Quelle: MEW 14 Juli 1857 - November 1860


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       Friedrich Engels
       
       Brücke [150]
       
       B r ü c k e,   militärische. -  Die Kunst,  provisorische Brücken
       zum Überschreiten  von großen  Flüssen und  schmalen  Meeresarmen
       durch Truppen  zu bauen,  war schon  den Alten wohlbekannt, deren
       Bauwerke in  dieser Hinsicht  manchmal  von  erstaunlicher  Größe
       sind. Darius  überschritt den  Bosporus und  die Donau und Xerxes
       den Hellespont auf Schiffsbrücken, deren Beschreibung wir bei He-
       rodot finden. Die Armee des Xerxes schlug 2 Brücken über die Dar-
       danellen, die  erste aus 360 Schiffen, die an Bug und Heck längs-
       seits verankert  waren, und deren Kiele stromabwärts zeigten; die
       Kähne waren  miteinander durch starke Taue verbunden, über welche
       Bohlen gelegt wurden, die an beiden Seiten durch Querhölzer befe-
       stigt und  in Erde  gebettet waren.  Die zweite  Brücke hatte 314
       Schiffe und  war ähnlich gebaut. Nach Arrianos war der Armee Ale-
       xanders ein  regulärer Ponton-Train  mit  leichten  Kähnen  ange-
       schlossen. Die Römer hatten mit Tierhäuten bezogene Fahrzeuge aus
       Flechtwerk, welche  die hölzerne  Plattform einer  Brücke  tragen
       sollten; sie  bildeten bis  zum Ende des Imperiums einen Teil des
       Trains ihrer  Armeen. Sie  verstanden es  aber auch, eine festere
       Kriegsbrücke zu  schlagen, wenn  ein reißender Fluß zu überqueren
       war, wie die berühmten Pfahlbrücken beweisen, auf denen Cäsar den
       Rhein überschritt. [151]
       Wir finden  keinen  Hinweis,  daß  es  im  Mittelalter  besondere
       Brückenausrüstung gegeben  hat, aber  im  Dreißigjährigen  Kriege
       [37] führten  die verschiedenen  beteiligten Armeen  Material mit
       sich, um Brücken über die großen Flüsse Deutschlands zu schlagen.
       Die dazu  verwandten Schiffe waren sehr schwer und im allgemeinen
       aus Eichenholz. Der Bodenbelag der Brücke wurde auf Böcke gelegt,
       die auf den Böden dieser Schiffe standen. Die Holländer verwende-
       ten als  erste ein  kleineres Fahrzeug  mit flachem  Boden,  fast
       senkrechten Seiten  und spitzem Bug und Heck, bei denen beide En-
       den in  einer geneigten  Fläche über die Wasseroberfläche hinaus-
       ragten. Sie  bestanden aus  einem hölzernen Bootsgerippe, das mit
       Blechen bezogen war; diese Fahrzeuge nannte man Pontons. Nach Fo-
       lard nehmen auch die
       
       #150# Friedrich Engels
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       Franzosen die  Erfindung von  Pontons aus  Kupfer für sich in An-
       spruch, und  sie sollen  um 1672 einen vollständigen Ponton-Train
       gehabt haben. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatten sich alle eu-
       ropäischen Armeen  mit solchen  Fahrzeugen versehen, die meistens
       aus hölzernen,  mit Blech, Kupfer, Leder oder geteertem Segeltuch
       überzogenen Bootskörpern  bestanden. Das  letztere Material wurde
       von den Russen verwandt. Die Schiffe waren klein und mußten, wenn
       die Brücke überhaupt irgendwelche Tragfähigkeit aufweisen sollte,
       eng nebeneinander  gesetzt werden,  mit nur  4 bis  5 Fuß lichter
       Weite; dadurch  wurde die  Strömung des  Wassers stark behindert,
       die Sicherheit  der Brücke  gefährdet und  dem  Feinde  die  Mög-
       lichkeit gegeben,  sie zu zerstören, indem er Schwimmkörper gegen
       sie treiben ließ.
       Die Pontons, die gegenwärtig von den Armeen des europäischen Kon-
       tinents verwendet  werden, sind  größerer Bauart, aber im Prinzip
       denen von vor hundert Jahren ähnlich. Die Franzosen benutzen seit
       1829 ein  Schiff mit  flachem Boden  und fast senkrechten Seiten,
       deren Breite  zum Bug  und auch, nur etwas weniger, nach dem Heck
       hin abnimmt;  beide Enden erheben sich über dem Dollbord und sind
       gebogen wie  die eines  Kanus. Die  Ausmaße sind:  Länge 31  Fuß,
       Breite oben  5 Fuß  7 Zoll,  Boden 4 Fuß 4 Zoll. Das Bootsgerippe
       besteht aus  Eiche und ist mit Fichtenplanken bedeckt. Jeder Pon-
       ton wiegt  1658 lbs.  und hat eine Tragfähigkeit (Gewicht der La-
       dung, die  das Fahrzeug bis zum Dollbord sinken lassen würde) von
       18 675  lbs. Beim Bau einer Brücke werden sie in Abständen von 14
       Fuß lichter  Weite von  Dollbord zu  Dollbord verankert,  und die
       Fahrbahn ist  11 Fuß  breit. Um die Vorhut einer Armee über nicht
       allzutiefe Flüsse  hinüberbringen zu  können, wird  eine kleinere
       Art von  Pontons verwendet. Die österreichischen Pontons sind dem
       größeren französischen Ponton ähnlich, aber zum bequemeren Trans-
       port quer  in der  Mitte geteilt, und sie werden im Wasser zusam-
       mengesetzt. Ein  schwimmender Brückenpfeiler wird aus zwei Kähnen
       gebildet, die  längsseits eng  aneinander gelegt  und durch kurze
       Spanten miteinander  verbunden werden,  wobei ein  Längsspant die
       Balken des Bodenbelags trägt. Diese von Birago erfundenen Pontons
       wurden 1823 eingeführt. Die Russen verwenden für ihre Pontons ein
       hölzernes Bootsgerippe,  das so  konstruiert ist, daß die Mittel-
       stücke oder  Duchten losgelöst Werden können; über dieses Gerippe
       wird ein  mit Teer  oder einer Gummilösung bestrichenes Segeltuch
       gespannt. Ihre Länge beträgt jeweils 21 Fuß 9 Zoll, ihre Breite 4
       Fuß 11  Zoll, die  Höhe 2  Fuß 4  Zoll und  ihr Gewicht 718 lbs.,
       Breite des Brückenweges 10 Fuß, Zwischenraum von Ponton zu Ponton
       8 Fuß. Die Russen haben auch Pontons mit
       
       #151# Brücke
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       einem ähnlichen  Bootsgerippe, das  mit Leder  überzogen ist. Die
       Preußen sollen  die ersten gewesen sein, die ihre Pontons quer in
       Abschnitte geteilt  haben, um  zu verhindern,  daß sie  durch ein
       Leck sinken  können. Ihre  Pontons sind aus Holz und haben flache
       Böden. Die Spannweite oder lichte Entfernung zwischen den Pontons
       variiert beim Bau von Brücken je nach Umständen zwischen 8 und 16
       Fuß. Seit  1832 haben  die Holländer  und die Piemontesen Ponton-
       Trains, die denen in der österreichischen Armee ähnlich sind. Der
       belgische Ponton  hat einen  spitzen Bug,  ist aber am Heck nicht
       verjüngt. In  allen Armeen  des Kontinents führt der Ponton-Train
       kleine Boote zum Ausbringen der Anker mit sich.
       Die britische  Armee und  die der  Vereinigten Staaten  haben die
       Verwendung von  Booten für  die Bildung ihrer Ponton-Trains gänz-
       lich abgeschafft  und auf  allen Seiten geschlossene Hohlzylinder
       aus leichtem  Material zum  Tragen ihrer  Brücken eingeführt.  In
       England wurden  1836 die zylindrischen Pontons mit konischen, he-
       misphärischen oder  parabolischen Enden,  wie sie 1828 von Oberst
       Blanchard konstruiert  worden sind,  eingeführt und  alle anderen
       Arten abgeschafft.  Der größere  britische Ponton  ist 24 1/2 Fuß
       lang und 2 Fuß 8 Zoll im Durchmesser. Er ist aus Weißblech herge-
       stellt, das  um eine  Reihe von Blechreifen gelegt ist, die durch
       Speichen in Form von Hohlzylindern aus Blech gehalten werden, Ein
       größerer Blechzylinder  von 1 3/4 Zoll im Durchmesser bildet ihre
       gemeinsame Achse und verläuft durch die ganze Länge des Pontons.
       In den  Vereinigten Staaten  sind Experimente  mit  zylindrischen
       Pontons aus  Gummi gemacht  worden. 1836  baute Hauptmann (später
       Oberst) Lane  mit solchen  Pontons Brücken  über einen tiefen und
       reißenden Fluß  in  Alabama,  und  1839  bot  Armstrong  ähnliche
       Schwimmkörper an, die in aufgeblasenem Zustand 18 Fuß lang und 18
       Zoll im Durchmesser waren und je 39 lbs. wogen und von denen drei
       ein Brückenglied  bilden sollten. Pontons aus aufgeblasenem Gummi
       wurden 1846  in der  Armee der Vereinigten Staaten eingeführt und
       im Krieg  gegen Mexiko  [152] verwendet. Sie sind wegen ihres ge-
       ringen Gewichts  und des  wenigen Raums, den sie zusammengefaltet
       einnehmen, sehr  leicht zu tragen, teilen aber, da sie durch Rei-
       bung auf  Kies usw. leicht beschädigt und unbrauchbar werden, die
       gewöhnlichen Mängel  aller zylindrischen  Pontons. Diese bestehen
       in folgendem:  Wenn sie bis zur Hälfte ihrer Höhe im Wasser sind,
       wird ihr  Tiefgang bei  gleichbleibender Belastung  immer größer,
       also das  Gegenteil von dem, was der Fall sein sollte; in den En-
       den ihrer  Zylinder verfangen sich außerdem leicht Schwemmstoffe,
       und schließlich müssen jeweils zwei durch einen Bodenbelag zu ei-
       nem Floß verbunden werden, ehe man sie im Wasser
       
       #152# Friedrich Engels
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       bewegen kann,  während Pontons aus Kähnen genauso zu unabhängiger
       Bewegung im Wasser fähig sind wie gewöhnliche Boote und dazu die-
       nen können,  eine Truppenabteilung  schnell über  den Fluß zu ru-
       dern. Um  die Tragkraft  des zylindrischen  Pontons mit  der  des
       Schiffspontons zu vergleichen, mag folgendes genügen: Der franzö-
       sische Ponton  trägt etwa  20 Fuß der Brücke und hat eine Tragfä-
       higkeit (ohne das Gewicht des Oberbaus) von mehr als 150 cwt. Ein
       britisches Floß  von zwei  Pontons, das etwa die gleiche Brücken-
       länge trägt, hat eine Tragfähigkeit, ohne den Oberbau, von nur 77
       cwt., wobei nur die Hälfte dieser Belastung die Sicherheit garan-
       tiert.
       Außer den  Pontons umfaßt ein Ponton-Train Ruder, Bootshaken, An-
       ker, Taue  etc., die nötig sind, um die Pontons im Wasser fortzu-
       bewegen und  sie an  ihrem Platz  zu befestigen, sowie Balken und
       Bohlen (Brückenbelag) für die Fahrbahn der Brücke. Bei Verwendung
       von Schiffspontons  wird im  allgemeinen jeder  Ponton an  seiner
       Stelle festgemacht und dann die Balken und Brückenbohlen darüber-
       gelegt; bei  zylindrischen Pontons werden zwei zu einem Floß ver-
       bunden, das  in der entsprechenden Entfernung vom Ende der Brücke
       verankert und  mit ihm  durch Balken  und Brückenbohlen verbunden
       wird. Wo  es die Umstände zulassen, werden ganze Glieder, die aus
       3, 4 oder 5 überbrückten Pontons bestehen, in geschützten Plätzen
       oberhalb der  für die  Brücke vorgesehenen  Stelle errichtet  und
       nacheinander in ihre Positionen eingeschwommen. In einigen Fällen
       wird mit  sehr erfahrenen Pontonnieren die ganze Brücke auf einem
       Ufer des  Flusses gebaut  und mit  Hilfe  der  Strömung  herumge-
       schwenkt, wenn der Übergang vollzogen werden soll. So verfuhr Na-
       poleon, als  er am Tag vor der Schlacht bei Wagram [80] seine Ar-
       mee über die Donau brachte. Dieser ganze Feldzug ist außerordent-
       lich lehrreich,  besonders was  das Überqueren  großer Flüsse mit
       Hilfe von Kriegsbrücken angesichts des Gegners betrifft.
       Ponton-Trains sind  indessen nicht immer verfügbar, und daher muß
       der Genieoffizier  darauf vorbereitet  sein, im  Notfall ohne sie
       eine Brücke über einen Fluß zu schlagen. Für diesen Zweck gibt es
       die  verschiedensten  Materialien  und  Bauweisen.  Die  größeren
       Schiffsarten, die sich gewöhnlich auf schiffbaren Flüssen finden,
       werden zum  Bau von Schiffsbrücken verwendet. Wenn es keine Kähne
       gibt und  die Tiefe des Flusses oder die Beschaffenheit des Fluß-
       bodens die  Verwendung von schwimmenden Trägern notwendig machen,
       können Flöße  aus Baumstämmen  oder Fässern und andere schwimmfä-
       hige Körper  benutzt werden.  Wenn der  Fluß seicht ist und einen
       festen und  leidlich ebenen Grund hat, werden stehende Träger ge-
       baut, die entweder aus Jochen bestehen, welche die haltbarste und
       sicherste Brückenart bilden, aber viel Zeit und Arbeit erfordern,
       oder aus
       
       #153# Brücke
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       Böcken,  die   leicht  und  schnell  hergestellt  werden  können.
       Manchmal bilden  Wagen, die mit Faschinen usw. beladen und an den
       tieferen Stellen  des Flusses versenkt werden, den geeigneten Un-
       tergrund für  den Bodenbelag einer Brücke. Überschwemmte Gebiete,
       Moräste etc.  werden mit  Hilfe von  Schanzkörben überbrückt. Für
       schmale Flüsse  und enge Schluchten, die nur von Infanterie über-
       quert werden  müssen, werden  verschiedene Arten von Hängebrücken
       verwendet, die gewöhnlich durch starke Taue gehalten werden.
       Das Schlagen  einer Kriegsbrücke  unmittelbar unter dem Feuer des
       Feindes kommt  heutzutage nur  selten vor; doch darf die Möglich-
       keit des  Widerstandes niemals  außer acht  gelassen werden.  Aus
       diesem Grunde  wird die  Brücke im allgemeinen in einem einsprin-
       genden Bogen  des Flusses geschlagen, so daß die rechts und links
       placierte Artillerie  das Terrain  des  gegenüberliegenden  Ufers
       nahe der  Stelle, wo die Brücke enden soll, beherrscht und so ih-
       ren Bau deckt. Das konkave Ufer ist außerdem gewöhnlich höher als
       das konvexe,  und somit  kommt in  den meisten Fällen zum Vorteil
       des Kreuzfeuers  noch der  Vorteil  der  beherrschenden  Stellung
       hinzu. Die Infanterie wird in Booten oder Pontons hinübergerudert
       und unmittelbar vor der Brücke in Stellung gebracht. Eine schwim-
       mende Brücke kann gebaut werden, um Kavallerie und einige leichte
       Geschütze überzusetzen. Ist ein Fluß durch Inseln in mehrere Arme
       geteilt oder  eine Stelle  direkt unterhalb  der Einmündung eines
       kleineren Flusses vorhanden, so ist das ebenfalls von Vorteil. Im
       letzteren, manchmal  aber auch im ersten Falle können die einzel-
       nen Glieder  der Brücke an einer gedeckten Stelle des Flusses zu-
       sammengesetzt und  dann mit  der Strömung  eingeschwommen werden.
       Die angreifende  Seite, die  gewöhnlich zwischen vielen günstigen
       Punkten an  einem langen  Flußabschnitt zu wählen hat, kann ihren
       Gegner leicht  durch Scheinangriffe täuschen und dann den wirkli-
       chen Übergang  an einem  entfernten Punkt durchführen. Die Gefahr
       der Zersplitterung  der Verteidigungskräfte an solch einem langen
       Flußabschnitt ist  so groß,  daß man es gegenwärtig vorzieht, sie
       in einiger Entfernung vom Fluß konzentriert zu halten und sie ge-
       schlossen gegen  den wirklichen  Übergangspunkt zu führen, sobald
       er ausfindig  gemacht worden  ist und ehe der Feind seine gesamte
       Armee hinüberbringen  konnte. Das  sind die Gründe dafür, daß der
       Brückenschlag über  einen der  größeren Flüsse  Europas in keinem
       der Kriege  seit der  Französischen Revolution auf ernsten Wider-
       stand stieß.
       Geschrieben um den 14. Oktober 1857.
       
       Aus dem Englischen.

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