Quelle: Januar 1860 - September 1864
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FRIEDRICH ENGELS
Aus dem handschriftlichen Nachlaß
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Friedrich Engels
Kinglake über die Schlacht an der Alma [313]
Das Buch von Kinglake über den Krimkrieg [314] hat in und außer-
halb Englands verdientermaßen großes Aufsehen erregt. Es enthält
eine Menge wertvollen und neuen Stoffs, wie das nicht anders sein
kann, da dem Verfasser die Papiere des englischen Hauptquartiers,
eine Menge Notizen englischer höherer Offiziere, und nicht wenige
eigens für ihn abgefaßte Denkschriften russischer Generale zu Ge-
bot standen. [315] Trotzdem ist das Buch, was die militärische
Darstellung betrifft, kein Geschichtswerk, sondern ein Roman; ein
Roman, dessen Held der englische Oberfeldherr Lord Raglan und
dessen Endzweck die bis ins Absurde übertriebne Verherrlichung
der englischen Armee ist.
Die Kinglakesche Darstellung ist ganz geeignet, in Deutschland
große Wirkung auszuüben; während sie den Anteil der Franzosen am
Sieg an der Alma [316] auf ein Minimum reduziert, behandelt sie
die Russen mit scheinbarer achtungsvoller Unparteilichkeit, be-
ruft sich auf die schon bekannten Quellen aller drei beteiligten
Nationen, und hält sich frei von der speziell französischen Prah-
lerei, die uns in Thiers und Konsorten ebenso widerlich wie lä-
cherlich erscheint. Indes, unsere Freunde, die Engländer, können
auch prahlen, und wenn sie ihr Selbstlob auch etwas geschickter
anbringen als die Franzosen, so sind die Farben doch mindestens
ebenso dick aufgetragen wie bei diesen. Schon deshalb ist es von
Interesse, der Darstellung des einzigen militärischen Ereignisses
in den bis jetzt erschienenen beiden Bänden, der Schlacht an der
Alma, den belletristischen Deckmantel abzustreifen und das wirk-
liche neue historische Material von den Verzierungen, Rodomonta-
den und Vermutungen zu trennen, mit denen Herr Kinglake sein Ge-
mälde ausfüllt.
Es kommt aber noch dazu, daß die Almaschlacht ein ganz besonderes
taktisches Interesse hat, das bisher wenig genug gewürdigt wurde.
In dieser Schlacht treten sich zum ersten Mal seit Waterloo wie-
der zwei verschiedne
#590# Friedrich Engels
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taktische Formationen gegenüber, die eine von allen europäischen
Armeen vorwiegend gepflegt, die andre von ihnen allen verworfen
bis auf eine - die englische. An der Alma rückte die englische
Linie vor gegen die russischen Kolonnen und warf sie ohne sonder-
liche Mühe über den Haufen. Jedenfalls ein Zeichen, daß die alte
Linie doch noch nicht so abgetan ist wie die kontinentalen takti-
schen Lehrbücher behaupten, und jedenfalls der Mühe wert, daß man
die Sache etwas näher besieht.
I
Die Angabe der beiderseitigen Streitkräfte ist bei Kinglake
höchst liederlich. Für die Engländer hatte er die offiziellen An-
gaben zur Hand und stellt hiernach die Zahl der Kombattanten auf
25 404 Infanteristen und Artilleristen, etwas über 1000 Reiter
und 60 Kanonen fest. Dies wird als authentisch gelten können. Die
Franzosen gibt er in runder Zahl auf 30 000 mit 68 Kanonen an;
dazu kamen noch 7000 Türken. In runder Zahl 63 000 Alliierte mit
128 Geschützen, was im ganzen ziemlich richtig sein mag. Aber bei
den Russen beginnt für Herrn Kinglake die Schwierigkeit. Nun ha-
ben wir zwar in Anitschkows "Feldzug in der Krim" (deutsche Über-
setzung, Berlin, Mittler 1857, erstes Heft) eine offenbar auf of-
fiziellen Quellen beruhende und bisher in keinem irgendwie we-
sentlichen Punkt bestrittene Aufstellung, mit Namen und Nummern
der Regimenter, Bataillone, Schwadronen und Batterien, wonach die
Russen 42 Bataillone, 16 Schwadronen, 11 Sotnien Kosaken und 96
Kanonen in 10 1/2 Batterien, im ganzen 35 000 M. an der Alma hat-
ten. Dies genügt aber Herrn Kinglake keineswegs; er macht eine
besondre Aufstellung, wobei er sich fortwährend auf Anitschkow
als seine Autorität beruft, aber ganz andre Ergebnisse heraus-
bringt, ohne jedoch es der Mühe wert zu halten, uns Beweisstücke
für seine abweichenden Data beizubringen. Es ist überhaupt cha-
rakteristisch für das ganze Buch, daß es stets da Gewährsmänner
zitiert, wo notorische Tatsachen berichtet werden, bei neuen und
gewagten Behauptungen dagegen dies sorgfältig vermeidet.
Beide Darstellungen weichen in Beziehung auf die Infanterie nur
wenig ab. Anitschkow gibt 40 Bataillone Linie, 1 Bataillon Schüt-
zen und 1/2 Bataillon Manneschützen [an]; Kinglake verwandelt
dies letztere halbe Bataillon in zwei Bataillone und beruft sich
dafür auf Chodasiewicz (Major im Inf. Rgt. Tarutino), der sie ge-
sehen habe. [317] Der Punkt ist unwichtig, da Kinglake selbst zu-
gibt, diese Truppen seien bei den Russen selbst sehr
#591# Kinglake über die Schlacht an der Alma
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gering angesehen worden. Außerdem verwandelt er die bei Anitsch-
kow vorkommenden 2 Kompanien Sappeurs in ein ganzes Bataillon und
zählt sie überall als Infanterie mit auf.
Bei der Kavallerie tritt dagegen Kinglakes Übertreibung schon
stärker hervor. Durch den ganzen Schlachtbericht wird bei jeder
Gelegenheit betont, daß die Russen "3400 Lanzen" im Felde hatten,
und auf jedem Plane figuriert eine enorme Kolonne hinter dem rus-
sischen rechten Flügel mit der Bemerkung, daß die russische Ka-
vallerie, 3000 Mann stark, sich in dieser Gegend aufhielt. Die
wunderbare Untätigkeit dieser 3000 Mann und die Gefahren ihrer
Nähe für die Engländer, die nur etwas über 1000 Reiter hatten,
werden uns jeden Augenblick ins Gedächtnis gerufen. Kinglake
hütet sich sehr wohl, uns darauf aufmerksam zu machen, daß über
ein Drittel dieser Kavallerie aus Kosaken bestand, von denen
jedermann weiß, daß sie unfähig sind, geschlossen gegen
regelmäßige Kavallerie zu fechten. Bei der großen Unkenntnis
aller militärischen Verhältnisse, die durch das ganze Buch geht,
ist dies grobe Versehen eher der Unwissenheit als dem bösen
Willen zuzuschreiben.
Bei der Artillerie hört bei Kinglake alle Kritik auf. Anitschkow,
wie gesagt, gibt im ganzen 96 Geschütze an - in 10 spezifizierten
leichten und schweren Feldbatterien, wozu noch 4 bespannte
Schiffsgeschütze kamen. Er weiß auch genau, wo jede dieser Batte-
rien während der Schlacht sich befand. Bei Kinglake figurieren
alle diese Batterien (mit einzelnen geringen Abweichungen m den
Nummern), außerdem aber noch drei andre. Die 5. Batterie der
17.Brigade, die auch bei Anitschkow vorkommt, figuriert nämlich
bei Kinglake z w e i m a l in der Originalaufstellung, einmal
auf dem linken Flügel (p. 231) und gleich darauf nochmals in der
Hauptreserve (p. 235)! Desgleichen figuriert die 3.Batterie der-
selben 17.Brigade, die nach Anitschkow gar n i c h t d o r t
w a r, bei Kinglake z w e i m a l, einmal auf dem linken Flü-
gel (p. 231) und zum zweiten Mal - aber als "Positionsbatterie" -
im Zentrum! Daß es nach der wohlbekannten Organisation der russi-
schen Artillerie zur Zeit des Krimkrieges (vergl. Haxthausen,
"Studien über Rußland") in jeder Artilleriebrigade nur eine
schwere Batterie von 12 Geschützen gab, daß nachher, als die Bat-
terien auf 8 Geschütze gestellt wurden, es daher wohl eine 1. und
2., n i e a b e r e i n e 3. schwere Batterie in den Brigaden
geben konnte - alles das kümmert unsern Geschichtsschreiber
nicht. Es handelt sich für ihn darum, die Heldentaten der Englän-
der an der Alma so ungeheuerlich wie möglich zu machen; und dazu
hatte er möglichst viel russische Kanonen nötig. Wo er also in
russischen Berichten (die außer Anitschkow alle für solche De-
tails mehr oder weniger unbrauchbar sind)
#592# Friedrich Engels
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eine Batterie aufgezählt findet, die Anitschkow nicht erwähnt, so
nimmt er an, Anitschkow habe sie vergessen und zählt sie den von
A[nitschkow] angegebenen Batterien ruhig zu. Findet er dieselbe
Batterie in verschiednen Quellen an zwei verschiednen Orten des
Schlachtfeldes angeführt, so zählt er sie ruhig zweimal und nimmt
höchstens an, einmal sei eine leichte, das andre Mal eine schwere
Batterie gemeint.
Mit allen diesen Kunststücken indes bekommt Kinglake doch nur
13 1/2 Batterien à 8 Kanonen - 108 Geschütze zusammen, und da er
übersieht, daß nach Anitschkow die 3 Batterien der 16. Brigade
noch auf dem alten Fuß von 12 Geschützen organisiert waren (man
sieht, wie oberflächlich der Mann arbeitet), so gibt das gegen
A[nitschkow] immer nur ein Mehr von 12 Geschützen. Kinglake muß
also eine ganz außergewöhnliche Anstrengung machen, um die Höhen
der Alma mit russischen Geschützen zu spicken. Hierzu verhilft
ihm das Feldwerk, welches die Engländer in ihrem Bombast "die
große Redoute" nannten. Anitschkow sagt hiervon einfach:
"Rechts der Straße war die Batterie Nr. 1 derselben (16.) Brigade
in einer vorteilhaften Position aufgefahren und wurde durch eine
Schulterwehr gedeckt."
Kinglake beschreibt dies unbedeutende Werk auch ganz richtig,
kann sich aber gar nicht denken, daß man einfache Zwölfpfünder
dahinter stellen würde, sondern behauptet, dies seien schwere Ka-
nonen aus Sewastopol gewesen. Chodasiewicz behauptet zwar, die
Geschütze der 2. Batterie 16. Brig. hätten dort gestanden, (er
verwechselt die 1. und 2. Batt.), aber das Kaliber der Kanone und
der H a u b i t z e, die jetzt noch in Woolwich seien, bewie-
sen, daß diese Geschütze nicht der regelmäßigen Feldartillerie
angehörten (p. 233). Kinglake weiß noch mehr. Er sagt p. 229 ganz
bestimmt:
"Es waren 32 pfdr. und vierundzwanzigpfündige Haubitzen."
Im Jahre 1849 gab es während des Aufstandes in der Pfalz einige
Freischarenführer, die die beharrlichen rückgängigen Bewegungen
ihrer Korps stets damit motivierten, man habe mit "vierundzwan-
zigpfündigen feurigen Bombenkugeln" auf sie geschossen. Schreiber
dieses hatte sicher nie erwartet, daß die Haubitze, aus der diese
schrecklichen Kugeln geschossen wurden, von Herrn Kinglake an der
Alma erobert werden würde. Was jene 24 pf. Kugeln ha... 1*)
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1*) Es fehlen die zwei anschließenden Seiten der Handschrift
#593# Kinglake über die Schlacht an der Alma
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II
... Geschützen, durch eine Distanz von 1500 Schritt von Canrobert
getrennt, dessen Division durch die russischen Geschütze neutra-
lisiert wurde, während seine eigne Artillerie ihn, auf einem Um-
wege von einer halben deutschen Meile mindestens, zu erreichen
suchte; endlich Prinz Napoleon im Tale feststeckend, von Canro-
bert 1290 Schritt entfernt und zaudernd, den Fluß zu überschrei-
ten. Diese Verzettelung seiner Truppen auf eine Front von 6000
Schritten und namentlich die exponierte Stellung Bosquets machten
endlich dem Marschall Saint-Arnaud doch soviel Angst, daß er zu
dem verzweifelten Mittel griff, seine ganze Reserve vorzuschic-
ken. Die Brigade Lourmel wurde Bouat nachgeschickt, während die
Brigade d'Aurelle den Prinzen Napoleon verstärkte. Indem also
Saint-Arnaud seine beiden Reserven gerade auf diejenigen beiden
Denies dirigierte, die ohnehin schon von Truppen vollgepfropft
waren, vollendete er die Verzettelung seiner Streitkräfte. Stände
dies nicht alles im französischen offiziellen Bericht (dem "Atlas
historique de la guerre d'Orient"), so wäre es kaum glaublich.
Wie sah es auf der russischen Seite aus, und was rettete die
Franzosen aus dieser gefährlichen Lage?
Den russischen linken Flügel kommandierte Kirjakow. Er hatte ge-
genüber Canrobert und Prinz Napoleon in erster Linie 4 Reserveba-
taillone (Regt. Brest und Bialystok), mittelmäßige Truppen; in
zweiter die 4 Bataillone des Regts. Tarutino, in Reserve die 4
Bat. Moskau und vom Regt. Minsk das 2.Bat., das mit 4 Geschützen
(4.Batt. 17.Art. Brig.) weiter links zur Beobachtung der Seeküste
detachiert war. Die 4 Bataillone Borodino, welche auch unter sei-
nem Kommando waren, standen weiter östlich, dicht an der Straße
nach Sewastopol, und kämpften fast nur gegen Engländer, wenn sie
überhaupt anders, denn als Tirailleurs engagiert waren. Im ganzen
standen gegen die Franzosen also 13 Bataillone mit 8 Geschützen.
Als die Umgehungskolonne Bosquets auf dem Plateau südlich der
Alma sichtbar wurde, kam Fürst Menschikow selbst auf den linken
Flügel und brachte aus der Hauptreserve die übrigen 3 Bat. des
Regts. Minsk, eine Fuß- und zwei reitende Batterien, sowie 6
Schwadronen Husaren mit. Bis dahin war der Kampf auf Plänkeln und
Kanonade beschränkt gewesen; die russischen Massen waren meist
etwas zurückgegangen, die französischen - Napoleon und Canrobert
- noch gar nicht auf dem Plateau erschienen oder standen doch so
weit ab (Bosquet, Bouat, Lourmel), daß sie vorderhand nicht ins
Gefecht eingreifen konnten. Da nun die Truppen des Prinzen
#594# Friedrich Engels
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Napoleon sich im Defile so festgefahren hatten, daß sie noch im-
mer nicht debouchierten, so blieb den Russen kein andrer An-
griffspunkt als die hinter dem Rand des Plateaus verdeckt ste-
hende Division Canrobert. Gegen diesen formierte nun Menschikow
aus den 8 Bataillonen Minsk und Moskau eine Monstrekolonne - zwei
Bataillone in der Front und vier Bataillone tief, alle in An-
griffskolonnen nach der Mitte. Nach seinem Zentrum abgerufen,
übergab er diese unbehilfliche Masse an Kirjakow mit dem Befehl,
sofort anzugreifen. Als die Kolonne den Franzosen auf Gewehrschuß
nahe kam, konnten diese
"das Gewicht nicht länger ertragen, mit welchem die Annäherung
einer großen Infanteriekolonne auf das Herz eines kontinentalen
Soldaten drückt" (p. 400).
Sie wichen noch etwas hinter den Abhang zurück. In diesem Augen-
blick aber kamen die beiden Batterien Canroberts, nebst denjeni-
gen Bosquets, durch eine Terrainfalte etwas weiter rechts herbei-
geeilt; sie fuhren rasch auf und eröffneten ihr Feuer gegen die
linke Flanke der russischen Masse mit solcher Wirkung, daß diese
sich schleunigst in Sicherheit begab. Die französische Infanterie
folgte ihr nicht.
Kirjakows vier Reservebataillone hatten sich, nach Chodasiewiczs
Ausdruck, unter dem Tirailleur- und Geschützfeuer "aufgelöst";
die vier Bataillone Tarutino hatten ebenfalls starke Verluste ge-
habt; die acht Bataillone der Monstrekolonne waren sicher nicht
in der Verfassung, den Angriff sobald zu erneuern. Die französi-
sche Infanterie d'Aurelles und Canroberts entwickelte sich unter
dem Schutz ihrer Artillerie jetzt auf dem Plateau, und Bosquet
hatte sich ihr genähert; die Truppen des Prinzen Napoleon (dessen
2. Zuaven-Regt. sich bereits an Canrobert angeschlossen hatte)
fingen endlich an, die Höhen zu ersteigen. Die Überlegenheit war
unverhältnismäßig geworden; die russischen Bataillone, auf der
Telegraphenhöhe konzentriert, schmolzen unter dem Kreuzfeuer der
französischen Artillerie zusammen; endlich hatte der russische
rechte Flügel "eine sehr bestimmte rückgängige Bewegung angetre-
ten", wie Kirjakow selbst sagt. Unter diesen Umständen trat er
den Rückzug an, "unverfolgt vom Feinde" (Kirjakows handschriftli-
che Denkschrift).
Bei französischen Darstellern wird das jetzt folgende allgemeine
Vorstürmen der Franzosen mit einer angeblichen Erstürmung des Te-
legraphenturms, wobei es zum Handgemenge gekommen, gekrönt, und
so der Sache ein hübscher melodramatischer Abschluß gegeben. Die
Russen wissen von diesem Gefecht nichts, und K[irjakow] leugnet
daher gänzlich ab, daß es stattgefunden. Es ist indes wahrschein-
lich, daß der Turm von Schützen
#595# Kinglake über die Schlacht an der Alma
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besetzt war und erstürmt werden mußte, und es mögen auch noch
sonstige russische Plänkler sich in seiner Gegend befunden haben,
die vertrieben werden mußten; nur war dazu natürlich nicht der
Sturm, oder vielmehr Wettlauf einer ganzen Division nötig, und
die Erzählung selbst des "Atlas historique" ist jedenfalls arg
übertrieben.
Hiermit endigte die Schlacht, und Saint-Arnaud, von Raglan zur
Verfolgung aufgefordert, lehnte es ab, "weil die Truppen ihre
Tornister jenseits des Flusses gelassen hätten" (p. 492).
Die Heldentaten, die uns Saint-Arnaud nach der Schlacht und spä-
terhin Bazancourt erzählten [318], schrumpfen nach dieser Dar-
stellung allerdings sehr zusammen. Die ganze franz. Armee, mit
den Türken 37 000 Mann und 68 Geschütze stark, hatte... 1*)
III
Die Engländer rückten auf dem alliierten linken Flügel vor. Ihr
erstes Treffen war gebildet von der Division Evans und der leich-
ten Division Brown; ihr zweites Treffen von den Divisionen Eng-
land und Herzog Cambridge. Die Division Cathcart, von der ein Ba-
taillon detachiert, und die Kavalleriebrigade folgten links rück-
wärts vom in der Luft schwebenden linken Flug«! als Reserve. Jede
Division hatte 6 Bataillone in zwei Brigaden. Die Angriffsfront
der Engländer, die sich am Dorfe Burliuk an den linken Flügel des
Prinzen Napoleon anlehnten, betrug etwa 3600 Schritt, so daß auf
jedes der 12 Bataillone eines Treffens 300 Schritt kamen.
Auf dem nach der Alma sich sanft senkenden Abhang angekommen, ge-
rieten die Kolonnen in das Feuer der gegenüber aufgefahrenen rus-
sischen Batterien, und nach englischem Brauch deployierte das er-
ste Treffen sofort. Bei der zu gering bemessenen Frontausdehnung
jedoch geschah es, daß der rechte Flügel der leichten Division
vom linken der Division Evans überflügelt wurde; ein ganzes Ba-
taillon (7. Regt.) wurde so aus der Schlachtlinie verdrängt. Die
Artillerie fuhr vor der Front auf. Im zweiten Treffen deployierte
die Division Cambridge ebenfalls, und da ihre Bataillone (Garden
und Hochschotten) stärker waren, so bildete sie allem eine fast
hinreichend ausgedehnte zweite Linie; die Division England blieb
außer Geschützbereich in Kolonnen, wie auch die Reserve. Das rus-
sische Feuer begann um halb zwei Uhr. Bis der französische An-
griff sich entwickelte,
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1*) Es fehlt die anschließende Seite der Handschrift
#596# Friedrich Engels
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legten sich die Engländer, um weniger vom Feuer zu leiden, auf
den Boden. In den Gebüschen und Weingärten des Tals kämpften die
Schützen, die Russen langsam vor sich hertreibend; diese steckten
das Dorf Burliuk bei ihrem Rückzug in Brand und verengerten da-
durch die englische Angriffsfront noch mehr.
Die Engländer hatten sich gegenüber den ganzen Rest der russi-
schen Armee, d.h. 25 1/2 (Anitschkow) oder 27 Bataillone
(Kinglake) und 64 Geschütze. Sie selbst griffen an mit 29 Batail-
lonen und 60 Geschützen; ihre Bataillone waren stärker als die
russischen. Die Russen hatten im ersten Treffen die beiden Regi-
menter Susdal (äußerster rechter Flügel) und Kasan (oder Groß-
fürst Michail Nikolajewitsch, rechtes Zentrum), woran sich das
Regt. Borodino anschloß. Im zweiten Treffen stand das Regiment
Wladimir, in der Spezialreserve das Regt. Uglitsch, in der
Hauptreserve blieb das Regt. Wolhynien disponibel, jedes zu 4 Ba-
taillonen; dazu ein Schützenbataillon und die Manneschützen.
Gegen drei Uhr hatte der französische Angriff sich soweit entwic-
kelt, daß die Kolonnen Bosquets und Canroberts auf dem Plateau,
diejenige des Prinzen Napoleon im Tal zum Stehen gekommen war;
die Reserven waren, wie wir sahen, ebenfalls schon vorbeordert.
Jetzt ließ Raglan die Engländer vorgehn. Das erste Treffen stand
auf und rückte in Linie, wie es war, ins Tal hinab. Die Weingär-
ten und Gebüsche brachten die Truppen bald in Unordnung, selbst
wo sie, wie unter solchen Umständen in England vorgeschrieben,
zugweise in Doppelrottenkolonne abbrachen. Die Division Evans
sandte 2 Bataillone und eine Batterie rechts um das brennende
Dorf, und ging mit dem Rest links davon auf und neben der Straße
nach Sewastopol vor. Hier geriet er bald unter das nahe Feuer der
zum Schutz der Straße aufgestellten zwei russischen Batterien,
die, trotz des auf sie gerichteten Feuers von 18 englischen Ge-
schützen, seine Truppen zum Stehen brachten. Die ihm gegenüber-
stehende russische Infanterie waren die 4 Bataillone Borodino und
das 6. Schützenbataillon; über ihr Verhalten erfahren wir nichts.
Die leichte Division ging weiter links vor. Ihr gegenüber standen
die 4 Bataillone Kasan rechts und links von der hinter einer
Schulterwehr aufgefahrnen 1. Batterie der 16. Art. Brig.; in
zweiter Linie die 4 Bat. Wladimir, alles in Kolonnen, und nach
Kinglakes Angabe sogar in Kolonnen von je zwei Bataillonen. Die
Engländer passierten den Fluß an den zahlreichen Furten so gut
sie konnten und fanden am südlichen Ufer eine durch einen 8-10
Fuß hohen steilen Abfall gedeckte, fünfzehn Schritt breite
natürliche Berme, hinter der sie sich gedeckt wieder formieren
konnten. Jenseits des
#597# Kinglake über die Schlacht an der Alma
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Abhangs stieg das Terrain sanft und offen gegen die etwa 300
Schritt entfernte Batterie an. Sie wurden hier nur an einzelnen
Stellen von Schützen belästigt; ihre eignen dünngesäten Plänkler
hatten sich weit ab links gezogen und die ganze Front entblößt.
Aber weder sandten sie selbst Schützen vor noch formierten sie
sich wieder; Brown selbst gab den Versuch auf und befahl vof-
zugehn, "sich auf den Mut der Truppen verlassend" (p. 315). Wäh-
rend nun der Brigadier des linken Flügels zwei Bataillone in der
Hand behielt, um etwaigen Flankenangriffen der russischen Kaval-
lerie zu begegnen, gingen die übrigen vier mit einem Bataillon
der Division Evans, das sich ihnen anschloß (95.'Regt.), halb in
Linie, halb in unordentlichen Klumpen auf die Batterie los.
Kaum hatten sie den Abhang erklommen, so rückten die beiden Ko-
lonnen des Kasanschen Regiments ihnen entgegen. Und hier beginnt
unser Autor einen seiner schönsten Dithyramben über die Unver-
gleichlichkeit britischer Truppen.
"Hier zeigte es sich, daß jetzt, nach beinahe vierzig Friedens-
jahren, unsre Soldaten noch immer jene unschätzbare Eigenschaft
besaßen, welche sie verhindert, in derselben Weise wie Ausländer
das Gewicht einer Infanteriekolonne zu fühlen... sie fingen [an],
in ihrer englischen Weise, halb lustig, halb verdrießlich, in die
dicke, solide Masse hineinzuschießen, welche feierlich auf sie
losmarschierte. Die Kolonne war nicht unruhig, aber sie war viel-
leicht ein überdrilltes Korps, ungeschickt oder schwach geführt.
Jedenfalls, ihre Chefs konnten den Eindruck ihrer Stärke jenen
Klumpen englischer Jungen (lads) nicht beibringen, welche ihr lu-
stig entgegengingen und sie mit Kugeln vexierten. Bald kam die
Kolonne zum Stehen, zum Zurückgehn und verschwand hinter einer
Terrainfalte" (p. 325).
Wir wollen auf diese Großtuerei weiter nicht eingehn als zu er-
wähnen, daß diese "Jungen" und "jungen Truppen", wie K[inglake]
sie mit Vorliebe nennt, und die wir oft genug sahen (das 33.
Regt., das hier focht, noch kurz vor seinem Ausmarsch nach der
Krim), bei der in England gültigen 12jährigen Dienstzeit und den
häufigen Reengagements auf fernere 9 Jahre, damals durchschnitt-
lich mindestens 27 Jahre alt waren, und daß seit dem Krimkrieg
und dem ostindischen Aufstand, wo diese schönen Regimenter ver-
nichtet wurden, jeder englische Offizier sich vergebens solche
alten "Jungen" wieder unter seine Befehle wünscht. Genug, diese
Kolonne (die östliche, für die Russen rechts stehend) scheint
nach einem schwachen Versuch eines Bajonettangriffs durch das
Feuer selbst der unordentlichen Linie zum Weichen gebracht worden
zu sein. Die andre rückte gegen das 7. Regt, vor, kam bald zum
stehenden Feuergefecht, und hielt in diesem, ohne zu deployieren,
sehr lange aus, wobei sie natürlich enorme Verluste hatte.
#598# Friedrich Engels
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Die in der Mitte befindlichen drei englischen Bataillone rückten
gegen die Batterie vor, deren Feuer langsam gewesen zu sein
scheint und die Angreifer nicht aufhielt. Als sie nahe genug wa-
ren, um sich im Lauf auf die Geschütze zu stürzen, gaben diese
eine Salve, protzten auf und fuhren davon. Eine 7pfünder-Haubitze
wurde in der Schanze gefunden, ein nur mit drei Pferden bespann-
ter 32pfünder vom Hauptmann Bell vom 23. Regt, angehalten und zu-
rückgeführt. Die Engländer besetzten, die äußere Brüstung der
Schulterwehr und hielten sich rechts und links gesammelt. Das Re-
giment Wladimir rückte nun näher, aber statt mit dem Bajonett in
die verworrene Masse hineinzufahren, ließ es sich ebenfalls zum
Feuern verleiten und kam zum Stehn. Die dichte Kolonne würde un-
ter dem Feuer der immer noch auf eine weit größere Front ausge-
dehnten Engländer wahrscheinlich dasselbe Schicksal gehabt haben,
wie das Kasansche Regiment - da ertönte unter den Engländern
zweimal nacheinander das Signal zum Rückzug und wurde zweimal auf
der ganzen Linie wiederholt; die Truppen traten an einzelnen
Punkten, endlich allgemein, den Rückzug an, der teilweise ruhig,
teilweise aber auch in vollständiger Unordnung ausgeführt wurde.
Die vier hier engagierten Bataillone verloren zusammen 46 Offi-
ziere und 819 Mann.
Das zweite Treffen (Cambridge) war nur langsam gefolgt und hatte
während dieses ganzen Gefechts zuerst den Fluß passiert und sich
dann hinter der erwähnten Berme gedeckt gehalten. Jetzt erst ging
es vor. Das mittlere Bataillon der rechten Brigade, die schotti-
schen Gardefüsiliere, avancierte zuerst; aber sein linker Flügel
wurde von den zurückdrängenden Flüchtigen der leichten Division
überrannt, sein rechter Flügel hielt das Feuer des Regiments Wla-
dimir nicht aus, und auch dies Bataillon, ohne rechtzeitige Un-
terstützung gelassen, wich in Unordnung zurück. Es war dies um
dieselbe Zeit, als der französische Angriff ins Stocken geraten
war und die Kolonne der acht Bataillone gegen Canrobert sich bil-
dete.
Dieser Moment, wo es den Alliierten überall schlecht ging, ist
gerade für Herrn Kinglake der richtige Augenblick, uns ein Mira-
kel vorzuführen, das in 1001 Nacht seinesgleichen sucht und den
Lord Raglan in einer bisher ungeahnten Glorie erscheinen läßt.
Wir würden diesen Umstand übergehn, wenn er nicht m der Tat einen
gewissen Einfluß auf den Gang der Schlacht ausgeübt hätte und
wenn er nicht dadurch gewisse Bedeutung erhielt, daß Kinglake
hier als A u g e n z e u g e - freilich als ein höchst sachun-
verständiger - spricht.
Als die englische Linie sich zum Vorgehn über den Fluß in Bewe-
gung setzte, ritt Raglan mit seinem Stab am Berührungspunkt der
englischen
#599# Kinglake über die Schlacht an der Alma
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und französischen Linie durch die Alma und eine Schlucht am jen-
seitigen Ufer hinauf, ohne anders als von ein paar Plänklerschüs-
sen belästigt zu werden. Vor sich fand er bald eine runde Kuppe,
die er bestieg, und von wo er die ganze russische Aufstellung ge-
gen die Engländer der Länge nach übersehen und selbst ihre Reser-
ven entdecken konnte. So seltsam es erscheint, daß der General
einer angreifenden Armee, ohne alle Bedeckung, sich auf einem Hü-
gel in der Flanke des Feindes postiert, so ist, bei den zahlrei-
chen Zeugen, die Sache doch nicht in Zweifel zu ziehn. Kinglake
aber, nicht zufrieden, seinen Helden dicht vor oder in der Ver-
längerung der feindlichen Flanke zu postieren, verlegt den Hügel,
um den es sich handelt, h i n t e r die feindliche Front, zwi-
schen sie und die russischen Reserven, und läßt nun von hier aus
durch seine bloße Erscheinung den Lord Raglan die ganze russische
Armee paralysieren. Der Text des Buchs ist in Beziehung auf die-
sen Punkt nicht um ein Haarbreit melodramatischer als der Plan,
wo ein roter Stern, Lord Raglan darstellend, 1200 Schritt vor dem
englischen rechten Flügel, mitten unter den grünen russischen Ko-
lonnen, die ihn auch ohne weiteres respektieren, als "Herrscher
im Donnergewölk Zeus" die Schlacht dirigiert.
Dieser Hügel, dessen genaue Feststellung uns hier nicht zugemutet
werden kann, der aber jedenfalls nicht dort liegt, wohin Kinglake
ihn versetzt - dieser Hügel bot jedenfalls eine gute Position für
Artillerie, und Raglan schickte sofort nach Geschützen und auch
nach Infanterie. Nach einiger Zeit kamen zwei Geschütze an, etwa
gleichzeitig mit der Einnahme der Batterie durch die Engländer.
Eins dieser Geschütze soll die russische Hauptreserve (die nach
K[inglake] nur 1100 Schritt entfernt war!) vertrieben haben, das
andre nahm die die Brücke an der Straße nach Sewastopol verteidi-
gende Batterie in die Flanke. Nach wenigen Schüssen protzte
diese, längst von überlegner Artillerie (18 Geschützen) in der
Front beschossene Batterie auf, und der Übergang wurde so für die
Division Evans geöffnet. Diese trieb die russische Infanterie,
die hier meist zerstreut kämpfte, langsam vor sich her, und, ge-
folgt von der Division England, deren Artillerie sich mit der ih-
rigen vereinigte, fuhr sie ihre Geschütze auf dem ersten Hügel-
kamm auf.
Inzwischen lieferte weiter links die Division Cambridge den Ent-
scheidungskampf. Von den drei Gardebataillonen ihres rechten Flü-
gels war das mittlere, die schottischen Füsiliere, zu früh vorge-
gangen und in Unordnung geworfen worden. Jetzt gingen rechts die
Gardegrenadiere, links die Coldstream-Garden gegen die vom Regt.
Wladimir wieder besetzte Schulterwehr in Linie vor; zwischen ih-
nen lag der Raum der Bataillonsfront, welche
#600# Friedrich Engels
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die schottischen Füsiliere hätten ausfüllen sollen, der aber nur
durch die sich weiter rückwärts wieder sammelnden Trümmer dieses
Bataillons und der leichten Division einigermaßen gedeckt wurde.
Links dagegen von den Coldstreams gingen die drei hochschotti-
schen Bataillone Colin Campbells, ebenfalls in Linie, in Echelons
vom rechten Flügel, in bester Ordnung vor.
Gegenüber den Gardegrenadieren standen die beiden linken Batail-
lone Kasan, die schon durch das Feuer des 7. Regts. zurückgetrie-
ben waren, und die beiden linken Bataillone Wladimir, welche
jetzt gegen die Lücke zwischen Grenadieren und Coldstreams vor-
rückten. Die Grenadiere hielten, schwenkten den linken Flügelzug
etwas zurück, und brachten diese Kolonne durch ihr Feuer sofort
zum Stehen. Natürlich war in kurzer Zeit die Kolonne durch das
Feuer der Linie so erschüttert, daß selbst Fürst Gortschakow, der
den rechten russischen Flügel kommandierte, sie nicht mehr zum
Bajonettangriff bringen konnte. Eine geringe Front Veränderung
der englischen Grenadiere brachte die Kolonne unter das Feuer ih-
rer ganzen Linie, sie wankte, und als die Engländer vorgingen,
wich sie zurück. Die beiden ändern Bataillone Wladimir schössen
sich inzwischen mit den Coldstreams herum, als endlich die schot-
tische Brigade auf gleicher Höhe mit diesen ankam. Die am äußer-
sten rechten russischen Flügel aufgestellten vier Bataillone Sus-
dal zogen sich nun näher nach dem Entscheidungspunkt, der Batte-
riebrustwehr hin, fanden sich aber plötzlich während dieses Flan-
kenmarsches im Feuer der schottischen Linien und wichen ohne
ernsthafte Gegenwehr zurück.
General Kwizmski, Chef der 16.Division, kommandierte jetzt den
russischen rechten Flügel, nachdem Fürst Gortschakow, infolge ei-
nes Sturzes mit seinem erschossenen Pferde, zurückgegangen war.
Die englische Linienformation war ihm so neu, daß sie ihn alles
Urteils über die Stärke des Feindes beraubte. In seiner Kinglake
vorliegenden Denkschrift sagt er selbst, er habe die Engländer
auf drei einander überflügelnden Linien anrücken gesehn (es waren
dies offenbar die drei schottischen Echelons), und vor solcher
Überzahl habe er weichen müssen, nachdem die Angriffe der vier
Bataillone Wladimir abgeschlagen waren. Genug; die vier Batail-
lone Uglitsch rückten nur so weit vor als nötig war, die Flüchti-
gen aufzunehmen, die Artillerie und Kavallerie wurde gar nicht
weiter benutzt, und die Russen traten den Rückzug an, unverfolgt
von den Engländern, die ihre Kavallerie schonen wollten. Die Di-
vision Cambridge verlor nicht ganz 500 Mann.
Hier fochten also im entscheidenden Moment die 6 Bataillone der
Div. Cambridge, unterstützt von den Resten der leichten Division,
im ganzen 11 Bataillone (die beiden linken Flügelbataillone der
leichten Division
#601# Kinglake über die Schlacht an der Alma
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gingen auch später nicht vor) gegen die zwölf russischen Batail-
lone Kasan, Wladimir und Susdal; und wenn wir die 4 Bataillone
Uglitsch hinzuziehen, deren tätiges Eingreifen ins Gefecht indes
höchst problematisch ist, gegen 16 russische Bataillone, und war-
fen sie vollständig nach einem sehr kurzen Gefecht.
Der Verfasser behauptet sogar, daß das ganze Gefecht rangierter
Infanterie nicht über 35 Minuten gedauert habe; jedenfalls war
gegen vier Uhr die Schlacht vollständig entschieden. Wie erklären
sich diese raschen Erfolge gegen mindestens gleiche, vielleicht
stärkere Infanteriemassen in einer starken Defensivstellung?
Die Engländer wurden sicher nicht zum besten geführt. Abgesehen
davon, daß Evans nicht den allergeringsten Versuch machte, in die
linke Flanke des Feindes zu kommen, sondern sich auf ein mattes
Frontalgefecht beschränkte, muß es jedem klar sein, daß der Her-
zog von Cambridge als Führer des zweiten Treffens nicht tat, was
seines Amtes war. Als das erste Treffen die Batteriebrustwehr er-
stürmt hatte, war das zweite nicht da zur Unterstützung; es kam
erst, nachdem das erste geworfen war und mußte dann die Arbeit
von neuem tun. Aber sobald irgendein englischer Führer an den
Feind kam und keine bestimmten Gegenbefehle hatte, ging er, mög-
lichst in Verbindung mit den Nachbartruppen, auf ihn los, und das
gab jedem der beiden Hauptangriffe die Entschiedenheit, die den
Erfolg sicherte.
Die Russen dagegen bewiesen große Unsicherheit in der Führung. Es
ist wahr, Menschikow hatte das Unglück, während der kurzen Ent-
scheidungsperiode sich weit ab vom Hauptpunkt zu befinden; aber
weder Gortschakow noch Kwizinski trafen - nach ihrer eignen Aus-
sage - irgendwelche Maßregeln, dem Angriff energisch zu begegnen.
Der erste Angriff geschah mit den 4 Bataillonen Kasan gegen fünf
englische und scheiterte; der zweite wieder mit 4 Bataillonen
(Wladimir) scheiterte ebenfalls; von einem ernsthaften Angriff
der 4 Bat. Uglitsch haben wir keine Kunde, und die 4 Bataillone
Susdal ließen sich im Flankenmarsch vom feindlichen Feuer überra-
schen. Das in der Hauptreserve befindliche Regt. Wolhynien
scheint gar nicht vorgezogen worden zu sein. Die Artillerie kam
bald zum Schweigen, und die Kavallerie tat gar nichts. Ob Furcht
vor Verantwortlichkeit, ob Befehl, die Armee nicht aufs Spiel zu
setzen, genug, auch auf dem englischen Flügel benahmen sich die
Russen nicht mit der Energie und Tätigkeit, die allein dem schwä-
cheren Kämpfer den Sieg sichert.
Es war aber sicher auch noch eine andre Ursache tätig, um den
Engländern ihren Sieg zu erleichtern. Die Russen fochten in tie-
fen, dichten Kolonnen, die Engländer in Linie. Die Russen verlo-
ren enorm durch die
#602# Friedrich Engels
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Artillerie, die Engländer bis in den Kartätschbereich sehr wenig.
Als die Infantenemassen sich näher kamen, konnte nur der heftig-
ste, unaufhaltsamste Bajonettangriff die Kolonnen vor dem mörde-
rischen Feuer der Linien retten, aber überall sehen wir den An-
griff stocken und in ein Schießgefecht ausarten. Was dann? De-
ployiert man im feindlichen Feuer, so kann kein Mensch sagen, wie
das abläuft, und bleibt man in Kolonne - e i n feuerndes Gewehr
gegen v i e r feindliche - so ist die Kolonne sicher verloren.
Dies letztere geschah in jedem einzelnen Fall an der Alma. Noch
mehr. Die einmal ins Feuern geratene Kolonne war n i e
w i e d e r zum entschiednen Vorgehn zu bringen; die feuernde
Linie j e d e s m a l. Beide Gegner - Russen wie Engländer -
waren notorisch schlecht im zerstreuten Gefecht; die Schlacht
wurde somit rein durch die Massen entschieden; wollen wir nun
nicht etwa mit Kinglake annehmen, daß die Engländer eine Art
Halbgötter sind, so werden wir zugeben müssen, daß für den An-
griff wie für die Verteidigung in einigermaßen offnem Terrain die
Linie bedeutende Vorzüge vor der Kolonne hat.
Die ganze moderne Kriegsgeschichte der Engländer... 1*)
Geschrieben im Juni 1863.
Nach der Handschrift.
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1*) Hier bricht die Handschrift ab
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