
sellschaftlicher Zusammenhang an den Tag. Dasselbe Geld läuft
nicht durch verschiedene Hände, weil es als Zahlungsmittel auf
tritt, sondern es läuft als Zahlungsmittel um, weil die verschie-
denen Hände schon ineinandergeschlagen haben. Die Geschwindig-
keit, womit das Geld als Zahlungsmittel umläuft, zeigt also ein
viel tieferes Hereinziehen der Individuen in den Zirkulationspro-
zeß, als die Geschwindigkeit, womit das Geld als Münze oder als
Kaufmittel umläuft.
Die Preissumme gleichzeitiger und daher räumlich nebeneinander-
fallender Käufe und Verkäufe bildet die Grenze für Ersetzen der
Münzmasse durch Umlaufsgeschwindigkeit. Diese Schranke fällt fort
für das als Zahlungsmittel funktionierende Geld. Konzentrieren
sich gleichzeitig zu leistende Zahlungen an einem Platz, was
zunächst naturwüchsig nur an den großen Sammelpunkten der
Warenzirkulation stattfindet, so gleichen sich die Zahlungen als
negative und positive Größen gegeneinander aus, indem A an B zu
zahlen, zugleich von C Zahlung zu erhalten hat usw. Die als
Zahlungsmittel erheischte Summe Geldes wird daher bestimmt sein
nicht durch die Preissumme der gleichzeitig zu realisierenden
Zahlungen, sondern durch die größere oder geringere Konzentration
derselben und die Größe der Bilanz, die nach ihrem wechsel-
seitigen Aufheben als negative und positive Größen übrigbleibt.
Eigne Vorrichtungen zu diesen Ausgleichungen entstehen ohne alle
#122# Karl Marx
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Entwickelung des Kreditwesens, wie z.B. im alten Rom. Die Be-
trachtung derselben gehört aber ebensowenig hierher, wie die der
allgemeinen Zahlungstermine, die sich überall in bestimmten Ge-
sellschaftskreisen festsetzen. Hier sei nur noch bemerkt, daß der
spezifische Einfluß, den diese Termine auf die periodischen
Schwankungen in der Quantität des umlaufenden Geldes ausüben,
erst in neuester Zeit wissenschaftlich untersucht worden ist.
Soweit sich die Zahlungen ausgleichen als positive und negative
Größen, findet gar keine Dazwischenkunft von wirklichem Geld
statt. Es entwickelt sich hier nur in seiner Form als Maß der
Werte, einerseits im Preis der Ware, andererseits in der Größe
der wechselseitigen Obligationen. Außer seinem ideellen Dasein
erhält der Tauschwert hier also kein selbständiges Dasein, nicht
einmal das Dasein als Wertzeichen, oder das Geld wird nur zu
idealem Rechengeld. Die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel
schließt also den Widerspruch ein, daß es einerseits, soweit sich
die Zahlungen ausgleichen, nur ideell als Maß wirkt, andrerseits,
soweit die Zahlung wirklich zu verrichten ist, nicht als ver-
schwindendes Zirkulationsmittel, sondern als das ruhende Dasein
des allgemeinen Äquivalents, als die absolute Ware, mit einem
Wort, als Geld in die Zirkulation hereintritt. Wo daher die Kette
der Zahlungen und ein künstliches System ihrer Ausgleichung sich
entwickelt hat, schlägt bei Erschütterungen, die den Fluß der
Zahlungen gewaltsam unterbrechen und den Mechanismus ihrer Aus-
gleichung stören, das Geld plötzlich aus seiner gasartigen hirn-
gewebten Gestalt als Maß der Werte in hartes Geld oder Zahlungs-
mittel um. In Zuständen entwickelter bürgerlicher Produktion
also, worin der Warenbesitzer längst Kapitalist geworden ist,
seinen Adam Smith kennt, und vornehm über den Aberglauben lä-
chelt, daß Gold und Silber allein Geld oder daß Geld überhaupt im
Unterschied von andern Waren die absolute Ware sei, erscheint
Geld plötzlich wieder, nicht als Mittler der Zirkulation, sondern
als allein adäquate Form des Tauschwerts, als der einzige Reich-
tum, ganz wie es der Schatzbildner auffaßt. Als solch ausschließ-
liches Dasein des Reichtums offenbart es sich nicht, wie etwa im
Monetarsystem, in der bloß vorgestellten, sondern in der wirk-
lichen Entwertung und Wertlosigkeit alles stofflichen Reichtums.
Es ist dies das besondere Moment der Weltmarktskrisen, das Geld-
krise heißt. Das summum bonum 1*), wonach in solchen Momenten als
dem einzigen Reichtum geschrien wird, ist Geld, bares Geld, und
daneben erscheinen alle andern Waren, eben weil sie Gebrauchs-
werte sind, als nutzlos, als Tand, Spielzeug, oder wie unser Dok-
tor Martin Luther sagt, als bloßer Schmuck und Fraß.
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1*) höchste Gut
#123# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Dies plötzliche Umschlagen des Kreditsystems in das Monetarsystem
fügt den theoretischen Schrecken zum praktischen panic, und die
Zirkulationsagenten schaudern vor dem undurchdringlichen Geheim-
nis ihrer eigenen Verhältnisse. *)
Die Zahlungen machen ihrerseits einen Reservefonds, eine Akkumu-
lationen Geld als Zahlungsmittel nötig. Die Bildung dieser Reser-
vefonds erscheint nicht mehr wie bei der Schatzbildung als der
Zirkulation selbst äußerliche Tätigkeit, noch wie bei der Münzre-
serve als bloß technische Stockung der Münze, sondern Geld muß
allmählich aufgesammelt werden, um an bestimmten künftigen Zah-
lungsterminen vorhanden zu sein. Während also die Schatzbildung
in der abstrakten Form, worin sie als Bereicherung gilt, mit der
Entwickelung der bürgerlichen Produktion abnimmt, wächst diese
durch den Austauschprozeß unmittelbar erheischte Schatzbildung,
oder vielmehr ein Teil der Schätze, die sich überhaupt in der
Sphäre der Warenzirkulation bilden, wird als Reservefonds von
Zahlungsmitteln absorbiert. Je entwickelter die bürgerliche Pro-
duktion ist, um so mehr werden diese Reservefonds auf das notwen-
dige Minimum beschränkt. Locke gibt in seiner Schrift über die
Herabsetzung des Zinsfußes **) interessante Aufschlüsse über die
Größe dieser Reservefonds zu seiner Zeit. Man ersieht daraus,
welchen bedeutenden Teil des überhaupt umlaufenden Geldes die Re-
servoirs für Zahlungsmittel in England absorbierten grade in der
Epoche, wo sich das Bankwesen zu entwickeln begann.
Das Gesetz über die Quantität des zirkulierenden Geldes, wie es
sich aus der Betrachtung des einfachen Geldumlaufs ergab, wird
wesentlich modifiziert durch den Umlauf des Zahlungsmittels. Bei
gegebener Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes, sei es als Zirkula-
tionsmittel, sei es als Zahlungsmittel, wird die Gesamtsumme des
in einem gegebenen Zeitabschnitt zirkulierenden Geldes bestimmt
sein durch die Gesamtsumme der zu realisierenden
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*) Boisguillebert, der die bürgerlichen Produktionsverhältnisse
verhindern möchte, sich gegen die Bürger selbst auf die Hinter-
füße zu stellen, faßt mit Vorliebe die Formen des Geldes auf,
worin es nur ideell oder nur verschwindend erscheint. So früher
das Zirkulationsmittel. So das Zahlungsmittel. Was er wieder
nicht sieht, ist der unvermittelte Umschlag aus der idealen Form
des Geldes in seine äußerliche Wirklichkeit, daß das harte Geld
schon im nur gedachten Maß der Werte latent enthalten ist. Daß,
sagt er, das Geld bloße Form der Waren selbst ist, zeigt sich bei
dem Großhandel, wo der Austausch vor sich geht ohne Intervention
des Geldes, nachdem "les marchandises sont appréciées" 1*). "Le
détail de la France", l.c. p. 210.
**) Locke, l.c. p. 17, 18.
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1*) "die Waren abgeschätzt sind"
#124# Karl Marx
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Warenpreise [plus] der Gesamtsumme der in derselben Epoche fälli-
gen Zahlungen minus der durch Ausgleichung sich gegeneinander
aufhebenden Zahlungen. Das allgemeine Gesetz, daß die Masse des
umlaufenden Geldes von den Warenpreisen abhängt, wird dadurch
nicht im geringsten berührt, da der Belauf der Zahlungen selbst
durch die kontraktlich festgesetzten Preise bestimmt ist. Es
zeigt sich aber schlagend, daß selbst Geschwindigkeit des Umlaufs
und Ökonomie der Zahlungen als gleichbleibend vorausgesetzt, die
Preissumme der in einer bestimmten Periode, z.B. einem Tag, zir-
kulierenden Warenmassen und die Masse des an demselben Tag zirku-
lierenden Geldes sich keineswegs decken, denn es zirkulieren eine
Masse Waren, deren Preis erst künftig in Geld realisiert wird,
und es zirkuliert eine Masse Geld, wofür die entsprechenden Waren
längst aus der Zirkulation herausgefallen sind. Die letztere
Masse selbst wird davon abhängen, wie groß die Wertsumme der Zah-
lungen ist, die an demselben Tag fällig werden, obgleich sie zu
ganz verschiedenen Perioden kontrahiert sind.
Wir sahen, daß der Wechsel im Wert des Goldes und Silbers ihre
Funktion als Maß der Werte oder Rechengeld nicht affiziert. Die-
ser Wechsel wird jedoch entscheidend wichtig für das Geld als
Schatz, denn mit dem Steigen oder Fallen des Gold- und Silber-
werts steigt oder fällt die Wertgröße des goldnen oder silbernen
Schatzes. Noch wichtiger für das Geld als Zahlungsmittel. Die
Zahlung erfolgt erst später als der Verkauf der Ware oder das
Geld wirkt zu zwei verschiedenen Zeiträumen in zwei verschiedenen
Funktionen, erst als Maß der Werte, dann als dieser Messung ent-
sprechendes Zahlungsmittel. Wechselt in dieser Zwischenzeit der
Wert der edeln Metalle, oder die zu ihrer Produktion erheischte
Arbeitszeit, so wird dasselbe Quantum Gold oder Silber, wenn es
als Zahlungsmittel erscheint, mehr oder weniger wert sein als zur
Zeit, wo es als Maß der Werte diente oder der Kontrakt abge-
schlossen wurde. Die Funktion einer besondern Ware wie Gold und
Silber als Geld oder verselbständigter Tauschwert kommt hier in
Kollision mit ihrer Natur als besondrer Ware, deren Wertgröße vom
Wechsel ihrer Produktionskosten abhängt. Die große soziale Revo-
lution, die das Fallen im Wert der edlen Metalle in Europa her-
vorrief, ist ebenso bekannte Tatsache, wie die umgekehrte Revolu-
tion, die in einer frühen Epoche der altrömischen Republik be-
wirkt wurde durch das Steigen im Wert des Kupfers, worin die
Schulden der Plebejer kontrahiert waren. Ohne die Wertschwankun-
gen der edlen Metalle in ihrem Einfluß auf das System der bürger-
lichen Ökonomie weiter zu verfolgen, ergibt sich schon hier, daß
das Fallen im Wert der edeln Metalle die Schuldner auf Kosten der
Gläubiger, ein Steigen in ihrem Wert umgekehrt die Gläubiger auf
Kosten der Schuldner begünstigt.
#125# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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c) Weltgeld
Gold wird Geld im Unterschied von Münze, erst indem es sich als
Schatz aus der Zirkulation zurückzieht, dann als Nicht Zirkulati-
onsmittel in sie eintritt, endlich aber die Schranken der innern
Zirkulation durchbricht, um als allgemeines Äquivalent in der
Welt der Waren zu funktionieren. So wird es W e l t g e l d.
Wie die allgemeinen Gewichtsmaße der edeln Metalle als ursprüng-
liche Wertmaße dienten, werden innerhalb des Weltmarkts die Re-
chennamen des Geldes wieder in die entsprechenden Gewichtnamen
verwandelt. Wie das formlose Rohmetall (aes rude) die ursprüngli-
che Form des Zirkulationsmittels und die Münzform ursprünglich
selbst nur offizielles Zeichen des in den Metallstücken enthalte-
nen Gewichts war, so streift das edle Metall als Weltmünze Figur
und Gepräge wieder ab und fällt in die gleichgültige Barrenform
zurück, oder wenn nationale Münzen, wie russische Imperialen,
mexikanische Taler und englische Sovereigns im Ausland zirkulie-
ren, wird ihr Titel gleichgültig und gilt nur ihr Gehalt. Als in-
ternationales Geld endlich vollziehn die edeln Metalle wieder
ihre ursprüngliche Funktion als Tauschmittel, die, wie der Waren-
austausch selbst, nicht im Innern der naturwüchsigen Gemeinwesen,
sondern an den Berührungspunkten verschiedner Gemeinwesen ent-
sprang. Als Weltgeld erhält also das Geld seine naturwüchsig er-
ste Form zurück. Indem es die innere Zirkulation verläßt, streift
es die besondern Formen wieder ab, die aus der Entwicklung des
Austauschprozesses innerhalb jener besondern Sphäre hervorwuch-
sen, seine Lokalformen als Maßstab der Preise, Münze, Scheide-
münze und Wertzeichen.
Wir sahen, daß in der innern Zirkulation eines Landes nur eine
Ware als Maß der Werte dient. Da aber in dem einen Lande Gold, in
dem andern Silber diese Funktion verrichtet, gilt auf dem Welt-
markt ein doppeltes Maß der Werte und verdoppelt das Geld seine
Existenz auch in allen andern Funktionen. Die Übersetzung der Wa-
renwerte aus Goldpreisen in Silberpreise und umgekehrt wird je-
desmal bestimmt durch den relativen Wert beider Metalle, der be-
ständig wechselt und dessen Festsetzung daher als beständiger
Prozeß erscheint. Die Wareninhaber jeder innern Zirkulations-
sphäre sind gezwungen, Gold und Silber abwechselnd für die aus-
wärtige Zirkulation zu gebrauchen und so das Metall, das im In-
land als Geld gilt, gegen das Metall auszutauschen, das sie ge-
rade im Ausland als Geld brauchen. Jede Nation wendet also beide
Metalle, Gold und Silber, als Weltgeld an.
In der internationalen Warenzirkulation erscheinen Gold und Sil-
ber nicht als Zirkulationsmittel, sondern als a l l g e m e i-
n e T a u s c h m i t t e l. Das allgemeine
#126# Karl Marx
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Tauschmittel funktioniert aber nur in den beiden entwickelten
Formen des K a u f m i t t e l s und des Z a h l u n g s-
m i t t e l s, deren Verhältnis sich jedoch auf dem Weltmarkt
umkehrt. In der Sphäre der innern Zirkulation wirkte das Geld,
soweit es Münze war, den Mittler der prozessierenden Einheit W-G-
W oder die nur verschwindende Form des Tauschwerts im
unaufhörlichen Stellenwechsel der Waren darstellte, aus-
schließlich als Kaufmittel. Auf dem Weltmarkt umgekehrt. Gold und
Silber erscheinen hier als Kaufmittel, wenn der Stoffwechsel nur
einseitig ist und daher Kauf und Verkauf auseinanderfallen. Der
Grenzhandel zu Kiachta [24] z.B. ist tatsächlich und durch Ver-
trag Tauschhandel, worin Silber nur Wertmaß. Der Krieg von 1857-
1858 [25] bestimmte die Chinesen, zu verkaufen, ohne zu kaufen.
Nun erschien Silber plötzlich als Kaufmittel. Aus Rücksicht auf
den Wortlaut des Vertrags verarbeiteten die Russen französische
Fünffrankenstücke in rohe Silberwaren, die als Tauschmittel dien-
ten. Silber funktioniert fortwährend als Kaufmittel zwischen Eu-
ropa und Amerika auf der einen Seite, Asien auf der andern, wo es
sich als Schatz niederschlägt. Ferner funktionieren die edeln Me-
talle als internationale Kaufmittel, sobald das herkömmliche
Gleichgewicht des Stoffwechsels zwischen zwei Nationen plötzlich
unterbrochen wird, Mißernte z.B. die eine derselben in außeror-
dentlichem Maß zu kaufen zwingt. Endlich sind die edlen Metalle
internationales Kaufmittel in der Hand der Gold und Silber produ-
zierenden Länder, wo sie unmittelbares Produkt und Ware, nicht
die verwandelte Form der Ware sind. Je mehr der Warenaustausch
zwischen verschiedenen nationalen Zirkulationssphären sich ent-
wickelt, entwickelt sich die Funktion des Weltgeldes als Zah-
lungsmittel zur Ausgleichung der internationalen Bilanzen.
Wie die innere Zirkulation, so erheischt die internationale Zir-
kulation eine stets wechselnde Quantität von Gold und Silber. Ein
Teil der aufgehäuften Schätze dient daher bei jedem Volk als Re-
servefonds des Weltgeldes, der sich bald entleert, bald wieder
füllt, entsprechend den Oszillationen des Warenaustausches.*) Au-
ßer den besondern Bewegungen, worin es zwischen den nationalen
1*) Zirkulationssphären hin und her läuft, besitzt das Weltgeld
eine allgemeine Bewegung, deren Ausgangspunkte an den
---
*) "Das angehäufte Geld kommt zu der Summe hinzu, die, um wirk-
lich in Zirkulation zu sein und um den Möglichkeiten des Handels
zu genügen, sich entfernt und d i e S p h ä r e d e r Z i r-
k u l a t i o n s e l b s t v e r l ä ß t." (G.R. Carli, Note
zu Verri, "Meditazioni sulla Economia Politica", p. 192, t. XV
bei Custodi l.c.)
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1*) Im Handexemplar korrigiert; (1859) internationalen
#127# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Produktionsquellen liegen, von denen aus Gold- und Silberströme
sich in verschiedener Richtung über den Weltmarkt wälzen. Als Wa-
ren treten Gold und Silber hier in die Weltzirkulation und sind
als Äquivalente im Verhältnis zu der in ihnen enthaltenen Ar-
beitszeit gegen Warenäquivalente ausgetauscht, bevor sie in die
innern Zirkulationssphären fallen. In denselben erscheinen sie
daher mit gegebener Wertgröße. Jedes Fallen oder Steigen im Wech-
sel ihrer Produktionskosten affiziert daher gleichmäßig auf dem
Weltmarkt ihren relativen Wert, der dagegen durchaus unabhängig
ist von dem Grad, worin verschiedne nationale Zirkulationssphären
Gold oder Silber verschlucken. Der Teil des Metallstroms, der von
jeder besondern Sphäre der Warenwelt aufgefangen wird, geht teils
unmittelbar in den innern Geldumlauf ein, zum Ersatz der ver-
schlißnen Metallmünzen, wird teils abgedämmt in den verschiednen
Schatzreservoirs von Münze, Zahlungsmittel und Weltgeld, teils
verwandelt in Luxusartikel, während der Rest endlich Schatz
schlechthin wird. Auf entwickelter Stufe der bürgerlichen Produk-
tion wird die Bildung der Schätze auf das Minimum beschränkt, das
die verschiednen Prozesse der Zirkulation zum freien Spiel ihres
Mechanismus erheischen. Schatz als solcher wird hier nur der
brachliegende Reichtum - wenn nicht augenblickliche Form eines
Überschusses in der Bilanz der Zahlungen, das Resultat unter-
brochnen Stoffwechsels und darum Erstarrung der Ware in ihrer er-
sten Metamorphose.
Wie Gold und Silber als Geld ihrem Begriff nach die allgemeine
Ware sind, so erhalten sie im Weltgeld die entsprechende Exi-
stenzform der universellen Ware. Im Verhältnis wie alle Produkte
sich gegen sie veräußern, werden sie die verwandelte Gestalt al-
ler Waren und daher die allseitig veräußerliche Ware. Als Mate-
riatur der allgemeinen Arbeitszeit werden sie verwirklicht, im
Maße wie der Stoffwechsel der realen Arbeiten den Erdboden um-
spannt. Sie werden allgemeines Äquivalent in dem Grad, worin sich
die Reihe der besondern Äquivalente entwickelt, die ihre Aus-
tauschsphäre bilden. Weil in der Weltzirkulation die Waren ihren
eignen Tauschwert universell entfalten, erscheint dessen in Gold
und Silber verwandelte Gestalt als Weltgeld. Während also die Na-
tionen von Warenbesitzern durch ihre allseitige Industrie und
allgemeinen Verkehr Gold zu adäquatem Geld umschaffen, erscheinen
ihnen Industrie und Verkehr nur als Mittel, um das Geld in der
Form von Gold und Silber dem Weltmarkt zu entziehn. Gold und Sil-
ber als Weltgeld sind daher ebensowohl Produkt der allgemeinen
Warenzirkulation wie Mittel, ihre Kreise weiter zu ziehn. Wie
hinter dem Rücken der Alchimisten, indem sie Gold machen wollten,
die Chemie erwuchs, so springen hinter dem Rücken der Warenbesit-
zer, indem sie der Ware in ihrer verzauberten
#128# Karl Marx
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Gestalt nachjagen, die Quellen der Weltindustrie und des Welthan-
dels auf. Gold und Silber helfen den Weltmarkt scharfen, indem
sie in ihrem Geldbegriff sein Dasein antizipieren. Daß diese ihre
Zauberwirkung keineswegs auf die Kinderjahre der bürgerlichen Ge-
sellschaft beschränkt ist, sondern notwendig hervorwächst aus der
Verkehrung, worin den Trägern der Warenwelt ihre eigne gesell-
schaftliche Arbeit erscheint, beweist der außerordentliche Ein-
fluß, den die Entdeckung neuer Goldländer in der Mitte des 19.
Jahrhunderts auf den Weltverkehr ausübt.
Wie sich das Geld zum Weltgeld, entwickelt sich der Warenbesitzer
zum Kosmopoliten. Die kosmopolitische Beziehung der Menschen zu-
einander ist ursprünglich nur ihr Verhältnis als Warenbesitzer.
Die Ware ist an und für sich über jede religiöse, politische, na-
tionale und sprachliche Schranke erhaben. Ihre allgemeine Sprache
ist der Preis und ihr Gemeinwesen ist das Geld. Aber mit der Ent-
wicklung des Weltgeldes im Gegensatz zur Landesmünze entwickelt
sich der Kosmopolitismus des Warenbesitzers als Glaube der prak-
tischen Vernunft im Gegensatz zu angestammten religiösen, natio-
nalen und andern Vorurteilen, die den Stoffwechsel der Menschheit
hemmen. Wie dasselbe Gold, das in der Form amerikanischer eagles
in England landet, zum Sovereign wird, nach drei Tagen in Paris
als Napoleon umläuft, nach einigen Wochen sich in Venedig als Du-
kate wiederfindet, aber stets denselben Wert behält, wird dem Wa-
renbesitzer klar, daß die Nationalität "is but the guinea's
stamp" 1*). Die erhabene Idee, worin ihm die ganze Welt aufgeht,
ist die eines Marktes - des W e l t m a r k t s. *)
4. Die edeln Metalle
Der bürgerliche Produktionsprozeß bemächtigt sich zunächst der
metallischen Zirkulation als eines fertig überlieferten Organes,
das zwar allmählich umgestaltet wird, jedoch stets seine Grund-
konstruktion bewahrt. Die Frage,
---
*) Montanari, "Deila Moneta" (1683), l.c. p. 40: "Die Verbindung
zwischen allen Völkern ist derart über den ganzen Erdball ausge-
dehnt, daß man beinahe sagen kann, die ganze Welt sei eine ein-
zige Stadt geworden, in der ständiger Jahrmarkt aller Waren
herrscht und jedermann, in seinem Hause sitzend, vermittels des
Geldes sich verschaffen und genießen kann von all dem, was die
Erde, die Tiere und der menschliche Fleiß anderswo hervorgebracht
haben. Eine wunderbare Erfindung."
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1*) "nur die Prägung der Guinee ist"
#129# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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warum statt andrer Waren Gold und Silber als Material des Geldes
dienen, fällt jenseits der Grenze des bürgerlichen Systems. Wir
fassen daher nur summarisch die wesentlichsten Gesichtspunkte zu-
sammen.
Da die allgemeine Arbeitszeit selbst nur quantitative Unter-
schiede zuläßt, muß der Gegenstand, der als ihre spezifische In-
karnation gelten soll, fähig sein, rein quantitative Unterschiede
darzustellen, so daß Dieselbigkeit, Gleichförmigkeit der Qualität
vorausgesetzt ist. Es ist dies die erste Bedingung für die Funk-
tion einer Ware als Wertmaß. Schätze ich z. B. alle Waren in Och-
sen, Häuten, Getreide usw., so muß ich sie in der Tat in idealem
Durchschnitts-Ochsen, Durchschnitts-Haut messen, da Ochs von
Ochs, Getreide von Getreide, Haut von Haut qualitativ verschieden
ist. Gold und Silber dagegen sind als einfache Körper stets sich
selbst gleich und gleiche Quanta derselben stellen daher gleich
große Werte dar. *) Die andre, direkt aus der Funktion rein quan-
titative Unterschiede darzustellen, hervorgehende Bedingung für
die Ware, die als allgemeines Äquivalent dienen soll, ist die
Möglichkeit ihrer Zerschneidung in beliebige Teile und deren Wie-
derzusammensetzbarkeit, so daß das Rechengeld auch sinnlich dar-
gestellt werden kann. Gold und Silber besitzen diese Eigenschaf-
ten in vorzüglichem Grad.
Als Zirkulationsmittel besitzen Gold und Silber vor andern Waren
den Vorzug, daß ihrem großen spezifischen Gewicht, relativ viel
Schwere in kleinem Raum darzustellen, ihr ökonomisch spezifisches
Gewicht entspricht, relativ viel Arbeitszeit, d.h. großen Tausch-
wert in kleinem Umfang einzuschließen. Dadurch ist Leichtigkeit
des Transports, der Übertragung von einer Hand in die andre, und
von einem Land in das andre, die Fähigkeit, ebenso rasch zu er-
scheinen wie zu verschwinden - kurz, die materielle Beweglichkeit
gewährleistet, das sine qua non 1*) der Ware, die als perpetuum
mobile des Zirkulationsprozesses dienen soll.
Der hohe spezifische Wert der edeln Metalle, Dauerbarkeit, rela-
tive Unzerstörbarkeit, Nichtoxydierbarkeit an der Luft, bei dem
Gold speziell seine Unauflösbarkeit in Säuren, außer in Königs-
wasser, alle diese natürlichen Eigenschaften machen die edeln Me-
talle zum natürlichen Material der Schatzbildung. Peter Martyr,
der ein großer Freund der Schokolade gewesen zu sein
---
*) "Die Metalle besitzen die Eigentümlichkeit und Besonderheit,
daß in ihnen allein alle Verhältnisse zurückgeführt sind auf ei-
nes, das ist ihre Quantität, daß sie von der Natur keine ver-
schiedene Qualität erhalten haben, weder im innern Bau, noch in
der äußern Form und Bearbeitung." (Galiani, l.c. p. 126/127.)
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1*) die unerläßliche Bedingung
#130# Karl Marx
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scheint, bemerkt daher von den Kakaosäcken, die eine der mexika-
nischen Geldsorten bildeten:
"O glückliches Geld, das dem Menschengeschlecht ein süßes und
nahrhaftes Getränk bietet und seine unschuldigen Besitzer vor der
höllischen Seuche der Habgier bewahrt, weil es nicht vergraben
noch lange aufbewahrt werden kann." ("De orbe novo".)
Die große Bedeutung von Metallen überhaupt innerhalb des unmit-
telbaren Produktionsprozesses hängt zusammen mit ihrer Funktion
als Produktionsinstrumente. Abgesehen von ihrer Seltenheit macht
die große Weichheit des Goldes und des Silbers, verglichen mit
Eisen und selbst mit Kupfer (in dem gehärteten Zustand, worin die
Alten es brauchten), sie unfähig zu dieser Nutzanwendung und be-
raubt sie daher in großem Umfang der Eigenschaft, worauf der Ge-
brauchswert der Metalle überhaupt beruht. So nutzlos, wie sie in-
nerhalb des unmittelbaren Produktionsprozesses sind, so entbehr-
lich erscheinen sie als Lebensmittel, als Gegenstände der Konsum-
tion. Jede beliebige Quantität derselben kann daher in den ge-
sellschaftlichen Zirkulationsprozeß eingehen, ohne die Prozesse
der unmittelbaren Produktion und Konsumtion zu beeinträchtigen.
Ihr individueller Gebrauchswert gerät nicht in Widerstreit mit
ihrer ökonomischen Funktion. Andrerseits sind Gold und Silber
nicht nur negativ überflüssige, d. h. entbehrliche Gegenstände,
sondern ihre ästhetischen Eigenschaften machen sie zum naturwüch-
sigen Material von Pracht, Schmuck, Glanz, sonntäglichen Bedürf-
nissen, kurz zur positiven Form des Überflusses und Reichtums.
Sie erscheinen gewissermaßen als gediegenes Licht, das aus der
Unterwelt hervorgegraben wird, indem das Silber alle Lichtstrah-
len in ihrer ursprünglichen Mischung, das Gold nur die höchste
Potenz der Farbe, das Rot, zurückwirft. Farbensinn aber ist die
populärste Form des ästhetischen Sinnes überhaupt. Der etymo-
logische Zusammenhang der Namen der edeln Metalle in den ver-
schiedenen indogermanischen Sprachen mit Farbenbeziehungen ist
von Jakob Grimm nachgewiesen worden. (Siehe seine Geschichte der
deutschen Sprache.)
Endlich die Fähigkeit von Gold und Silber, aus der Form der Münze
in die Barrenform, aus der Barrenform in die Form von Luxusarti-
keln und umgekehrt verwandelt zu werden, ihr Vorzug also vor an-
dern Waren, nicht in einmal gegebene, bestimmte Gebrauchsformen
gebannt zu sein, macht sie zum natürlichen Material des Geldes,
das beständig aus einer Formbestimmtheit in die andre umschlagen
muß.
Die Natur produziert kein Geld, so wenig wie Bankiers oder einen
Wechselkurs. Da die bürgerliche Produktion aber den Reichtum als
Fetisch
#131# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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in der Form eines einzelnen Dings kristallisieren muß, sind Gold
und Silber seine entsprechende Inkarnation. Gold und Silber sind
von Natur nicht Geld, aber Geld ist von Natur Gold und Silber.
Einerseits ist der silberne oder goldne Geldkristall nicht nur
Produkt des Zirkulationsprozesses, sondern in der Tat sein einzi-
ges ruhendes Produkt. Andrerseits sind Gold und Silber fertige
Naturprodukte, und sie sind das erste unmittelbar, wie sie das
zweite sind, durch keine Formverschiedenheit getrennt. Das allge-
meine Produkt des gesellschaftlichen Prozesses oder der gesell-
schaftliche Prozeß selbst als Produkt ist ein besonderes Natur-
produkt, in den Eingeweiden der Erde steckendes und aus ihr aus-
grabbares Metall. *)
Wir haben gesehn, daß Gold und Silber den Anspruch, der an sie
als Geld gestellt wird, gleichbleibende Wertgröße zu sein, nicht
erfüllen können. Indes besitzen sie, wie schon Aristoteles be-
merkt, permanentere Wertgröße als der Durchschnitt der andern Wa-
ren. Abgesehn von der allgemeinen Wirkung einer Appreziation oder
Depreziation der edeln Metalle, sind die Schwankungen des Wert-
verhältnisses von Gold und Silber von besondrer Wichtigkeit, da
beide nebeneinander auf dem Weltmarkt als Materie des Geldes die-
nen. Die rein ökonomischen Gründe dieses Wertwechsels - Eroberun-
gen und andre politische Umwälzungen, die großen Einfluß auf den
Wert der Metalle in der alten Welt ausübten, wirken nur lokal und
vorübergehend - müssen auf den Wechsel der zur Produktion dieser
Metalle erheischten Arbeitszeit zurückgeführt werden. Diese
selbst wird abhängen von ihrer relativen natürlichen Seltenheit,
wie von der größern oder mindern Schwierigkeit, die ihre Bemäch-
tigung in rein metallischem Zustand bietet. Gold ist in der Tat
das erste Metall, das der Mensch entdeckt. Einerseits stellt die
Natur selbst es in gediegener kristallinischer Form dar,
individualisiert, chemisch unverbunden mit andern Körpern, oder
wie die Alchimisten sagten, in jungfräulichem Zustand; andrer-
seits übernimmt die Natur selbst in den großen Goldwäschereien
der Flüsse das Werk der Technologie. Auf Seiten des Menschen ist
so nur die roheste Arbeit erheischt, sei es für Gewinnung des
Flußgoldes, sei es des Goldes in aufgeschwemmtem Land,
---
*) Im Jahre 760 wanderte eine Masse armer Leute aus, um den Fluß-
goldsand südlich von Prag auszuwaschen, und drei Mann waren fä-
hig, in einem Tag eine Mark Gold zu extrahieren. Infolge davon
wurde der Zulauf zu den "diggings" 1*) und die Zahl der dem Ac-
kerbau entzogenen Hände so groß, daß das Land das nächste Jahr
von Hungersnot heimgesucht wurde. (Siehe M.G. Körner, "Abhandlung
von dem Alterthum des böhmischen Bergwerks", Schneeberg 1758 [p.
37 seq.].)
-----
1*) "Goldfundstätten"
#132# Karl Marx
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während die Darstellung des Silbers Minenarbeit und überhaupt
eine relativ hohe Entwicklung der Technik voraussetzt. Trotz sei-
ner kleinern absoluten Seltenheit ist daher der ursprüngliche
Wert des Silbers relativ größer als der des Goldes. Strabos Ver-
sicherung, daß bei einem Stamme der Araber 10 Pfund Gold für 1
Pfund Eisen und 2 Pfund Gold für 1 Pfund Silber gegeben wurden,
erscheint keineswegs unglaublich. Im Verhältnis aber, wie sich
die Produktivkräfte der gesellschaftlichen Arbeit entwickeln und
sich daher das Produkt der einfachen Arbeit verteuert gegen das
der kombinierten, wie die Rinde der Erde allseitiger aufgebrochen
wird, und die ursprünglichen oberflächlichen Quellen der Goldzu-
fuhr versiegen, wird der Wert des Silbers fallen im Verhältnis
zum Wert des Goldes. Auf einer gegebenen Entwicklungsstufe der
Technologie und der Kommunikationsmittel wird die Entdeckung
neuer Gold- oder Silberländer schließlich in die Waagschale fal-
len. Im alten Asien war das Verhältnis von Gold zu Silber wie 6
zu I oder 8 zu 1, letzteres Verhältnis in China und Japan noch im
Anfang des 19. Jahrhunderts ; 10 zu 1, das Verhältnis zu Xeno-
phons Zeit, kann als Durchschnittsverhältnis des mittlem Alter-
tums betrachtet werden. Die Ausbeutung der spanischen Silberminen
durch Karthago und später durch Rom wirkte annähernd im Altertum
wie die Entdeckung der amerikanischen Minen im modernen Europa.
Für die römische Kaiserzeit kann 15 oder 16 zu 1 als rauhe
Durchschnittszahl genommen werden, obgleich wir häufig tiefere
Depreziation des Silbers in Rom finden. Dieselbe Bewegung, begin-
nend mit der relativen Depreziation des Goldes und endend mit dem
Fall des Silberwerts, wiederholt sich in der folgenden Epoche,
die sich vom Mittelalter bis zur neusten Zeit erstreckt. Wie zur
Zeit Xenophons steht das Durchschnittsverhältnis im Mittelalter
wie 10 zu 1 und schlägt infolge der Entdeckung der amerikanischen
Minen wieder um zu 16 oder 15 zu 1. Die Entdeckung der
australischen, kalifornischen und kolumbischen Goldquellen macht
einen abermaligen Fall im Wert des Goldes wahrscheinlich. *)
---
*) Bisher haben die australischen usw. Entdeckungen das Wertver-
hältnis von Gold und Silber noch nicht berührt. Die gegenteiligen
Behauptungen Michel Chevaliers sind gerade soviel wert wie der
Sozialismus dieses Ex-St.-Simonisten. Die Quotationen des Silbers
auf dem Londoner Markt beweisen allerdings, daß der Durch-
schnitts-Goldpreis des Silbers während 1850 bis 1858 um nicht
ganz 3% höher steht als während der Periode 1830-1850. Dies Stei-
gen ist aber einfach aus der asiatischen Silbernachfrage zu er-
klären. Während 1852-1858 wechselt der Silberpreis in den einzel-
nen Jahren und Monaten nur mit dieser N a c h f r a g e, kei-
neswegs mit der Goldzufuhr von den neu entdeckten Quellen. Fol-
gendes ist eine Übersicht der Goldpreise des Silbers auf dem Lon-
doner Markt:
#133# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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C. Theorien über Zirkulationsmittel und Geld
Wie eine allgemeine Goldgier Völker und Fürsten im 16. und 17.
Jahrhundert, der Kindheitsperiode der modernen bürgerlichen Ge-
sellschaft, in überseeische Kreuzzüge nach dem goldnen Gral jagte
*), so proklamierten die ersten Dolmetscher der modernen Welt,
die Urheber des Monetarsystems, wovon das Merkantilsystem nur
eine Variante ist, Gold und Silber, d.h. Geld, als den einzigen
Reichtum. Richtig sprachen sie den Beruf der bürgerlichen Gesell-
schaft dahin aus, Geld zu machen, also, vom Standpunkt der einfa-
chen Warenzirkulation, den ewigen Schatz zu bilden, den weder
Motten noch Rost fressen. Es wird dem Monetarsystem nicht damit
geantwortet, daß eine Tonne Eisen vom Preis von 3 Pfd. St. eine
ebenso große Wertgröße als 3 Pfd. St. Gold ist. Es handelt sich
hier nicht um die Größe des Tauschwerts, sondern um seine ad-
äquate Form. Wenn das Monetär- und Merkantilsystem den Welthandel
und die unmittelbar in den Welthandel mündenden besondern Zweige
der nationalen Arbeit als die einzig wahren Quellen von Reichtum
oder Geld auszeichnet, ist zu erwägen, daß in jener Epoche der
größte Teil der nationalen Produktion sich noch in feudalen For-
men bewegte und als unmittelbare Subsistenzquelle den Produzenten
selbst diente. Die Produkte verwandelten sich großenteils nicht
in Waren und daher nicht in Geld, gingen überhaupt nicht in den
allgemeinen gesellschaftlichen Stoffwechsel ein, erschienen daher
nicht als Vergegenständlichung der allgemeinen abstrakten Arbeit
und bildeten in der Tat keinen bürgerlichen Reichtum. Geld als
Zweck der Zirkulation ist der Tauschwert oder der abstrakte
Reichtum, nicht irgendein stoffliches Element des Reichtums, als
bestimmender Zweck und treibendes Motiv der Produktion. Wie es
der Vorstufe der bürgerlichen
---
Preis des Silbers per Unze:
Jahr März Juli November
1852 60 1/8 Pence 60 1/4 Pence 61 7/8 Pence
1853 61 3/8 " 61 1/2. " 61 7/8 "
1854 61 7/8 ". 61 3/4 " 61 1/2 "
1855 60 7/8 " 61 1/2 " 60 7/8 "
1856 60 " 61 1/4 " 62 1/8, "
1857 61 3/4 " 61 5/8 " 61 1/2 "
1858 61 5/8 "
*) "Gold ist ein wunderbares Ding! Wer dasselbe besitzt, ist Herr
von allem, was er wünscht. Durch Gold kann man Seelen in das Pa-
radies gelangen lassen." (Columbus in einem Brief aus Jamaica,
1503.) [Note im Handexemplar.]
#134# Karl Marx
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Produktion entsprach, hielten jene verkannten Propheten an der
gediegenen, handgreiflichen und glänzenden Form des Tauschwerts
fest, an seiner Form als allgemeine Ware im Gegensatz zu allen
besondern Waren. Die eigentlich bürgerlich ökonomische Sphäre der
damaligen Zeit war die Sphäre der Warenzirkulation. Vom Gesichts-
punkt dieser elementarischen Sphäre aus beurteilten sie daher den
ganzen verwickelten Prozeß der bürgerlichen Produktion und ver-
wechselten Geld mit Kapital. Der unauslöschliche Kampf der moder-
nen Ökonomen gegen das Monetär- und Merkantilsystem rührt großen-
teils daher, daß dieses System in brutal-naiver Form das Geheim-
nis der bürgerlichen Produktion ausplaudert, ihr Beherrschtsein
durch den Tauschwert. Ricardo, wenn auch zum Behuf falscher
Nutzanwendung, bemerkt irgendwo, daß selbst in Zeiten der
Hungersnot Getreide eingeführt wird, nicht weil die Nation
hungert, sondern weil der Kornhändler Geld macht. In ihrer Kritik
des Monetär- und Merkantilsystems fehlt die politische Ökonomie
also, indem sie dieses System als bloße Illusion, als nur falsche
Theorie befeindet, nicht als barbarische Form ihrer eigenen
Grundvoraussetzung wiedererkennt. Zudem behält dieses System
nicht nur ein historisches Recht, sondern innerhalb bestimmter
Sphären der modernen Ökonomie volles Bürgerrecht. Auf allen
Stufen des bürgerlichen Produktionsprozesses, wo der Reichtum die
elementarische Form der Ware annimmt, nimmt der Tauschwert die
elementarische Form des Geldes an, und in allen Phasen des
Produktionsprozesses fällt der Reichtum immer wieder für einen
Augenblick in die allgemeine elementarische Form der Ware zurück.
Selbst in der entwickeltsten bürgerlichen Ökonomie werden die
spezifischen Funktionen des Goldes und Silbers als Geld im
Unterschied von ihrer Funktion als Zirkulationsmittel und im
Gegensatz zu allen übrigen Waren nicht aufgehoben, sondern nur
beschränkt, behalten also Monetär- und Merkantilsystem ihr Recht.
Die katholische Tatsache, daß Gold und Silber als unmittelbare
Inkarnation der gesellschaftlichen Arbeit, daher als Dasein des
abstrakten Reichtums, den andern profanen Waren gegenübertreten,
verletzt natürlich das protestantische point d'honneur 1*) der
bürgerlichen Ökonomie, und aus Angst vor den Vorurteilen des
Monetarsystems büßte sie für lange Zeit das Urteil über die
Phänomene der Geldzirkulation ein, wie die folgende Darstellung
zeigen wird.
Im Gegensatz zum Monetär- und Merkantilsystem, die das Geld nur
in seiner Formbestimmtheit als kristallisches Produkt der Zirku-
lation kennen, war es ganz in der Ordnung, daß die klassische
Ökonomie es zunächst in seiner flüssigen Form auffaßte, als in-
nerhalb der Warenmetamorphose selbst
-----
1*) Ehrgefühl
#135# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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erzeugte und wieder verschwindende Form des Tauschwerts. Wie da-
her die Warenzirkulation ausschließlich in der Form W-G-W und
diese wieder ausschließlich in der Bestimmtheit der prozessieren-
den Einheit von Verkauf und Kauf aufgefaßt wird, wird das Geld in
seiner Formbestimmtheit als Zirkulationsmittel gegen seine Form-
bestimmtheit als Geld behauptet. Wird das Zirkulationsmittel
selbst in seiner Funktion als Münze isoliert, so verwandelt es
sich, wie wir sahen, in Wertzeichen. Da aber der klassischen Öko-
nomie zunächst die metallische Zirkulation als herrschende Form
der Zirkulation gegenüberstand, faßt sie das metallische Geld als
Münze, die metallische Münze als bloßes Wertzeichen. Dem Gesetz
der Zirkulation der Wertzeichen entsprechend, wird so der Satz
aufgestellt, daß die Preise der Waren abhängen von der Masse des
zirkulierenden Geldes, nicht umgekehrt die Masse des zirkulieren-
den Geldes von den Preisen der Waren. Wir finden diese Ansicht
bei italienischen Ökonomen des 17. Jahrhunderts mehr oder minder
angedeutet, bald bejaht, bald verneint von Locke, bestimmt ent-
wickelt vom "Spectator" (in Nummer vom 19. Oktober 1711), von
Montesquieu und Hume. Da Hume bei weitem der bedeutendste Reprä-
sentant dieser Theorie im 18.Jahrhundert ist, eröffnen wir mit
ihm unsre Rundschau.
Unter bestimmten Voraussetzungen scheint eine Vermehrung oder
Verminderung in der Quantität, sei es des zirkulierenden Metall-
geldes, sei es der zirkulierenden Wertzeichen, g l e i c h-
m ä ß i g auf die Warenpreise zu wirken. Fällt oder steigt der
W e r t des Goldes oder Silbers, worin die Tauschwerte der Waren
als Preise geschätzt sind, so steigen oder fallen die
P r e i s e, weil ihr Wertmaß sich geändert hat, und mehr oder
minder Gold und Silber zirkulieren als Münze, weil die Preise
gestiegen oder gefallen sind. Das sichtbare Phänomen aber ist
Veränderung der Preise, bei gleichbleibendem Tauschwert der
Waren, mit vermehrter oder verminderter Quantität der Zirkulati-
onsmittel. Fällt oder steigt andrerseits die Quantität der zirku-
lierenden Wertzeichen über oder unter ihr notwendiges Niveau, so
werden sie gewaltsam auf dasselbe reduziert durch Fallen oder
Steigen der Warenpreise. In beiden Fällen scheint dieselbe Wir-
kung durch dieselbe Ursache hervorgebracht, und an diesem Schein
hielt H u m e fest.
Jede wissenschaftliche Untersuchung über das Verhältnis von An-
zahl der Zirkulationsmittel und Preisbewegung der Waren muß den
Wert des Geldmaterials als gegeben voraussetzen. Hume dagegen be-
trachtet ausschließlich Epochen der Revolution im Wert der edeln
Metalle selbst, also Revolutionen im Maß der Werte. Das Steigen
der Warenpreise gleichzeitig mit der Zunahme des Metallgelds seit
der Entdeckung der amerikanischen Minen bildet den geschichtli-
chen Hintergrund seiner Theorie, wie die Polemik gegen das
#136# Karl Marx
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Monetar- und Merkantilsystem ihr praktisches Motiv abgab. Die Zu-
fuhr der edeln Metalle kann natürlich vermehrt werden bei gleich-
bleibenden Produktionskosten derselben. Andrerseits wird die Ver-
minderung in ihrem Wert, d.h. in der zu ihrer Produktion
erheischten Arbeitszeit, sich zunächst nur zeigen in der Vermeh-
rung ihrer Zufuhr. Also, sagten später Schüler von Hume, zeigt
sich der verminderte Wert der edeln Metalle in der wachsenden
Masse der Zirkulationsmittel und die wachsende Masse der
Zirkulationsmittel im Steigen der Warenpreise. In der Tat aber
wächst nur der Preis der exportierten Waren, die sich mit Gold
und Silber als Ware und nicht als Zirkulationsmittel austauschen.
So steigt der Preis dieser Waren, die in Gold und Silber von ge-
sunkenem Wert geschätzt sind, gegenüber allen übrigen Waren, de-
ren Tauschwert fortfährt, in Gold oder Silber nach dem Maßstab
ihrer alten Produktionskosten geschätzt zu werden. Diese doppelte
Schätzung der Tauschwerte der Waren in demselben Lande kann na-
türlich nur temporär sein, und die Gold- oder Silberpreise müssen
sich ausgleichen in den durch die Tauschwerte selbst bestimmten
Proportionen, so daß schließlich die Tauschwerte aller Waren dem
neuen Wert des Geldmaterials entsprechend geschätzt werden. Die
Entwickelung dieses Prozesses gehört ebensowenig hierher wie die
Art und Weise, worin überhaupt innerhalb der Schwankungen der
Marktpreise der Tauschwert der Waren sich durchsetzt. Daß aber
diese Ausgleichung in minder entwickelten Epochen der bürgerli-
chen Produktion sehr allmählich ist und sich über lange Perioden
verteilt, jedenfalls aber nicht gleichen Schritt hält mit der
Vermehrung der umlaufenden Barschaften, ist durch neue kritische
Untersuchungen über die Bewegung der Warenpreise im 16. Jahrhun-
dert schlagend bewiesen worden. *) Ganz ungehörig sind die von
Humes Schülern beliebten Beziehungen auf das Steigen der Preise
im antiken Rom infolge der Eroberung von Makedonien, Ägypten und
Kleinasien. Die der alten Welt eigentümliche, plötzliche und ge-
waltsame Übertragung aufgespeicherter Geldschätze von einem Lande
in das andere, die temporäre Reduktion der Produktionskosten der
edeln Metalle für ein bestimmtes Land durch den einfachen Prozeß
der Plünderung, berühren ebensowenig die immanenten Gesetze der
Geldzirkulation, wie etwa die Gratisverteilung von ägyptischem
und sizilischem Getreide in Rom das allgemeine Gesetz, das den
Getreidepreis regelt. Das zur Detailbeobachtung des Geldumlaufs
erheischte Material, einerseits gesichtete Geschichte der Waren-
preise,
-----
*) Diese Allmählichkeit gibt Hume übrigens zu, so wenig sie sei-
nem Prinzip entspricht. Siehe David Hume, "Essays and treatises
on several subjects", ed. London 1777, vol. I, p, 300.
#137# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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andererseits offizielle und fortlaufende Statistik über Expansion
und Kontraktion des zirkulierenden Mediums, Zufluß und Abfluß der
edeln Metalle usw., ein Material, das überhaupt erst mit völlig
entwickeltem Bankwesen entsteht, mangelte Hume wie allen andern
Schriftstellern des 18. Jahrhunderts. Humes Zirkulationstheorie
faßt sich in folgenden Sätzen zusammen: 1. Die Preise der Waren
in einem Lande sind bestimmt durch die in ihm befindliche Geld-
masse (realem Geld oder symbolischem). 2. Das in einem Lande zir-
kulierende Geld repräsentiert alle in ihm befindlichen Waren. Im
Verhältnis wie die Anzahl der Repräsentanten wächst, d.h. des
Geldes, kommt mehr oder minder von der repräsentierten Sache auf
den einzelnen Repräsentanten. 3. Werden die Waren vermehrt, so
fällt ihr Preis oder der Wert des Geldes steigt. Wird das Geld
vermehrt, so wächst umgekehrt der Preis der Waren und der Wert
des Geldes fällt. *)
"Die Teuerkeit aller Dinge", sagt Hume, "infolge von Geldüberfluß
ist ein Nachteil für jeden bestehenden Handel, indem er den armem
Ländern erlaubt, reichere zu unterkaufen auf allen fremden Märk-
ten. **) Es kann keine Wirkung, gute oder schlechte, ausüben,
wenn wir eine Nation für sich selbst betrachten, ob viel oder we-
nig Münze zum Zählen oder Repräsentieren der Waren vorhanden ist,
so wenig wie die Bilanz eines Kaufmanns alteriert würde, wenn er
in der Buchführung, statt der arabischen Rechenweise, die wenig
Ziffern erheischt, die römische anwendete, die einer größeren An-
zahl bedarf. Ja, die größere Quantität des Geldes, gleich den rö-
mischen Rechencharakteren, ist vielmehr unbequem und kostet mehr
Mühe sowohl für Aufbewahrung als Transport." ***)
Um überhaupt etwas zu beweisen, hätte Hume zeigen müssen, daß in
einem g e g e b e n e n System von Rechencharakteren die Masse
der angewandten Ziffern nicht von der Größe des Zahlenwerts, son-
dern die Größe des Zahlenwerts umgekehrt von der Masse der ange-
wandten Charaktere abhängt. Es ist sehr richtig, daß es kein Vor-
teil ist, die Warenwerte in Gold oder Silber von gesunkenem Wert
zu schätzen oder zu "zählen", und daher fanden es die Völker mit
dem Wachstum der Wertsumme der zirkulierenden Waren stets beque-
mer, in Silber zu zählen als in Kupfer, und in Gold als in Sil-
ber. Im Maß wie sie reicher wurden, verwandelten sie die minder
wertvollen Metalle in subsidiäre Münze und die wertvollem in
Geld. Andrerseits vergißt Hume, daß zum Zählen der Werte in Gold
und Silber weder Gold noch Silber "vorhanden" zu sein braucht.
Rechengeld und Zirkulationsmittel fallen ihm
---
*) Conf. Steuart, l.c. t. I, p. 394-400.
**) David Hume, l.c. p. 300.
***) David Hume, l.c. p. 303.
#138# Karl Marx
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zusammen und beide sind Münze (coin). Weil eine Wertveränderung
im Maße der Werte oder den edeln Metallen, die als Rechengeld
funktionieren, die Warenpreise steigen oder fallen macht, also
auch die Masse des zirkulierenden Geldes bei gleichbleibender Um-
laufsgeschwindigkeit, schließt Hume, daß das Steigen oder Fallen
der Warenpreise von der Quantität des zirkulierenden Geldes ab-
hängt. Daß im 16. und 17. Jahrhundert nicht nur die Quantität von
Gold und Silber sich vermehrte, sondern gleichzeitig ihre Produk-
tionskosten sich verminderten, konnte Hume aus dem Schließen der
europäischen Minen sehn. Im 16. und 17. Jahrhundert stiegen die
Warenpreise in Europa mit der Masse des importierten amerikani-
schen Goldes und Silbers; also sind die Warenpreise in jedem
Lande bestimmt durch die Masse des in ihm befindlichen Goldes und
Silbers. Dies war Humes erste "notwendige Konsequenz" *). Im 16.
und 17. Jahrhundert stiegen die Preise nicht gleichmäßig mit der
Zunahme der edeln Metalle; mehr als ein halbes Jahrhundert ver-
floß, bevor i r g e n d e i n Wechsel in den Warenpreisen sich
zeigte, und selbst dann währte es noch lange, bevor die Tausch-
werte der Waren allgemein dem gesunkenen Wert des Golds und Sil-
bers gemäß geschätzt wurden, also bevor die Revolution die allge-
meinen Warenpreise ergriff. Also, schließt Hume, der ganz im Wi-
derspruch mit den Grundsätzen seiner Philosophie einseitig beob-
achtete Tatsachen unkritisch in allgemeine Sätze verwandelt, also
ist der Preis der Waren oder der Wert des Geldes bestimmt nicht
durch die absolute Masse des in einem Lande befindlichen Geldes,
sondern vielmehr durch die Quantität von Gold und Silber, die
wirklich in die Zirkulation eingeht, aber schließlich muß alles
in einem Lande befindliche Gold und Silber als Münze von der Zir-
kulation absorbiert werden. **) Es ist klar, daß, wenn Gold und
Silber einen eignen Wert besitzen, von allen andern Gesetzen des
Umlaufs abgesehen, nur eine bestimmte Quantität Gold und Silber
als Äquivalent für eine gegebene Wertsumme von Waren zirkulieren
kann. Muß also jede zufällig in einem Lande befindliche Quantität
Gold und Silber ohne Rücksicht
*) David Hume, l.c. p. 303.
**) "Es ist klar, daß die Preise nicht so sehr abhängen von der
absoluten Menge der Waren, und der des Geldes, die in einem Lande
vorhanden sind, als von der Menge der Waren, die auf den Markt
kommt oder kommen kann, und von dem Gelde, welches zirkuliert.
Wenn das gemünzte Geld in Truhen verschlossen wird, so ist dies
für die Preise dasselbe, als ob es vernichtet wäre; wenn die Wa-
ren in Magazinen und Kornspeichern aufgehäuft werden, so folgt
die gleiche Wirkung. Da das Geld und die Waren in solchen Fällen
nie zusammentreffen, können sie auch nicht aufeinander wirken.
Das Ganze (der Preise) erreicht schließlich ein r i c h t i-
g e s V e r h ä l t n i s z u d e r n e u e n M e n g e
d e s M e t a l l g e l d e s, d i e i m L a n d e i s t."
(l.c. p. 303, 307, 308.)
#139# Zur Kritik der Politischen Ökonomie · Zweites Kapitel
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auf die Summe der Warenwerte als Zirkulationsmittel in den Waren-
austausch eingehn, so besitzen Gold und Silber keinen immanenten
Wert und sind daher in der Tat keine wirklichen Waren. Dies ist
Humes dritte "notwendige Konsequenz". Waren ohne Preis und Gold
und Silber ohne Wert läßt er in den Zirkulationsprozeß eingehn.
Er spricht daher auch nie von Wert der Waren und Wert des Goldes,
sondern nur von ihrer wechselseitigen Quantität. Schon Locke
hatte gesagt, Gold und Silber hätten einen bloß eingebildeten
oder konventionellen Wert; die erste brutale Form des Gegensatzes
zur Behauptung des Monetarsystems, daß Gold und Silber allein
wahren Wert haben. Daß das Gelddasein von Gold und Silber bloß
aus ihrer Funktion im gesellschaftlichen Austauschprozeß ent-
springt, wird dahin ausgelegt, daß sie ihren 1*) eignen Wert und
daher ihre Wertgröße einer gesellschaftlichen Funktion verdanken.
*) Gold und Silber sind also wertlose Dinge, aber innerhalb des
Zirkulationsprozesses erhalten sie eine fiktive Wertgröße als
R e p r ä s e n t a n t e n d e r W a r e n. Sie werden durch
den Prozeß nicht in Geld, sondern in Wert verwandelt. Dieser ihr
Wert wird bestimmt durch die Proportion zwischen ihrer eignen
Masse und der Warenmasse, indem sich beide Massen decken müssen.
Während also Hume Gold und Silber als Nichtwaren in die Welt der
Waren eintreten läßt, verwandelt er sie umgekehrt, sobald sie in
der Formbestimmtheit der Münze erscheinen, in bloße Waren, die
sich durch einfachen Tauschhandel mit andren Waren austauschen.
Bestände nun die Warenwelt aus einer einzigen Ware, z.B. einer
Million Quarter Getreide, so wäre die Vorstellung sehr einfach,
daß ein Quarter sich gegen zwei Unzen Gold austauscht, wenn zwei
Millionen Unzen Gold vorhanden sind und gegen 20 Unzen Gold, wenn
20 Millionen Unzen Gold vorhanden sind, Preis der Ware und Wert
des Geldes also in umgekehrtem Verhältnis zur vorhandenen Quanti-
tät Geld steigen oder fallen. **) Aber die Warenwelt besteht aus
unendlich verschiedenen Gebrauchswerten, deren relativer Wert
keineswegs durch ihre relative Quantität bestimmt ist. Wie also
denkt sich Hume diesen Austausch zwischen der Masse der Waren und
der Masse des Goldes? Er begnügt sich mit der begriffslos dumpfen
Vorstellung, daß jede Ware als aliquoter Teil der gesamten Waren-
masse sich gegen einen entsprechend aliquoten Teil der Goldmasse
austauscht. Die prozessierende
---
*) Siehe Law und Franklin über den Surpluswert, den Gold und Sil-
ber aus Funktion als Geld erhalten sollen. Auch Forbonnais. /Note
im Handexemplar./
**) Diese Fiktion kommt wörtlich vor bei Montesquieu. /Note im
Handexemplar./
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1*) Im Handexemplar eingefügt; (1859) fehlt: ihren
#140# Karl Marx
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Bewegung der Waren, die aus dem in ihnen enthaltenen Gegensatz
von Tauschwert und Gebrauchswert entspringt, in dem Umlauf des
Geldes erscheint und in den verschiedenen Formbestimmtheiten des
letztern sich kristallisiert, ist also ausgelöscht, und an ihre
Stelle tritt die eingebildete mechanische Gleichsetzung zwischen
der Gewichtmasse der in einem Land befindlichen edeln Metalle und
der gleichzeitig vorhandenen Warenmasse.
Sir James Steuart eröffnet seine Untersuchung über Münze und Geld
mit einer ausführlichen Kritik von Hume und Montesquieu. *) Er
ist in der Tat der erste, der die Frage stellt: Ist die Quantität
des umlaufenden Geldes durch die Warenpreise oder sind die Waren-
preise durch die Quantität des umlaufenden Geldes bestimmt? Ob-
gleich seine Darstellung getrübt ist durch phantastische Ansicht
vom Maß der Werte, durch schwankende Darstellung von Tauschwert
überhaupt und durch Reminiszenzen des Merkantilsystems, entdeckt
er die wesentlichen Formbestimmtheiten des Geldes und allgemeinen
Gesetze des Geldumlaufs, weil er nicht mechanisch die Waren auf
die eine und das Geld auf die andre Seite stellt, sondern
tatsächlich aus den verschiednen Momenten des Warenaustausches
selbst die verschiednen Funktionen entwickelt.
"Der Gebrauch von Geld für inländische Zirkulation läßt sich zu-
sammenfassen unter zwei Hauptpunkte, Zahlung dessen, was einer
schuldet. Kaufen dessen, was einer braucht; beides zusammengefaßt
bildet die Nachfrage für bares Geld (ready money demands)... Der
Stand von Handel, Manufaktur, Lebensweise und herkömmlichen Aus-
gaben der Einwohner, wenn alle zusammengenommen, regeln und
bestimmen die Masse der Nachfrage für bares Geld, d. h. die Masse
der Veräußerungen. Um diese Mannigfaltigkeit der Zahlungen ins
Werk zu setzen, ist eine gewisse Proportion Geld nötig. Diese
Proportion ihrerseits kann zunehmen oder abnehmen, je nach Um-
ständen, obgleich die Quantität der Veräußerung dieselbe
bleibt... Jedenfalls kann die Zirkulation eines Landes nur eine
bestimmte Quantität von Geld absorbieren." ** "Der Marktpreis der
Ware wird bestimmt durch die verwickelte Operation von Nachfrage
und Konkurrenz (demand and competition), die durchaus von der in
einem Land befindlichen Gold- und Silbermasse unabhängig sind.
Was wird nun aus dem nicht als Münze erheischten Gold und Silber?
Es wird als Schatz aufgehäuft oder als Material von Luxusartikeln
verarbeitet. Fiele die Gold- und Silbermasse unter das für die
Zirkulation erheischte Niveau, so ersetzt man sie durch symboli-
sches Geld oder andre Auskunftsmittel. Bringt ein günstiger Wech-
selkurs Überfluß von Geld ins Land und schneidet zugleich die
Nachfrage für seine Versendung ins Ausland ab, so fällt es häufig
in Koffer, wo es so nutzlos wird, als ob es in Minen läge." ***)
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*) Steuart, l.c. t. I, p. 394 seq.
**) James Steuart. l.c. t. II, p. 377-379 passim.
***) l.c. p. 379-380 passim.
#141# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Das zweite von S t e u a r t entdeckte Gesetz ist der Reflux
der auf Kredit gegründeten Zirkulation zu ihrem Ausgangspunkt.
Endlich entwickelt er die Wirkungen, die die Verschiedenheit des
Zinsfußes in verschiedenen Ländern auf die internationale Aus-
und Einwandrung der edeln Metalle hervorbringt. Die beiden letz-
tern Bestimmungen deuten wir hier nur der Vollständigkeit wegen
an, da sie unserm Thema der einfachen Zirkulation fernliegen. *
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*) "Die zusätzlichen Münzen werden eingeschlossen werden, oder in
Silbergeschirr ·verwandelt... Was das Papiergeld angeht, so wird
es, sobald es den ersten Zweck erfüllt, das Bedürfnis dessen zu
befriedigen, der es geborgt hat, zu dem Schuldner zurückkehren
und realisiert werden... Laß das Metallgeld eines Landes deshalb
in noch so großer Proportion vermehrt oder vermindert weiden, die
Waren werden doch steigen oder fallen gemäß den Prinzipien der
Nachfrage und der Konkurrenz, und diese werden beständig von den
Neigungen jener abhängen, die Eigentum oder irgendwelche Art von
Gegenwert zu geben haben, aber niemals von der Menge der Münzen,
die sie besitzen... Laß sie" (nämlich die Menge des Metallgeldes
in einem Lande) "noch so. klein sein, solange es wirkliches Ei-
gentum irgendeiner Art im Lande gibt, und eine Konkurrenz des
Konsumierens unter denen, die es besitzen, so werden die Preise
hoch sein vermittels Tauschhandels, symbolischen Geldes, wechsel-
seitiger Zahlungen und tausend anderer Erfindungen... Wenn dies
Land Verkehr mit andern Nationen hat, so muß eine Proportion zwi-
schen den Preisen von mancherlei Waren dort und anderswo beste-
hen, und eine plötzliche Vermehrung oder Verminderung des Metall-
geldes, angenommen, es könnte v o n s i c h a u s die Wirkung
der Erhöhung oder Senkung von Preisen hervorrufen, würde durch
ausländische Konkurrenz in ihrer Wirkung b e s c h r ä n k t
werden." Steuart, l. ct. I, p. 400-401. "Die Zirkulation jedes
Landes muß der gewerblichen Tätigkeit der Einwohner angepaßt
sein, welche die auf den Markt kommenden Waren produzieren...
Wenn das Hartgeld eines Landes unter die Proportion zu dem Preise
der zum Verkauf angebotenen Gewerbetätigkeit sinkt, dann wird man
zu Erfindungen, wie symbolischem Geld, seine Zuflucht nehmen, um
ein Äquivalent dafür zu schaffen. Wenn sich aber herausstellt,
daß das Metallgeld über der Proportion zu der Gewerbetätigkeit
steht, wird es keine Wirkung der Preiserhöhung haben, noch wird
es in die Zirkulation eintreten: e s w i r d i n S c h ä t-
z e n a u f g e h ä u f t w e r d e n... Wie groß immer die
Menge des Geldes in einem Lande sein mag, im Verhältnis zu der
übrigen Welt, so kann niemals etwas i n Z i r k u l a t i o n
bleiben als die Menge, die der Konsumtion der reichen und der
Arbeit und Gewerbetätigkeit der armen Einwohner nahezu pro-
portional ist", und diese Proportion ist nicht bestimmt "durch
die tatsächlich im Lande befindliche Menge Geldes" (l.c. p. 407-
408 passim.). "Alle Länder werden sich bemühen, ihr bares Geld,
das nicht für ihre eigne Zirkulation nötig ist, in jenes Land zu
werfen, in dem der Geldzins im Verhältnis zu ihrem eignen hoch
ist." l.c. t. II, p. 5. "Das reichste Land in Europa kann das
ärmste sein an zirkulierendem Metallgeld." l.c. t. II, p. 6. -
Sieh Polemik gegen Steuart bei Arthur Young. /Zusatz im Hand-
exemplar./
#142# Karl Marx
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Symbolisches Geld oder Kreditgeld - Steuart unterscheidet diese
beiden Formen des Geldes noch nicht - können die edeln Metalle
als Kaufmittel oder Zahlungsmittel in der innern Zirkulation er-
setzen, aber nicht auf dem Weltmarkt. Papiernoten sind daher das
Geld der Gesellschaft (money of the society), während Gold und
Silber das Geld der Welt sind (money of the world). *)
Es ist Eigentümlichkeit der Nationen von "historischer" Entwick-
lung im Sinn der historischen Rechtsschule [27] ihre eigne Ge-
schichte beständig zu vergessen. Obgleich daher die Streitfrage
über das Verhältnis der Warenpreise zur Quantität der Zirkulati-
onsmittel während dieses halben Jahrhunderts fortwährend das Par-
lament bewegt, und Tausende von Pamphleten, großen und kleinen,
in England hervorgerufen hat, blieb Steuart mehr noch "toter
Hund" als Spinoza dem Moses Mendelssohn zu Lessings Zeit schien.
Selbst der neueste Geschichtsschreiber der "currency", Maclaren,
verwandelt Adam Smith in den Erfinder der Steuartschen Theorie,
wie Ricardo in den der Humeschen. **) Während Ricardo Humes Theo-
rie verfeinerte, registriert Adam Smith die Resultate der
Steuartschen Forschungen als tote Tatsachen. Adam Smith hat sei-
nen schottischen Weisheitsspruch, daß, "wenn ihr ein wenig gewon-
nen habt, es oft leicht wird, viel zu gewinnen, die Schwierigkeit
aber darin liegt, das wenige zu gewinnen", auch auf geistigen
Reichtum angewandt und daher mit kleinlicher Sorgfalt die Quellen
verheimlicht, denen er das Wenige verdankt, woraus er in der Tat
viel macht. Mehr als einmal zieht er vor, der Frage die Pointe
abzubrechen, wo scharfe Formulierung ihn zwingen würde, mit sei-
nen Vorgängern abzurechnen. So in der Geldtheorie. Er nimmt
Steuarts Theorie stillschweigend an, indem er erzählt, das in ei-
nem Lande befindliche Gold und Silber werde teils als Münze ver-
wandt, teils als Reservefonds aufgehäuft für Kaufleute in Ländern
ohne Banken und als Bankreserve in Ländern mit Kreditzirkulation,
teils diene es als Schatz zur Ausgleichung internationaler Zah-
lungen, teils werde es zu Luxusartikeln verarbeitet. Die Frage
über die Quantität der zirkulierenden Münze beseitigt
-----
*) Steuart, l.c. t. II, p. 370. Louis Blanc verwandelt das "money
of the society", was nichts heißt als inländisches, nationales
Geld, in sozialistisches Geld, was gar nichts heißt, und macht
folgerecht Jean Law zum Sozialisten. (Sieh seinen ersten Band der
Geschichte der französischen Revolution.)
**) Maclarcn, l.c. p. 43 seq. Patriotismus hat einen zu früh ver-
storbenen deutschen Schriftsteller (Gustav Julius) verleitet, den
alten Büsch als Autorität der Ricardoschen Schule gegenüberzu-
stellen. Ehren-Büsch übertrug Steuarts geniales Englisch in Ham-
burger Platt und verballhornte sein Original so oft als möglich.
#143# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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er stillschweigend, indem er das Geld ganz falsch als bloße Ware
behandelt. *) Sein Vulgarisateur, der fade J.-B. Say, den die
Franzosen zum prince de la science 1*) ernannt haben, wie Johann
Christoph Gottsched seinen Schönaich zum Homer und Pietro Aretino
sich selbst zum terror principum 2*) und lux mundi 3*) ernannte,
hat dies nicht ganz naive Versehn Adam Smiths mit großer Wichtig-
keit zum Dogma zugeritten.** Polemische Spannung gegen die Illu-
sionen des Merkantilsystems verhinderte übrigens Adam Smith, die
Phänomene der metallischen Zirkulation objektiv aufzufassen, wäh-
rend seine Anschauungen vom Kreditgeld originell und tief sind.
Wie in den Versteinerungstheorien des 18.Jahrhunderts stets eine
Unterströmung durchläuft, entspringend aus kritischer oder apolo-
getischer Rücksicht auf die biblische Tradition von der Sündflut,
so versteckt sich hinter allen Geldtheorien des 18. Jahrhunderts
ein heimliches Ringen-mit dem Monetarsystem, dem Gespenst, das
die Wiege der bürgerlichen Ökonomie gehütet hatte und stets noch
seinen Schlagschatten auf die Gesetzgebung warf.
Die Forschungen über das Geldwesen wurden im 19. Jahrhundert un-
mittelbar angeregt, nicht durch die Phänomene der metallischen,
sondern vielmehr durch die der Banknotenzirkulation. Auf die er-
stere wurde nur zurückgegangen, um die Gesetze der letztern zu
entdecken. Die Suspension der Barzahlungen der Bank von England
seit 1797, das später erfolgende Steigen im Preise vieler Waren,
der Fall des Münzpreises des Goldes unter seinen Marktpreis, die
Depreziation der Banknoten besonders seit 1809, boten die unmit-
telbar praktischen Anlässe eines Parteikampfs im Parlament, eines
theoretischen Turniers außerhalb desselben, beide gleich leiden-
schaftlich. Als historischer Hintergrund der Debatte diente die
Geschichte des Papiergelds im 18. Jahrhundert, das Fiasko der
Lawschen Bank [28], die mit der wachsenden Quantität der Wertzei-
chen Hand in Hand gehende Depreziation der Provinzial-Banknoten
der englischen Kolonien in Nordamerika vom
---
*) Dies nicht exakt. Spricht vielmehr an einigen Stellen das Ge-
setz richtig aus. /Note im Handexemplar./
** Der Unterschied von "currency" und "money", d.h. von Zirkula-
tionsmittel und Geld findet sich daher nicht im "Wealth of Nati-
ons". Getäuscht von der scheinbaren Unbefangenheit Adam Smiths,
der seinen Hume und Steuart sehr genau kannte, bemerkt der ehrli-
che Maclaren: "Die Theorie von der Abhängigkeit der Preise von
der Menge der Zirkulationsmittel hat bisher noch nicht die Auf-
merksamkeit auf sich gezogen; und Doktor Smith betrachtet gleich
Herrn Locke" (Locke wechselt in seiner Ansicht) "das Metallgeld
als nichts andres denn eine Ware." (Maclaren, l.c. p. 44.)
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1*) Fürsten der Wissenschaft - 2*) Schrecken der Fürsten -
3*) Licht der Welt
#144# Karl Marx
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Anfang bis in die Mkte des 18. Jahrhunderts; dann später das von
der amerikanischen Zentralregierung während des Unabhängigkeits-
krieges gesetzlich aufgezwungene Papiergeld (Continental bills),
endlich das auf noch größerer Stufenleiter ausgeführte Experiment
der französischen Assignaten. Die meisten englischen Schriftstel-
ler der damaligen Zeit verwechseln die Banknotenzirkulation, die
nach ganz andern Gesetzen bestimmt wird, mit der Zirkulation von
Wertzeichen oder von Staatspapieren mit Zwangskurs und, während
sie die Phänomene dieser Zwangszirkulation aus den Gesetzen der
metallischen Zirkulation zu erklären vorgeben, abstrahieren sie
in der Tat umgekehrt die Gesetze der letztern aus den Phänomenen
der erstem. Wir überspringen alle die zahlreichen Schriftsteller
während der Periode von 1800 bis 1809 und wenden uns sogleich zu
Ricardo, sowohl weil er seine Vorgänger zusammenfaßt und ihre An-
sichten schärfer formuliert, als weil die Gestalt, die er der
Geldtheorie gab, bis zu diesem Augenblick die englische
Bankgesetzgebung beherrscht. Ricardo, wie seine Vorgänger, wirft
die Zirkulation von Banknoten oder von Kreditgeld mit der Zirku-
lation von bloßen Wertzeichen zusammen. Die ihn beherrschende
Tatsache ist die Depreziation des Papiergelds und das gleichzei-
tige Steigen der Warenpreise. Was die amerikanischen Minen für
Hume, waren die Papierzettelpressen in Threadneedle Street [29]
für Ricardo und er selbst identifiziert an einer Stelle ausdrück-
lich beide Agentien. Seine ersten Schriften, die sich nur mit der
Geldfrage beschäftigen, fallen in die Zeit der heftigsten Polemik
zwischen der Bank von England, auf deren Seite die Minister und
die Kriegspartei standen, und ihren Gegnern, um die sich die par-
lamentarische Opposition, die Whigs und die Friedenspartei grup-
pierten. Sie erschienen als direkte Vorläufer des berühmten Be-
richts des Bullionkomitees von 1810, worin Ricardos Ansichten ak-
zeptiert sind. *) Die Sonderbarkeit, daß Ricardo und seine
Anhänger, die das Geld für bloßes Wertzeichen erklären, Bullio-
nists (Goldbarrenmänner) heißen, rührt her nicht allein vom Namen
dieses Komitees, sondern vom Inhalt seiner Lehre selbst. In sei-
nem Werke über politische Ökonomie hat Ricardo dieselben Ansich-
ten wiederholt und weiter entwickelt, nirgendwo aber das Geld-
wesen an sich untersucht, wie er mit Tauschwert, Profit, Rente
usw. tat.
Ricardo bestimmt zunächst den Wert des Goldes und Silbers wie den
aller andern Waren, durch das Quantum der in ihnen vergegenständ-
lichten
---
*) David Ricardo, "The high price of Bullion, a proof of the de-
preciation of Banknotes", 4. Edition, London 1811. (Die erste
Ausgabe erschien 1809.) Ferner: "Reply to Mr. Bosanquet's practi-
cal observations on the report of the bullion committee", London
1811.
#145# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Arbeitszeit. *) In ihnen, als Waren von gegebenem Wert, werden
die Werte der andern Waren gemessen. **) Die Quantität der Zirku-
lationsmittel in einem Lande ist nun bestimmt durch den Wert der
Maßeinheit des Geldes auf der einen Seite, durch die Summe der
Tauschwerte der Waren auf der andern Seite. Modifiziert wird
diese Quantität durch die Ökonomie in der Zahlungsweise. ***) Da
so die Quantität, worin Geld von gegebenem Wert zirkulieren kann,
sich bestimmt findet und sein Wert innerhalb der Zirkulation nur
in seiner Quantität erscheint, können bloße Wertzeichen dessel-
ben, wenn ausgegeben in der durch seinen Wert bestimmten Propor-
tion, es in der Zirkulation ersetzen, und zwar
"befindet sich das umlaufende Geld in seinem vollendetsten Zu-
stand, wenn es ausschließlich aus Papier besteht, das von glei-
chem Wert ist mit dem Gold, welches es zu repräsentieren vorgibt"
+).
Bisher also bestimmt Ricardo, den Wert des Geldes als gegeben
vorausgesetzt, die Quantität der Zirkulationsmittel durch die
Preise der Waren, und das Geld als Wertzeichen bedeutet ihm Zei-
chen eines bestimmten Goldquantums, nicht wie bei Hume wertlosen
Repräsentanten der Waren.
Wo Ricardo plötzlich abbricht vom ebenen Gang seiner Darstellung
und in die umgekehrte Ansicht umschlägt, wendet er sich sofort
zur internationalen Zirkulation der edeln Metalle und verwirrt so
das Problem durch das Hereinbringen fremder Gesichtspunkte. Indem
wir seinen innern Gedankensprecher verfolgen, schieben wir
zunächst alle künstlichen Inzidenzpunkte beiseite und verlegen
daher die Gold- und Silberminen in das Innere der Länder, wo die
edeln Metalle als Geld zirkulieren. Der einzige Satz, der aus Ri-
cardos bisheriger Entwicklung folgt, ist, daß bei gegebenem Wert
des Goldes die Quantität des zirkulierenden Geldes sich durch die
Warenpreise bestimmt findet. In einem gegebenen Moment also ist
die Masse des in einem
---
*) David Ricardo, "On the principles of political economy etc.",
p. 77. "Der Wert der edeln Metalle hängt schließlich ab, wie der
aller andern Waren, von der Totalquantität der Arbeit, nötig, um
sie zu erhalten und auf den Markt zu bringen."
**) l.c. p. 77, 180. 181.
***) Ricardo, l.c. p. 421. "Die Quantität Geld, die in einem
Lande angewandt werden kann, hängt von seinem Wert ab. Zirku-
lierte Gold allein, so wäre fünfzehnmal weniger davon nötig, als
wenn Silber allein angewandt würde." Siehe auch Ricardo,
"Proposals for an economical and secure currency", London 1816,
p. 8, wo er sagt: "Die Quantität der zirkulierenden Noten hängt
ab von dem Betrag, der für die Zirkulation des Landes erheischt
ist, und dieser ist geregelt durch den Wert der Maßeinheit des
Geldes, den Belauf der Zahlungen und die Ökonomie in ihrer Reali-
sierung."
+) Ricardo, "Principles of political economy", p. 432, 433.
#146# Karl Marx
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Lande zirkulierenden Goldes einfach bestimmt durch den Tauschwert
der zirkulierenden Waren. Gesetzt nun, die Summe dieser Tausch-
werte nehme ab, entweder weil weniger Waren zu den alten Tausch-
werten produziert werden, oder weil infolge vermehrter Produktiv-
kraft der Arbeit dieselbe Warenmasse verminderten Tauschwert er-
hält. Oder unterstellen wir umgekehrt, die Summe der Tauschwerte
vermehre sich, weil sich die Masse der Waren bei gleichbleibenden
Produktionskosten vermehrt, oder weil der Wert, sei es derselben,
sei es einer kleinern Warenmasse, infolge verminderter Produktiv-
kraft der Arbeit wächst. Was wird in beiden Fällen aus der
g e g e b e n e n Quantität des zirkulierenden Metalls? Wenn das
Gold nur Geld ist, weil es als Zirkulationsmittel umläuft, wenn
es gezwungen ist, in der Zirkulation zu Verharren, wie vom Staat
ausgegebenes Papiergeld mit Zwangskurs (und dies liegt Ricardo im
Sinn), dann wird die Quantität des zirkulierenden Geldes im er-
sten Fall überschwellen im Verhältnis zum Tauschwert des Metalls;
im zweiten würde sie unter ihrem normalen Niveau stehen. Obgleich
also mit eignem Wert begabt, wird das Gold im ersten Fall zu ei-
nem Zeichen von Metall von niedrigerem Tauschwert als seinem eig-
nen, im letztern zum Zeichen eines Metalls von höherm Wert. Im
ersten Fall wird es als Wertzeichen unter, im zweiten über seinem
wirklichen Wert stehn (wieder eine Abstraktion vom Papiergeld mit
Zwangskurs). Im ersten Fall wäre es dasselbe, als wenn die Waren
in Metall von niedrigerem Wert, im zweiten, als wenn sie in Me-
tall von höherm Wert als Gold geschätzt würden. Im ersten Fall
würden die Warenpreise daher steigen, im zweiten würden sie sin-
ken. In beiden Fällen wäre die Bewegung der Warenpreise, ihr
Steigen oder Fallen, Wirkung der relativen 1*) Expansion oder
Kontraktion der Masse des zirkulierenden Goldes über oder unter
das seinem eignen Wert entsprechende Niveau, d. h. die normale
Quantität, die durch das Verhältnis zwischen seinem eignen Wert
und dem Wert der zu zirkulierenden Waren bestimmt ist.
Derselbe Prozeß würde stattfinden, wenn die Preissumme der
zirkulierenden Waren unverändert bliebe, aber die Masse des zir-
kulierenden Goldes unter oder über das richtige Niveau zu stehen
käme, das erste, wenn die in der Zirkulation abgenutzte Goldmünze
nicht durch eine entsprechende neue Produktion der Minen ersetzt
würde, das zweite, wenn die neue Zufuhr von den Minen die Bedürf-
nisse der Zirkulation überholt hätte. In beiden Fällen ist vor-
ausgesetzt, daß die Produktionskosten des Goldes oder sein Wert
derselbe bleibt.
Um zu resümieren: Das zirkulierende Geld steht auf dem normalen
-----
1*) Im Handexemplar eingefügt; (1859) fehlt: relativen
#147# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Niveau, wenn seine Quantität, bei gegebenem Tauschwert der Waren,
durch seinen eignen Metallwert bestimmt ist. Es schwillt über,
das Gold sinkt unter seinen eignen Metallwert und die Preise der
Waren steigen, weil die Summe der Tauschwerte der Warenmasse sich
vermindert oder die Zufuhr des Goldes von den Minen sich ver-
mehrt. Es kontrahiert sich unter sein richtiges Niveau, das Gold
steigt über seinen eignen Metallwert und die Warenpreise sinken,
weil die Summe der Tauschwerte der Warenmasse sich vermehrt oder
die Zufuhr des Goldes von den Minen nicht die Masse des ab-
genutzten Goldes ersetzt. In beiden Fällen ist das zirkulierende
Gold Wertzeichen von größerm oder kleinerm Wert, als den es wirk-
lich enthält. Es kann zu einem appreziierten und depreziierten
Zeichen seiner selbst werden. Sobald die Waren sich allgemein in
diesem neuen Wert des Geldes geschätzt hätten und die allgemeinen
Warenpreise entsprechend gestiegen oder gefallen wären, würde die
Quantität des zirkulierenden Goldes den Bedürfnissen der Zirkula-
tion wieder entsprechen (eine Konsequenz, die Ricardo mit beson-
derm Vergnügen hervorhebt), aber den Produktionskosten der edeln
Metalle und daher ihrem Verhältnis als Ware zu den übrigen Waren
widersprechen. Entsprechend der Ricardoschen Theorie von den
Tauschwerten überhaupt, würde das Steigen des Goldes über seinen
Tauschwert, d.h. den durch die in ihm enthaltene Arbeitszeit be-
stimmten Wert, eine Vermehrung der Produktion des Goldes veran-
lassen, bis seine vermehrte Zufuhr es wieder auf seine richtige
Wertgröße herabgesetzt hätte. Umgekehrt würde ein Sinken des
Goldes unter seinen Wert eine Verminderung seiner Produktion ver-
anlassen, bis es wieder zu seiner richtigen Wertgröße gestiegen
wäre. Durch diese umgekehrten Bewegungen würde der Widerspruch
zwischen dem Metallwert des Goldes und seinem Wert als Zirkulati-
onsmittel sich ausgleichen, das richtige Niveau der zirkulieren-
den Goldmasse sich herstellen und die Höhe der Warenpreise wieder
dem Maß der Werte entsprechen. Diese Fluktuationen im Wert des
zirkulierenden Goldes würden ebensosehr das Gold in Barrenform
ergreifen, da nach der Voraussetzung alles Gold, das nicht als
Luxusartikel verbraucht wird, zirkuliert. Da das Gold selbst, sei
es als Münze, sei es als Barre, Wertzeichen von größerm oder ge-
ringerm Metallwert als seinem eignen werden kann, so versteht es
sich, daß etwa zirkulierende konvertible Banknoten dasselbe
Schicksal teilen. Obgleich die Banknoten konvertibel sind, also
ihr Realwert ihrem Nominalwert entspricht, kann die Gesamtmasse
des zirkulierenden Geldes, Gold und Noten (the aggregate currency
consisting of metal and of convertible notes) appreziiert oder
depreziiert werden, je nachdem ihre Gesamtquantität, aus den vor-
her entwickelten Gründen, über oder unter das Niveau steigt oder
fällt, das durch
#148# Karl Marx
-----
den Tauschwert der zirkulierenden Waren und den Metallwert des
Goldes bestimmt ist. Inkonvertibles Papiergeld, von diesem Ge-
sichtspunkt aus, besitzt nur den Vorzug vor konvertiblem Papier-
geld, daß es doppelt depreziiert werden kann. Es mag fallen unter
den Wert des Metalls, das es zu repräsentieren vorgibt, weil es
in zu großer Anzahl ausgegeben wird, oder es mag fallen, weil das
von ihm repräsentierte Metall unter seinen eigenen Wert gefallen
ist. Diese Depreziation, nicht des Papiers gegen Gold, sondern
des Goldes und Papiers zusammengenommen, oder der gesamten Masse
der Zirkulationsmittel eines Landes, ist eine der Haupterfindun-
gen Ricardos, die Lord Overstone et Co. in ihren Dienst preßten
und zu einem Fundamentalprinzip von Sir Robert Peels Bankgesetz-
gebung von 1844 und 1845 machten.
Was bewiesen werden sollte, war, daß der Preis der Waren oder der
Wert des Goldes von der Masse des zirkulierenden Goldes abhängt.
Der Beweis besteht in der Voraussetzung des zu Beweisenden, daß
jede Quantität des edeln Metalls, das als Geld dient, in welchem
Verhältnis immer zu seinem innern Wert, Zirkulationsmittel,
Münze, und so Wertzeichen für die zirkulierenden Waren, welches
immer die Gesamtsumme ihres Wertes, werden muß. In andern Worten,
der Beweis besteht in der Abstraktion von allen andern Funktio-
nen, die das Geld außer seiner Funktion als Zirkulationsmittel
[vollzieht]. 1*) Wenn hart gedrängt, wie z.B. in seiner Polemik
mit Bosanquet, flüchtet Ricardo, ganz unter der Herrschaft des
Phänomens der durch ihre Quantität depreziierten Wertzeichen, zu
dogmatischer Versicherung. *)
Hätte Ricardo nun diese Theorie in der Art, wie wir es ge-
tan,abstrakt aufgestellt, ohne Hereinbringen konkreter Verhält-
nisse und von der Frage selbst ablenkender Inzidenzpunkte, so
trat ihre Hohlheit schlagend hervor. Er streicht aber die ganze
Entwicklung i n t e r n a t i o n a l an. Es wird sich aber
leicht nachweisen lassen, daß die scheinbare Größe des Maßstabs
an der Kleinheit der Grundideen nichts ändert.
Der erste Satz war also: Die Quantität des zirkulierenden Metall-
gelds ist normal, wenn sie bestimmt ist durch die in seinem Me-
tallwert geschätzte Wertsumme der zirkulierenden Waren. Interna-
tional ausgedrückt lautet dies: Im normalen Zustand der Zirkula-
tion besitzt jedes Land eine seinem Reichtum und seiner Industrie
entsprechende Masse Geld. Geld zirkuliert in
---
*) David Ricardo, "Reply to Mr. Bosanquet's practical observati-
ons etc.", p. 49. "Daß die Waren im Preis steigen oder fallen
würden, im Verhältnis zur Vermehrung oder Verminderung des
Geldes, s e t z e i c h a l s e i n e u n b e s t r e i t-
b a r e T a t s a c h e v o r a u s."
-----
1*) Im Handexemplar korrigiert; (1859) von allen anderen Formbe-
stimmtheiten, die das Geld außer seiner Form als Zirkulationsmit-
tel besitzt
#149# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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einem seinem wirklichen Wert oder seinen Produktionskosten ent-
sprechenden Wert; d.h. es hat in a l l e n L ä n d e r n den-
selben Wert. *) Es würde daher nie Geld von einem Lande ins andre
exportiert oder importiert werden. **) Es fände also ein Gleich-
gewicht zwischen den currencies (den Gesamtmassen des zirkulie-
renden Geldes) der verschiedenen Länder statt. Das richtige 1*)
Niveau der nationalen currency ist nun ausgedrückt als interna-
tionales Gleichgewicht der currencies, und in der Tat nichts ge-
sagt, als daß die Nationalität nichts ändert an dem allgemeinen
ökonomischen Gesetz. Wir sind jetzt wieder bei demselben fatalen
Punkt angelangt wie vorher. Wie wird das richtige Niveau gestört,
was nun lautet, wie wird das internationale Gleichgewicht der
currencies gestört, oder wie hört das Geld auf, denselben Wert in
allen Ländern zu haben, oder endlich, wie hört es auf, in jedem
Lande seinen eignen Wert zu haben? Wie vorhin das richtige Niveau
gestört wurde, weil die Masse des zirkulierenden Goldes zu- oder
abnahm, bei gleichbleibender Wertsumme der Waren, oder weil die
Quantität des zirkulierenden Geldes dieselbe blieb, während die
Tauschwerte der Waren zu- oder abnahmen, so wird jetzt das inter-
nationale durch den Wert des Metalls selbst bestimmte Niveau ge-
stört, weil die Masse des in einem Lande befindlichen Goldes
wächst infolge neuer in ihm entdeckter Metallminen ***), oder
weil die Summe der Tauschwerte der zirkulierenden Waren in einem
besondern Lande zu- oder abgenommen hat. Wie vorhin die Produk-
tion der edlen Metalle sich verminderte oder vermehrte, je nach-
dem es nötig war, die currency zu kontrahieren oder zu expandie-
ren und die Warenpreise entsprechend zu senken oder zu erhöhen,
ebenso wirken jetzt Export und Import aus einem Lande in das an-
dre. In dem Land, worin die Preise gestiegen und der Wert des
Goldes, infolge der aufgeschwollenen Zirkulation, unter seinen
Metallwert gefallen wäre, wäre das Gold depreziiert im Verhältnis
zu den andern Ländern, und folglich wären die Preise der Waren,
verglichen mit den andern Ländern, erhöht. Gold würde also ausge-
führt, Waren eingeführt werden. Wenn umgekehrt, umgekehrt. Wie
vorhin die Produktion von Gold, würden jetzt Import oder Export
von Gold und mit ihnen Steigen oder Fallen der Warenpreise fort-
dauern, bis, wie vorher das richtige Wertverhältnis zwischen
---
*) Ricardo, "The high price of Bullion etc." "Geld würde in allen
Ländern d e n s e l b e n Wert haben." (p. 4.) In seiner poli-
tischen Ökonomie hat Ricardo diesen Satz modifiziert, aber nicht
in einer Weise, die hier ins Gewicht fällt.
**) l.c. p. 3-4.
***) l.c. p. 4.
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1*) Im Handexemplar eingefügt; (1859) fehlt: richtige
#150# Karl Marx
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Metall und Ware, nun das Gleichgewicht zwischen den internationa-
len currencies wiederhergestellt wäre. Wie im ersten Fall die
Produktion des Goldes sich nur vermehrte oder verminderte, weil
das Gold über oder unter seinem Werte stand, so würde die inter-
nationale Wanderung des Goldes nur aus diesem Grund stattfinden.
Wie im ersten Fall jede Veränderung in seiner Produktion die
Quantität des zirkulierenden Metalls und damit [die] Preise affi-
zieren würde, so nun der internationale Import und Export. Sobald
der relative Wert zwischen Gold und Ware oder die normale Quanti-
tät der Zirkulationsmittel hergestellt wäre, würde im ersten Fall
keine fernere Produktion, im zweiten kein fernerer Export oder
Import, außer zum Ersatz der abgenutzten Münze und zum Konsum der
Luxusindustrie stattfinden. Es folgt daher,
"daß die Versuchung, Gold auszuführen als Äquivalent für Waren,
oder eine ungünstige Handelsbilanz nie stattfinden kann, außer
infolge einer überschwellenden Quantität der Zirkulationsmittel"
*).
Es wäre stets nur die Entwertung oder Überwertung des Metalls in-
folge der Expansion oder Kontraktion der Masse der Zirkulations-
mittel über oder unter ihr richtiges Niveau, wodurch seine Ein-
fuhr oder Ausfuhr bewirkt würden. **) Es ergäbe sich ferner: da
im ersten Fall die Produktion des Goldes nur vermehrt oder ver-
mindert, im zweiten Falle Gold nur importiert oder exportiert
wird, weil seine Quantität über oder unter ihrem richtigen Niveau
steht, weil es über oder unter seinen Metallwert appreziiert oder
depreziiert ist, also die Warenpreise zu hoch oder zu niedrig
sind, so wirkt jede solche Bewegung als Korrektivmittel ***), in-
dem sie durch Expansion oder Kontraktion des zirkulierenden
Geldes die Preise wieder auf ihr wahres Niveau zurückführt, im
ersten Fall das Niveau zwischen Wert des Goldes und Wert der Wa-
ren, im zweiten Falle das internationale Niveau der currencies.
In andern Worten: Das Geld zirkuliert in verschiedenen Ländern
nur insofern es in jedem Lande als Münze zirkuliert. Das Geld ist
nur Münze, und die Quantität des in einem Lande befindlichen
Goldes muß daher in die Zirkulation eingehn, kann also als
Wertzeichen seiner selbst über oder unter seinen Wert steigen
oder fallen. Damit sind wir auf dem Umweg dieser internationalen
Verwickelung wieder glücklich bei dem einfachen Dogma angelangt,
das den Ausgangspunkt bildet.
---
*) "Eine ungünstige Handelsbilanz kann nie anders als durch eine
Überfülle von Zirkulationsmitteln entstehen." (Ricardo, l.c. p.
11, 12.)
**) "Der Export des Hartgelds wird durch seine Billigkeit hervor-
gerufen und ist nicht die Wirkung, sondern die Ursache einer un-
günstigen Bilanz" (l.c. p. 14).
***) l.c.p. 17.
#151# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Wie Ricardo die wirklichen Phänomene im Sinne seiner abstrakten-
Theorie gewaltsam zurechtkonstruiert 1*), werden einige Beispiele
zeigen. Er behauptet z.B., in Zeiten von Mißernten, häufig in
England während der Perioden von 1800 bis 1820, werde Gold expor-
tiert, nicht weil Korn bedurft und Gold Geld ist, also auf dem
Weltmarkt stets wirksames 2*) Kaufmittel und Zahlungsmittel,
sondern weil das Gold in seinem Wert depreziiert sei gegen die
andern Waren und folglich die currency des Landes, worin die
Mißernte stattfindet, depreziiert sei im Verhältnis zu den andern
nationalen currencies. Weil nämlich der Mißwachs die Masse der
zirkulierenden Waren vermindert habe, sei die gegebene Quantität
des zirkulierenden Geldes über ihr normales Niveau hinausgetreten
und seien folglich alle Warenpreise gestiegen. *) Im Gegensatz zu
dieser paradoxen Auslegung wurde statistisch nachgewiesen, daß
seit 1793 bis zur neuesten Zeit, im Fall von Mißernten in Eng-
land, nicht die vorhandene Quantität der Zirkulationsmittel über-
schwoll, sondern ungenügend wurde, und daher mehr Geld als früher
zirkulierte und zirkulieren mußte. **)
Ebenso behauptete Ricardo zur Zeit der napoleonischen Kontinen-
talsperre [30] und der englischen Blockade-Dekrete [31], daß die
Engländer Gold statt Ware nach dem Kontinent exportierten, weil
ihr Geld depreziiert sei im Verhältnis zu dem Geld der kontinen-
talen Länder, ihre Waren daher im Preis
---
*) Ricardo, l.c. p. 74,75. - Infolge einer schlechten Ernte würde
England in die Lage eines Landes kommen, das eines Teils seiner
Waren beraubt worden ist, und deshalb eines verringerten Betrags
des zirkulierenden Mediums bedarf. Die Zirkulationsmittel, die
vorher den Zahlungen gleich waren, würden jetzt überflüssig und
verhältnismäßig billig werden seiner verringerten Produktion ge-
genüber. Die Ausfuhr dieser Summe würde deshalb den Wert des Zir-
kulationsmittels dem Wert der Zirkulationsmittel anderer Länder
gegenüber wiederherstellen." Seine Konfusion zwischen Geld und
Ware, und zwischen Geld und Münze zeigt sich lächerlich in fol-
gendem Satz: "Wenn wir annehmen können, daß nach einer ungünsti-
gen Ernte, wenn England Gelegenheit für eine ungewöhnliche Ein-
fuhr von Korn hat, ein andres Land einen Überfluß jener Artikel
besitzt, aber kein Bedürfnis für irgendwelche Waren, so würde un-
zweifelhaft folgen, daß solch ein Land sein Korn nicht ausführen
würde im Taµsch gegen Waren: a b e r e s w ü r d e K o r n
a u c h n i c h t g e g e n G e l d a u s f ü h r e n, da
dies eine Ware ist, die kein Land jemals absolut benötigt, son-
dern relativ." (l.c. p. 75.) Puschkin in seinem Heldengedicht
läßt den Vater seines Helden nie begreifen, daß Ware Geld sei.
Daß Geld aber Ware ist, haben die Russen von jeher begriffen, wie
nicht nur der englische Kornimport von 1838 bis 1842 beweist,
sondern ihre ganze Handelsgeschichte.
**) Conf. Thomas Tooke, "History of prices" und James Wilson,
"Capital, currency and banking". (Letzteres Buch ist der Abdruck
einer Reihe von Artikeln, die 1844, 1845 und 1847 im "London Eco-
nomist" [19] erschienen.)
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1*) (1859) zurechtkonstatiert - 2*) im Handexemplar korrigiert;
(1859) wirkendes
#152# Karl Marx
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relativ höher standen und es so eine vorteilhaftere Handelsspeku-
lation sei, Gold statt Waren auszuführen. Nach ihm war England
der Markt, wo die Waren teuer und das Geld wohlfeil war, während
auf dem Kontinent die Waren wohlfeil waren und das Geld teuer.
"Die Tatsache", sagt ein englischer Schriftsteller, "war der rui-
nierend niedrige Preis unserer Fabrikate und Kolonialprodukte un-
ter der Wirkung des Kontinentalsystems während der letzten 6
Jahre des Krieges. Die Preise von Zucker und Kaffee z. B. waren
in Gold geschätzt vier- oder fünfmal höher auf dem Kontinent als
dieselben Preise in England geschätzt in Banknoten. Es war die
Zeit, wo die französischen Chemiker den Runkelrübenzucker ent-
deckten und Kaffee durch Zichorien ersetzten, während gleichzei-
tig englische Pächter im Mästen der Ochsen mit Sirup und Melassen
Experimente machten, wo England Besitz von Helgoland nahm, um
hier ein Warendepot zu bilden zur Erleichterung des Schmuggels
nach dem Norden von Europa, und wo die leichteren Sorten briti-
scher Fabrikate ihren Weg nach Deutschland durch die Türkei such-
ten... Fast alle Waren der Welt waren in unsern Warenhäusern
akkumuliert und lagen daselbst festgebannt, außer wenn eine
kleine Quantität erlöst wurde durch eine französische Lizenz, wo-
für die Hamburger und Amsterdamer Kaufleute Napoleon eine Summe
von 40-50 Tausend Pfd. St. bezahlt hatten. Komische Kaufleute
mußten es sein, die solche Summen zahlten für die Freiheit, eine
Ladung Waren von einem teuren Markt nach einem wohlfeilen zu
bringen. Was war die klare Alternative für einen Kaufmann? Entwe-
der Kaffee zu kaufen für 6 Pence in Banknoten und ihn nach einem
Platz zu senden, wo er das Pfund unmittelbar verkaufen konnte für
3 oder 4 sh. in Gold, oder Gold zu kaufen mit Banknoten zu 5 Pfd.
St. eine Unze und es nach einem Platz zu senden, wo es zu 3 Pfd.
St. 17 sh. 10 1/2 d. geschätzt wurde. Es ist also abgeschmackt zu
sagen, daß man Gold statt Kaffee remittierte als vorziehbare mer-
kantilische Operation... Es gab kein Land in der Welt, wo eine so
große Quantität wünschenswerter Waren damals erhalten werden
konnte als in England. Bonaparte examinierte stets genau die eng-
lischen Preiskurante. Solange er fand, daß in England Gold teuer
und Kaffee wohlfeil war, zeigte er sich mit dem Wirken seines
Kontinentalsystems zufrieden." *)
Gerade zur Zeit, wo Ricardo seine Geldtheorie zuerst aufstellte,
und das Bullionkomitee sie seinem parlamentarischen Bericht ein-
verleibte, im Jahre 1810, fand ein ruinierender Fall in den Prei-
sen aller englischen Waren statt, verglichen mit 1808 und 1809,
während das Gold 1*) verhältnismäßig im Wert stieg. Agrikultur-
produkte bildeten eine Ausnahme, weil ihre Einfuhr von außen auf
Hindernisse stieß und ihre im Inland vorhandene Masse durch
Mißernten dezimiert war. **) Ricardo verkannte so gänzlich die
Rolle der
---
*) James Deacon Hume, "Letters on the Cornlaws", London 1834, p.)
29-31.
**) Thomas Tooke, "History of prices etc.", London 1848, p. 110.
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1*) Im Handexemplar korrigiert; (1859) Geld
#153# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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edeln Metalle als internationaler Zahlungsmittel, daß er in sei-
ner Aussage vor dem Komitee des Hauses der Lords (1819) erklären
konnte:
"Daß Goldabflüsse für Ausfuhr gänzlich aufhören würden, sobald
die Barzahlungen wiederaufgenommen und der Geldumlauf auf sein
metallisches Niveau zurückgeführt wäre."
Er starb rechtzeitig gerade vor dem Ausbruch der Krise von 1825,
die seine Prophezeiung Lügen strafte. Die Periode, worin Ricardos
schriftstellerische Tätigkeit fällt, war überhaupt wenig ge-
eignet, um die Funktion der edeln Metalle als Weltgeld zu beob-
achten. Vor der Einführung des Kontinentalsystems war die Han-
delsbilanz fast immer zugunsten Englands und während desselben
waren die Transaktionen mit dem europäischen Kontinent zu unbe-
deutend, um den englischen Wechselkurs zu affizieren. Die Geld-
sendungen waren hauptsächlich politischer Natur, und Ricardo
scheint die Rolle, die die Subsidiengelder im englischen Goldex-
port spielten, gänzlich verkannt zu haben. *)
Unter den Zeitgenossen Ricardos, welche die Schule für die Prin-
zipien seiner politischen Ökonomie bildeten, ist James Mill der
bedeutendste. Er hat versucht, Ricardos Geldtheorie auf Grundlage
der einfachen metallischen Zirkulation darzustellen, ohne die un-
gehörigen internationalen Verwicklungen, wohinter Ricardo die
Dürftigkeit seiner Ansicht versteckt, und ohne alle polemische
Rücksicht auf die Operationen der Bank von England. Seine Haupt-
sätze sind folgende **):
"Der Wert des Geldes ist gleich der Proportion, worin man es aus-
tauscht gegen andre Artikel, oder der Quantität Geld, die man im
Austausch für eine bestimmte Quantität andrer Sachen gibt. Dies
Verhältnis ist bestimmt durch die Totalquantität des in einem
Lande befindlichen Geldes. Unterstellt man auf der einen Seite
alle Waren eines Landes, und auf der andern all sein Geld, so ist
es evident, daß beim Austausch der beiden Seiten der Wert des
Geldes, d. h. die Quantität von Waren, für die es ausgetauscht
wird, ganz von seiner eignen Quantität abhängt. Der Fall ist ganz
derselbe im wirklichen Verlauf der Dinge. Die Totalmasse der Wa-
ren eines Landes tauscht sich nicht auf einmal gegen die Total-
masse des Geldes aus, sondern die Waren tauschen sich in Portio-
nen, und oft in sehr kleinen Portionen, zu verschiedenen Epochen
im Laufe des Jahres aus. Dasselbe Stück Geld, das heute zu diesem
Austausch gedient hat, kann morgen zu einem andern dienen. Ein
Teil des Geldes wird zu einer größern Anzahl von Austauschakten,
ein andrer zu einer sehr kleinen angewandt, ein dritter wird auf-
gehäuft und dient gar keinem Austausch. Unter diesen Variationen
wird es
---
*) Vgl. W. Blake, die oben zitierten "Observations etc."
**) James Mill, "Elements of political economy." Im Text über-
setzt aus der französischen Übersetzung von J.T. Parisot, Paris
1823.
#154# Karl Marx
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einen Durchschnitt geben, begründet auf die Anzahl von Aus-
tauschakten, wozu jedes Goldstück verwandt worden wäre, wenn je-
des dieselbe Anzahl von Austauschakten realisierte. Man fixiere
diese Durchschnittszahl beliebig, z.B. auf 10. Hat jedes im Land
befindliche Geldstück zu 10 Einkäufen gedient, so ist dies das-
selbe, als ob sich die Totalmasse der Geldstücke verzehnfacht,
und jedes nur zu einem einzigen Einkauf gedient hätte. In diesem
Fall ist der Wert aller Waren gleich 10 mal dem Wert des Geldes
usw. Wenn umgekehrt, statt daß jedes Geldstück im Jahre zu 10
Einkäufen diente, die Totalmasse des Geldes verzehnfacht wäre und
jedes Geldstück nur einen Austausch vollzöge, so ist klar, daß
jede Vermehrung dieser Masse eine verhältnismäßige Verminderung
im Werte jedes der Goldstücke für sich genommen verursachen
würde. Da man unterstellt, daß die Masse aller Waren, wogegen
sich das Geld austauschen kann, dieselbe bleibt, so ist der Wert
der Gesamtmasse des Geldes nicht größer geworden nach Vermehrung
seiner Quantität, als er vorher war. Unterstellt man Vermehrung
um ein Zehnteil, so muß der Wert jedes aliquoten Teils der Ge-
samtmasse, z. B. einer Unze, sich um ein Zehnteil vermindert ha-
ben. Welches also auch immer der Grad der Verminderung oder Ver-
mehrung der Totalmasse des Geldes sei, wenn die Quantität der an-
dern Sachen dieselbe bleibt, so erfährt diese Gesamtmasse und je-
der ihrer Teile wechselseitig eine verhältnismäßige Verminderung
oder Vermehrung. Es ist klar, daß dieser Satz von absoluter Wahr-
heit ist. So oft der Geldwert ein Steigen oder Fallen erfahren
hat, und so oft die Quantität der Waren, wogegen man es aus-
tauschen konnte, und die Bewegung der Zirkulation dieselben blei-
ben, muß dieser Wechsel eine verhältnismäßige Vermehrung oder
Verminderung des Geldes zur Ursache gehabt haben und kann keiner
andern Ursache zugeschrieben werden. Vermindert sich die Masse
der Waren, während die Quantität des Geldes dieselbe bleibt, so
ist es, als ob sich die Gesamtsumme des Geldes vermehrt hätte und
umgekehrt. Ähnliche Wechsel sind das Resultat jedes Wechsels in
der Bewegung der Zirkulation. Jede Vermehrung der Anzahl der Um-
läufe produziert denselben Effekt, wie eine Totalvermehrung des
Geldes; eine Verminderung in jener Anzahl bringt unmittelbar die
umgekehrte Wirkung hervor... Wenn ein Teil der jährlichen Produk-
tion gar nicht ausgetauscht wird, wie das, was die Produzenten
selbst konsumieren, so kommt dieser Teil nicht in Rechnung. Da er
sich nicht gegen Geld austauscht, ist er. in bezug auf das Geld,
als ob er überhaupt nicht existierte... So oft die Vermehrung und
Verminderung des Geldes frei stattfinden kann, ist die in einem
Lande befindliche Gesamtquantität desselben geregelt durch den
Wert der edeln Metalle... Gold und Silber aber sind Waren, deren
Wert, wie der aller übrigen Waren durch ihre Produktionskosten,
das Quantum in ihnen enthaltener Arbeit bestimmt wird." *)
Der ganze Scharfsinn Mills löst sich in eine Reihe ebenso will-
kürlicher als abgeschmackter Unterstellungen auf. Er will bewei-
sen, daß der Preis der Waren oder der Wert des Geldes bestimmt
ist "durch die Totalquantität des in einem Lande existierenden
Geldes". U n t e r s t e l l t man, daß die Masse und
---
*) l.c. p. 128-136 passim.
#155# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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der Tauschwert der zirkulierenden Waren dieselben bleiben, nicht
minder die Zirkulationsgeschwindigkeit, und der durch die Produk-
tionskosten bestimmte Wert der edeln Metalle, und u n t e r-
s t e l l t man zugleich, daß dennoch die Quantität des z i r-
k u l i e r e n d e n Metallgelds sich vermehrt oder vermindert,
im Verhältnis zu der Masse des im Lande e x i s t i e r e n-
d e n Geldes, so wird es in der Tat "evident", daß man
unterstellt hat, was man zu beweisen vorgab. Mill fällt übrigens
in denselben Fehler wie Hume, Gebrauchswerte, nicht Waren von
gegebenem Tauschwert, zirkulieren zu lassen, und daher wird sein
Satz falsch, selbst wenn man alle seine "Unterstellungen" zugibt.
Die Zirkulationsgeschwindigkeit mag dieselbe bleiben, ebenso der
Wert der edeln Metalle, ebenso die Q u a n t i t ä t der
zirkulierenden Waren, und dennoch mag mit dem Wechsel ihres
Tauschwerts bald eine größere, bald eine geringere Geldmasse zu
ihrer Zirkulation erheischt sein. Mill sieht die Tatsache, daß
ein Teil des im Lande existierenden Geldes zirkuliert, während
der andere stagniert. Mit Hilfe einer höchst komischen
Durchschnittsrechnung u n t e r s t e l l t er, daß, obgleich
es in Wirklichkeit anders scheint, in der Wahrheit alles in einem
Lande befindliche Geld zirkuliert. Unterstelle, es liefen 10
Millionen Silbertaler zweimal während des Jahres in einem Lande
um, so könnten 20 Millionen umlaufen, wenn jeder Taler nur einen
Einkauf vollzöge. Und wenn die Gesamtsumme des in dem Lande in
allen Formen befindlichen Silbers 100 Millionen Taler beträgt, so
kann man unterstellen, daß die 100 Millionen umlaufen können,
wenn jedes Geldstück in fünf Jahren einen Einkauf bewirkt. Man
könnte auch unterstellen, daß alles Geld der Welt in Hampstead
umläuft, aber jeder aliquote Teil desselben, statt etwa drei Um-
läufe in einem Jahr, einen Umlauf in 3 000 000 Jahren vollzieht.
Die eine Unterstellung ist gerade so wichtig wie die andre für
die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Summe der Warenpreise
und Quantität der Umlaufsmittel. Mill fühlt, daß es für ihn ent-
scheidend wichtig ist, die Waren unmittelbar zusammenzubringen,
nicht mit dem in Zirkulation befindlichen Quantum Geld, sondern
mit dem Gesamtvorrat des jedesmal in einem Lande existierenden
Geldes. Er gibt zu, daß die Totalmasse der Waren eines Landes
sich "nicht auf einmal" gegen die Totalmasse des Geldes aus-
tauscht, sondern verschiedene Portionen Waren zu verschiedenen
Epochen des Jahres gegen verschiedene Portionen Geld. Um dies
Mißverhältnis zu beseitigen, unterstellt er, daß es nicht exi-
stiere. Übrigens ist diese ganze Vorstellung von dem unmittelba-
ren Gegenübertreten von Waren und Geld und ihrem unmittelbaren
Austausch abstrahiert aus der Bewegung der einfachen Käufe und
Verkäufe oder der Funktion des Geldes als Kaufmittel. Schon in
der Bewegung des Geldes als Zahlungsmittel verschwindet diese
gleichzeitige Erscheinung von Ware und Geld.
#156# Karl Marx
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Die Handelskrisen während des 19. Jahrhunderts, namentlich die
großen Krisen von 1825 und 1836, riefen keine Fortentwicklung,
wohl aber neue Nutzanwendung der Ricardoschen Geldtheorie hervor.
Es waren nicht mehr einzelne ökonomische Phänomene, wie bei Hume
die Depreziation der edeln Metalle im 16. und 17.Jahrhundert,
oder wie bei Ricardo die Depreziation des Papiergeldes während
des 18. und anfangs des 19. Jahrhunderts, sondern die großen
Weltmarktsungewitter, worin der Widerstreit aller Elemente des
bürgerlichen Produktionsprozesses sich entladet, deren Ursprung
und Abwehr innerhalb der oberflächlichsten und abstraktesten
Sphäre dieses Prozesses, der Sphäre der Geldzirkulation, gesucht
wurden. Die eigentlich theoretische Voraussetzung, wovon die
Schule der ökonomischen Wetterkünstler ausgeht, besteht in der
Tat in nichts anderm als dem Dogma, daß Ricardo die Gesetze der
rein metallischen Zirkulation entdeckt hat. Was ihnen zu tun üb-
rigblieb, war die Unterwerfung der Kredit- oder Banknotenzirkula-
tion unter diese Gesetze.
Das allgemeinste und sinnfälligste Phänomen der Handelskrisen ist
plötzlicher, allgemeiner Fall der Warenpreise, folgend auf ein
längeres, allgemeines Steigen derselben. Allgemeiner Fall der Wa-
renpreise kann ausgedrückt werden als Steigen im relativen Wert
des Geldes, verglichen mit allen Waren, und allgemeines Steigen
der Preise umgekehrt als Fallen des relativen Werts des Geldes.
In beiden Ausdrucksweisen ist das Phänomen ausgesprochen, nicht
erklärt. Ob ich die Aufgabe stelle: zu erklären das allgemeine
periodische Steigen der Preise, wechselnd mit allgemeinem Fall
derselben, oder dieselbe Aufgabe so formuliere: zu erklären das
periodische Fallen und Steigen des relativen Werts des Geldes,
verglichen mit den Waren, die verschiedene Phraseologie läßt die
Aufgabe ebenso unverändert, wie es ihre Übersetzung aus der deut-
schen in die englische Sprache tun würde. Ricardos Geldtheorie
kam daher ungemein gelegen, da sie einer Tautologie den Schein
eines Kausalverhältnisses gibt. Woher das periodische allgemeine
Fallen der Warenpreise? Vom periodischen Steigen des relativen
Werts des Geldes. Woher umgekehrt das allgemeine, periodische
Steigen der Warenpreise? Von einem periodischen Fall im relativen
Wert des Geldes. Es könnte ebenso richtig gesagt werden, daß das
periodische Steigen und Fallen der Preise von ihrem periodischen
Steigen und Fallen herrührt. Die Aufgabe selbst ist gestellt un-
ter der Voraussetzung, daß der immanente Wert des Geldes, d.h.
sein durch die Produktionskosten der edeln Metalle bestimmter
Wert u n v e r ä n d e r t bleibt. Soll die Tautologie mehr als
Tautologie sein, so beruht sie auf Verkennung der elementarisch-
sten Begriffe. Wenn der Tauschwert von A gemessen in B fällt, so
wissen wir, daß dies ebensogut von einem Fallen des Werts von A
wie von
#157# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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einem Steigen des Werts von B herrühren kann. Ebenso umgekehrt,
wenn der Tauschwert von A gemessen in B steigt. Die Verwandlung
der Tautologie in ein Kausalverhältnis einmal zugegeben, ergibt
sich alles andre mit Leichtigkeit. Das Steigen der Warenpreise
entspringt aus dem Fallen des Werts des Geldes, das Fallen des
Geldwerts aber, wie wir von Ricardo wissen, aus übervoller Zirku-
lation, d.h. daher, daß die Masse des zirkulierenden Geldes über
das durch seinen eignen immanenten Wert und die immanenten Werte
der Waren bestimmte Niveau steigt. Ebenso umgekehrt das allge-
meine Fallen der Warenpreise aus dem Steigen des Geldwerts über
seinen immanenten Wert infolge einer untervollen Zirkulation. Die
Preise steigen und fallen also periodisch, weil periodisch zu
viel oder zu wenig Geld zirkuliert. Wird nun etwa nachgewiesen,
daß das Steigen der Preise mit einer verminderten Geld-
zirkulation, und das Fallen der Preise mit einer vermehrten Zir-
kulation zusammenfiel, so kann trotzdem behauptet werden, infolge
irgendeiner, wenn auch statistisch durchaus unnachweisbaren Ver-
minderung oder Vermehrung der zirkulierenden Warenmasse sei die
Quantität des zirkulierenden Geldes, obgleich nicht absolut, doch
relativ vermehrt oder vermindert worden. Wir sahen nun, daß nach
Ricardo diese allgemeinen Schwankungen der Preise auch bei einer
rein metallischen Zirkulation stattfinden müssen, sich aber durch
ihre Abwechslung ausgleichen, indem z.B. untervolle Zirkulation
Fallen der Warenpreise, das Fallen der Warenpreise Ausfuhr der
Waren ins Ausland, diese Ausfuhr aber Einfluß von Geld ins In-
land, dieser Einfluß von Geld aber wieder Steigen der Warenpreise
hervorruft. Umgekehrt bei einer übervollen Zirkulation, wo Waren
importiert und Geld exportiert werden. Da nun trotz dieser aus
der Natur der Ricardoschen Metallzirkulation selbst entspringen-
den allgemeinen Preisschwankungen ihre heftige und gewaltsame
Form, ihre Krisenform, den Perioden entwickelten Kreditwesens an-
gehört, so wird es sonnenklar, daß die Ausgabe von Banknoten
nicht exakt nach den Gesetzen der metallischen Zirkulation regu-
liert wird. Die metallische Zirkulation besitzt ihr Heilmittel im
Import und Export der edeln Metalle, die sofort als Münze in Um-
lauf treten und so durch ihren Einfluß oder Ausfluß die Waren-
preise fallen oder steigen machen. Dieselbe Wirkung auf die
Warenpreise muß nun künstlich durch Nachahmung der Gesetze der
Metallzirkulation von den Banken hervorgebracht werden. Fließt
Gold vom Ausland ein, so ist das ein Beweis, daß die Zirkulation
untervoll ist, der Geldwert zu hoch und die Warenpreise zu nied-
rig stehn und folglich Banknoten im Verhältnis zu dem neu impor-
tierten Gold in Zirkulation geworfen werden müssen. Sie müssen
umgekehrt der Zirkulation entzogen werden, im Verhältnis wie Gold
aus dem Land ausströmt. In andern Worten, die Ausgabe der Bankno-
ten
#158# Karl Marx
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muß reguliert werden nach dem Import und Export der edeln Metalle
oder nach dem Wechselkurs. Ricardos falsche Voraussetzung, daß
Gold 1*) nur Münze ist, daher alles importierte Gold das umlau-
fende Geld vermehrt, und darum die Preise steigen macht, alles
exportierte Gold die Münze vermindert und darum die Preise fallen
macht, diese theoretische Voraussetzung wird hier z u m
p r a k t i s c h e n E x p e r i m e n t, s o v i e l M ü n-
z e z i r k u l i e r e n z u m a c h e n, a l s j e d e s-
m a l G o l d v o r h a n d e n i s t. Lord Overstone (Ban-
kier Jones Loyd), Oberst Torrens, Norman, Clay, Arbulhnot und
eine Unzahl andrer Schriftsteller, in England bekannt unter dem
Namen der Schule des "currency principle" 2*), haben diese
Doktrin nicht nur gepredigt, sondern vermittelst Sir Robert Peels
Bankakte von 1844 und 1845 zur Grundlage der bestehenden
englischen und schottischen Bankgesetzgebung gemacht. Ihr schmäh-
liches Fiasko, theoretisch wie praktisch, nach Experimenten auf
der größten nationalen Stufenleiter, kann erst in der Lehre vom
Kredit dargestellt werden. *) Soviel aber sieht man, wie Ricardos
Theorie, die das Geld in seiner flüssigen Form als Zirkulations-
mittel isoliert, damit endet, der Zu- und Abnahme der edeln Me-
talle eine absolute Einwirkung auf die bürgerliche Ökonomie zuzu-
schreiben, wie sie der Aberglaube des Monetarsystems nie geträumt
hatte. So wurde Ricardo, der das Papiergeld für die vollendetste
Form des Geldes erklärt, zum Propheten der Bullionisten.
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*) Einige Monate vor dem Ausbruch der allgemeinen Handelskrise
von 1857 saß ein Komitee des Hauses der Gemeinen, um Untersuchun-
gen über die Wirkungen der Bankgesetze von 1844 und 1845 anzu-
stellen. Lord Overstone, der theoretische Vater dieser Gesetze,
erging sich in seiner Aussage vor dem Komitee in folgender Renom-
mage: "Durch strenge und prompte Einhaltung der Grundsätze des
Akts von 1844 ist alles mit Regelmäßigkeit und Leichtigkeit ver-
laufen, das Geldsystem ist sicher und unerschüttert, die Prospe-
rität des Landes ist unbestritten, das öffentliche Vertrauen in
den Akt von 1844 gewinnt täglich an Stärke. Wünscht der Ausschuß
noch weitere praktische Belege für die Gesundheit der Prinzipien,
auf denen dieser Akt beruht, und der wohltätigen Folgen, die er
sichergestellt hat, so ist die wahre und hinreichende Antwort
diese: Schauen Sie um sich; betrachten Sie die gegenwärtige Ge-
schäftslage unseres Landes, betrachten Sie die Zufriedenheit des
Volks; betrachten Sie den Reichtum und die Prosperität aller
Klassen der Gesellschaft; und dann, nachdem dies geschehen, wird
der Ausschuß imstande sein zu entscheiden, ob er die Fortdauer
eines Akts verhindern will, unter dem solche Erfolge erreicht
worden sind." So stieß Overstone in seine eigene Posaune am
14.Juli 1857; am 12.November desselben Jahres hatte das Ministe-
rium das wundertätige Gesetz von 1844 auf seine eigne Verantwort-
lichkeit zu suspendieren.
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1*) Im Handexemplar korrigiert; (1859) Geld -2*) "Geldumlaufge-
setzes"
#159# Zur Kritik der Politischen Ökonomie - Zweites Kapitel
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Nachdem Humes Theorie oder der abstrakte Gegensatz gegen das Mo-
netarsystem so bis zur letzten Konsequenz entwickelt war, wurde
Steuarts konkrete Auffassung des Geldes schließlich wieder in ihr
Recht eingesetzt durch Thomas Tooke. *) Tooke leitet seine Prin-
zipien nicht aus irgendeiner Theorie her, sondern aus gewissen-
hafter Analyse der Geschichte der Warenpreise von 1793 bis 1856.
In der ersten Ausgabe seiner Geschichte der Preise, die 1823 er-
schien, ist Tooke noch ganz befangen von der Ricardoschen Theorie
und müht sich vergebens, die Tatsachen mit dieser Theorie aus-
zugleichen. Sein Pamphlet "On the currency", das nach der Krisis
von 1825 erschien, könnte sogar als erste konsequente Aufstellung
der später von Overstone geltend gemachten Ansichten betrachtet
werden. Fortgesetzte Forschungen in der Geschichte der Waren-
preise zwangen ihn jedoch zur Einsicht, daß jener direkte Zusam-
menhang zwischen Preisen und Quantität der Umlaufsmittel, wie ihn
die Theorie voraussetzt, ein bloßes Hirngespinst ist, daß die Ex-
pansion und Kontraktion der Umlaufsmittel, bei gleichbleibendem
Wert der edeln Metalle, stets Wirkung, nie Ursache der Preis-
schwankungen, daß die Geldzirkulation überhaupt nur eine sekun-
däre Bewegung ist, und daß das Geld im wirklichen Produktionspro-
zeß noch ganz andre Formbestimmtheiten erhält, als die des Zirku-
lationsmittels. Seine Detailuntersuchungen gehören einer andern
Sphäre als der der einfachen Metallzirkulation an, und können da-
her hier noch nicht erörtert werden, so wenig wie die derselben
Richtung angehörigen Untersuchungen von Wilson und Fullarton. **)
Alle diese Schriftsteller fassen das Geld nicht einseitig, son-
dern in seinen verschiedenen Momenten auf, aber nur stofflich,
ohne irgendeinen lebendigen Zusammenhang, sei es dieser Momente
untereinander, sei es mit dem Gesamtsystem der ökonomischen Kate-
gorien. G e l d im Unterschied von Z i r k u l a t i o n s-
m i t t e l werfen sie daher fälschlich mit K a p i t a l zu-
sammen oder gar mit Ware, obgleich sie andererseits wieder ge-
zwungen sind, seinen Unterschied von beiden gelegentlich geltend
zu machen. ***) Wenn Gold z.B. ins Ausland geschickt wird, so
wird in der
---
*) Tooke war gänzlich unbekannt mit Steuarts Schrift, wie sich
aus seiner "History of prices from 1839 to 1847", London 1848,
ergibt, worin er die Geschichte der Geldtheorien zusammenfaßt.
**) Tookes bedeutendste Schrift, außer der "History of prices",
die sein Mitarbeiter Newmarch in sechs Bänden herausgegeben hat,
ist "An Inquiry into the currency principle, the connection of
currency with prices etc.", 2. Edition, London 1844. Wilsons
Schrift haben wir bereits zitiert. Er ist schließlich noch zu er-
wähnen John Fullarton, "On the regulation of currencies", 2. Edi-
tion, London 1845.
***) 'Es ist zu unterscheiden zwischen Geld als Ware, d a s
h e i ß t Kapital, und Geld als Zirkulationsmittel." (Tooke, "An
Inquiry into the currency principle etc.", p. 10.)
#160# Karl Marx
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Tat Kapital ins Ausland geschickt, aber dasselbe findet statt,
wenn Eisen, Baumwolle, Getreide, kurz jede Ware exportiert wird.
Beide sind Kapital und unterscheiden sich daher nicht als Kapi-
tal, sondern als Geld und Ware. Die Rolle des Goldes als interna-
tionales Tauschmittel entspringt also nicht aus seiner Formbe-
stimmtheit als Kapital, sondern aus seiner spezifischen Funktion
als Geld. Ebenso wenn Gold oder an seiner Stelle Banknoten als
Zahlungsmittel im innern Handel funktionieren, sind sie zugleich
Kapital. Aber Kapital in der Form von Ware, wie die Krisen z.B.
sehr handgreiflich zeigen, könnte nicht an ihre Stelle treten. Es
ist also wieder der Unterschied des Goldes als Geld von der Ware,
nicht sein Dasein als Kapital, wodurch es zum Zahlungsmittel
wird. Selbst wo Kapital direkt als Kapital exportiert wird, um
eine bestimmte Wertsumme, z.B. auf Zinsen im Ausland zu verlei-
hen, hängt es von Konjunkturen ab, ob es in der Form von Ware
oder von Gold exportiert wird, und wird es in der letztern Form
exportiert, so geschieht es wegen der spezifischen Formbestimmt-
heit der edeln Metalle als Geld gegenüber der Ware. Überhaupt be-
trachten jene Schriftsteller das Geld nicht zuerst in der ab-
strakten Gestalt, wie es innerhalb der einfachen Warenzirkulation
entwickelt wird und aus der Beziehung der prozessierenden Waren
selbst hervorwächst. Sie schwanken daher beständig hin und her
zwischen den abstrakten Formbestimmtheiten, die Geld im Gegensatz
zur Ware erhält, und den Bestimmtheiten desselben, worin sich
konkretere Verhältnisse, wie Kapital, revenue u. dèrgl. ver-
stecken. *)
---
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"Man kann sich darauf verlassen, daß Gold und Silber bei ihrer
Zufuhr fast genau die benötigte Summe realisieren... Gold und
Silber besitzen einen unendlichen Vorteil vor allen anderen Arten
von Waren... durch den Umstand, daß sie allgemein als Geld im Ge-
brauch sind... Nicht in Tee, Kaffee, Zucker oder Indigo sind
Schulden, ausländische oder einheimische, gewöhnlich vertragsge-
mäß zu zahlen, sondern in Münzen; und die Geldsendung, entweder
in eben der bezeichneten Münze oder in Barren, die sofort in jene
Münze verwandelt werden können, durch die Münzstätte oder den
Markt des Landes, in das sie geschickt werden, muß dem Absender
stets die sichersten, unmittelbarsten und genauesten Mittel bie-
ten, um diesen Zweck zu erreichen ohne Gefahr eines Fehlschlags
wegen Mangels an Nachfrage oder Schwanken des Preises."
(Fullarton, l.c. p. 132, 133.) "Jeder andre Artikel" (außer Gold
und Silber) "kann in Menge oder Art außerhalb der gewöhnlichen
Nachfrage des Landes stehn, in das er gesandt wird." (Tooke, "An
Inquiry etc." [p. 10].)
*) Die Verwandlung des Gelds in Kapital weiden wir betrachten im
3. Kapitel, das vom Kapital handelt und den Schluß dieses ersten
Abschnitts bildet.
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