Quelle: MEW 14 Juli 1857 - November 1860
zurück
#144#
-----
Friedrich Engels
Bombardement
B o m b a r d e m e n t - die Beschießung einer Stadt oder Fe-
stung mit Bomben oder Granaten, um sie in Brand zu setzen. Ein
Bombardement erfolgt entweder unsystematisch, wenn Schiffe, Feld-
batterien oder eine verhältnismäßig geringe Zahl von Belagerungs-
batterien Granaten auf einen Ort abfeuern, um die Einwohner und
die Garnison einzuschüchtern und zu einer Schnellen Übergabe zu
veranlassen, sowie zu anderen Zwecken; oder das Bombardement er-
folgt systematisch und stellt dann eine der Methoden der Vorbe-
reitung eines Angriffs auf einen befestigten Ort dar. Der Angriff
durch systematisches Bombardement wurde zum ersten Mal von den
Preußen 1815, nach der Schlacht bei Waterloo [51], bei der Bela-
gerung der Festungen in Nordfrankreich eingeführt. Da die franzö-
sische Armee und die Anhänger Bonapartes damals sehr entmutigt
waren und die übrige Bevölkerung sich nach Frieden sehnte,
glaubte man, in diesem Falle auf die Formalitäten des alten me-
thodischen Angriffs verzichten und statt dessen ein kurzes und
schweres Bombardement durchführen zu können, das Brände und Ex-
plosionen von Magazinen verursachen und allen Einwohnern des Or-
tes die Nachtruhe rauben würde. Dadurch hoffte man in kurzer Zeit
eine Übergabe zu erzwingen, und zwar entweder durch den morali-
schen Druck der Einwohner auf den Kommandanten oder durch das
tatsächliche Ausmaß der verursachten Zerstörungen sowie durch Er-
schöpfung der Garnison. Der systematische Angriff durch direktes
Feuer auf die Verteidigungsanlagen wurde zwar weiterhin ange-
wandt, doch war er nun im Vergleich zum Vertikalfeuer und Beschuß
aus schweren Haubitzen zu einem zweitrangigen Mittel geworden. In
einigen Fällen war ein unsystematisches Bombardement ausreichend,
in anderen jedoch mußte man zu einem systematischen Bombardement
übergehen; aber in beiden Fällen wurde das Ziel erreicht. Heutzu-
tage ist es eine Maxime in der Belagerungstheorie, daß es ebenso
wichtig ist (wenn nicht wichtiger), durch Vertikalfeuer die Res-
sourcen zu
#145# Bombardement
-----
vernichten und Unsicherheit im Innern einer Festung hervorzuru-
fen, wie die äußeren Verteidigungsanlagen durch direkten Beschuß
und Rikoschettfeuer zu zerstören. Den größten Effekt wird ein
Bombardement auf eine Festung mittlerer Größe mit zahlreicher Zi-
vilbevölkerung haben, da die moralische Wirkung auf diese Men-
schen eines der Mittel ist, um den Kommandanten zur Übergabe zu
zwingen. Für die Bombardierung einer großen Festung sind riesige
Materialmengen erforderlich. Das beste Beispiel dafür ist die Be-
lagerung von Sewastopol [148], bei der bis dahin ungekannte Men-
gen von Granaten benötigt wurden. Derselbe Krieg liefert das be-
ste Beispiel eines unsystematischen Bombardements in dem Angriff
auf Sweaborg [149] durch die englisch-französischen Mörserboote,
wobei über 5000 Granaten und ebensoviel massive Geschosse auf die
Festung abgefeuert wurden.
Geschrieben um den 5. Oktober 1857.
Aus dem Englischen.
zurück