Quelle: März 1872 - Mai 1875


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       #327#
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       KARL MARX
       FRIEDRICH ENGELS
       
       Ein Komplott gegen die Internationale Arbeiterassoziation
       
       Im Auftrage  des Haager  Kongresses verfaßter  Bericht  über  das
       Treiben Bakunins  und der  Allianz der sozialistischen Demokratie
       [276]
       
       #328#
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       Geschrieben April bis Juli 1873.
       
       Erstmalig  veröffentlicht   als   Broschüre   unter   dem   Titel
       "L'Alliance de la Démocratie Socialiste et l'Association Interna-
       tionale des Travailleurs", Londres, Hambourg 1873.
       
       Deutsch erschien die Broschüre unter dem Titel "Ein Complot gegen
       die Internationale  Arbeiter-Association. Im  Auftrage des Haager
       Congresses verfaßter  Bericht über  das Treiben Bakunin's und der
       Allianz der socialistischen Demokratie."
       Deutsche Ausgabe  von "L'alliance  de la démocratie socialiste et
       l'association internationale des travailleurs." Uebersetzt von S.
       Kokosky. Braunschweig 1874.
       Ferner wurde  dieser Bericht in der New-Yorker "Arbeiter-Zeitung"
       veröffentlicht.
       
       Dem vorliegenden  Text liegt die Braunschweiger Ausgabe zugrunde.
       Engels, der  die Übersetzung  von S. Kokosky durchsah und sie als
       "herzlich schlecht"  bezeichnete, verbesserte  sie, soweit es ihm
       die vom Verlag gestellte Frist erlaubte.
       Die vorliegende Ausgabe ist mit der französischen Ausgabe vergli-
       chen worden,  wobei einige Textstellen stillschweigend der präzi-
       seren französischen  Fassung angepaßt  worden sind. Sachliche Ab-
       weichungen sind in Fußnoten kenntlich gemacht.
       
       #329#
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       Titelblatt der  Broschüre "Ein  Complot gegen  die Internationale
       Arbeiter-Association"
       
       #330#
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       #331#
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       I
       
       Einleitung
       
       Indem die  Internationale Arbeiter-Assoziation  es unternahm, die
       zerstreuten Kräfte  des  gesamten  Proletariats  in  einem  Bunde
       zusammenzufassen und  so der  lebendige Repräsentant der Interes-
       sengemeinschaft, welche  die Arbeiter vereinigt, zu werden, mußte
       sie notwendig den Sozialisten jeder Schattierung den Eintritt of-
       fenhalten. Ihre  Gründer und  die Vertreter der Arbeiterorganisa-
       tion 1*)  beider Welten,  die auf  den internationalen Kongressen
       die Allgemeinen  Statuten der  Assoziation  sanktionierten,  ver-
       gaßen, daß  gerade die  Weite ihres  Programms selbst den Deklas-
       sierten *) erlauben würde, sich einzuschleichen und im Schöße der
       Assoziation geheime  Organisationen zu  bilden,  deren  Tätigkeit
       sich nicht gegen die Bourgeoisie und die bestehenden Regierungen,
       sondern gegen die Internationale selbst richten würde. Dieses war
       der Fall mit der Allianz der sozialistischen Demokratie.
       Auf dem  Haager Kongreß  beantragte der  Generalrat eine Untersu-
       chung über  diese geheime  Organisation. Der  Kongreß beauftragte
       mit derselben  eine Kommission  von fünf Mitgliedern, den Bürgern
       Cuno, Lucain, Splingard, Vichard und Walter (ausgeschieden), wel-
       che in der Sitzung vom 7. September ihren Bericht erstattete. Der
       Kongreß beschloß:
       1. Michail Bakunin  als Gründer  der Allianz und wegen einer per-
       sönlichen Tatsache  [181] aus  der Internationale  auszuschließen
       2*);
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       *) Deklassierte, déclassés,  heißen im  Französischen  diejenigen
       aus den besitzenden Klassen hervorgegangenen Leute, die von ihrer
       Klasse ausgestoßen oder aus ihr ausgetreten sind, ohne darum Pro-
       letarier zu werden; z.B. Industrieritter, Pickelhäringe, gewerbs-
       mäßige Spieler,  die meisten  Literaten und Politiker von Profes-
       sion usw.  Auch das Proletariat hat seine Deklassierten; sie bil-
       den das Lumpenproletariat.
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       1*) In  der   französischen  Ausgabe:   Arbeiterorganisationen  -
       2*) siehe vorl. Band, S. 155
       
       #332# Karl Marx/Friedrich Engels
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       2. James Guillaume als Mitglied der Allianz auszuschließen 1*);
       3. die auf  die Allianz  bezüglichen Dokumente zu veröffentlichen
       2*).
       Infolge der Zerstreuung ihrer Mitglieder in verschiedenen Ländern
       sah sich die erwähnte Untersuchungskommission völlig außerstande,
       die Dokumente,  welche ihrem Berichte zugrunde gelegen, zu veröf-
       fentlichen, und  hat daher  Bürger Vichard, das einzige in London
       wohnende Kommissionsmitglied,  dieselben der  Protokollkommission
       [185] zugestellt,  welche sie  jetzt unter eigner Verantwortlich-
       keit in dem nachfolgenden Bericht veröffentlicht.
       Die auf  die Allianz  bezüglichen Akten waren so umfangreich, daß
       die Kommission in ihren Sitzungen während des Kongresses nur Zeit
       hatte, von  den für einen praktischen Schluß wichtigsten Dokumen-
       ten Kenntnis  zu nehmen;  so z.B. sind ihr die meisten russischen
       Aktenstücke nicht unterbreitet worden. Der seitens der Kommission
       dem Kongresse  erstattete Bericht  genügt daher heute nicht mehr,
       da er  nur einen Teil der fraglichen Angelegenheit umfaßt. Um dem
       Leser nun  den Sinn  und die Bedeutung dieser Dokumente verständ-
       lich zu  machen, sind  wir genötigt,  als Geschichtsschreiber der
       Allianz aufzutreten.
       Die Aktenstücke,  welche wir  veröffentlichen,  gehören  mehreren
       Kategorien an.  Ein Teil derselben ist bereits in einzelnen Stüc-
       ken, und  zwar meistens in französischer Sprache, veröffentlicht;
       man muß  sie jedoch,  um den Geist der Allianz deutlich zu erken-
       nen, mit  den anderen  zusammenbringen, denn  diesen gegenüberge-
       stellt erscheinen  sie in einem neuen Lichte. Zu diesem Teile ge-
       hört das  Programm der  öffentlichen Allianz.  Andere Aktenstücke
       gehören der  Internationalen an,  wieder  andere  dem  spanischen
       Zweige der  geheimen Allianz,  deren Existenz  im  Frühjahr  1871
       durch Mitglieder der Allianz öffentlich aufgedeckt wurde. Wer die
       spanische Bewegung dieser Epoche aufmerksam verfolgt hat, wird in
       ihnen nur  genauere Angaben über Tatsachen finden, welche bereits
       mehr oder  weniger der  Öffentlichkeit angehören.  Die  Bedeutung
       dieser Dokumente  beruht nicht  darauf, daß  sie zum  ersten Male
       veröffentlicht werden, sondern darauf, daß sie zum ersten Male in
       einer Art  zusammengestellt sind,  welche die  gemeinsame geheime
       Tätigkeit, von  der sie ausfließen, enthüllt; vor allem aber wer-
       den sie wichtig, wenn wir sie mit den beiden folgenden Kategorien
       vergleichen. Die erste derselben besteht aus Dokumenten in russi-
       scher Sprache,  welche das  wahre Programm und die Art der Tätig-
       keit der  Allianz aufdecken.  Diese Dokumente  waren bisher unter
       dem Schutze der Sprache, in
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       1*) Vgl. vorl. Band, S. 155 - 2*) vgl. vorl. Band, S. 156
       
       #333# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       welcher sie  geschrieben sind, im Westen unbekannt geblieben, und
       dieser Umstand  hatte ihren Verfassern gestattet, ihrer Phantasie
       und ihrer  Redeweise freien  Lauf zu lassen. Die getreue Überset-
       zung, welche  wir von ihnen geben, wird dem Leser Gelegenheit ge-
       ben, den  intellektuellen, moralischen,  politischen und ökonomi-
       schen Wert der Häupter der Allianz zu bemessen.
       Die letzte  Kategorie besteht  aus nur einem Stücke: den geheimen
       Statuten der  Allianz; es  ist das  einzige Dokument  von einiger
       Ausdehnung, welches  zum ersten Male in diesem Bericht veröffent-
       licht wird. Man wird sich vielleicht fragen, ob es Revolutionären
       erlaubt sei,  die Statuten einer geheimen Gesellschaft, einer an-
       geblichen Verschwörung,  zu veröffentlichen.  Nun, diese geheimen
       Statuten sind  ausdrücklich unter den Dokumenten angegeben, deren
       Veröffentlichung auf dem Haager Kongreß von der Allianzkommission
       verlangt wurde,  und kein Delegierter, selbst nicht das die Mino-
       rität der  Kommission bildende  Mitglied, hat  dagegen  gestimmt.
       Diese Veröffentlichung  ist also  ausdrücklich verordnet vom Kon-
       greß, dessen  Anweisungen wir auszuführen haben; was aber die Sa-
       che selbst betrifft, so ist folgendes zu sagen:
       Wir haben es hier mit einer Gesellschaft zu tun, welche unter der
       Maske des  extremsten Anarchismus  ihre Angriffe  nicht gegen die
       bestehenden Regierungen richtet, sondern gegen die Revolutionäre,
       welche sich nicht ihrer Orthodoxie und ihrer Leitung unterwerfen.
       Von  der   Minderheit   eines   Bourgeois-Kongresses   gegründet,
       schleicht sie sich in die Reihen der internationalen Organisation
       der Arbeiterklasse  ein, versucht  zuerst, sich  ihrer Leitung zu
       bemächtigen; und  arbeitet auf  ihre Desorganisation  hin, sobald
       sie diesen Plan scheitern sieht. In schamlosester Weise sucht sie
       ihr sektiererisches  Programm und ihre beschränkten Ideen dem um-
       fassenden Programm,  den großen  Anstrebungen unserer Assoziation
       unterzuschieben; sie  organisiert in  den öffentlichen  Sektionen
       der Internationalen  ihre geheimen Sektiönchen, welche, derselben
       Parole gehorchend, durch vorher abgekartetes gemeinsames Vorgehen
       in vielen  Fällen zur  Herrschaft über  jene gelangen; sie greift
       öffentlich in  ihren Blättern  alle Elemente an, welche sich wei-
       gern, sich  ihrer Herrschaft zu fügen; sie provoziert den offenen
       Krieg - das sind ihre eignen Worte - in unseren Reihen. Um zu ih-
       rem Zweck  zu gelangen,  weicht sie vor keinem Mittel, vor keiner
       Unredlichkeit zurück; Lüge, Verleumdung, Einschüchterung, Gewalt-
       tat aus  feigem Hinterhalt sind ihr in gleicher Weise recht. End-
       lich, in  Rußland, setzt sie sich ganz an die Stelle der Interna-
       tionalen und  begeht unter  ihrem Namen  gemeine Verbrechen, Gau-
       nereien und einen Mord, für den die Regierungs-
       
       #334# Karl Marx/Friedrich Engels
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       und Bourgeois-Presse  unsre  Assoziation  verantwortlich  gemacht
       hat. Und  die Internationale soll zu all diesen Tatsachen schwei-
       gen, weil  die Gesellschaft,  welche die  Schuld an  ihnen trägt,
       eine geheime ist! Die Internationale hat in ihrer Hand die Statu-
       ten dieser Gesellschaft, ihrer Todfeindin, Statuten, in denen sie
       sich offen  als neue Gesellschaft Jesu erklärt und es ausspricht,
       daß es  ihr Recht  und ihre Pflicht sei, alle jesuitischen Mittel
       zu benutzen;  diese Statuten  machen sofort alle jene Feindselig-
       keiten verständlich,  denen die  Internationale von  jener  Seite
       ausgesetzt war;  und sie sollte sich dieser Statuten nicht bedie-
       nen, weil das hieße, eine geheime Gesellschaft denunzieren!
       Gegen alle  diese Intrigen  gibt es nur ein einziges Mittel, aber
       es ist  von niederschmetternder  Wirkung: die  vollständigste Öf-
       fentlichkeit. Diese Schleichwege in ihrem Zusammenhang aufdecken,
       heißt sie unwirksam machen. Ihnen den Schutz unsers Schweigens zu
       gewähren, das wäre nicht nur eine Naivetät, über welche die Häup-
       ter der  Allianz erst  recht spotten  würden, das wäre eine Feig-
       heit. Noch  mehr, es  wäre ein  Akt des  Verrats gegen diejenigen
       spanischen Internationalen,  welche, als  Mitglieder der geheimen
       Allianz, keinen  Anstand nahmen,  deren Existenz und Verfahrungs-
       weise zur Kenntnis zu bringen, sobald diese sich in offene Feind-
       schaft gegen  die Internationale  setzte. Übrigens  befindet sich
       alles das, was die geheimen Statuten enthalten, und sogar in noch
       schärfer ausgeprägter  Form, in den in russischer Sprache von Ba-
       kunin und Netschajew selbst veröffentlichten Dokumenten. Die Sta-
       tuten bekräftigen nur deren Inhalt.
       Mögen die Führer der Allianz also über Denunziation schreien. Wir
       denunzieren sie  der Verachtung  der Arbeiter  und dem Wohlwollen
       der Regierungen, denen sie so gute Dienste geleistet haben, indem
       sie die  proletarische Bewegung  desorganisierten.  Die  Züricher
       "Tagwacht" hatte  wohl recht,  wenn sie in einem Antwortschreiben
       an Bakunin sagt:
       
       "Wenn Sie  kein besoldeter Agent sind, so steht es doch fest, daß
       ein besoldeter  Agent nicht  mehr Schaden  hätte anrichten können
       als Sie."  [277]
       
       #335#
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       II
       
       Die geheime Allianz
       
       Die Allianz der sozialistischen Demokratie ist durchaus von Bour-
       geois-Herkunft. Sie  ist nicht  von der Internationalen ausgegan-
       gen; sie  ist ein Sprößling der Friedens- und Freiheitsliga [19],
       einer totgeborenen  Gesellschaft von Bourgeois-Republikanern. Die
       Internationale war schon fest begründet, als Michail Bakunin sich
       in den  Kopf setzte,  eine Rolle als Emanzipator des Proletariats
       zu spielen.  Sie konnte  ihm nur das allen Mitgliedern gemeinsame
       Feld der  Tätigkeit bieten.  Um in  ihr etwas zu gelten, hätte er
       sich zuerst  durch beständige  und aufopfernde  Arbeit die Sporen
       verdienen müssen;  er glaubte bessere Aussichten und einen leich-
       teren Weg auf Seiten der Bourgeois der Liga zu finden.
       Er ließ sich also im September 1867 zum Mitgliede des permanenten
       Komitees der  Friedensliga wählen und nahm seine Rolle ernst; man
       kann sogar sagen, daß er und Barni, heute Deputierter in Versail-
       les, die  Seele dieses  Komitees waren.  Sich als Theoretiker der
       Liga aufspielend,  sollte Bakunin unter ihren Auspizien ein Werk:
       "Der Föderalismus,  der Sozialismus  und der Antitheologismus" *)
       veröffentlichen. Indessen  überzeugte er  sich bald, daß die Liga
       eine unbedeutende  Gesellschaft blieb  und daß die Liberalen, aus
       denen sie bestand, in ihren Kongressen nur ein Mittel sahen, eine
       Vergnügungsreise mit  großsprecherischen Reden zu verbinden, wäh-
       rend im  Gegenteil die  Internationale von  Tag zu  Tag wuchs. Da
       dachte er  daran, die  Liga auf die Internationale zu propfen. Um
       diesen Plan  auszuführen, Heß sich Bakunin auf Elpidins Vorschlag
       im Juli  1868 in die Genfer Zentralsektion 1*) aufnehmen. Auf der
       anderen Seite  bewirkte er, daß das Komitee der Liga einen Antrag
       annahm, dem internationalen Kongreß zu
       ---
       *) Diese Bibel  der Ismen  wurde beim dritten Blatt aus Mangel an
       Manuskript abgebrochen. [278]
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       1*) der Internationale
       
       #336# Karl Marx/Friedrich Engels
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       Brüssel 1*) ein Offensiv- und Defensivbündnis beider Gesellschaf-
       ten vorzuschlagen;  und um  die Billigung des Kongresses für dies
       lebhafte Vorgehen zu erlangen, verfaßte er ein vertrauliches Zir-
       kular [279]  und ließ  es durch  das Komitee  an die "Herren" der
       Liga versenden. Er gesteht daselbst offen ein, daß die Liga, bis-
       her eine ohnmächtige Posse, nur dadurch Bedeutung gewinnen könne,
       daß sie der Allianz der Unterdrücker
       
       "die Allianz  der Völker,  die  Allianz  der  Arbeiter  entgegen-
       stelle... wir können nur dann etwas werden, wenn wir die aufrich-
       tigen und ernsten Vertreter der Millionen der Arbeiter werden".
       
       Es sollte  die providentielle Sendung der heiligen Liga sein, die
       Arbeiterklasse mit  einem selbsternannten  Bourgeois-Parlament zu
       beglücken, dem  diese die  Sorge um ihre politische Leitung über-
       lassen sollte.
       
       "Um eine  heilsame und  wirkliche Macht  zu werden",  heißt es am
       Schlüsse des  Zirkulars, "muß  unsere Liga  der reine  politische
       Ausdruck der  großen ökonomischen  und  sozialen  Interessen  und
       Prinzipien werden,  welche heute  durch die  große Internationale
       Assoziation der  Arbeiter von  Europa und  Amerika  triumphierend
       entwickelt und verbreitet werden."
       
       Der Kongreß  zu Brüssel  wagte es, den Vorschlag der Liga zu ver-
       werfen. Groß  war die Enttäuschung und der Zorn Bakunins. Auf der
       einen Seite entzog sich die Internationale seiner Protektion. Auf
       der anderen  Seite kanzelte ihn der Präsident der Liga, Professor
       Gustav Vogt, derb ab.
       
       "Entweder", schrieb  er an Bakunin, "warst Du des Erfolgs unserer
       Einladung nicht  sicher, dann hast Du unsere Liga kompromittiert;
       oder Du wußtest, welche Überraschung Deine Freunde von der Inter-
       nationale für uns bereithielten, dann hast Du uns auf eine unwür-
       dige Art getäuscht. Ich frage Dich, was wir unserem Kongreß sagen
       sollen?"
       
       Bakunin antwortete  ihm in einem Briefe, der jedem, der ihn hören
       wollte, vorgelesen wurde:
       
       "Ich konnte  nicht voraussehen",  sagte er,  "daß der Kongreß der
       Internationalen uns  mit einer  ebenso plumpen als anmaßenden Be-
       leidigung antworten  würde; wir  danken dieses den Intrigen einer
       gewissen Koterie  von Deutschen,  welche die  Russen verabscheut"
       (er erklärte  seinen Zuhörern  ausdrücklich, daß dieses die Marx-
       sche Koterie  wäre). "Du  fragst mich,  was wir  tun sollen?  Ich
       nehme die  Ehre in  Anspruch, auf  diesen groben Schimpf im Namen
       des Komitees  auf der  Tribüne unseres  Kongresses die Antwort zu
       geben."
       
       Statt Wort  zu halten,  wendete Bakunin seinen Rock. Er legte dem
       Kongreß der  Ligisten zu Bern ein Programm eines Phantasie-Sozia-
       lismus vor,
       -----
       1*) dritter allgemeiner Kongress der IAA 1868
       
       #337# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       worin er  die Gleichmachung der Klassen und Individuen verlangte,
       um so  die Damen der Liga zu übertrumpfen, welche nur die Gleich-
       machung der  Geschlechter verlangen. Von neuem geschlagen, zog er
       sich mit  einer winzigen  Minorität vom  Kongreß zurück und begab
       sich nach Genf. *)
       Die von  Bakunin geträumte  Allianz zwischen Bourgeois und Arbei-
       tern sollte  sich nicht auf eine öffentliche Allianz beschränken.
       Die geheimen  Statuten der Allianz der sozialistischen Demokratie
       (siehe: Beweisstücke  Nr. I 1*)) enthalten Anzeichen, daß Bakunin
       im Schöße  der Liga  selbst den  Grund zu  einer geheimen Gesell-
       schaft gelegt,  der die  Herrschaft über  jene  zufallen  sollte.
       Nicht nur  sind die  Namen der  leitenden Gruppen  identisch  mit
       denen  der   Liga   (permanentes   Zentralkomitee,   Zentralbüro,
       Nationalkomitees), sondern  es wird auch in den geheimen Statuten
       erklärt, daß  die "Gründungsmitglieder  der Allianz  zum  größten
       Teil ehemalige  Mitglieder des  Kongresses zu Bern" 2*) seien. Um
       sich als  Haupt der Internationalen zur Geltung zu bringen, mußte
       er als  Haupt einer  anderen Armee dastehen, deren absolute Erge-
       benheit gegen  seine Person  ihm durch  eine geheime Organisation
       gesichert war.  Hatte er  seine Gesellschaft  einmal offen in die
       Internationale eingepflanzt,  dann rechnete  er darauf,  jene  in
       alle Sektionen  zu verzweigen  und sich  hierdurch deren absolute
       Leitung zu  verschaffen. Zu diesem Zwecke gründete er in Genf die
       (öffentliche) Allianz  der sozialistischen  Demokratie. Äußerlich
       war es  nur eine  öffentliche Gesellschaft,  die freilich, obwohl
       ganz in  der Internationalen aufgegangen, eine besondere interna-
       tionale Organisation,  ein Zentralkomitee, Nationalbüros, und von
       unserer Assoziation unabhängige Sektionen haben sollte; neben un-
       serem jährlichen  Kongreß sollte die Allianz öffentlich den ihri-
       gen abhalten.  Aber diese  öffentliche Allianz  barg in sich eine
       andere, die  ihrerseits durch  die noch geheimere Allianz der in-
       ternationalen Brüder,  der Hundert-Garden  des Diktators Bakunin,
       geleitet wurde.
       Die  geheimen   Statuten  der   "Organisation  der   Allianz  der
       internationalen Brüder"  zeigen, daß  es in  dieser Allianz "drei
       Grade" gibt:  "I. Die  internationalen Brüder; II. Die nationalen
       Brüder; III. Die halbgeheime und halböffentliche Organisation der
       Internationalen Allianz den sozialistischen Demokratie." 3*)
       ---
       *) Unter den  Sezessionisten finden  wir die Namen Albert Richard
       aus Lyon,  gegenwärtig bonapartistischer  Polizeiagent, Gambuzzi,
       Advokat zu  Neapel (siehe  das Kapitel  über Italien), Shukowski,
       später Sekretär  der öffentlichen  Allianz,  und  einen  gewissen
       Büttner, Klempner zu Genf, der gegenwärtig zur ultra-reaktionären
       Partei gehört.
       -----
       1*) Siehe vorl.  Band, S.  458 - 2*) ebenda, S. 459 - 3*) ebenda,
       S. 455/456
       
       #338# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       I. Die internationalen  Brüder, deren  Zahl  sich  auf  "hundert"
       beschränkt, bilden  das heilige Kollegium. Sie stehen unter einem
       Zentralkomitee und  unter Nationalkomitees,  welche als  Vollzie-
       hungsbüros und  als Überwachungskomitees  organisiert sind. Diese
       Komitees selbst  sind vor der "Konstituante" oder der Generalver-
       sammlung von  mindestens zwei Dritteln der internationalen Brüder
       verantwortlich. Diese Allianz-Brüder
       
       "haben kein anderes Vaterland als die allgemeine Revolution, kein
       anderes Ausland  und keinen  anderen Feind  als die Reaktion. Sie
       verwerfen jede  Versöhnungs- und Kompromißpolitik und halten jede
       politische Bewegung  für reaktionär,  die nicht den Triumph ihrer
       Prinzipien zum unmittelbaren und direkten Zweck hat."
       
       Da aber dieser Artikel die politische Tätigkeit der "Hundert" auf
       den jüngsten  Tag hinausschiebt,  und  da  diese  Unversöhnlichen
       nicht vorhaben,  auf die  Vorteile öffentlicher Ämter zu verzich-
       ten, so sagt der Artikel 8:
       
       "Kein Bruder  wird irgendeinen öffentlichen Dienst anders als mit
       Zustimmung des Komitees, zu dem er gehört, übernehmen."
       
       Wenn wir  auf Spanien  und Italien zu sprechen kommen, werden wir
       sehen, wie sehr die Häupter der Allianz sich beeifert haben, die-
       sen Artikel praktisch auszuführen. Die internationalen Brüder
       
       "sind Brüder...  jeder von  ihnen muß  allen anderen heilig sein,
       mehr als  ein Bruder  von Geburt;  jeder Bruder hat auf die Hülfe
       und den  Beistand aller  anderen bis auf die Auslöschung der Mög-
       lichkeit zu rechnen."
       
       Die Affäre  Netschajew wird  uns enthüllen,  was diese geheimnis-
       volle Auslöschung der Möglichkeit bedeutet.
       
       "Alle internationalen  Brüder kennen  einander. Kein  politisches
       Geheimnis darf je unter ihnen existieren. Keiner kann irgendeiner
       geheimen Gesellschaft  angehören ohne  positive Zustimmung seines
       Komitees oder  im Notfall,  wenn dieses es verlangt, ohne die des
       Zentralkomitees, und  er kann ihr nur unter der Bedingung angehö-
       ren, daß  er ihnen  alle Geheimnisse  aufdeckt, welche sie direkt
       oder indirekt interessieren könnten."
       
       Die Piétris  und Stieber  verwenden nur untergeordnete und verlo-
       rene Leute  als Spione, die Allianz aber, indem sie ihre falschen
       Brüder in  die geheimen  Gesellschaften schickt, um deren Geheim-
       nisse zu  verraten, überträgt  die Rolle des Spions denselben 1*)
       Männern, welche  nach ihrem Plan die Leitung der "allgemeinen Re-
       volution" übernehmen sollen. - Im übrigen setzt dieser revolutio-
       näre Pickelhäring  dem Gemeinen  noch die  Krone des Possenhaften
       auf:
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: gerade den
       
       #339# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunuin
       -----
       "Internationaler Bruder kann nur werden, wer offen das ganze Pro-
       gramm in  allen seinen theoretischen und praktischen Konsequenzen
       angenommen hat  und mit der Intelligenz, Energie, Ehrenhaftigkeit
       (!) und  Zuverlässigkeit die revolutionäre Leidenschaft verbindet
       - den Teufel im Leibe hat."
       
       II. Die nationalen  Brüder werden  nach demselben  Plan  von  den
       internationalen Brüdern  in jedem Lande als nationale Assoziation
       organisiert, doch  dürfen sie  in keinem  Falle auch nur die Exi-
       stenz einer internationalen Organisation ahnen.
       III. Die geheime Internationale Allianz der sozialistischen Demo-
       kratie, deren  Mitglieder sich  so ziemlich 1*) überall rekrutie-
       ren, besitzt ein gesetzgebendes Organ in dem permanenten Zentral-
       komitee, welches,  so oft  es zusammentritt, sich in die "Geheime
       Generalversammlung der Allianz" umtauft. Diese Versammlung findet
       einmal jährlich  auf dem  Kongreß der Internationalen statt, oder
       außerordentlich auf  Einberufung durch das Zentralbüro oder viel-
       mehr durch die Genfer Zentralsektion.
       Die Genfer  Zentralsektion ist  "die  permanente  Delegation  des
       permanenten Zentralkomitees"  und "der vollziehende Rat der Alli-
       anz". Sie zerfällt wiederum in zwei Unterabteilungen: Zentralbüro
       und Überwachungskomitee. Das Zentralbüro, aus 3 bis 7 Mitgliedern
       bestehend, ist die eigentliche Exekutivgewalt der Allianz:
       
       "Es erhält von der Genfer Zentralsektion seine Winke und hat sei-
       nerseits seine geheimen Mitteilungen, um nicht zu sagen seine Be-
       fehle, an  alle Nationalkomitees  zu richten, von denen es wenig-
       stens einmal monatlich geheime Berichte zu empfangen hat."
       
       Dieses Zentralkomitee hat das Mittel entdeckt, zugleich Fisch und
       Fleisch, geheim und öffentlich zu sein, denn als Teil
       
       "der geheimen Zentralsektion ist das Zentralbüro eine geheime Or-
       ganisation; ... als öffentliches Direktorium der öffentlichen Al-
       lianz ist es eine öffentliche Organisation".
       
       Man sieht also, daß Bakunin bereits die ganze geheime und öffent-
       liche Direktion  seiner "teuern Allianz" organisiert hatte, bevor
       diese selbst  existierte, und daß die bei irgendeiner Wahl betei-
       ligten Mitglieder  nur die  Marionetten eines  von ihm  gelenkten
       Puppenspiels waren.  Übrigens geniert  er sich  auch nicht, es zu
       sagen, wie'  wir gleich  sehen werden. Die Genfer Zentralsektion,
       deren Aufgabe  es sein sollte, dem Zentralbüro seine Winke zu ge-
       ben, ist  selbst nur eine Komödie, denn ihre Majoritätsbeschlüsse
       2*) sind für das Büro nur obligatorisch, wenn dieses nicht
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe fehlt: so ziemlich - 2*) in der
       französischen Ausgabe:  Beschlüsse, wenn sie auch mit einer Majo-
       rität angenommen sein mochten (statt: Majoritätsbeschlüsse)
       
       #340# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       "in der Mehrheit seiner Mitglieder beschließt, dagegen an die Ge-
       neralversammlung zu  appellieren, die  es dann innerhalb drei Wo-
       chen einzuberufen hat. Eine so einberufene Generalversammlung be-
       darf, um beschlußfähig zu sein, der Anwesenheit von zwei Dritteln
       aller ihrer Mitglieder."
       
       Man siebt, das Zentralbüro hatte sich mit allen konstitutionellen
       Garantien zur Sicherung seiner Unabhängigkeit umgeben.
       Man könnte  die Naivetät  haben zu  glauben, daß  dieses autonome
       Zentralbüro wenigstens  frei gewählt wäre von der Genfer Zentral-
       sektion. Durchaus nicht; das provisorische Zentralbüro ist
       
       "der Genfer  Gründungsgruppe präsentiert  worden als provisorisch
       gewählt von  allen Gründungsmitgliedern  der  Allianz,  die,  zum
       größten Teil  ehemalige Mitglieder  des Kongresses zu Bern, heim-
       gereist sind"  (mit Ausnahme  Bakunins), "nachdem  sie ihre Voll-
       macht an den Bürger Bakunin übertragen".
       
       Die Gründungsmitglieder  der Allianz sind also niemand anders als
       die paar sezessionistischen Bourgeois der Friedensliga.
       Also: das permanente Zentralkomitee, welches sich die konstituie-
       rende und  gesetzgebende Gewalt  über die ganze Allianz angemaßt,
       hatte sich  selbst ernannt.  Die  permanente  Exekutiv-Delegation
       dieses permanenten  Zentralkomitees, die  Genfer  Zentralsektion,
       hatte sich  selbst ernannt,  statt von  diesem Komitee ernannt zu
       sein. Das  vollziehende Zentralbüro dieser Genfer Zentralsektion,
       statt von  dieser gewählt  zu sein, war ihr durch eine Gruppe von
       Individuen aufgedrängt,  welche sämtlich "ihre Vollmachten an den
       Bürger Bakunin übertragen" hatten.
       Also der "Bürger B." ist der Angelpunkt der Allianz. Und um seine
       Funktion als  solcher zu  behaupten, sagen  die geheimen Statuten
       der Allianz buchstäblich:
       
       "Ihre sichtbare  Regierungsform wird die einer Präsidentschaft in
       einer Föderativ-Republik sein" -
       
       eine Präsidentschaft,  für welche  der Präsident  schon im voraus
       existierte, der permanente "Bürger B.".
       Da die  Allianz eine  internationale Gesellschaft ist, so besteht
       in jedem Lande ein Nationalkomitee, das
       
       "von allen  zu derselben  Nation gehörigen Mitgliedern des perma-
       nenten Zentralkomitees"
       
       gebildet wird.
       Zur Konstituierung  eines Nationalkomitees sind nur drei Mitglie-
       der erforderlich.  Um die  Regelmäßigkeit des  bürokratischen In-
       stanzenzugs zu sichern, sollen
       
       #341# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       "die Nationalkomitees als die einzigen Mittelsorgane zwischen dem
       Zentralbüro und allen Lokalgruppen ihres Landes"
       
       dienen. Die Nationalkomitees haben
       
       "für die  Organisation der Allianz in ihrem Lande zu sorgen, doch
       in der Art, daß diese immer durch Mitglieder des permanenten Zen-
       tralkomitees beherrscht und auf den Kongressen vertreten werden".
       
       Das nennt  man in der Allianzsprache: von unten herauf organisie-
       ren. Diese  Lokalgruppen haben  nur das Recht, ihre Programme und
       Reglements an die Nationalkomitees zu bringen, damit sie
       
       "der Bestätigung des Zentralbüros unterbreitet werden; ohne diese
       Bestätigung können  die Lokalgruppen keinen Teil der Allianz bil-
       den".
       
       War diese despotische und hierarchische geheime Organisation ein-
       mal auf  die Internationale  gepfropft, dann brauchte man, um sie
       vollständig zu  machen, nur  noch diese letztere zu desorganisie-
       ren. Zu  diesem Zwecke genügte es, deren Sektionen zu anarchisie-
       ren und  zu autonomisieren,  und ihre  Zentralorgane in  einfache
       Briefkästen, "Korrespondenz- und statistische Büros" umzuwandeln,
       wie dies wirklich später versucht wurde.
       Die revolutionäre  Vergangenheit des permanenten "Bürgers B." war
       nicht ruhmreich  genug, ihm die Hoffnung zu gestatten, in der ge-
       heimen Allianz, und noch weniger in der öffentlichen Allianz, die
       Permanenz der  Diktatur zu verewigen, welche er zu seinen Gunsten
       mit Beschlag  belegt hatte. Er mußte sie also unter demokratisie-
       renden  Spiegelfechtereien   verbergen.  Die   geheimen  Statuten
       schreiben demgemäß  vor, daß das provisorische Zentralbüro (lies:
       der permanente  Bürger) bis  zur ersten  öffentlichen Generalver-
       sammlung der  Allianz zu  funktionieren hat, welche dann die Mit-
       glieder des neuen permanenten Zentralbüros ernennt. Aber,
       
       "da es  dringend notwendig ist, daß das Zentralbüro stets nur aus
       Mitgliedern des permanenten Zentralkomitees bestehe, so wird die-
       ses letztere  vermittelst seiner  Nationalkomitees  dafür  sorgen
       müssen, alle  lokalen Gruppen  so zu  organisieren und zu leiten,
       daß sie  als Delegierte  in diese  Versammlung nur Mitglieder des
       permanenten Zentralkomitees senden, oder in deren Ermangelung nur
       Leute, die  vollständig der Leitung ihrer respektiven Nationalko-
       mitees ergeben  sind, damit  das permanente Zentralkomitee in der
       ganzen Organisation der Allianz stets die Oberhand habe".
       
       Diese Instruktionen  sind nicht von einem bonapartistischen Mini-
       ster oder  Präfekten am  Tage vor den Wahlen gegeben, sondern von
       dem quintessenziierten  Anti-Autoritäts-Mann, von dem Erzanarchi-
       sten, von dem
       
       #342# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Apostel der Organisation von unten herauf, von dem Bayard 1*) der
       Autonomie der  Sektionen und  der 2*)  Föderation  der  autonomen
       Gruppen, von Sankt-Michail Bakunin zum Schutze seiner Permanenz.
       Wir haben  eben die  zur Verewigung der Diktatur des "Bürgers B."
       geschaffene Organisation  3*) geprüft;  wir kommen  jetzt auf ihr
       Programm.
       
       "Die Assoziation  der internationalen Brüder will die allgemeine,
       zu gleicher Zeit soziale, philosophische, ökonomische und politi-
       sche Revolution,  damit von  der gegenwärtigen Ordnung der Dinge,
       begründet wie  sie ist  auf dem  Eigentume, der  Ausbeutung,  der
       Herrschaft und dem Autoritätsprinzip - dasselbe sei religiös oder
       metaphysisch  und  bourgeois-doktrinär,  ja  selbst  jakobinisch-
       revolutionär -,  zunächst in ganz Europa und dann auf der übrigen
       Welt kein  Stein auf dem andern bleibe. Mit dem Rufe: Frieden den
       Arbeitern, Freiheit  den Unterdrückten  und Tod  den  Herrschern,
       Ausbeutern und  Vormündern jeder  Sorte! wollen  wir alle Staaten
       und alle  Kirchen  nebst  allen  ihren  religiösen,  politischen,
       juristischen,  finanziellen,   polizeilichen,  universitätlichen,
       ökonomischen und  sozialen Einrichtungen und Gesetzen vernichten,
       damit alle diese Millionen armen Menschenwesen, welche man bisher
       betrog, knechtete,  marterte, ausbeutete, nunmehr von allen ihren
       offiziellen und offiziösen Lenkern und Wohltätern befreit, Genos-
       senschaften wie Individuen, endlich in vollkommener Freiheit auf-
       atmen."
       
       Das heißt  schon revolutionärer  Revolutionarismus! Um  zu diesem
       Abrakadabra-Ziel zu  gelangen, ist die erste Bedingung nicht etwa
       die, die  bestehenden Staaten und Regierungen mit den bei den ge-
       wöhnlichen Revolutionären  gebräuchlichen Mitteln  zu  bekämpfen,
       sondern im Gegenteil mittelst klingender Doktorphrasen
       
       "die Einrichtung des Staats überhaupt und deren natürliche Konse-
       quenz wie Grundlage, das individuelle Eigentum",
       
       anzugreifen.
       Es handelt  sich also nicht darum, den bonapartistischen, preußi-
       schen oder  russischen Staat  umzustürzen, sondern den abstrakten
       Staat, den  Staat als  solchen, einen  Staat, der  nirgends  exi-
       stiert. Doch  wenn auch  die internationalen Brüder bei ihrem er-
       bitterten Kampf  gegen diesen  in den  Wolken gelegenen  Staat es
       verstehen, den Totschlägern, dem Gefängnis und den Kugeln aus dem
       Wege zu gehen, welche die wirklichen Staaten für die gewöhnlichen
       Revolutionäre aufsparen,  so haben wir zugleich auch gesehen, daß
       sie sich das nur eines päpstlichen Dispenses bedürfende Recht re-
       serviert haben,  von allen Vorteilen Nutzen zu ziehen, welche ih-
       nen die  wirklichen Bourgeois-Staaten  bieten. Fanelli, italieni-
       scher Deputierter,
       -----
       1*) Ritter ohne  Furcht und Tadel - 2*) in der französischen Aus-
       gabe eingefügt:  freien -  3*) in der  französischen Ausgabe: be-
       stimmte geheime Organisation (statt: geschaffene Organisation)
       
       #343# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Soriano, Beamter der Regierung Amadeo von Savoyen, und vielleicht
       auch Albert  Richard und Gaspard Blanc, bonapartistische Polizei-
       agenten, zeigen  uns, wie  kulant der  Papst in  dieser  Hinsicht
       ist... Auch  kümmert sich die Polizei kaum um "die Allianz, oder,
       um offen das Wort zu gebrauchen, die Verschwörung" des Bürgers B.
       gegen den abstrakten Staatsbegriff.
       Der erste  Akt der  Revolution  muß  also  die  Dekretierung  der
       Abschaffung des  Staats sein,  wie es Bakunin am 28. September in
       Lyon getan hat, obwohl diese Abschaffung des Staats notwendig ein
       Autoritätsakt ist. Unter Staat versteht er Jede politische, revo-
       lutionäre oder reaktionäre Gewalt,
       
       "denn es  ist uns  wenig daran  gelegen, ob dieselbe sich Kirche,
       Monarchie,  konstitutioneller  Staat,  Bourgeoisie-Republik  oder
       selbst revolutionäre Diktatur nennt. Wir verabscheuen und verwer-
       fen sie alle aus gleichem Grunde, als unfehlbare Quellen der Aus-
       beutung und des Despotismus."
       
       Ja, er  erklärt, daß  alle Revolutionäre, welche am Tage nach der
       Revolution "den  Aufbau des  revolutionären Staates" wollen, noch
       viel gefährlicher sind als alle bestehenden Regierungen, und daß
       
       "wir, die  internationalen Brüder,  die natürlichen Feinde dieser
       Revolutionäre sind",
       
       denn es ist die erste Pflicht der internationalen Brüder, die Re-
       volution zu desorganisieren.
       Die Antwort  auf diese  Aufschneidereien über  die sofortige  Ab-
       schaffung des  Staates und  über die Gründung der Anarchie findet
       man bereits  in dem  vertraulichen Zirkular  des letzten General-
       rats: "Les  prétendues scissions  dans l'Internationale" (Die an-
       geblichen Spaltungen  in der Internationale) vom März 1872, Seite
       37   1*): "Die Anarchie, das ist das große Paradepferd ihres Mei-
       sters Bakunin,  der von  allen sozialistischen  Systemen nur  die
       Aufschriften aufgenommen  hat. Alle  Sozialisten verstehen  unter
       Anarchie dieses: ist einmal das Ziel der proletarischen Bewegung,
       die Abschaffung der Klassen, erreicht, so verschwindet die Gewalt
       des Staates,  welche dazu dient, die große produzierende Mehrheit
       unter dem  Joche einer  wenig zahlreichen ausbeutenden Minderheit
       zu erhalten, und die Regierungsfunktionen verwandeln sich in ein-
       fache Verwaltungsfunktionen.  Die Allianz greift die Sache am um-
       gekehrten Ende an. Sie proklamiert die Anarchie in den Reihen der
       Proletarier als  das unfehlbarste  Mittel, die gewaltigen, in den
       Händen der  Ausbeuter konzentrierten gesellschaftlichen und poli-
       tischen Machtmittel  zu brechen.  Unter diesem  Vorwände verlangt
       sie von der Internationalen in demselben Augenblick, wo die alte
       -----
       1*) Siehe vorl. Band, S. 50
       
       #344# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Welt sie zu zermalmen strebt, daß sie ihre Organisation durch die
       Anarchie ersetze."
       Doch verfolgen  wir das  anarchistische Evangelium  bis in  seine
       Konsequenzen; nehmen wir an, der Staat sei durch ein Dekret abge-
       schafft. Nach  Artikel 6  1*) werden die Konsequenzen dieses Akts
       sein: der Staatsbankerott, das Aufhören der Bezahlung von Privat-
       schulden vermöge  der Einmischung des Staates, das Aufhören jeder
       Steuerzahlung und  Abgabenleistung, die Auflösung des Heeres, der
       Magistratur, der  Bürokratie, der  Polizei und  der Priester 2*),
       die Abschaffung  der amtlichen  Rechtspflege, begleitet von einem
       Autodafé aller Eigentumstitel, der gesamten juridischen und zivi-
       len Akten-Makulatur,  die Konfiskation  aller produktiven Kapita-
       lien und Arbeitswerkzeuge zugunsten der Arbeitergenossenschaften,
       und die Allianz dieser Genossenschaften, welche "die Kommune kon-
       stituieren wird".  Diese Kommune  wird den so Beraubten genau das
       Notwendige geben,  indem sie  ihnen freistellt, durch ihre eigene
       Arbeit mehr zu erwerben.
       Die Tatsache  hat es in Lyon bewiesen, daß die einfache Dekretie-
       rung der  Abschaffung des  Staates lange nicht hinreicht, um alle
       diese schönen  Versprechungen zu  erfüllen. Zwei  Kompanien Bour-
       geois-Nationalgarden genügten  im Gegenteil, um diesen glänzenden
       Traum zu vernichten und Bakunin in aller Eile auf den Marsch nach
       Genf zu  bringen, das  wundertätige Dekret  in der  Tasche.  Auch
       konnte er  bei seinen  Anhängern nicht hinreichende Dummheit vor-
       aussetzen, um nicht die Notwendigkeit einzusehen, ihnen irgendei-
       nen Organisationsplan zu geben, der die Ausführung seines Dekrets
       sicherstellen sollte. Dieser Plan ist folgender:
       
       "Zur Organisation  der Kommune: eine Föderation der Barrikaden in
       Permanenz und  die Einsetzung  eines Rats der revolutionären Kom-
       mune durch  Delegation von  einem oder zwei Abgeordneten für jede
       Barrikade, einem  für die  Straße oder  für den Bezirk; die Depu-
       tierten  sind   mit  imperativen   Mandaten  versehen  und  stets
       verantwortlich sowie  jederzeit widerrufbar"  (es  sind  drollige
       Dinger, diese Allianzbarrikaden, auf denen man Mandate redigiert,
       statt sich  zu schlagen).  "Der so  organisierte Kommunalrat kann
       aus seiner  Mitte für  jeden Zweig  der revolutionären Verwaltung
       der Kommune besondere Vollziehungsausschüsse wählen." 3*)
       
       Die so  als Kommune  konstituierte insurgierte Hauptstadt erklärt
       dann den anderen Kommunen des Landes, daß sie jedem Anspruch, sie
       zu regieren,  entsage; sie  fordert sie auf, sich revolutionär zu
       reorganisieren und  sodann ihre  verantwortlichen,  widerrufbaren
       und mit imperativen Mandaten
       -----
       1*) Siehe vorl.  Band, S.  465 - 2*) in der französischen Ausgabe
       eingefügt: (!) - 3*) vgl. vorl. Band, S. 465
       
       #345# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über Bakunin
       -----
       versehenen Delegierten  an einen  verabredeten Versammlungsort zu
       senden, um  die Föderation der insurgierten Assoziationen, Kommu-
       nen und  Provinzen zu konstituieren und eine Revolutionsgewalt zu
       organisieren, stark  genug, um über die Reaktion zu triumphieren.
       Diese Organisation  wird sich  nicht auf  die Kommunen des insur-
       gierten Landes  beschränken, auch  andere Provinzen  oder  Länder
       können an ihr teilnehmen, während
       
       "die Provinzen,  Kommunen, Genossenschaften,  Individuen,  welche
       die Partei der Reaktion ergreifen, ausgeschlossen bleiben".
       Die Abschaffung  der Grenzen  hält hier also gleichen Schritt mit
       der nachsichtigsten  Duldsamkeit gegenüber  den reaktionären Pro-
       vinzen, die  nicht unterlassen werden, den Bürgerkrieg wieder an-
       zufachen.
       Wir haben  also in dieser anarchischen Organisation der Tribunen-
       Barrikaden  zunächst  den  Kommunalrat,  sodann  Vollziehungsaus-
       schüsse, die,  um irgend etwas vollziehen zu können, doch mit ir-
       gendeiner Macht  versehen und  von der öffentlichen Gewalt unter-
       stützt sein müssen; wir haben ferner ein ganzes Föderalparlament,
       dessen Hauptaufgabe es sein wird, diese öffentliche Gewalt zu or-
       ganisieren. Dieses  Parlament, ebenso  wie der  Kommunalrat, kann
       1*) die  Exekutivgewalt auf ein oder mehrere Komitees übertragen,
       die durch  diese Tatsache  selbst mit  einem  Autoritätscharakter
       versehen sind,  den die  Bedürfnisse  des  Kampfes  schärfer  und
       schärfer werden hervortreten lassen. Wir haben also alle Elemente
       des "Autoritätsstaates"  aufs schönste wieder hergestellt, und es
       macht nichts aus, wenn wir diese Maschine "von unten herauf orga-
       nisierte revolutionäre Kommune" nennen. Der Name ändert nichts an
       der Sache;  die Organisation  von unten herauf existiert in jeder
       Bourgeois-Republik und die imperativen Mandate datieren sogar aus
       dem Mittelalter. Übrigens erkennt Bakunin dies selbst an, wenn er
       (Art. 8  2*)) seiner Organisation den Namen des "neuen revolutio-
       nären Staates" beilegt.
       Was den  praktischen Wert  dieses neuen 3*) Revolutionsplanes an-
       langt, wo  man diskutiert,  statt sich  zu schlagen, so verlieren
       wir darüber kein Wort.
       Jetzt kommen  wir aber  an das Geheimnis all dieser Zauberbüchsen
       der Allianz  mit doppeltem und dreifachem Boden. Damit das ortho-
       doxe Programm  auch befolgt werde und die Anarchie sich stets ei-
       ner guten Aufführung befleißige,
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe:  müßte - 2*) siehe vorl. Band,
       S. 466 - 3*) in der französischen Ausgabe fehlt: neuen
       
       #346# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       "ist es  notwendig, daß  inmitten der  Volksanarchie, welche eben
       das Leben  und die  ganze Kraft  der Revolution  bilden wird, die
       Einheit des  Gedankens und  des revolutionären Handelns ein Organ
       finde. Dieses  Organ soll die geheime und universelle Assoziation
       der internationalen Brüder sein."
       "Diese Assoziation geht von der Überzeugung aus, daß Revolutionen
       niemals gemacht  werden, weder  von Individuen, noch von geheimen
       Gesellschaften: Sie  machen sich  wie von selbst, durch die Macht
       der Dinge,  durch die  Bewegung der Ereignisse und der Tatsachen.
       Lange bereiten sie sich vor in der Tiefe des instinktiven Bewußt-
       seins der Volksmassen, dann kommen sie zum Ausbruch... Alles, was
       eine gut  organisierte geheime  Gesellschaft  tun  kann,  besteht
       zunächst darin,  daß sie  die Geburt  einer Revolution befördert,
       indem sie  in den  Massen die den Masseninstinkten entsprechenden
       Ideen verbreitet,  und daß  sie, nicht die Revolutionsarmee - die
       Armee muß  immer das  Volk sein" (das Kanonenfutter) "ð wohl aber
       einen revolutionären  Generalstab organisiert, der aus ergebenen,
       energischen, intelligenten  Individuen und  vor  allem  aus  auf-
       richtigen und  nicht ehrgeizigen  oder eitlen Freunden des Volkes
       besteht, die die Fähigkeit besitzen, als Vermittler zwischen der"
       (von ihnen monopolisierten) "revolutionären Idee und den Volksin-
       stinkten zu dienen."
       "Die Zahl  dieser Individuen  darf also nicht sehr groß sein. Für
       die internationale  Organisation in  ganz Europa  genügen hundert
       fest und ernst verbündete Revolutionäre. Zwei-, dreihundert Revo-
       lutionäre werden  für die  Organisation des  größten Landes genü-
       gen." 1*)
       
       So zeigt  sich uns auf einmal ein anderes Bild. Die Anarchie, das
       "entfesselte Volksleben", die "bösen Leidenschaften" usw. reichen
       nicht mehr  aus. Um  den Erfolg der Revolution zu sichern, bedarf
       es der  Einheit des Gedankens und des Handelns. Die Internationa-
       len suchen  diese Einheit  zu schaffen  durch die Propaganda, die
       Diskussion und die öffentliche Organisation des Proletariats; Ba-
       kunin braucht  dazu bloß  eine geheime  Organisation von  hundert
       Mann, den  privilegierten  Vertretern  der  revolutionären  Idee;
       einen disponiblen,  selbsternannten und  vom permanenten  "Bürger
       B." kommandierten  Revolutionsgeneralstab. Einheit  des Gedankens
       und des  Handelns heißt  weiter nichts als Orthodoxie und blinder
       Gehorsam. Perinde  ac cadaver. 2*) Wir befinden uns mitten in der
       Gesellschaft Jesu.
       Der Ausspruch,  daß die  hundert internationalen Brüder "als Ver-
       mittler zwischen  der revolutionären Idee und den Volksinstinkten
       dienen" müssen,  schafft eine  unübersteigbare Kluft zwischen der
       revolutionären Idee  der Allianz  und den  Proletariermassen.  Er
       proklamiert die  Unmöglichkeit, diese  Hundert-Garden  anderwärts
       anzuwerben als aus den privilegierten Klassen.
       -----
       1*) Siehe vorl. Band, S. 466/467 - 2*) Wie eine Leiche. (So wurde
       von Loyola  eins der  Prinzipien der Jesuiten formuliert, das den
       blinden Gehorsam der jüngeren Mitglieder des Ordens gegenüber den
       älteren vorschrieb.)
       
       #347#
       -----
       III
       
       Die Allianz in der Schweiz
       
       Die Allianz  ist wie Falstaff, sie weiß, daß Vorsicht der bessere
       Teil der Tapferkeit ist. Und so hindert der "Teufel im Leibe" die
       internationalen Brüder  durchaus nicht,  sich demütig vor der be-
       stehenden Staatsmacht  zu beugen,  während sie zugleich energisch
       gegen den  Staatsbegriff protestieren;  ihre Angriffe richten sie
       jedoch ausschließlich  gegen die  Internationale. Zuerst  wollten
       sie sie  beherrschen; als dies ihnen mißlang, versuchten sie, sie
       zu desorganisieren.  Wir werden  jetzt ihre Tätigkeit in den ver-
       schiedenen Ländern darlegen.
       Die internationalen Brüder waren nur ein Generalstab zur Disposi-
       tion; was ihnen fehlte, war eine Armee. Die Internationale schien
       ihnen zu diesem Zwecke geschaffen und in die Welt gesetzt. Um das
       Kommando dieser Armee übernehmen zu können, galt es die öffentli-
       che Allianz  in sie  einzunisten. Befürchtend,  daß  diese  ihrer
       Würde vergäbe,  wenn sie  beim Generalrat  ihre  Zulassung  bean-
       tragte, und  dadurch dessen  Befugnisse anerkannt  hätte, wandten
       sie sich wiederholt aber vergeblich an den Belgischen und den Pa-
       riser Föderalrat.  Die wiederholten  Zurückweisungen zwangen  die
       Allianz, am  15. Dezember  1868 beim  Generalrat ihre Aufnahme zu
       beantragen. Sie  sandte ihre  Statuten und  ihr Programm ein, die
       offen ihre Absicht aussprachen. (Beweisstücke Nr. 2  1*).) Obwohl
       sich die Allianz als "vollständig in der Internationale aufgegan-
       gen" erklärte,  beanspruchte sie doch, in deren Schoß eine zweite
       internationale Körperschaft  zu bilden.  Neben dem durch die Kon-
       gresse gewählten  Generalrat der  Internationalen gab  es da  ein
       selbsternanntes, in Genf tagendes Zentralkomitee der Allianz; ne-
       ben den Lokalgruppen der Internationalen bestanden die Lokalgrup-
       pen der Allianz, die vermittelst ihrer, außerhalb den Nationalbü-
       ros der Internationalen funktionierenden Nationalbüros "beim Zen-
       tralbüro der Allianz
       -----
       1*) Siehe vorl. Band, S. 467-469
       
       #348# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       ihre Aufnahme in die Internationale Arbeiter-Assoziation zu bean-
       tragen haben".  1*) Das  Zentralbüro der  Allianz maßte sich also
       das Recht  an, in  die Internationale aufzunehmen. Neben den Kon-
       gressen der  Internationalen sollten  die Kongresse  der  Allianz
       stattfinden, denn  "bei den  jährlichen Arbeiterkongressen" bean-
       spruchte "die Delegation der Allianz... ihre öffentlichen Sitzun-
       gen in einem besonderen Lokale zu halten".
       Am 22. Dezember erklärte der Generalrat (in einem in dem Zirkular
       "Les prétendues scissions dans l'Internationale", Seite 7, veröf-
       fentlichten Briefe  2*)) diese  Ansprüche in  schlagendem  Wider-
       spruch mit  den Statuten der Internationalen und wies kurzweg die
       Aufnahme der  Allianz zurück.  Einige Monate  später wandte  sich
       diese von  neuem an  den Generalrat  und fragte  an, ob  er  ihre
       Grundsätze anerkenne  oder nicht.  Im erstem  Falle erklärte  sie
       sich bereit,  sich in  einfache internationale Sektionen aufzulö-
       sen. Der  Generalrat antwortete  hierauf am  9. März 1869 (siehe:
       "Les Erétendues  scissions", Seite  8   3*)), daß  es über  seine
       Amtsbefugnisse hinausgebe,  sich über den wissenschaftlichen Wert
       des Programms  der Allianz auszusprechen, und daß, wenn man statt
       "Gleichmachung der Klassen" "Abschaffung der Klassen" setzte, der
       Umwandlung der Sektionen der Allianz in Sektionen der Internatio-
       nalen kein  Hindernis im  Wege stehe.  Er fügte  hinzu: "Wenn die
       Auflösung der  Allianz und  der Eintritt der Sektionen in die In-
       ternationale endgültig  beschlossen wären, so würde es nach unse-
       ren Verwaltungsverordnungen  notwendig werden, den Generalrat von
       dem Ort  und der Mitgliederzahl jeder neuen Sektion zu unterrich-
       ten."
       Am 22.  Juni 1869 zeigte die Genfer Sektion der Allianz dem Gene-
       ralrat die erfolgte Auflösung der Internationalen Allianz der so-
       zialistischen Demokratie  an, deren sämtliche Sektionen aufgefor-
       dert seien,  "sich in internationale Sektionen umzuwandeln". Nach
       dieser ausdrücklichen Erklärung, und im Irrtum gehalten durch ei-
       nige Unterschriften  des Programms,  welche voraussetzen  ließen,
       daß die  Sektion vom  Romanischen Föderalkomitee  anerkannt  sei,
       nahm der Generalrat sie auf. Wir müssen hinzufügen, daß keine der
       angenommenen Bedingungen jemals erfüllt worden ist. Im Gegenteil:
       die hinter  der öffentlichen Allianz verborgene geheime Organisa-
       tion trat  mit diesem  Augenblick erst in volle Tätigkeit. Hinter
       der Genfer  internationalen Sektion stand das Zentralbüro der ge-
       heimen Allianz,  hinter den  internationalen Sektionen zu Neapel,
       Barcelona, Lyon,  im Jura die geheimen Sektionen der Allianz. Ge-
       stützt auf diese Freimaurerei, deren Existenz nicht einmal geahnt
       wurde, weder von der Masse der Internationalen, noch
       -----
       1*) Siehe vorl. Band, S. 469 - 2*) ebenda, S. 12/13 - 3*) ebenda,
       S. 14/15
       
       #349# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       von ihren  Verwaltungszentren, hoffte Bakunin, auf dem Kongreß zu
       Basel im  September 1869  sich der Leitung der Internationalen zu
       bemächtigen. Auf diesem Kongreß war die geheime Allianz, dank den
       von ihr  angewandten, nicht  gerade loyalen Mitteln, durch minde-
       stens zehn  Delegierte vertreten, unter ihnen der bekannte Albert
       Richard und  Bakunin selbst. Sie hatte eine Anzahl Blanko-Mandate
       mitgebracht, von  denen man  aus Mangel  an zuverlässigen  Leuten
       keinen Gebrauch machen konnte, obwohl man sie Baseler Internatio-
       nalen anbot.  Trotzdem reichte diese Anzahl nicht einmal hin, von
       dem Kongreß  die Abschaffung  des Erbrechts sanktionieren zu las-
       sen, diese  alte Saint-Simonsche  Schrulle,  welche  Bakunin  zum
       praktischen Ausgangspunkte  des Sozialismus  machen wollte [280];
       noch weniger  konnte man  dem Kongreß  die von  Bakunin erstrebte
       Verlegung des Generalrats von London nach Genf aufzwingen.
       Indessen herrschte  in Genf  offener Krieg zwischen dem durch die
       fast einmütige  Haltung der  Genfer Internationalen unterstützten
       Romanischen Föderalkomitee  und der  Allianz. Letztere  hatte  zu
       Verbündeten in  diesem Kampf  den von James Guillaume redigierten
       "Progrès" in  Locle und  die Genfer  "Égalité", die, obwohl offi-
       zielles Organ  des Romanischen  Föderalkomitees, durch ein in der
       Majorität allianzistisches  Komitee redigiert wurde und bei jeder
       Gelegenheit das  Romanische  Föderalkomitee  angriff.  Das  große
       Ziel, die  Verlegung des  Sitzes des Generalrats nach Genf, nicht
       aus dem  Auge verlierend,  eröffnete die  Redaktion der "Égalité"
       einen Feldzug  gegen den  bestehenden Generalrat und forderte den
       Pariser -  Travail" auf,  sie zu unterstützen. Der Generalrat er-
       klärte in  seinem Zirkular vom 1. Januar 1870 [281], daß er keine
       Polemik gegen Journale führe. Inzwischen hatte das Romanische Fö-
       deralkomitee bereits  die Leute von der Allianz aus der Redaktion
       der "Égalité" entfernt.
       Zu dieser  Zeit hatte  die Sekte  noch nicht ihre Antiautoritäts-
       Maske vorgenommen. Da sie glaubte, sich des Generalrats bemächti-
       gen zu  können, war sie zuerst bei der Hand, auf dem Baseler Kon-
       greß die  Verwaltungsverordnungen zu  beantragen und aufzusetzen,
       welche dem Generalrate dieselben "Autoritätsbefugnisse" (pouvoirs
       autoritaires) einräumten,  die sie  selbst zwei  Jahre später  so
       heftig angriff.  Nichts zeichnet  besser die Vorstellung, die sie
       damals von  der Autoritätsrolle  des Generalrats  hatte, als  der
       folgende Auszug aus dem von James Guillaume redigierten "Progrès"
       von Locle vom 4. Dezember 1869, gelegentlich des Streits zwischen
       dem "Social-Demokrat" [282] und dem "Volksstaat":
       
       "Es scheint uns Pflicht des Generalrats unserer Genossenschaft zu
       sein, einzuschreiten,  eine Untersuchung  über  die  Vorgänge  in
       Deutschland zu eröffnen, sich zwischen
       
       #350# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Schweitzer und  Liebknecht zu erklären und hierdurch der Ungewiß-
       heit ein  Ende zu  machen, in  welche uns  diese befremdende Lage
       versetzt."
       Sollte man  es glauben,  daß dies  derselbe Guillaume ist, der am
       12. November  1871 in dem Zirkular von Sonvillier demselben, frü-
       her zu wenig Autorität übenden Generalrat den Vorwurf machte, daß
       er "das  Autoritätsprinzip in  die Internationale  habe einführen
       wollen"!
       Die Zeitschriften  der Allianz, nicht zufrieden damit, ihr beson-
       deres Programm  zu verbreiten,  was  ihnen  niemand  übelgenommen
       hätte, hatten  von vornherein  alles aufgeboten, eine wohlberech-
       nete Verwirrung zwischen ihrem Programm und dem der Internationa-
       len zu schaffen und aufrechtzuhalten. Dies wiederholte sich über-
       all, wo  die Allianz  über eine Zeitschrift verfügte oder an der-
       selben mitarbeitete, in Spanien, in der Schweiz, in Italien; aber
       erst in  ihren russischen  Veröffentlichungen gelangte das System
       zu seiner Vollkommenheit.
       Die Sekte  führte ihren großen Schlag auf dem Kongreß der Romani-
       schen Föderation  zu La  Chaux-de-Fonds (4.  April 1870). Es han-
       delte sich darum, die Genfer Sektionen zu zwingen, die Genfer öf-
       fentliche Allianz als einen Teil der Föderation anzuerkennen, und
       das Föderalkomitee und sein Organ nach einem Orte im Jura zu ver-
       legen, wo die geheime Allianz Meister war.
       Bei Eröffnung  des  Kongresses  verlangten  zwei  Delegierte  der
       "Sektion der  Allianz" ihre Zulassung. Die Genfer Delegierten be-
       antragten, diese  Angelegenheit auf den letzten Teil des Kongres-
       ses zu verweisen und sofort in die Beratung des Programms zu tre-
       ten, weil dies weit wichtiger sei. Sie erklärten, daß ihr impera-
       tives Mandat  ihnen vorschreibe,  sich eher  zurückzuziehen,  als
       jene Sektion  in ihrer Gruppe zuzulassen, "in Ansehung der Intri-
       gen und  Herrschaftsgelüste der  Leute von der Allianz; man würde
       die Spaltung in der romanischen Sektion beschließen, wenn man die
       Zulassung der Allianz beschlösse".
       Aber die  Allianz wollte  sich diese  Gelegenheit nicht  entgehen
       lassen. Die Nähe ihrer kleinen Sektionen im Jura hatte es ihr er-
       möglicht, sich  eine kleine  scheinbare Majorität zu verschaffen,
       da Genf  und die  großen Zentren  der  Internationalen  nur  sehr
       schwach vertreten waren. Auf Andringen Guillaumes und Schwitzgué-
       bels wurde  sie mit  einer angefochtenen Majorität von einer oder
       zwei Stimmen  zugelassen. Die Genfer Delegierten befragten sofort
       alle Sektionen  telegraphisch und erhielten den Auftrag, sich vom
       Kongreß zurückzuziehen.  Da die  Internationalen von La Chaux-de-
       Fonds die  Genfer unterstützten, mußten die Allianzisten das Kon-
       greßlokal verlassen,  das den Sektionen des Ortes gehörte. Obwohl
       sie nach ihrem
       
       #351# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       eigenen Organ  (siehe die  "Solidarité" vom 7. Mai 1870) nur fünf
       zehn Sektionen repräsentierten, während Genf allein deren dreißig
       hatte, maßten sie sich den Titel eines romanischen Kongresses an,
       ernannten ein  neues Romanisches  Föderalkomitee, in welchem Che-
       valley und  Cognon *)  glänzten, und  erhoben  die  Guillaumesche
       "Solidarité" zum  Organ der Romanischen Föderation. Was Guillaume
       anbetrifft, so hatte dieser junge Schulmeister die besondere Auf-
       gabe, die Genfer "Fabrikarbeiter" [30], diese "scheußlichen Bour-
       geois", zu  verschreien, die "Égalité", das Blatt der Romanischen
       Föderation, zu  bekämpfen und absolute Enthaltung auf politischem
       Gebiete zu  predigen. Die  hervorstechendsten Artikel über diesen
       letzten Gegenstand rührten her von Bastelica in Marseille und von
       den beiden  Hauptsäulen der  Allianz in  Lyon, Albert Richard und
       Gaspard Blanc.
       Die augenblickliche  und gefälschte Mehrheit des Kongresses zu La
       Chaux-de-Fonds hatte übrigens mit offener Verletzung der Statuten
       der Romanischen  Föderation gehandelt,  die sie zu repräsentieren
       vorgab, und  man muß hierbei nicht vergessen, daß die Häupter der
       Allianz einen bedeutenden Anteil an der Abfassung dieser Statuten
       gehabt hatten. [283] Laut Art. 53 und 55 mußte jede wichtige Ent-
       scheidung des  Kongresses, um  Gesetzeskraft zu erhalten, die Zu-
       stimmung von  zwei Dritteln  der föderierten Sektionen haben. Nun
       bildeten die  Sektionen von  Genf und La Chaux-de-Fonds, die sich
       gegen die  Allianz ausgesprochen hatten, allein über zwei Drittel
       der Gesamtzahl. In zwei großen Generalversammlungen billigten die
       Genfer Internationalen  fast einstimmig, trotz der Opposition Ba-
       kunins und  seiner Freunde,  das Auftreten ihrer Delegierten, die
       unter allgemeinem  Beifall der  Allianz vorschlugen,  für sich zu
       bleiben und  von ihrem  Verlangen, in  die Romanische  Föderation
       einzutreten, abzustehen; um diesen Preis wäre die Aussöhnung fer-
       tig. Später  schlugen einige  enttäuschte Mitglieder  der Allianz
       deren Auflösung vor, aber Bakunin und seine Anhänger widersetzten
       sich dem aus allen Kräften. Die Allianz hielt ihren Anspruch auf-
       recht, unter allen Umständen der Romanischen Föderation anzugehö-
       ren, und  dieser blieb  nichts übrig, als Bakunin und die anderen
       Hauptführer aus ihrer Mitte auszustoßen.
       Es gab also nun zwei Romanische Föderalkomitees, eins in Genf und
       eins in  La Chaux-de-Fonds.  Die ungeheure Mehrheit der Sektionen
       blieb dem
       ---
       *) Zwei Monate  später bezeichnet  das Organ  dieses selben Komi-
       tees, die  "Solidarité" vom  9. Juli, diese beiden Individuen als
       Diebe. Sie  hatten wirklich eine Probe ihres anarchischen Revolu-
       tionarismus abgelegt,  indem sie  die kooperative  Genossenschaft
       der Schneider zu La Chaux-de-Fonds bestahlen.
       
       #352# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       ersteren treu,  während dem  anderen nur fünfzehn Sektionen folg-
       ten, von  denen viele, wie wir später sehen werden, eine nach der
       anderen eingingen.
       Kaum war der romanische Kongreß geschlossen, als das neue Komitee
       zu La  Chaux-de-Fonds in  einem "F.  Robert, Sekretär,  und Henri
       Chevalley, Präsident"  (siehe die vorige Anmerkung) unterzeichne-
       ten Briefe  an die Intervention des Generalrats appellierten. Der
       Generalrat prüfte  die Beweisstücke  beider Parteien und beschloß
       dann am  28. Juni  1870, das  Genfer Komitee in seinen bisherigen
       Funktionen aufrechtzuhalten  und das  neue Föderalkomitee  von La
       Chaux-de-Fonds  aufzufordern,   einen  lokalen  Namen  anzunehmen
       [284]. Gegenüber  dieser Entscheidung,  welche seinen Wünschen so
       wenig entsprach,  zeterte nun  das Komitee  zu La  Chaux-de-Fonds
       über den  Autoritarismus des Generalrats, wobei es vergaß, daß es
       selbst zuerst  seine Intervention verlangt hatte. Die Hartnäckig-
       keit, mit  der das  Komitee zu  La Chaux-de-Fonds sich den Namen:
       Romanisches Föderalkomitee  anmaßte, brachte in der Schweizer Fö-
       deration solche  Störungen hervor,  daß der  Generalrat  genötigt
       wurde, jede Beziehung mit demselben abzubrechen.
       Am 4. September 1870 wurde die Republik in Paris proklamiert. Die
       Allianz glaubte,  die Stunde  habe geschlagen, um "die revolutio-
       näre Hydra  in der  Schweiz zu entfesseln" (Guillaumescher Stil).
       Die "Solidarité"  ließ ein  Manifest los, welches die Bildung von
       schweizerischen Freikorps gegen die Preußen verlangte. Dieses Ma-
       nifest war  jedoch, wenn  wir  dem  Pädagogen  Guillaume  Glauben
       schenken wollen,  um "in keiner Weise anonym" zu sein, "nicht un-
       terzeichnet". Leider  verdampfte die  ganze kriegerische Glut der
       Allianz mit  der Beschlagnahme  des Blattes  und des  Manifestes.
       Aber ich,  rief der  stürmische Guillaume aus, der "seine Haut zu
       Markte zu  tragen" brannte, "ich blieb auf meinem Posten - in der
       Druckerei der Zeitung" ("Jura-Bulletin", 15.Juni 1872).
       Die revolutionäre  Bewegung zu  Lyon  war  ausgebrochen.  Bakunin
       stürzt hin,  seinem Lieutenant Albert Richard und seinen Unterof-
       fizieren Bastelica  und Gaspard  Blanc zu  Hülfe kommend.  Am 28.
       September, dem  Tage seiner  Ankunft, hatte  das  Volk  sich  des
       Stadthauses bemächtigt.  Bakunin nahm Posto darin: der kritische,
       der lange Jahre hindurch erwartete Moment war endlich da, an wel-
       chem Bakunin  den revolutionärsten Akt vollziehen konnte, den die
       Welt jemals gesehen - er dekretierte die Abschaffung des Staates.
       Aber der  Staat, in der Form und Gestalt von zwei Kompanien Bour-
       geois-Nationalgarden, drang  ein durch  einen Eingang, den zu be-
       setzen man vergessen hatte, fegte den Saal aus und schickte Baku-
       nin eiligst auf den Weg nach Genf.
       
       #353# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       In demselben  Augenblick, wo der kriegerische Guillaume "auf sei-
       nem Posten"  die September-Republik  verteidigte, flüchtete  sein
       getreuer Achates  Robin vor  dieser Republik  nach London. Obwohl
       der Generalrat wußte, daß er einer der eingefleischtesten Partei-
       gänger der  Allianz und noch mehr, der Verfasser der gegen ihn in
       der "+galité"  geschleuderten Angriffe  war, nahm er ihn dennoch,
       trotz der  Berichte der  Sektionen zu Brest über Robins wenig mu-
       tige Haltung, wegen der Abwesenheit seiner französischen Mitglie-
       der in seine Mitte auf. Von diesem Augenblick fungierte Robin da-
       selbst ununterbrochen  als offiziöser  Korrespondent des Komitees
       zu La  Chaux-de-Fonds. Am 14. März 1871 schlug er die Einberufung
       einer vertraulichen  Konferenz der Internationalen zur Erledigung
       des Schweizer  Streites vor.  Der Generalrat,  voraussehend,  daß
       große Ereignisse  sich in  Paris vorbereiteten,  wies diesen Vor-
       schlag kurzweg  ab. Robin wiederholte seine Versuche mehrmals und
       machte endlich sogar den Vorschlag, der Generalrat solle über die
       Streitfrage endgültig  entscheiden. Am 25. Juli entschied der Ge-
       neralrat, daß  diese Angelegenheit  der für  den Monat  September
       1871 einzuberufenden Konferenz mit unterbreitet werden solle.
       Am 10. August erklärte die Allianz, nicht sehr begierig, ihre Um-
       triebe von  einer Konferenz in Untersuchung gezogen zu sehen, daß
       sie seit  dem 6. desselben Monats aufgelöst sei. Indes, verstärkt
       durch einige  französische Flüchtlinge,  erschien sie  bald unter
       anderen Namen  wieder; so  als Sektion der sozialistischen Athei-
       sten und  Sektion der  revolutionären sozialistischen  Propaganda
       und Aktion.  Gemäß der Resolution V [285] des Kongresses zu Basel
       und in  Übereinstimmung mit  dem Romanischen  Föderalkomitee wei-
       gerte sich  der Generalrat, diese Sektionen, bloße neue Intrigen-
       herde, anzuerkennen.
       Die Londoner  Konferenz (September 1871) bestätigte gegenüber den
       Jura-Dissidenten die  Entscheidung des  Generalrats vom  28. Juni
       1870.
       Nach Eingang  der "Solidarité"  gründeten die  neuen Anhänger der
       Allianz die  "Revolution Sociale", an der Frau André Léo schrieb,
       dieselbe, die  auf dem  Kongreß der  Friedensliga zu Lausanne er-
       klärt hatte,  zu der  Zeit, wo  Ferré im Gefängnis die Stunde für
       den Gang nach Satory erwartete, daß
       
       "Raoul Rigault  und Ferré die beiden finsteren Gestalten der Kom-
       mune wären,  welche bis  dahin" (bis zur Hinrichtung der Geiseln)
       "ohne Unterlaß,  doch immer vergebens, blutige Maßregeln verlangt
       hätten".
       
       Von seiner  ersten Nummer  an bemühte sich dieses Blatt, sich auf
       gleiche Stufe  mit dem  "Figaro", "Gaulois",  "Paris-Journal" und
       anderen
       
       #354# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Schmutzblättern zu  stellen, deren infame Verleumdungen gegen den
       Generalrat es  neu auflegte.  Der Augenblick  schien ihm günstig,
       innerhalb der  Internationalen selbst die Flamme des Nationalhas-
       ses zu  entzünden. Nach  ihm war der Generalrat nur ein deutsches
       Komitee, geleitet von einem bismarckschen Gehirn.
       Die Konferenz hatte durch ihre drei Resolutionen über den Schwei-
       zer Streit,  über die  politische Haltung  der Arbeiterklasse und
       über die  öffentliche Desavouierung  Netschajews die  Allianz ins
       Herz getroffen.  [286] Der erste Beschluß richtete einen direkten
       Tadel gegen  das pseudo-romanische  Komitee zu  La Chaux-de-Fonds
       und billigte das Verfahren des Generalrats. Er riet den Jura-Sek-
       tionen, der Romanischen Föderation beizutreten, und für den Fall,
       daß diese  Vereinigung nicht zustande käme, entschied er, daß die
       Sektionen in  den Gebirgsgegenden  den Namen  der Jura-Föderation
       annehmen sollten. Er erklärte, daß, falls ihr Komitee seinen Zei-
       tungskrieg vor  dem Bourgeois-Publikum fortsetze, diese Zeitungen
       vom Generalrat  desavouiert werden  würden. - Der zweite Beschluß
       über die politische Haltung der Arbeiterklasse machte der Verwir-
       rung ein Ende, welche Bakunin hatte in die Internationale bringen
       wollen, indem  er in deren Programm die Lehre von der vollständi-
       gen Enthaltung  auf politischem Gebiete einschob.- Die dritte Re-
       solution 1*)  bedrohte Bakunin  direkt. Weiter  unten, wo wir auf
       Rußland zu  sprechen kommen,  wird man  sehen, wie  sehr  Bakunin
       persönlich dabei  interessiert war,  die Niederträchtigkeiten der
       Allianz dem westlichen Europa zu verbergen.
       Die Allianz  sah hierin,  und mit Recht, eine Kriegserklärung und
       eröffnete ihren  Feldzug sofort.  Die Jura-Sektionen,  welche das
       pseudo-romanische Komitee unterstützten, versammelten sich am 12.
       November 1871  zu einem Kongreß in Sonvillier. 2*) Sechzehn Dele-
       gierte waren  dort erschienen,  die neun  Sektionen zu  vertreten
       vorgaben. Nach  dem Bericht des Föderalkomitees hatte die Sektion
       zu Courtelary,  welche durch  zwei  Delegierte  vertreten  wurde,
       "ihre Tätigkeit  eingestellt"; die Zentralsektion zu Locle "hatte
       sich schließlich  aufgelöst", aber  sich doch  für den Augenblick
       wieder konstituiert,  um zwei Delegierte zu dem Kongreß der Sech-
       zehn zu  senden; die  Sektion der  Graveurs und  Guillocheurs  zu
       Courtelary (zwei  Delegierte) "konstituierte  sich als Gewerksge-
       nossenschaft" außerhalb der Internationalen; die Sektion der Pro-
       paganda zu La Chaux-de-Fonds (ein Delegierter) "ist in kritischer
       Lage, die,  weit entfernt  sich zu  verbessern, sich noch zu ver-
       schlimmern droht". Die Zentralsektion zu Neuchâtel (zwei
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe  eingefügt: über  Netschajew  -
       2*) vgl. vorl. Band, S. 43-47
       
       #355# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Delegierte, darunter  Guillaume) "hat bedeutend zu leiden gehabt,
       und ohne  die Opferwilligkeit einiger Mitglieder war ihr Fall ge-
       wiß". Die  beiden Zirkel  für soziale  Studien zu  Sonvillier und
       Saint-Imier (vier Delegierte) im Bezirk von Courtelary haben sich
       nach dem  Bericht infolge  der Auflösung  der  Zentralsektion  zu
       Courtelary gebildet; so lassen sich also die paar Mitglieder die-
       ses Bezirks dreimal durch sechs Delegierte vertreten! Die Sektion
       zu Moutier (ein Delegierter) scheint nur aus ihrem Komitee zu be-
       stehen. Also  von sechzehn  Delegierten vertreten  vierzehn  tote
       oder im  Sterben begriffene  Sektionen. Doch  um den  Zustand der
       Zerrüttung zu verstehen, welchen die Predigt der Anarchie in die-
       ser Föderation  angerichtet hatte,  muß man noch ein wenig weiter
       diesen Bericht lesen. Von zweiundzwanzig Sektionen waren nur neun
       auf dem Kongreß vertreten; sieben hatten auf keine Mitteilung des
       Komitees je  geantwortet und  vier waren vollständig tot erklärt.
       Dies war  die Föderation,  welche sich berufen glaubte, die Orga-
       nisation der Internationalen von Grund aus umzustürzen.
       Der Kongreß zu Sonvillier begann indes damit, sich vor der Londo-
       ner Konferenz,  die ihm  den Namen  der Jura-Föderation beigelegt
       hatte, zu  beugen; um gleichzeitig jedoch eine Probe seines Anar-
       chismus abzulegen,  erklärte er  die ganze  Romanische Föderation
       für aufgelöst.  (Diese gab  den Jurassiern ihre Autonomie wieder,
       indem sie  sie aus ihren Sektionen jagte.) Darauf schleuderte der
       Kongreß sein  lärmschlagendes Zirkular  [55] in  die Welt, dessen
       Hauptzweck war,  gegen die  Gesetzmäßigkeit der Konferenz zu pro-
       testieren und an einen allgemeinen Kongreß zu appellieren, der in
       kürzester Frist einberufen werden sollte.
       Das Zirkular beschuldigt die Internationale, von ihrem Geiste ab-
       gewichen zu  sein, der  nichts weiter sein sollte, "als ein unge-
       heurer Protest  gegen die Autorität". Bis nach 1*) dem Kongreß zu
       Brüssel ging  alles aufs  beste in der besten der Gesellschaften,
       aber zu  Basel verloren  die Delegierten den Kopf; sie wurden die
       Beute eines  "blinden Vertrauens  "und griffen "den Geist und den
       Buchstaben der  Allgemeinen Statuten"  an, in denen die Autonomie
       jeder  Sektion   und  jeder  Sektionen-Gruppe  so  deutlich  aus-
       gesprochen war. Sonach hatte jetzt die Internationale die Autori-
       tät auf  ihre Fahne  geschrieben, und  die Jura-Föderation, diese
       Marionette der  Allianz, die  Autonomie der  Sektionen. Wir haben
       bereits gesehen, wie die Allianz diese Autonomie zu verwirklichen
       vorhat.
       Die Sünden des Kongresses zu Basel wurden noch von denen der Lon-
       doner Konferenz übertroffen, deren Beschlüsse
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: zu
       
       #356# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       "danach streben,  aus der  Internationalen, der freien Föderation
       autonomer Sektionen,  eine hierarchische,  unter Autoritätsgewalt
       stehende Organisation  disziplinierter Sektionen zu machen, voll-
       ständig in  der Hand des Generalrats, der ganz nach Belieben ihre
       Zulassung verweigern  oder  selbst  ihre  Tätigkeit  suspendieren
       könne".
       
       Die Allianzisten, welche dieses Zirkular abfaßten, vergaßen also,
       daß  ihr   geheimes  Reglement   nur  dazu   gemacht  ist,   eine
       "hierarchische und  autoritäre Organisation"  zu befestigen,  die
       von der Person des permanenten "Bürgers B." gekrönt wird, und daß
       man in  diesem Reglement  Instruktionen gibt, um die Sektionen zu
       "disziplinieren" und  sie vollständig  nicht nur  "in die  Hand",
       sondern sogar  "in die Oberhand" dieses selben "Bürgers" zu brin-
       gen.
       Waren schon  die Sünden  der Konferenz Todsünden, die Hauptsünde,
       die Sünde gegen den heiligen Geist, wurde doch vom Generalrat be-
       gangen. Es  befinden sich in demselben "einige Persönlichkeiten",
       welche ihr
       
       "Mandat" (als  Mitglieder des  Generalrats) "als eine persönliche
       Eigenschaft 1*)" betrachten, "und London erschien ihnen als unab-
       setzbare Hauptstadt  unserer Assoziation...  Es haben  sich Leute
       verleiten lassen...  in der  Internationalen ihr  spezielles Pro-
       gramm, ihre  persönliche Doktrin  zur Herrschaft  bringen zu wol-
       len... als  offizielle Theorie,  welche allein Bürgerrecht in der
       Assoziation habe... So hat sich nach und nach eine Orthodoxie ge-
       bildet, deren  Sitz London und deren Vertreter die Mitglieder des
       Generalrats waren."
       
       Kurz, sie haben vermittelst der "Zentralisation und Diktatur" die
       Einheit der  Internationalen begründen wollen. - In diesem selben
       Zirkular strebt  die Allianz  danach, "in der Internationalen ihr
       spezielles Programm  zur Herrschaft  zu bringen",  indem sie dies
       selbe für  "einen ungeheuren Protest gegen die Autorität" erklärt
       und indem  sie den Ausspruch tut, daß die Emanzipation der Arbei-
       ter durch  die Arbeiter selbst sich machen müsse, "ohne jede lei-
       tende Autorität,  gleichviel ob diese Autorität von den Arbeitern
       gewählt sei  und deren  Zustimmung habe".  Wir werden  sehen, wie
       überall, wo  die Allianz Einfluß hatte, sie gerade das getan hat,
       was sie  fälschlich dem Generalrat zum Vorwurf macht, daß sie ihr
       lächerliches Hirngespinst  von Theorie  als "offizielle  Theorie,
       welche allein  Bürgerrecht in  der Assoziation hätte", aufzwingen
       wollte. *) - Alles dieses bezieht sich
       ---
       *) Mazzini zum  Beispiel machte  die ganze Internationale für die
       grotesken Phantasien  des Papstes Bakunin verantwortlich. Der Ge-
       neralrat sah sich genötigt, öffentlich in den italienischen Blät-
       tern zu  erklären, daß  er "sich stets den wiederholten Versuchen
       widersetzt habe, welche darauf gerichtet waren, das weite und um-
       fassende Programm
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: persönliches Eigentum
       
       #357# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       nur auf  die öffentliche und sichtbare Tätigkeit der Allianz; was
       ihre geheime  Tätigkeit anlangt, so hat der "Geist und Buchstabe"
       ihrer geheimen  Statuten uns  bereits Aufklärung  verschafft über
       den  Grad  von  "Orthodoxie",  von  "persönlicher  Doktrin",  von
       "Zentralisation" und "Diktatur", welche in dieser "freien Födera-
       tion autonomer Gruppen" herrschen. Wir begreifen sehr wohl, warum
       die Allianz  die Arbeiterklasse hindern wollte, sich eine gemein-
       same Leitung  zu schaffen,  da die  Bakuninsche Vorsehung bereits
       für dieselbe  gesorgt hatte, als sie ihre Allianz als Generalstab
       der Revolution konstituierte.
       Weit entfernt  davon, der  Internationalen eine  Orthodoxie  auf-
       zuzwingen, hatte  der Generalrat  der Londoner  Konferenz die Ab-
       schaffung der Sektennamen bestimmter Sektionen vorgeschlagen, und
       dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen. *)
       Folgendermaßen drückte  sich übrigens  der Generalrat  in  seinem
       vertraulichen Zirkular  ("Prét. scissions",  p. 24  1*)) über die
       Sekten aus:
       "Die erste  Phase in  dem Kampfe des Proletariats gegen die Bour-
       geoisie ist  durch die  Sektenbewegung bezeichnet.  Diese ist be-
       rechtigt zu  einer Zeit,  in der  das Proletariat sich noch nicht
       hinreichend entwickelt hat, um als Klasse zu handeln. Vereinzelte
       Denker unterwerfen die sozialen Gegensätze einer Kritik und geben
       zugleich eine phantastische Lösung derselben
       -----
       der Internationalen (das selbst die Zulassung der Anhänger Bakun-
       ins als  Mitglieder gestattete) durch das beschränkte und sektie-
       rerische Programm  Bakunins zu ersetzen, dessen Annahme mit einem
       Schlage die ungeheure Mehrheit der Mitglieder der Internationalen
       ausschließen würde".  [287] -  Das Zirkular von Jules Favre [58],
       der Bericht  des Krautjunker-Deputierten Sacaze über unsere Asso-
       ziation, die  reaktionären Reden  bei der  Debatte der spanischen
       Cortes über  die Internationale  [288], kurz  alle gegen dieselbe
       öffentlich gerichteten  Angriffe wimmeln  von Zitaten ultra-anar-
       chischer Phrasen aus dem Bakuninschen Lager.
       *) Resolution II  der Konferenz,  Art. 2:  - "Die lokalen Zweige,
       Sektionen oder  Gruppen und  ihre Komitees werden sich in Zukunft
       einfach und ausschließlich als Zweige, Sektionen, Gruppen und Ko-
       mitees der Internationalen Arbeiterassoziation unter Zufügung des
       Namens der betreffenden Örtlichkeit bezeichnen und konstituieren.
       " Art.  3: -  "Es ist also von nun an den Zweigen, Sektionen oder
       Gruppen verboten,  sich mit  Sektennamen zu  bezeichnen, wie  zum
       Beispiel als  positivistischer,  mutualistischer,  kollektivisti-
       scher, kommunistischer  Zweig usw.,  oder separatistische Gruppen
       unter dem  Namen: Sektion der Propaganda usw. zu bilden, die sich
       spezielle Aufgaben  außerhalb des  gemeinsamen von  allen Gruppen
       der Internationalen verfolgten Zweckes stellen." [289]
       -----
       1*) Siehe vorl. Band, S. 32-34
       
       #358# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       welche die  Masse der  Arbeiter nur anzunehmen, zu verbreiten und
       praktisch ins Werk zu setzen braucht. Es liegt schon in der Natur
       dieser durch  die Initiative einzelner gebildeten Sekten, daß sie
       sich jeder  wirklichen Tätigkeit,  der Politik,  den Strikes, Ge-
       werksgenossenschaften, mit  einem Worte  jeder Gesamtbewegung ge-
       genüber fremd und abgeschlossen verhalten. Die Masse des Proleta-
       riats bleibt  stets ihrer  Propaganda gegenüber  gleichgültig, ja
       selbst feindlich. Die Arbeiter von Paris und Lyon wollten ebenso-
       wenig von  den Saint-Simonisten,  Fourieristen, Ikariern  wissen,
       wie die englischen Chartisten [229] und Trades-Unionisten von den
       Owenisten. Die  Sekten, im Anfange Hebel der Bewegung, werden ein
       Hindernis, sowie  diese sie überholt, sie werden dann reaktionär;
       Beweis dafür  sind die  Sekten  in  Frankreich  und  England  und
       letzthin die  Lassalleaner in  Deutschland, welche,  nachdem  sie
       jahrelang die  Organisation des Proletariats gehemmt, schließlich
       einfache Polizeiwerkzeuge  geworden sind.  Kurz, sie  stellen die
       Kindheit der  Proletarierbewegung dar, wie die Astrologie und Al-
       chimie die  Kindheit der  Wissenschaft. Damit  die  Gründung  der
       Internationalen zur  Möglichkeit  wurde,  mußte  das  Proletariat
       diese Entwicklungsstufe überschritten haben.
       Gegenüber den phantastischen Sekten-Organisationen ist die Inter-
       nationale die  wirkliche und streitende Organisation der Proleta-
       rierklasse in allen Ländern, verbunden unter sich in ihrem Kampfe
       1*) gegen  die Kapitalisten,  die  Grundeigentümer  und  ihre  im
       Staate organisierte  Klassenmacht. Daher  kennen die Statuten der
       Internationalen nur einfache Arbeitergesellschaften, die sämtlich
       den gleichen  Zweck verfolgen und dasselbe Programm annehmen, das
       sich darauf  beschränkt, nur  die großen Hauptzüge des Ganges der
       Arbeiterbewegung zu  zeichnen, und ihre theoretische Ausarbeitung
       dem  durch  die  Bedürfnisse  des  praktischen  Kampfes  und  den
       Gedankenaustausch  innerhalb   der  Sektionen   gegebenen  Anstoß
       überläßt, wie,  denn die Internationale ohne Unterschied jede so-
       zialistische "Überzeugung in ihren Organen und auf ihren Kongres-
       sen zuläßt."
       Die Allianz  wollte nicht,  daß die Internationale eine kämpfende
       Gesellschaft wäre; das Zirkular von Sonvillier verlangte, daß sie
       das treue Abbild der zukünftigen Gesellschaft sein sollte;
       
       "wir müssen also dafür sorgen, daß wir diese Organisation unserem
       Ideale so nahe wie möglich bringen... Die Internationale, als Em-
       bryo der  zukünftigen menschlichen  Gesellschaft,  ist  verbunden
       2*), schon jetzt die treue Abspiegelung unserer Prinzipien der
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: gemeinsamen Kampfe - 2*) in der
       französischen Ausgabe: verpflichtet
       
       #359# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Freiheit und  der Föderation  zu sein  und aus ihrem Schöße jedes
       nach Autorität, nach Diktatur strebende Prinzip zu verbannen."
       
       Wäre es  der Jura-Föderation mit ihrem Plane gelungen, die Inter-
       nationale zu  einem treuen Abbilde einer noch nicht existierenden
       Gesellschaft zu machen und ihr jedes Mittel zu einer kombinierten
       Tätigkeit zu  entziehen, in  der  versteckten  Absicht,  sie  der
       "Autorität und Diktatur" der Allianz und ihres permanenten Dikta-
       tors, des "Bürgers B.", zu unterwerfen, so hätte sie die kühnsten
       Wünsche der  europäischen Polizei  übertroffen, die eben nur ver-
       langt, die Internationale in Ruhestand versetzt zu sehen.
       Um ihren früheren Kollegen von der Friedensliga und der radikalen
       Bourgeoisie den  Beweis zu  liefern, daß der Feldzug, den sie er-
       öffneten, sich gegen die Internationale und nicht gegen die Bour-
       geoisie richte,  schickten die Männer der Allianz ihr Zirkular an
       alle radikalen  Blätter. Die  Gambettasche "République française"
       beeilte sich,  ihnen in einem Artikel voller Ermutigungen für die
       Jurassier und Schmähungen gegen die Londoner Konferenz ihre Aner-
       kennung auszusprechen.  Das "Bulletin  Jurassien" war so erfreut,
       diese Stütze  in der  Bourgeois-Presse zu  finden, daß  es diesen
       ganzen Artikel  in seiner  Nummer 3  abdruckte und so bewies, daß
       das herzlichste Einvernehmen die ultrarevolutionären Allianzisten
       und die Versailler Gambettisten vereinigte. [290] Um der angeneh-
       men Nachricht  einer in der Internationalen entstehenden Spaltung
       mehr Verbreitung  unter der Bourgeoisie zu verschaffen, wurde das
       Zirkular  von  Sonvillier  in  den  Straßen  mehrerer  Städte  in
       Frankreich, namentlich  in Montpellier,  an einem  Markttage ver-
       kauft. Man  weiß, daß  der Verkauf  von  Druckschriften  auf  der
       Straße in Frankreich der polizeilichen Erlaubnis bedarf. *)
       Dieses Zirkular wurde ballenweise überallhin versandt, wo die Al-
       lianz glaubte,  Freunde werben  oder gegen den Generalrat Mißver-
       gnügte gewinnen  zu können.  Der Erfolg war fast Null. Die spani-
       schen Allianzisten sprachen sich gegen die Einberufung des in dem
       Zirkular verlangten  Kongresses aus  und wagten sogar, dem Papste
       Verweise zu erteilen. [292] In Italien erklärte sich ein einziges
       Individuum, Terzaghi,  und auch  er nur für einen Augenblick, für
       den Kongreß.  In Belgien, wo es keine bekannten Allianzisten gab,
       wo aber  die ganze internationale Bewegung in dem Sumpf der Bour-
       geois-Phrasen von  politischer Enthaltung,  Autonomie,  Freiheit,
       Föderation, Dezentralisation und im Kirchturmsgeist feststak, er-
       hielt das  Zirkular eine gewisse wohlwollende Anerkennung (succès
       d'estime). Obgleich  der Belgische Föderalrat der Forderung eines
       außerordentlichen allgemeinen
       -----
       *) Toulouser Prozeß  [291], siehe "La Réforme" (Toulouse) vom 18.
       März 1873.
       
       #360# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Kongresses seine  Zustimmung versagte,  die übrigens  widersinnig
       gewesen wäre, da Belgien auf der Konferenz durch sechs Delegierte
       vertreten war,  redigierte er doch einen Generalstatuten-Entwurf,
       der den Generalrat einfach abschaffte. Als man auf dem belgischen
       Kongresse diesen  Vorschlag beriet,  bemerkte der  Delegierte von
       Lodelinsart, daß  das Gefühl  der Arbeitgeber das beste Kriterium
       für die  Arbeiter sei. Wenn man nur die Freude sehe, welche schon
       der Gedanke  einer Abschaffung  des Generalrats bei den Arbeitge-
       bern hervorrufe,  dann könne  man schon versichern, daß es-unmög-
       lich sei,
       
       "einen größeren  Fehler zu begehen, als den, diese Abschaffung zu
       beschließen".
       Der Antrag  wurde auch abgelehnt. In der Schweiz protestierte die
       Romanische Föderation  energisch [293],  überall anderswo  jedoch
       beantwortete man  das Zirkular  nur mit dem Schweigen der Verach-
       tung.
       Der Generalrat antwortete auf das Zirkular von Sonvillier und auf
       die fortgesetzten  Umtriebe der Allianz in dem vertraulichen Zir-
       kular: "Les  prétendues scissions dans l'Internationale", datiert
       vom 5.  März 1872.  Zum großen  Teil ist  dieses Zirkular bereits
       oben im  Auszug mitgeteilt.  Der Haager  Kongreß machte mit jenen
       Intrigen und Intriganten gebührenden kurzen Prozeß.
       Gewiß haben  diese Leute,  die nur  vom Lärmschlagen leben, einen
       unbestreitbaren Erfolg  gehabt. Die  ganze liberale  und Polizei-
       presse hat offen ihre Partei ergriffen; sie sind in ihren persön-
       lichen Schmähungen  gegen den Generalrat und ihren matten Angrif-
       fen gegen  die Internationale von den Weltverbessern aller Länder
       unterstützt worden  - in England von den Bourgeois-Republikanern,
       deren Intrigen der Generalrat vereitelte; in Italien von den dog-
       matischen Freidenkern,  die unter  der Fahne  Stefanonis den Vor-
       schlag machten,  eine Allgemeine  Gesellschaft der  Rationalisten
       [67] mit  Rom als  obligatorischem Sitz,  mit einer "autoritären"
       und "hierarchischen"  Organisation, mit atheistischen Mönchs- und
       Nonnenklöstern zu gründen, eine Gesellschaft, deren Statuten eine
       im Kongreßsaal  aufzustellende Büste  für jeden Bourgeois bestim-
       men, der  zehntausend Franken schenkt; endlich in Deutschland von
       den bismarckschen  Sozialisten, welche  außerhalb ihres  Polizei-
       blatts, des  "Neuen Social-Demokrat",  die weißen Blusen [69] des
       preußisch-deutschen Kaiserreichs darstellen.
       Da die "Révolution Sociale" eingegangen, ließ sich die Allianz in
       der Presse  durch das "Bulletin Jurassien" vertreten, welches un-
       ter dem Vorwande, die autonomen Sektionen gegen die Autoritätsbe-
       strebungen des Generalrats und die Anmaßungen der Londoner Konfe-
       renz zu schützen, an
       
       #361# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       der Desorganisation  der Internationalen  arbeitete. Seine Nummer
       vom 20. März 1872 gestand es offen, daß sie unter der
       
       "Internationalen nicht  diese oder  jene  Organisation  verstehe,
       welche heute einen Teil des Proletariats umfaßt. Die Organisatio-
       nen sind  etwas erst in zweiter Reihe Stehendes und Vorübergehen-
       des... die Internationale ist, um in einer allgemeineren Weise zu
       sprechen, jenes  Gefühl der  Solidarität unter den Ausgebeuteten,
       welches die neue Welt beherrscht."
       
       Die auf das reine "Gefühl der Solidarität" reduzierte Internatio-
       nale wäre  noch platonischer als die christliche Liebe. Als Probe
       von den  ehrenhaften Mitteln, deren sich das "Bulletin Jurassien"
       bedient, geben  wir folgende Stelle aus einem Briefe von Tokarze-
       wicz, Chefredakteur  des polnischen  Blattes "Wolnosc" (Die Frei-
       heit) in Zürich:
       "In Nummer  13 des  'Bulletin Jurassien'  steht ein  Programm der
       polnischen sozialistischen Gesellschaft zu Zürich, welche in drei
       Tagen ihr Blatt 'Wolnosc' herausgeben wird. Wir autorisieren Sie,
       drei Tage nach Empfang dieses Briefes dem Generalrat der Interna-
       tionalen die  Anzeige zu  machen, daß  das Programm  falsch ist."
       [294]
       
       Die Nummer  dieses "Bulletin"  vom 15. Juni enthält die Antworten
       der Allianzisten (Bakunin, Malon, Claris, Guillaume usw.) auf das
       vertrauliche Zirkular  des Generalrats. Diese Antworten entgegnen
       auf keine  von den  Beschuldigungen, welche  der Generalrat gegen
       die Allianz und ihre Führer erhoben hatte. Der Papst, zu Ende mit
       seinen Gründen,  glaubte die  Debatte zu  schließen, indem er das
       Zirkular einen "Schmutzhaufen" nannte.
       
       "Übrigens", sagte  er, "hatte  ich es mir vorbehalten, alle meine
       Verleumder vor  ein Ehrengericht  zu laden,  welches der  nächste
       Kongreß mir  ohne Zweifel  nicht verweigern  wird. Und  wenn  mir
       diese Jury nur alle Garantien für ein unparteiisches und ernstli-
       ches Urteil bietet, werde ich ihr nebst allen notwendigen Details
       alle sowohl  politischen wie  persönlichen Tatsachen auseinander-
       setzen können, ohne Furcht vor den Mißlichkeiten und Gefahren ei-
       ner indiskreten Veröffentlichung."
       
       Natürlich, der Bürger B. trat in den Riß - wie gewöhnlich: er er-
       schien nicht im Haag.
       Der Kongreß  nahte heran  und die  Allianz wußte,  daß vor diesem
       Kongreß der  Bericht über  den Netschajewschen Prozeß, mit dessen
       Abfassung der  Bürger Utin  von der Konferenz betraut war, veröf-
       fentlicht werden sollte. Es war ihr von der höchsten Wichtigkeit,
       das Erscheinen  des Berichts vor dem Kongreß zu verhindern, damit
       dessen Mitglieder nicht vollständig über diesen Gegenstand unter-
       richtet würden.  Bürger Utin begab sich nach Zürich, um seine Ar-
       beit auszuführen.  Kaum dort  niedergelassen, wurde  er das Opfer
       eines Mordversuchs, den wir ohne Bedenken auf Rechnung der
       
       #362# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Allianz setzen. In Zürich hatte Utin keine anderen Feinde als ei-
       nige allianzistische  Slawen unter der "Oberhand" Bakunins. Übri-
       gens ist  die Organisation  des Hinterhalts  und Meuchelmords ein
       von jener  Gesellschaft anerkanntes  und angewandtes Kampfmittel;
       wir werden andere Beispiele hierfür in Spanien und Rußland sehen.
       Acht slawisch  redende Individuen lauerten Utin an einem einsamen
       Orte in  der Nähe eines Kanals auf; sowie er bei ihnen angekommen
       war, griffen  sie ihn  von hinten  an, schlugen  ihn mit schweren
       Steinen an  den Kopf,  versetzten ihm  eine gefährliche  Wunde am
       Auge, und,  nachdem sie  ihn zu  Boden geworfen,  hätten sie  ihn
       vollends getötet  und in  den Kanal  geworfen, wären  nicht  vier
       deutsche Studenten hinzugekommen. Bei ihrem Anblick entflohen die
       Mörder. Dieses  Attentat hat  den Bürger  Utin nicht  abgehalten,
       seine Arbeit zu vollenden und sie dem Kongreß zu übersenden.
       
       #363#
       -----
       IV
       
       Die Allianz in Spanien
       
       Nach dem zu Bern abgehaltenen Kongreß der Friedensliga im Septem-
       ber 1869  begab sich  Fanelli, einer  der Gründer der Allianz und
       Mitglied des italienischen Parlaments, nach Madrid. Er hatte Emp-
       fehlungen von  Bakunin an den Cortes-Deputierten Garrido, welcher
       ihn mit  einzelnen Republikanern, sowohl Bourgeois wie Arbeitern,
       in Verbindung  setzte. Kurze  Zeit darauf,  im November desselben
       Jahres, schickte  man von Genf aus Mitgliedskarten der Allianz an
       Morago, Córdova y López (Republikaner, Cortes-Kandidat, Redakteur
       des  Bourgeois-Blatts   "Combate"  [295])   und   Rubau   Donadeu
       (durchgefallener Kandidat für Barcelona und Gründer einer pseudo-
       sozialistischen Partei). Die Kenntnis von der Sendung dieser Kar-
       ten brachte Verwirrung in die junge internationale Sektion zu Ma-
       drid; ihr  Präsident, Jalvo,  zog sich  zurück, da er nicht einer
       Assoziation angehören  wolle, die  in ihrer  Mitte eine aus Bour-
       geois bestehende geheime Gesellschaft dulde und sich von ihr lei-
       ten lasse.
       Bereits auf dem Kongreß zu Basel war die spanische Internationale
       durch zwei  Allianzisten vertreten,  Farga Pellicer und Sentiñon,
       von denen der letztere auf der offiziellen Liste als "Delegierter
       der Allianz"  figuriert. Nach dem Kongreß der spanischen Interna-
       tionalen 1*)  (Juni 1870) [177] setzte sich die Allianz in Palma,
       Valencia, Malaga  und Cadiz  fest. Im Jahre 1871 wurden Sektionen
       zu Sevilla  und Córdoba  gegründet. Im  Anfang  des  Jahres  1871
       schlugen Morago  und Viñas,  Delegierte der Allianz zu Barcelona,
       den Mitgliedern  des Föderalrats (Francisco Mora, Angel Mora, An-
       selmo Lorenzo,  Borrell usw.) vor,... eine Sektion der Allianz in
       Madrid zu gründen; diese jedoch widersetzten sich dem, erklärend,
       die Allianz  sei eine  gefährliche Gesellschaft, wenn sie geheim,
       eine unnütze,  wenn sie öffentlich wäre. Zum zweiten Male genügte
       schon die Erwähnung dieses Namens, den
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: zu Barcelona
       
       #364# Karl Marx/Friedrich Engels
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       Keim der  Uneinigkeit in  den Schoß des Föderalrats zu werfen, so
       daß Borrell die prophetischen Worte aussprach:
       
       "Von heute an ist jedes Vertrauen unter uns tot."
       
       Als jedoch  die Verfolgungen  der Regierung  die  Mitglieder  des
       Föderalrats  zwangen,  nach  Portugal  überzusiedeln,  gelang  es
       Morago, sie von dem Nutzen jener geheimen Assoziation zu überzeu-
       gen, und auf ihre Initiative wurde die Sektion der Allianz zu Ma-
       drid gegründet. In Lissabon wurden einige Portugiesen, Mitglieder
       der Internationalen, von Morago in die Allianz aufgenommen. Da er
       jedoch fand,  daß diese  neuen Mitglieder ihm nicht genügende Ga-
       rantien boten,  gründete er ohne ihr Wissen eine andere Allianzi-
       sten-Gruppe, die aus den schlechtesten, den Reihen der Freimaurer
       entnommenen Bourgeois-  und Arbeiterelementen bestand. Diese neue
       Gruppe, zu  der ein der Kutte entlaufener Pfaffe Bonança gehörte,
       wollte die Internationalein Sektionen von je zehn Mitgliedern or-
       ganisieren, die unter ihrer Leitung den Plänen des Grafen von Pé-
       niche dienen sollten und die dieser politische Intrigant in einen
       Schwindel-Aufstand zu  verwickeln verstand, dessen einziger Zweck
       war, ihm  zur Macht zu verhelfen. Angesichts der allianzistischen
       Intrigen in  Portugal und  Spanien zogen sich die portugiesischen
       Internationalen von  dieser geheimen Gesellschaft zurück und ver-
       langten auf  dem Haager  Kongreß ihre Ausstoßung aus der Interna-
       tionalen als eine Maßregel des Gemeinwohls.
       Auf der  Konferenz der  spanischen  Internationalen  zu  Valencia
       (September 1871)  gaben die Delegierten der Allianzisten, wie im-
       mer auch  Delegierte der  Internationalen, ihrer geheimen Gesell-
       schaft eine  vollständige Organisation  für die Iberische Halbin-
       sel. Die  Mehrheit derselben  war des  Glaubens, daß das Programm
       der Allianz  mit dem  der Internationalen identisch sei, daß jene
       geheime Organisation  überall existiere, daß es fast Pflicht sei,
       in dieselbe  einzutreten, und  daß die Allianz danach strebe, die
       Internationale weiter zu entwickeln und nicht sie zu beherrschen;
       sie beschloß  daher, alle  Mitglieder des Föderalrats aufzunehmen
       1*). Kaum  erfuhr dies  Mosago, der bis dahin nicht gewagt hatte,
       nach Spanien  zurückzukehren, so  kam er  eiligst nach Madrid und
       erhob gegen  Mora die Beschuldigung, "er habe die Allianz der In-
       ternationalen unterordnen  wollen", was  das Gegenteil des Zwecks
       der Allianz  sei. Und  um dieser  Meinung Autorität zu verleihen,
       gab er,  im folgenden Januar, Mesa einen Brief Bakunins zu lesen,
       worin dieser  einen machiavellistischen  Plan zur Herrschaft über
       die Arbeiterklasse entrollte.
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: einzuweihen
       
       #365# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Dieser Plan war folgender:
       
       "Die Allianz  muß zum  Scheine innerhalb  der Internationalen, in
       Wirklichkeit aber  in einer gewissen Entfernung von derselben be-
       stehen, um sie besser beobachten und lenken zu können. Aus diesem
       Grunde müssen die Mitglieder, welche zu dem Rat oder den Komitees
       der internationalen Sektionen gehören, stets in den Sektionen der
       Allianz in  der Minderheit sein." (Erklärung von José Mesa an den
       Haager Kongreß, datiert 1. September 1872. [286])
       
       In einer  Versammlung der Allianz erhob Morago gegen Mesa die Be-
       schuldigung, daß er diese geheime Gesellschaft durch die Aufnahme
       sämtlicher Mitglieder  des Föderalrats  verraten habe,  da dieses
       ihnen die Mehrheit in der allianzistischen Sektion verschaffe und
       tatsächlich die  Herrschaft der  Internationalen über die Allianz
       begründe. Um diese Herrschaft zu verhindern, bestimmen die gehei-
       men Instruktionen, daß nur ein oder zwei Allianzisten sich in den
       Rat oder  die Komitees  der Internationalen einschleichen sollen,
       um sie  dann zu  beherrschen unter Leitung und Hülfe der Allianz-
       Sektion, in welcher im voraus alle Beschlüsse gefaßt wurden, wel-
       che man  der Internationalen aufdrängen wollte. Von diesem Augen-
       blick an  erklärte Morago  dem Föderalrat  den Krieg und gründete
       auch hier,  wie in  Portugal, eine  neue allianzistische Sektion,
       die vor  den Verdächtigen  geheimgehalten wurde. Die Eingeweihten
       an verschiedenen  Orten Spaniens  unterstützten ihn  und begannen
       den Föderalrat  zu beschuldigen, daß er seine Pflichten gegen die
       Allianz vernachlässige, wie es ein Zirkular der Sektion der Alli-
       anz zu  Valencia (30.  Januar 1872)  mit der  Unterschrift  Damon
       (allianzistischer Spitzname Montoros) beweist. [297]
       Als das  Zirkular von Sonvillier ankam, hütete sich die spanische
       Allianz wohl, Partei für den Jura zu ergreifen. Sogar die Mutter-
       Sektion zu  Barcelona behandelt  in einem  offiziellen Briefe vom
       14. November  1871 den  Papst Michail, gegen den sie den Verdacht
       der persönlichen Rivalität zu Karl Marx erhob, in sehr derber und
       ganz und gar ketzerischer Weise.*)
       ---
       *) Dieser von  Alerini "im Namen der Barceloneser Gruppe" der Al-
       lianz geschriebene Brief, der mit der Anrede: "Mein lieber Baste-
       lica und liebe Freunde" beginnt, wurde abschriftlich an alle Sek-
       tionen der  spanischen Allianz  gesandt. Wir  geben  hier  einige
       Stellen aus demselben:
       "Der gegenwärtige  Generalrat kann  seine Stellung nicht bis über
       den Kongreß  des nächsten  Jahres behalten  und seine unheilvolle
       Tätigkeit kann  nur eine  zeitweilige  sein...  Ein  öffentlicher
       Bruch würde  im Gegenteil  unserer Sache  einen Schlag versetzen,
       von dem  sie sich  schwer erholen  dürfte, wenn sie ihn überhaupt
       aushält. Wir  können also  in keiner  Weise Eure separatistischen
       Tendenzen ermutigen...  Einige unter  uns haben  sich gefragt, ob
       nicht, abgesehen von der Prinzipienfrage, in all diesem oder
       
       #366# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Der Föderalrat stimmte übrigens diesem Briefe bei, was uns zeigt,
       wie geringen  Einfluß damals die Schweizer Zentralbehörde in Spa-
       nien besaß.  Doch bald  konnte man  merken, daß  die Gnade in den
       verstockten Herzen  zum Durchbruch  kommen sollte.  In einer Ver-
       sammlung der  internationalen Föderation  zu  Madrid  (7.  Januar
       1872), in  der man  das Zirkular von Sonvillier besprach, verhin-
       derte die neue, von Morago geleitete Gruppe die Verlesung des Ge-
       genzirkulars der  Romanischen Föderation  und schnitt die Debatte
       ab. Am  24. Februar  schrieb  Rafar  (allianzistiscbe  Maske  für
       Rafael Farga) an die allianzistische Sektion zu Madrid:
       
       "Man muß  die reaktionären Einflüsse und die Autoritätsbestrebun-
       gen des Generalrats vernichten."
       
       Dennoch konnte  die Allianz  nur in  Palma auf  Mallorca von  den
       Internationalen eine  offene Zustimmungserklärung zum Jura-Zirku-
       lar erlangen. Man sieht, daß die Kirchendisziplin den letzten Wi-
       derstand gegen die Unfehlbarkeit des Papstes zu brechen begann.
       Angesichts dieser ganzen unterirdischen Arbeit begriff der Spani-
       sche Föderalrat,  daß es dringend notwendig sei, sich der Allianz
       zu entledigen.  Die Verfolgungen  der Regierung  boten ihm  einen
       Vorwand. Um den Fall vorzusehen, daß die Internationale aufgelöst
       würde, schlug  er vor,  geheime Gruppen von "Verteidigern der In-
       ternationalen" zu  gründen, in  welche die  Sektionen der Allianz
       unmerkbar aufgehen sollten. Die Einführung zahlreicher neuer Mit-
       glieder mußte den Charakter dieser Sektionen notwendig modifizie-
       ren, die  dann definitiv  nebst jenen  Gruppen an  dem Tage  ver-
       schwinden sollten,  wo die  Verfolgung aufhörte. Aber die Allianz
       erriet den  verborgenen Zweck  dieses Plans  und brachte  ihn zum
       Fall, obwohl  bei Ermangelung  einer Organisation, wie die vorge-
       schlagene, die  Internationale in  Spanien in Frage gestellt war,
       wenn die  Regierung ihre  Drohungen ausführte. Die Allianz im Ge-
       genteil machte diesen Vorschlag:
       -----
       neben all  diesem Personenfragen mitspielen, zum Beispiel Rivali-
       tät zwischen  unserem Freunde Michail und Karl Marx, zwischen den
       Mitgliedern der  früheren A.  und dem Generalrat... Wir haben mit
       Schmerz in  der 'Révolution Sociale' die Angriffe gegen den Gene-
       ralrat und  Karl Marx  gelesen... Wenn  wir die  Meinung  unserer
       Freunde auf  der Halbinsel,  die von  Einfluß in  den  Lokalräten
       sind, kennen, werden wir unsere Haltung nach der allgemeinen Ent-
       scheidung, der wir uns in jedem Punkte fügen, modifizieren usw."
       Die frühere  A. ist die vom Generalrat im Keime erstickte öffent-
       liche Allianz.  Das Exemplar des Briefes, aus dem wir diese Stel-
       len ausgezogen haben, ist von Alerinis Hand geschrieben.
       
       #367# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       "Wenn man  uns außer  Gesetz stellt, dürfte es nützlich sein, der
       Internationalen eine  äußere Form zu geben, die von der Regierung
       geduldet werden  könnte, wobei  dann die  Lokalräte gleichsam der
       verborgene innere  Kern wären,  die unter dem Einfluß der Allianz
       den Sektionen eine durchaus revolutionäre Richtung geben würden."
       (Zirkular der  Sektion der  Allianz zu Sevilla, 25. Oktober 1871.
       [298])
       
       Feig in der Tat, mutig in der Phrase - da haben wir die ganze Al-
       lianz in Spanien wie anderwärts.
       Die Resolution der Londoner Konferenz über die politische Haltung
       der Arbeiterklasse  zwang die Allianz, sich in offene Feindschaft
       zur Internationalen  zu setzen,  und gab  dem Föderalrat Gelegen-
       heit, seine vollständige Harmonie mit der großen Mehrheit der In-
       ternationalen zu  konstatieren. Sie brachte ihn noch dazu auf den
       Gedanken, in Spanien eine große Arbeiterpartei zu bilden. Um dies
       zu erreichen,  mußte man  zunächst die Arbeiterklasse vollständig
       von allen  Bourgeois-Parteien ablösen, vor allem von der republi-
       kanischen Partei, welche aus den Arbeitern die Masse ihrer Wähler
       und Kämpfer  rekrutierte. Der  Föderalrat empfahl  Enthaltung bei
       allen, monarchischen  wie republikanischen, Deputiertenwahlen; um
       dem Volke jede Illusion über das pseudo-sozialistische Phrasenge-
       dresch der  Republikaner zu  nehmen, richteten die Redakteure der
       "Emancipacion", die  zugleich Mitglieder  des Föderalrats  waren,
       einen Brief an die zum Kongreß versammelten Vertreter der födera-
       listisch-republikanischen Partei, in welchem sie von diesem prak-
       tische Maßregeln  verlangten und  sie aufforderten, sich über das
       Programm der  Internationalen zu erklären. [299] Das hieß der re-
       publikanischen Partei  einen schweren Schlag versetzen; die Alli-
       anz bemühte sich, ihn abzuschwächen, denn sie war eng mit den Re-
       publikanern verbündet. [300] Sie gründete in Madrid ein Blatt "El
       Condenado" [301],  das die  drei  Kardinaltugenden  der  Allianz:
       Atheismus, Anarchie, Kollektivismus als Programm aufstellte, aber
       den Arbeitern  vorpredigte, daß sie keine Verkürzung der Arbeits-
       zeit verlangen sollten. Neben dem "Bruder" Morago schrieb an die-
       sem Blatt auch Estévanez, eines der drei Mitglieder des leitenden
       Komitees der  republikanischen Partei, neulich Gouverneur von Ma-
       drid und  Kriegsminister. Pino in Malaga, Mitglied der Föderalko-
       mission der  Pseudo-Internationalen, und Felipe Martin in Madrid,
       gegenwärtig Geschäftsreisender  der Allianz, dienten der republi-
       kanischen Partei  als Wahlagenten.  Und um  auch ihren Fanelli in
       den spanischen  Cortes zu haben, beschloß die Allianz, die Kandi-
       datur Moragos aufzustellen.
       Die Allianz  hatte bereits  zwei unverzeihliche  Beschwerdepunkte
       gegen den  Föderalrat : 1. daß sich dieser in der Jura-Frage neu-
       tral verhalten,  2. daß  er ihren  Bestand angegriffen;  nach der
       Haltung, welche der Föderalrat
       
       #368# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       gegenüber der republikanischen Partei annahm und welche alle ihre
       Pläne zu  vereiteln drohte,  beschloß sie,  ihn zu  stürzen.  Der
       Brief an  den republikanischen  Kongreß wurde von diesem als eine
       Kriegserklärung aufgenommen.  "La Igualdad"  [302], das  einfluß-
       reichste Organ  der republikanischen 1*) Partei, griff heftig die
       Redakteure der  "Emancipacion" an  und beschuldigte  sie, sich an
       Sagasta verkauft  zu haben. Der "Condenado" ermutigte diese Infa-
       mie durch  sein hartnäckiges Schweigen. Die Allianz tat noch mehr
       für die republikanische Partei. Wegen dieses Briefes ließ sie die
       Redakteure der  "Emancipacion" von der internationalen Föderation
       zu Madrid, in der sie. vorherrschte, ausstoßen.
       Trotz der Regierungsverfolgungen hatte der Föderalrat während ei-
       ner sechsmonatlichen Geschäftsführung 2*) die Zahl der Lokalföde-
       rationen von  13 auf  70 gebracht;  an 100 anderen Orten hatte er
       Lokalföderationen vorbereitet,  acht Gewerke  hatte er als natio-
       nale Gewerksgenossenschaften  organisiert; daneben  bildete  sich
       unter seiner Anregung die große Assoziation der katalonischen Fa-
       brikarbeiter. Diese von den Mitgliedern des Föderalrats geleiste-
       ten Dienste  hatten denselben einen so großen moralischen Einfluß
       verschafft, daß  Bakunin das  Bedürfnis fühlte,  sie  durch  eine
       lange väterliche  Ermahnung, die er unterm 5. April 1872 an Mora,
       den Generalsekretär  des Föderalrats,  sandte (siehe Beweisstücke
       Nr. 3   3*)),  auf den  Weg des  Heils zu  führen. Der Kongreß zu
       Saragossa (4.-11.  April 1872)  annullierte, trotz der Bemühungen
       der durch  mindestens zwölf  Delegierte vertretenen  Allianz, die
       Ausstoßung und  wählte zwei  von den  Ausgestoßenen, trotz  ihrer
       wiederholten Weigerung,  eine Kandidatur anzunehmen, in den neuen
       Föderalrat.
       Auf dem  Kongreß zu Saragossa wurden, wie immer, gleichzeitig die
       Winkelversammlungen der  Allianz abgehalten.  Die Mitglieder  des
       Föderalrats beantragten 4*) die Auflösung der Allianz. Der Antrag
       wurde, um  nicht abgelehnt  zu werden, umgangen. Zwei Monate dar-
       auf, am  2. Juni, schickten dieselben Männer in ihrer Eigenschaft
       als Direktoren  der spanischen  Allianz und im Namen der Madrider
       Sektion der  Allianz ein  Zirkular an  die anderen  Sektionen, in
       welchem sie  ihren Antrag  erneuerten und für denselben folgenden
       Grund angaben:
       
       "Die Allianz  ist von  dem Wege  abgewichen, den sie nach unserer
       Ansicht hätte  verfolgen müssen;  sie hat  den Gedanken,  dem sie
       ihre Entstehung verdankt, gefälscht,
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe fehlt: republikanischen - 2*) in
       der französischen  Ausgabe eingefügt:  nach der Konferenz von Va-
       lencia -  3*) siehe vorl.  Band, S.469-471 - 4*) in der französi-
       schen Ausgabe eingefügt: dort
       
       #369# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       und statt  ein integrierender  Teil unserer großen Assoziation zu
       sein, ein  tätiges Element, welches den verschiedenen Organen der
       Internationalen einen  fördernden Antrieb  gäbe, indem  es sie in
       ihrer Entwicklung  unterstützte und  begünstigte,  hat  sie  sich
       vielmehr vollständig  von der  übrigen Assoziation  losgelöst und
       ist dahin  gelangt, eine  Sonderorganisation zu  bilden, die sich
       über jene stellt und sie zu beherrschen trachtet; hierdurch führt
       sie in unserer Mitte Mißtrauen, Zwietracht und Spaltung herbei...
       In Saragossa hat sie, statt Ideen zur Lösung der wichtigen Aufga-
       ben des  Kongresses mitzubringen, denselben im Gegenteil nur Fes-
       seln und Hindernisse angelegt."
       
       Schon den Tag darauf ließ die Allianz von neuem die Unterzeichner
       des Zirkulars  vom 2.  Juni aus der internationalen Föderation zu
       Madrid ausstoßen.  1*) Zum  Vorwand nahm  sie einen  Artikel  der
       "Emancipacion" vom  1. Juni,  in dem  eine Untersuchung  verlangt
       wurde
       
       "über die  Quelle des  Vermögens der Minister, Generale, Richter,
       öffentlichen Beamten,  Bürgermeister usw... und aller politischen
       Personen, welche,  ohne ein  öffentliches Amt  zu  bekleiden,  im
       Schatten der verschiedenen Regierungen lebten, denen sie ihre Un-
       terstützung in den Cortes gewährten und deren ungerechtes Verfah-
       ren sie  unter der Maske einer falschen Opposition deckten... de-
       ren Vermögens-Konfiskation die erste Maßregel am ersten Tag einer
       Revolution sein müßte".
       
       Die Allianz,  welche hierin  einen direkten  Angriff  gegen  ihre
       Freunde in  der republikanischen  Partei erblickte,  beschuldigte
       die Redakteure  der "Emancipacion",  die Sache  des  Proletariats
       verraten zu  haben, da  sie durch  das Verlangen der Konfiskation
       des Vermögens  der Staatsdiebe ja das Privateigentum anerkannten.
       Nichts kennzeichnet besser den reaktionären Geist, der sich unter
       dem revolutionären  Scharlatanismus der Allianz birgt und den sie
       der Arbeiterklasse  einimpfen möchte.  Und nichts  beweist besser
       die Perfidie der Allianz, als daß sie dieselben Leute als Vertei-
       diger des  Privateigentums ausstößt,  die sie  gleichzeitig wegen
       ihrer kommunistischen Ansichten verflucht.
       Diese neue Ausstoßung wurde unter Verletzung des in Kraft befind-
       lichen Reglements  vollzogen; dieses  schreibt die  Bildung eines
       Ehrengerichts vor,  zu welchem  der Angeklagte  zwei  von  sieben
       Richtern ernennt und von deren Entscheidung er an die Generalver-
       sammlung der  Sektion appellieren kann. Statt dessen ließ die Al-
       lianz, um nicht in ihrer Autonomie gestört zu werden, die Aussto-
       ßung in derselben Sitzung beschließen, in der sie die Anklage er-
       hob. Von 130 Mitgliedern, aus denen die Sektion bestand, hatten
       -----
       1*=) Diesem Satz geht in der französischen Ausgabe folgender Satz
       voraus: Von allen Sektionen der Allianz in Spanien antwortete nur
       die von Cádiz. indem sie ihre Auflösung mitteilte.
       
       #370# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       sich nur  15 Kumpane  eingefunden. Die Ausgestoßenen appellierten
       an den Föderalrat.
       Dieser Föderalrat  war, dank  den Umtrieben der Allianz, nach Va-
       lencia verlegt  worden. - Von den beiden auf dem Kongreß zu Sara-
       gossa wiedergewählten  Mitgliedern des früheren Föderalrats hatte
       Mora nicht angenommen und kurz darauf legte Lorenzo sein Amt nie-
       der. Von dem Augenblick war der Föderalrat mit Leib und Seele der
       Allianz ergeben.  Er beantwortete auch die Berufung der Ausgesto-
       ßenen mit  einer Inkompetenz-Erklärung, obwohl der Art. 7 des Re-
       glements der  Spanischen Föderation  ihm die  Pflicht auferlegte,
       vorbehaltlich der  Berufung an den nächsten Kongreß jede Lokalfö-
       deration zu  suspendieren, welche die Statuten verletze. Die Aus-
       gestoßenen konstituierten sich dann als "Neue Föderation" und be-
       antragten ihre  Anerkennung beim  Föderalrat, der  sie kraft  der
       Autonomie der  Sektionen formell  verweigerte. Die  Neue Madrider
       Föderation wandte sich dann an den Generalrat, der sie gemäß Art.
       II, 7  und IV,  4 des  allgemeinen Reglements  zuließ [303]). Der
       Haager allgemeine Kongreß billigte diesen Akt und ließ einstimmig
       den Delegierten 1*) der Neuen Madrider Föderation zu.
       Die Allianz  hatte die ganze Bedeutung dieser ersten rebellischen
       Bewegung begriffen  ; sie hatte begriffen, daß, wenn sie nicht im
       Keime erstickt  würde, die bisher so gelehrige spanische Interna-
       tionale ihren  Händen entschlüpfen würde; sie setzte alle anstän-
       digen und  unanständigen Mittel  in Bewegung. Mit der Verleumdung
       fing sie  an. Die  Namen der  Ausgestoßenen: Angel  und Francisco
       Mora, José  Mesa, Victor  Pagés, Iglesias,  Sáenz, Calleja, Pauly
       und Lafargue wurden mit der Bezeichnung Verräter in den Zeitungen
       veröffentlicht und in den Lokalen der Sektionen angeheftet. Mora,
       der, um  seine Pflicht als Generalsekretär zu erfüllen, seine Ar-
       beit verlassen  hatte und mehrere Monate hindurch von seinem Bru-
       der unterstützt worden war, weil kein Geld vorhanden war, um sein
       Gehalt zu bezahlen, wurde beschuldigt, auf Kosten der Internatio-
       nalen gelebt  zu haben.  Mesa, der,  um seinen Lebensunterhalt zu
       verdienen, ein Modejournal redigiert und einmal einen Artikel für
       ein illustriertes  Blatt übersetzt  hatte, wurde als an die Bour-
       geoisie verkauft behandelt. Lafargue wurde mit der Todsünde bela-
       stet, durch ein lukullisches Mahl das schwache Fleisch-von Marti-
       nez und  Montoro, zwei  Mitgliedern  des  neuen  allianzistischen
       Föderalrats, den Versuchungen des heiligen Antonius ausgesetzt zu
       haben, als  ob sie  ihr Gewissen in ihrem Wanst trügen. Wir reden
       hier nur von den
       -----
       1*) Paul Lafargue
       
       #371# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       öffentlichen und gedruckten Verleumdungen. Diese Maßregeln trugen
       indes nicht  die ersehnte  Frucht; man  ging also  über zur  Ein-
       schüchterung. In Valencia wurde Mora in einen Hinterhalt gelockt,
       wo die Mitglieder des Föderalrats ihn mit dem Knüppel in der Hand
       erwarteten. Mitglieder  der Lokalföderation  rissen  ihn  heraus;
       sie, die  das Verfahren  jener Herren kennen, versichern, daß vor
       eben so  schlagenden Argumenten Lorenzo seine Entlassung nahm. Zu
       Madrid wurde  kurz darauf  ein ähnlicher Angriff 1*) gemacht. Die
       allianzistische Kongregation des Index tat die "Emancipacion" al-
       len Gläubigen  gegenüber in  den Bann;  in Cádiz erklärte man, um
       eine heilsame  Furcht in  die Seele  der Sünder  zu werfen, jeden
       Verkäufer der "Emancipacion" als Verräter aus der Internationalen
       stoßen zu  wollen. Die allianzistische Anarchie verwirklicht sich
       in der Praxis als Inquisition.
       Die Allianz machte sich nun, wie gewöhnlich, an die Arbeit, dahin
       zu wirken,  daß auf  dem Haager  Kongreß die ganze Vertretung der
       spanischen Internationalen  nur aus ihren Mitgliedern bestehe. Zu
       diesem Zweck ließ der Föderalrat den Sektionen ein Privatzirkular
       zugehen, dessen  Existenz er  sorgfältig vor  der Neuen  Madrider
       Föderation verbarg.  Er schlug  darin vor, den Kongreß durch eine
       von sämtlichen  Internationalen zu wählende Gesamt-Repräsentation
       zu beschicken,  und zur Deckung der Vertretungskosten eine allge-
       meine Steuer  von 25  Cent, pro  Kopf zu  erheben. Da die Zeit zu
       kurz war,  um unter  den lokalen  Föderationen eine Verständigung
       über die Kandidaturen zu erlauben, war es klar, wie auch die Tat-
       sache bewiesen  hat, daß  die offiziellen  Kandidaten der Allianz
       gewählt und  auf Kosten der Internationalen zum Kongreß delegiert
       werden würden.  Dieses Zirkular kam jedoch in die Hände der Neuen
       Madrider Föderation und wurde an den Generalrat gesandt, der, be-
       kannt mit  der Abhängigkeit  des Föderalrats von der Allianz, den
       Augenblick zum  Handeln gekommen sah. Er schrieb also an den Spa-
       nischen Föderalrat einen Brief, in dem es heißt:
       "Bürger! Wir  haben die  Beweise in  der Hand,  daß im Schöße der
       Internationalen, und  namentlich in Spanien, eine geheime Gesell-
       schaft besteht,  die sich  Allianz der sozialistischen Demokratie
       nennt. Diese  Gesellschaft, deren  Zentralbehörde in  der Schweiz
       ist, hat die besondere Aufgabe, unsere große Assoziation im Sinne
       ihrer Sonderinteressen zu lenken und sie Zwecken dienstbar zu ma-
       chen, welche  der ungeheuren  Mehrheit der  Internationalen unbe-
       kannt sind.  Wir wissen ferner durch die 'Razon' von Sevilla, daß
       mindestens drei Mitglieder Eures Rats der Allianz angehören ...
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: auf Iglesias
       
       #372# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       War der  Charakter und die Organisation dieser Gesellschaft schon
       damals mit  dem Geist  und dem Buchstaben unserer Statuten unver-
       einbar, als  sie noch frei und öffentlich auftrat, so bildet ihre
       geheime Fortexistenz mitten in der Internationalen, trotz des ge-
       gebenen Worts,  einen wahrhaften Verrat gegen unsere Assoziation.
       Die Internationale  kennt nur  eine Art  Mitglieder mit  gleichen
       Rechten und  Pflichten für  alle; die  Allianz teilt  sie in zwei
       Klassen, Eingeweihte  und Profane,  von denen  die letzteren dazu
       bestimmt sind, sich vermittelst einer Organisation lenken zu las-
       sen, deren  Existenz sie  nicht einmal  ahnen. Die Internationale
       verlangt von  allen, die. sich ihr anschließen, daß sie Wahrheit,
       Gerechtigkeit und Sittlichkeit als die Regel ihres Verhaltens an-
       erkennen: Die Allianz aber macht es ihren Eingeweihten zur ersten
       Pflicht, die  profanen Internationalen  über die Existenz der ge-
       heimen Organisation,  über die  Motive und selbst über die Zwecke
       ihrer Worte und Handlungen zu täuschen." 1*)
       Der Generalrat  verlangte dann  von ihnen gewisse Materialien zur
       Untersuchung über die Allianz, die er dem Haager Kongreß vorlegen
       wollte, sowie  eine Erklärung darüber, wie sie ihre Pflichten ge-
       gen die  Internationale mit der Gegenwart von mindestens drei no-
       torischen Mitgliedern der Allianz im Föderalrat vereinbarten.
       Der Föderalrat antwortete in einem ausweichenden Briefe, worin er
       jedoch die Existenz der Allianz anerkannte.
       Da die Ränke, von denen wir gesprochen, nicht auszureichen schie-
       nen, um den Erfolg der Wahl zu sichern, ging die Allianz in ihren
       Organen so weit, die offiziellen Kandidaturen von Farga, Alerini,
       Soriano, Marselau,  Mendez, Morago aufzustellen. Das Resultat der
       Wahlen ergab für Marselau 3568, für Morago 3442, für Mendez 2850,
       für Soriano  2751 Stimmen.  Von den  anderen  Kandidaten  erhielt
       Lostau 2430  Stimmen aus  vier katalonischen  Städten, die augen-
       scheinlich noch  nicht gut diszipliniert waren; Fuster 1053 Stim-
       men zu  Sans in  Katalonien. Keiner  der anderen Kandidaten hatte
       mehr als 250 Stimmen. Um die Wahl Fargas und Alerinis zu sichern,
       erteilte der Föderalrat der Stadt Barcelona, in welcher die Alli-
       anz dominierte,  das Privileg, selbst ihre Delegierten zu wählen,
       die natürlich Farga und Alerini waren. - Dasselbe offizielle Zir-
       kular konstatiert  ferner, daß die vier katalonischen Städte, die
       Lostau und  Fuster gewählt,  also die  offiziellen Kandidaten der
       Allianz verworfen  hatten, 2654 Reales (ca. 550 Mark) für die De-
       legationskosten  aufbrachten,   während  die  anderen  spanischen
       Städte, in denen die Allianz bei der Ungewohntheit der Arbeiter,
       -----
       1*) Vgl. vorl. Band, S. 122/123
       
       #373# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       ihre Geschäfte  selbst in  die Hand  zu nehmen,  ihre  Kandidaten
       hatte durchbringen  können, im  ganzen nur  2799 Reales  (ca. 580
       Mark) zahlten.  Die Neue Madrider Föderation hatte also recht ge-
       habt, als sie sagte, daß das Geld der Internationalen dazu dienen
       würde, die Delegierten der Allianz nach dem Haag zu senden. Übri-
       gens zahlte  der allianzistische Föderalrat nicht vollständig den
       vorschriftsmäßigen Beitrag an den Generalrat.
       Alles dieses befriedigte die Allianz noch nicht. Sie brauchte für
       ihre Delegierten  ein von  ihr diktiertes  imperatives Mandat und
       erlangte es  auf folgende  Weise. In  seinem Zirkular vom 7. Juli
       suchte der  Föderalrat um  die Autorisation nach, die von den Lo-
       kalföderationen gegebenen imperativen Mandate in ein Gesamtmandat
       zusammenzufassen; er  erhielt sie auch. Dieses Manöver, schlimmer
       als  ein   bonapartistisches  Plebiszit   [304],  gestattete  der
       Allianz, das  Mandat ihrer Delegierten zu redigieren, ein Mandat,
       das sie  dem Kongreß  aufzuzwingen sich  vermaß, indem  sie ihren
       Delegierten verbot,  an der  Abstimmung sich  zu beteiligen, wenn
       nicht  der   vom  allgemeinen   Reglement   der   Internationalen
       vorgeschriebene Modus  der Abstimmung  sofort geändert würde. Daß
       dieses nur  eine Spiegelfechterei  war, beweist  der Umstand, daß
       auf dem  Kongreß zu Saint-Imier die spanischen Delegierten, trotz
       ihres  Mandats,   sich  an   der  Abstimmung   nach  Föderationen
       beteiligten, ein  Modus  der  Abstimmung,  wie  er  so  sehr  von
       Castelar gerühmt und von der Friedensliga gehandhabt wird. *)
       -----
       *) Sentiñon, Doktor  der Medizin  zu Barcelona,  ein persönlicher
       Freund von  Bakunin und einer der Gründer der spanischen Allianz,
       gab lange  vor dem  Haager Kongreß  den Internationalen  den Rat,
       ihre Beiträge  nicht an  den Generalrat  zu zahlen, da dieser sie
       zum Ankauf  von Gewehren verwendete; er suchte die spanischen In-
       ternationalen davon  abzuhalten, die  Sache der besiegten Kommune
       für die  ihre zu  erklären; wegen  Preßvergehen ins Gefängnis ge-
       steckt, erließ  er ein  Manifest, in  welchem er  die damals ver-
       folgte Internationale  zu verleugnen  den Mut  hatte; aus  diesem
       Grunde von  der gesamten  Arbeiterklasse in  Barcelona verlassen,
       blieb er  dennoch eines der geheimen Häupter der Allianz, denn in
       einem Briefe  vom 14.  August 1871, drei Monate nach dem Fall der
       Kommune, wies  Montoro, Mitglied  der Allianz, einen allianzisti-
       schen Korrespondenten  an Sentiñon,  der ihm,  wie er sagte, über
       seinen Charakter  und seine  Eigenschaft als Allianzmitglied Aus-
       kunft geben würde.
       Viñas, Student  der Medizin, den Sentiñon in einem Briefe vom 26.
       Januar 1872 Liebknecht empfahl als "die Seele der Internationalen
       zu Barcelona",  zog sich, ohne daß die Polizei sich die Mühe gab,
       ihn ins Gefängnis zu stecken, von der Internationalen während der
       Zeit ihrer  Verfolgung zurück, um nicht die Interessen seiner Fa-
       milie zu gefährden.
       Farga-Pellicer, auch  eins der  Häupter der Allianz, wird in dem-
       selben Briefe  Sentiñons beschuldigt, zur Zeit der Verfolgung das
       Weite gesucht und die gerichtliche
       
       #374# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       
       ---
       Verantwortlichkeit für seine Artikel anderen überlassen zu haben.
       Der Hasenmut  der Allianzisten pocht kühn, immer und überall, auf
       seine antiautoritäre  Autonomie. Ihr  Protest gegen die Autorität
       des Bourgeois-Staats ist die Flucht.
       Soriano, ein anderer Führer, Professor der (unbekannten 1*)) Wis-
       senschaften, zog  sich von  der Internationalen  zurück, als  die
       Verfolgung im  ärgsten Zuge war. Auf dem Kongreß zu Saragossa wi-
       dersetzte er  sich mit  leider erfolglosem  Mute der von Lafargue
       und anderen  Delegierten verlangten  öffentlichen  Abhaltung  des
       Kongresses, weil er es nicht für klug hielt, den Zorn der Autori-
       tät zu  provozieren. Zuletzt,  unter  Amadeo,  hat  Soriano  eine
       Stelle bei der Regierung angenommen.
       Morago, Ladenbesitzer und Kneipenbummler, behauptet seine Autono-
       mie als  Spieler von  Profession mittelst  der Arbeit seiner Frau
       und seiner  Lehrlinge. Als  der Föderalrat nach Lissabon übersie-
       delte, verließ  er seinen  Platz als Mitglied des Rats und machte
       den Vorschlag, die Papiere der Internationalen in die See zu wer-
       fen; als Sagasta die Internationale außer Gesetz erklärte, gab er
       von neuem  seine Stelle  als Mitglied des Lokalrats zu Madrid auf
       und rettete  sich vor  dem Sturm  in den Hafen der Allianz. Fehlt
       der Allianz auch der Christus, an Petrussen hat sie Überfluß.
       Clémente Bové,  wurde als Präsident der Assoziation der katatoni-
       schen Fabrikarbeiter  (las très clases de vapor [305]) wegen sei-
       ner zu autonomen Kassenausgleichungen abgesetzt und ausgestoßen.
       Dionisio Garcia Fraile - in der Nummer des allianzistischen Blat-
       tes "Federacion"  vom 28.  Juli 1872,  in welcher  er ein  langes
       Schreiben voll Angriffen gegen die Neue Föderation zu Madrid ver-
       öffentlichte, heißt  er "unser lieber Kollege" - stand im Dienste
       der Polizei  zu San  Sebastian und bestahl die Kasse der Interna-
       tionalen.
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: geheimnisvollen
       
       #375#
       -----
       V
       
       Die Allianz in Italien
       
       In Italien bestand die Allianz vor der Internationalen. Papst Mi-
       chail hatte  dort seinen  Aufenthalt gehabt  und sich  zahlreiche
       Verbindungen unter  den jüngeren  radikalen Elementen  der  Bour-
       geoisie verschafft.  Die erste Sektion der italienischen Interna-
       tionalen, die  zu Neapel,  stand von  ihrer Gründung an unter der
       Führung dieses  Bourgeois- und  Allianzistenkreises. Der  Advokat
       Gambuzzi *),  einer der  Gründer der  Allianz, verschaffte seinem
       "Musterarbeiter" Caporusso  die Präsidentschaft.  Auf dem Kongreß
       zu Basel  vertrat Bakunin,  Arm in  Arm mit seinem getreuen Capo-
       russo, die  neapolitanischen Internationalen,  während der  Anto-
       nelli der Allianz, Fanelli **),
       ---
       *) "Einer der  eifrigsten Parteigänger Caporussos war der Advokat
       Carlo Gambuzzi, der in ihm das Muster eines Präsidenten einer in-
       ternationalen Sektion 1*) gefunden zu haben glaubte. Gambuzzi war
       es auch,  der ihm  die Mittel  zum Besuch des Kongresses zu Basel
       verschaffte. Und als die Ausstoßung Caporussos in der Generalver-
       sammlung der  Sektion beschlossen wurde, widersetzte er sich leb-
       haft der Veröffentlichung dieser Tatsache im 'Bulletin' und über-
       redete auch  seine Freunde,  nicht auf die Veröffentlichung jener
       andern schimpflichen  Tatsache, der Aneignung von 300 Franken, zu
       dringen." (Brief Cafieros vom 12. Juli 1871.) [306]
       **) Fanelli ist  bereits seit langer Zeit im italienischen Parla-
       ment. Gambuzzi,  hierüber interpelliert,  erklärte, daß  es etwas
       sehr Schönes sei, Deputierter zu sein; man sei der Polizei gegen-
       über unverletzlich und könne umsonst auf allen italienischen Bah-
       nen fahren.  Die Allianz  verbietet den Arbeitern jede politische
       Tätigkeit, denn vom Staate die Feststellung eines Normal-Arbeits-
       tages für Frauen und Kinder verlangen, hieße den Staat anerkennen
       und sich  vor dem bösen Prinzip beugen; aber die Bourgeois-Führer
       der Allianz  haben päpstlichen  Dispens, der  ihnen gestattet, im
       Parlament zu sitzen und die ihnen von den Bourgeois-Staaten gebo-
       tenen Vorrechte  zu genießen. Die atheistische und anarchistische
       Tätigkeit Fanellis im italienischen Parlament hat sich bisher auf
       eine schwülstige  Lobrede auf  den Autoritarier Mazzini, den Mann
       des "Dio e popolo" 2*), beschränkt.
       -----
       1*) Bei Cafiero: einer Sektion der Internationale - 2*) "Gott und
       Volk"
       
       #376# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Delegierter mehrerer  außerhalb der Internationalen stehenden Ar-
       beiter-Assoziationen, durch  ein Unwohlsein unterwegs aufgehalten
       wurde.
       Die Vertrautheit  mit dem  heiligen Vater  berauschte den  braven
       Caporusso. Bei  seiner Rückkehr  nach Neapel glaubte er, über den
       anderen Allianzisten zu stehen; er spielte bei seiner Sektion den
       Herrn.
       
       "Die Reise  nach Basel  wandelte Caporusso von Kopf zu Fuße um...
       Er kam  zurück vom  Kongreß mit sonderbaren Ideen und Ansprüchen,
       ganz und gar mit dem Wesen unserer Assoziation im Widerspruch. Er
       sprach zuerst  andeutungsweise, dann offen in gebieterischem Tone
       von Vollmachten,  die er  nicht hatte  und nicht haben konnte; er
       versicherte, daß  der Generalrat  nur zu  ihm Vertrauen habe, und
       daß er,  wenn die  Sektion nicht  nach seinem  Willen ginge,  die
       Vollmacht  habe,  sie  aufzulösen  und  eine  neue  zu  gründen."
       (Offizieller Bericht  der Sektion  zu Neapel  an den  Generalrat,
       Juli 1871,  abgefaßt und unterzeichnet vom allianzistischen Advo-
       katen Carmelo Palladino.)
       
       Die Vollmachten  Caporussos mußten vom Zentralkomitee der Allianz
       ausgehen, denn  die Internationale hat nie derartige erteilt. Der
       gute Caporusso,  der in  der Internationalen nur eine Quelle per-
       sönlichen  Vorteils  erblickte,  ernannte  seinen  Schwiegersohn,
       einen Ex-Jesuiten und entlaufenen Priester zum
       
       "Professor der  Internationalen und  zwang  die  armen  Arbeiter,
       seine Tiraden  über die Achtung des Eigentums und andern Blödsinn
       der Bourgeois-Volkswirtschaft 1*) herunterzuschlucken" (Brief Ca-
       fieros) *),
       
       worauf er  sich dann  von den Kapitalisten kaufen ließ, die durch
       die Fortschritte der Internationalen in Neapel in Unruhe versetzt
       wurden. Auf  ihr Geheiß  zog er  die Kürschner  Neapels in  einen
       hoffnungslosen Strike. Nebst drei anderen Mitgliedern ins Gefäng-
       nis geworfen,  behielt er  die Summe  von 300 Franken ein, welche
       von der Sektion zur Unterstützung der vier
       ---
       *) Caporusso hatte  zwei Jahre später die Unverschämtheit, dieses
       selbe, in  Neapel durchgefallene  Individuum dem Generalrat durch
       folgende Reklame  aufdrängen zu wollen: "Bürger-Präsident der In-
       ternationalen! Die große Frage von Arbeit und Kapital, welche der
       Arbeiterkongreß von  Basel behandelte  und die  heute die Geister
       aller Klassen  beschäftigt, ist jetzt gelöst. Mein Schwiegersohn,
       der Mann  meiner Tochter,  hat sich  mit dem Studium des schweren
       Problems der  sozialen Frage beschäftigt, er hat die Entscheidun-
       gen jenes  Kongresses geprüft  und mit Hülfe der Wissenschaft den
       Faden des  schwierigen Knotens  gefunden, um  die Arbeiterfamilie
       mit der  Bourgeoisie,  jede  in  ihrem  Rechte,  in  vollkommenes
       Gleichgewicht zu bringen" usw. (unterzeichnet Stefano Caporusso).
       [307]
       -----
       1*) Bei Cafiero: politische Ökonomie
       
       #377# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Gefangenen geschickt  wurde. Diese Großtaten bewirkten seine Aus-
       stoßung aus der Sektion, die weiter fortexistierte, bis sie durch
       Gewalt aufgelöst wurde (20.August 1871). Die Allianz, den Angrif-
       fen der  Polizei entgangen,  benutzte diesen  Umstand, um sich an
       die Stelle  der Internationalen zu setzen. Carmelo Palladino pro-
       testierte bei  Einsendung des oben zitierten offiziellen Berichts
       vom 13.  November 1871  gegen die Londoner Konferenz in denselben
       Ausdrücken und  mit denselben  Gründen, die  man im  Zirkular von
       Sonvillier vom Tage vorher findet.
       Im November  1871 bildete  sich in Mailand eine aus verschiedenen
       Elementen zusammengesetzte  Sektion. [308] Man fand in ihr Arbei-
       ter, besonders Mechaniker, die von Cuno zugeführt wurden; daneben
       Studenten, Journalisten der kleinen Presse, Kommis, diese letzte-
       ren 1*) vollständig unter dem Einfluß der Allianz. Cuno war schon
       wegen seines pangermanischen Ursprungs von ihren Mysterien ausge-
       schlossen; doch  überzeugte er  sich, daß  nach einer Pilgerfahrt
       nach Locarno,  dem allianzistischen  Rom, diese  jungen Bourgeois
       sich als  Sektion der  geheimen Gesellschaft konstituiert hatten.
       Kurz darauf (Februar 1872) wurde Cuno von der italienischen Poli-
       zei verhaftet und ausgewiesen; dank dieser Hülfe des Himmels fand
       die Allianz das Feld frei und disziplinierte ganz sachte die Mai-
       ländische Sektion der Internationalen.
       Am 8.  Oktober 1871  konstituierte sich  in Turin die Arbeiterfö-
       dera-tion [62];  sie beantragte  beim Generalrat ihre Aufnahme in
       die Internationale.  Ihr Sekretär,  Carlo  Terzaghi,  schrieb  in
       jenem Briefe  : "Attendiamo  i vostri ordini" - wir erwarten Eure
       Befehle. Wie  um zu zeigen, daß in Italien die Internationale von
       ihrem Ursprung an durch den bürokratischen Instanzenzug der Alli-
       anz passieren mußte, meldet er, daß
       
       "der Generalrat durch Vermittlung Bakunins einen Brief der Arbei-
       ter-Assoziation zu  Ravenna erhalten  werde, worin diese sich als
       internationale Sektion erkläre".
       
       Am 4.  Dezember zeigt  Carlo Terzaghi  dem Generalrat an, daß die
       Arbeiterföderation sich gespalten habe, da die Majorität mazzini-
       stisch sei, und daß die Minderheit sich unter dem Namen Emanzipa-
       tion des  Proletariers als Sektion konstituiert habe. [62] Er be-
       nutzt die  Gelegenheit, um  vom Generalrat  Geld für sein Journal
       "Il Proletario"  zu verlangen. Es war nicht die Aufgabe des Gene-
       ralrats, für  die Bedürfnisse  der Presse  zu sorgen;  doch  exi-
       stierte in  London ein  Komitee, das  sich bemühte, einige Gelder
       zur Unterstützung der internationalen Blätter zu sammeln. Das Ko-
       mitee
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe fehlt: diese letzteren
       
       #378# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       war im Begriff, eine Unterstützung von 150 Franken zu senden, als
       das "Gazzettino  Rosa" verkündete,  die Turiner  Sektion habe für
       den Jura offen Partei ergriffen und habe beschlossen, einen Dele-
       gierten zu  dem von der Jura-Föderation einzuberufenden allgemei-
       nen Kongreß  zu schicken. Zwei Monate später rühmte sich Terzaghi
       vor Regis,  daß er diesen Beschluß habe fassen lassen, nachdem er
       in Locarno  persönlich die  Instruktionen Bakunins in Empfang ge-
       nommen hatte. Bei dieser feindseligen Haltung zur Internationalen
       schickte das Komitee kein Geld.
       Obwohl Terzaghi  in Turin die rechte Hand der Allianz war, so war
       doch der wahre päpstliche Legat daselbst ein gewisser Jacobi, an-
       geblich polnischer  Arzt. Zur  Erklärung seines  Hasses gegen den
       angeblichen Pangermanismus  des Generalrats  beschuldigte  diesen
       der allianzistische Doktor
       
       "der Nachlässigkeit  und Untätigkeit  im  französisch-preußischen
       Kriege; man  muß ihm  den Fall  der Kommune zuschreiben, da er es
       nicht verstanden  hat, sich seiner ungeheueren Macht zu bedienen,
       um die  Pariser Bewegung zu unterstutzen; seine germanischen Ten-
       denzen fallen  in die Augen, wenn man bedenkt, daß vor den Mauern
       von Paris  in der deutschen Armee 40 000 Internationale (!) stan-
       den und  der Generalrat  nicht verstanden  hat, seinen Einfluß zu
       brauchen oder  ihn nicht  hat brauchen wollen, um die Fortsetzung
       des Krieges  zu verhindern"  (!!  -  Bericht  von  Regis  an  den
       Generalrat, 1. März 1872 [309]).
       
       Er beschuldigt  den Generalrat, ihn mit dem Preß-Komitee verwech-
       selnd, "die  Theorie der korrumpierenden und korrumpierten Regie-
       rungen zu befolgen", als er die 150 Franken dem Allianzisten Ter-
       zaghi verweigerte.  Um zu  beweisen, daß  diese Klage der Allianz
       von Herzen kam, machte es sich Guillaume zur Pflicht, sie auf dem
       Haager Kongreß zu wiederholen.
       Während Terzaghi  in seinem Blatte vor dem Publikum die große an-
       tiautoritäre Trommel  der Allianz  schlug, schrieb  er unter  der
       Hand an  den Generalrat,  daß er seine Autorität brauchen und die
       Beiträge der  Turiner Arbeiterföderation  zurückweisen solle, und
       verlangte von  ihm eine regelrechte Exkommunikation des Journali-
       sten Beghèlli, der nicht einmal Mitglied der Internationalen war.
       Derselbe Terzaghi,  "der gute  Freund (amicone) des Turiner Poli-
       zeipräfekten, der  ihn auf  ein Gläschen Wermuth traktierte, wenn
       er ihm  begegnete" (offizieller  Bericht des  Turiner Föderalrats
       vom 5. April 1872), denunzierte in einer öffentlichen Versammlung
       die Anwesenheit  des Flüchtlings  Regis, der  vom Generalrat nach
       Turin gesandt  war. Diese Anzeige trieb die Polizei sofort unmit-
       telbar auf Regis' Fersen; es gelang diesem nur mit Hülfe der Sek-
       tion, die Grenze zu erreichen.
       
       #379# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       Terzaghi beschloß  in Turin  folgendermaßen seine allianzistische
       Mission. Da  schwere Anklagen  sich gegen  ihn erhoben hatten, so
       "drohte er  die Bücher  der Sektion  zu verbrennen,  wenn man ihn
       nicht wieder  zum Sekretär  wählte, wenn  man sich seinem Willen,
       seiner Autorität  zu entziehen trachtete, oder wenn man einen Ta-
       del gegen  ihn beschlösse.  In allen  diesen Fällen würde er sich
       rächen, indem  er Polizeiagent  (questurino) würde". Aus dem oben
       zitierten Bericht  des Turiner  Föderalrats.) Terzaghi hatte alle
       Ursache, die  Sektion einschüchtern  zu wollen.  In seiner Eigen-
       schaft als Kassierer und Sekretär hatte er seine allianzistischen
       Kassendiebstähle gar  zu weit  getrieben. Trotz  eines  formellen
       Verbots von Seiten des Rats gewährte er sich eine Schadloshaltung
       von 90 Franken; er trug in die Bücher unbezahlte und in der Kasse
       fehlende Summen  als bezahlt ein; die von ihm selbst aufgestellte
       Rechnungsbilanz wies  einen Kassenbestand von 56 Franken auf, die
       nicht aufzufinden  waren und  die er  sich zu  ersetzen weigerte,
       ebenso die  200 Beitragsmarken, welche er vom Generalrat erhalten
       hatte. Die  Generalversammlung schaßte  (scacciò) ihn  einstimmig
       (der oben  zitierte Bericht). Die Allianz, welche immer die Auto-
       nomie der  Sektionen respektiert, respektierte auch diese Aussto-
       ßung, indem sie Terzaghi unmittelbar darauf zum Ehrenmitglied der
       Sektion zu  Florenz ernennen ließ und später zum Delegierten die-
       ser selben Sektion für die Konferenz zu Rimini.
       Wenige Tage später, in einem Brief vom 10. März, erklärt Terzaghi
       dem Generalrat seine Ausstoßung auf folgende Weise: er habe seine
       Entlassung als Mitglied und Sekretär dieser Sektion von Kanaillen
       und Polizeispitzeln  (canaglia et mardoccheria) eingereicht, weil
       dieselbe "aus  Agenten der  Regierung und Mazzinisten zusammenge-
       setzt sei", und weil man versucht habe, ihm ein Tadelsvotum anzu-
       heften, "wissen Sie, warum? weil ich Krieg dem Kapital predigte!"
       (Diesen Krieg  führte er  grade gegen die Kasse der Sektion.) Der
       Brief hat den Zweck, dem Generalrat zu beweisen, daß er sonderbar
       getäuscht sei  über den  Charakter dieses  braven  Terzaghi,  der
       nichts sehnlicher  wünsche, als  der untertänige Diener des Gene-
       ralrats zu  sein. Hatte  er nicht "stets erklärt, daß man, um In-
       ternationaler zu  sein, seine  Beiträge an  den Generalrat zahlen
       müsse" - im Gegensatz zu den geheimen Befehlen der Allianz?
       
       "Wenn wir dem Jura-Kongreß beigetreten sind, so geschah es nicht,
       um Ihnen,  meine lieben  Freunde, den  Krieg zu erklären, sondern
       man folgte  einfach dem  Strome; unsere  Absicht war, in dem Kon-
       flikt ein  Friedenswort beizutragen.  Was die  Zentralisation der
       Sektionen betrifft, so halte ich dieselbe, ohne ihnen jedoch eine
       gewisse eigene Autonomie entziehen zu wollen, für sehr nützlich."
       - - Ich hoffe, daß der große Rat die Aufnahme der mazzinistischen
       Arbeiterföderation verweigern wird; seien Sie
       
       #380# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       überzeugt, daß  niemand es  Ihnen  für  Autoritätssucht  auslegen
       wird; ich  übernehme alle Verantwortlichkeit dafür... Ich wünsche
       1*) eine  ausführliche Biographie von Karl Marx; in Italien haben
       wir noch keine authentische und ich möchte die Ehre haben, zuerst
       eine solche zu liefern."
       
       Und was bedeutet diese ganze Schweifwedelei?
       
       "Nicht meinetwegen,  sondern um der Sache willen, um meinen zahl-
       reichen Feinden  nicht den  Platz zu  räumen, um ihnen zu zeigen,
       daß die Internationale feststeht, bitte ich Sie dringend, wenn es
       noch Zeit  ist, mir die Unterstützung von 150 Franken zu bewilli-
       gen, die der große Rat beschlossen hat."
       
       Sich der  Straflosigkeit sicher  wähnend, scheint  Terzaghi durch
       neue Streiche  in Florenz sich derart unmöglich gemacht zu haben,
       daß der  Fascio Operaio  2*) selbst  sich genötigt  sah,  ihn  zu
       desavouieren. Hoffen  wir, daß  das Jura-Komitee  verstanden hat,
       seine Dienste besser zu würdigen.
       Wenn die Allianz in Terzaghi ihren echten Repräsentanten gefunden
       hat, so  fand sie  in der Romagna ihr richtiges Terrain. Sie bil-
       dete dort  ihre Gruppe  angeblich internationaler  Sektionen, die
       als erste  Verhaltungsregel hatten, sich nicht an die Allgemeinen
       Statuten zu  kehren und  dem Generalrat weder ihre Konstituierung
       anzuzeigen, noch  Beiträge zu  zahlen. Es waren wahrhaft autonome
       Sektionen. Sie nahmen den Namen des Fascio Operaio an und dienten
       verschiedenen Arbeiter-Assoziationen als Mittelpunkt. Ihr erster,
       zu Bologna  am 17.  März 1872 abgehaltener Kongreß antwortete auf
       die Frage:
       
       "Soll man  im allgemeinen  Interesse und  zur Sicherung der voll-
       ständigen Autonomie  des Fascio Operaio denselben der Leitung des
       General-Komitees zu  London oder  der des  Jura unterwerfen  oder
       soll man seine Unabhängigkeit bewahren, indem man zugleich Bezie-
       hungen mit beiden Komitees unterhält?"
       
       mit folgendem Beschluß:
       
       "Der Kongreß  erblickt in  dem General-Komitee  zu London und dem
       des Jura  nichts weiter als einfache Korrespondenz- und statisti-
       sche Büros  und beauftragt  das Konsulat des Bezirks von Bologna,
       sich mit beiden in Verbindung zu setzen und darüber den Sektionen
       zu berichten."
       
       Der Fascio  Operaio hatte  einen großen Bock geschossen, indem er
       den Profanen  die geheimnisvolle  Existenz des  geheimen Zentrums
       der Allianz  enthüllte. Das  Jura-Komitee sah  sich genötigt, öf-
       fentlich seine  geheime Existenz zu leugnen. - Was den Generalrat
       anlangt, so  hat ihm  das Konsulat von Bologna nie ein Lebenszei-
       chen gegeben.
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe:  Wenn es  möglich wäre, möchte
       ich - 2*) Arbeiterbund
       
       #381# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Kaum hatte  die Allianz von der Einberufung des Haager Kongresses
       Kenntnis, so  ließ sie ihren Fascio Operaio vorrücken, der im Na-
       men seiner  autonomen Autorität oder seiner autoritären Autonomie
       sich den Titel italienische Föderation beilegte und zum 5. August
       eine Konferenz  nach Rimini  einberief. Von den 21 Sektionen, die
       dort vertreten  waren, hatte  eine einzige, die zu Neapel, jemals
       zur Internationalen gehört, während keine der wirklich zur Inter-
       nationalen gehörigen Sektionen, selbst nicht die zu Mailand, dort
       einen Vertreter  hatte. Diese  Konferenz deckte  den Feldzugsplan
       der Allianz in folgender Resolution [310] auf:
       
       "In Erwägung, daß die Londoner Konferenz (September 1871) es ver-
       sucht hat,  durch ihre  Resolution IX  der ganzen Internationalen
       Arbeiter-Assoziation eine  autoritäre Lehre  aufzudrängen, welche
       die der deutschen kommunistischen Partei ist;
       in Erwägung,  daß der  Generalrat der Hebel und Stützpunkt dieses
       Versuchs ist;
       in Erwägung,  daß  die  Lehre  der  autoritären  Kommunisten  die
       Verneinung des  revolutionären Gefühls des italienischen Proleta-
       riats ist;
       in Erwägung, daß der Generalrat die unwürdigsten Mittel, wie Ver-
       leumdung und  Betrug, gebraucht  hat, einzig  zu dem  Zwecke, der
       ganzen internationalen  Assoziation die Einheit seiner speziellen
       autoritär-kommunistischen Doktrin aufzuzwingen;
       in Erwägung, daß der Generalrat das Maß seiner Unwürdigkeit durch
       sein vertrauliches  Zirkular, datiert  London 5.  März 1872, voll
       gemacht hat, in welchem er, sein Werk der Verleumdung und des Be-
       trugs fortsetzend,  seine ganze Autoritätssucht enthüllt, nament-
       lich in den beiden folgenden, beachtenswerten Stellen:
       Es dürfte  schwer sein, Befehle auszuführen ohne 'moralische' Au-
       torität, in 'Ermangelung jeder anderen frei zugestandenen Autori-
       tät'. (Vertrauliches Zirkular, Seite 27. 1*))
       'Der Generalrat  beabsichtigt, auf  dem nächsten Kongreß eine Un-
       tersuchung über  jene geheime Organisation und ihre Führer in ge-
       wissen Ländern,  zum Beispiel  in Spanien,  zu verlangen.' (Seite
       31. 2*)
       In Erwägung,  daß der reaktionäre Geist des Generalrats das revo-
       lutionäre Gefühl der Belgier, Franzosen, Spanier, Slawen, Italie-
       ner und  eines Teiles  der Schweiz  empört und den Antrag auf Ab-
       schaffung des Generalrats wie auf Reform der Allgemeinen Statuten
       hervorgerufen hat;
       in Erwägung,  daß der  Generalrat nicht  ohne Ursache den Kongreß
       nach dem  von allen  jenen revolutionären Ländern weit entlegenen
       Haag berufen hat;
       in Erwägung  alles dessen erklärt die Konferenz feierlich vor al-
       len Arbeitern  der Welt,  daß die italienische Föderation der In-
       ternationalen Arbeiter-Assoziation  von diesem Augenblick an jede
       Solidarität zwischen  sich und  dem Londoner  Generalrat aufhebt,
       zugleich jedoch  ihre ökonomische Solidarität mit allen Arbeitern
       versichert, und  alle Sektionen,  welche  nicht  die  autoritären
       Prinzipien des Generalrats teilen, auffordert, ihre Vertreter zum
       2. September 1872 nicht nach dem Haag, sondern nach
       -----
       1*) Siehe vorl. Band, S. 37 - 2*) ebenda, S. 42
       
       #382# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Neuchâtel (Schweiz) zu senden, um an demselben Tage den antiauto-
       ritären allgemeinen Kongreß zu eröffnen.
       Rimini, 6. August 1872
       Für die Konferenz
       Carlo Cafiero, Präsident, Andrea Costa, Sekretär."
       
       Der Versuch,  den Fascio Operaio an die Stelle des Generalrats zu
       setzen, scheiterte  vollständig. Sogar  der Spanische Föderalrat,
       diese einfache  Filiale der  Allianz, wagte es nicht, die Resolu-
       tion von  Rimini den spanischen Internationalen zur Abstimmung zu
       unterbreiten. Die  Allianz versuchte also ihren Schnitzer wieder-
       gutzumachen, und ging nach dem Haag, berief aber gleichzeitig ih-
       ren antiautoritären Kongreß nach Saint-Imier.
       Italien war  durch besondere  günstige Umstände  das gelobte Land
       der Allianz geworden. Der Papst Michail deckt dieses Geheimnis in
       seinem Briefe an Mora (Beweisstücke Nr. 3  1*)) auf:
       
       "In Italien  gibt es,  was den  anderen Ländern  fehlt, eine glü-
       hende, energische  Jugend ohne jede Stellung, ohne Karriere, ohne
       Ausweg (tout-à-fait  déplacée, sans  carrière, sans  issue),  die
       trotz ihrer  Bourgeois-Herkunft nicht moralisch und intellektuell
       erschöpft ist  wie die  junge Bourgeoisie  anderer Länder.  Heute
       stürzt sie  sich kopfüber  (à tête  perdue) in den revolutionären
       Sozialismus mit  unserem ganzen  Programm, dem Programm der Alli-
       anz. Mazzini,  unser genialer  2*) und mächtiger Gegner, ist tot,
       die mazzinistische Partei ist vollständig desorganisiert, und Ga-
       ribaldi läßt sich mehr und mehr fortreißen von jener seinen Namen
       führenden Jugend,  die jedoch viel weiter als er geht, ja läuft."
       *)
       
       Der heilige Vater hat recht. Die Allianz in Italien ist nicht ein
       "Arbeiter-Bund" (Fascio  Operaio), sondern ein Haufen von Deklas-
       sierten 3*),  der Abhub der Bourgeoisie. Alle angeblichen Sektio-
       nen der italienischen Internationalen werden geleitet von Advoka-
       ten ohne Klienten, von Ärzten ohne
       ---
       *) Garibaldi selbst  schreibt  hierüber:  "Mein  lieber  Crescio!
       Herzlichen Dank für den 'Avvenire Sociale', den Sie mir zugesandt
       haben und  den ich mit Interesse lesen werde. Sie wollen in Ihrem
       Blatte die  Lüge und  die Sklaverei  bekämpfen: das  ist ein sehr
       schönes Programm.  Aber ich  glaube, daß die Bekämpfung des Prin-
       zips der  Autorität einer  jener Fehler  der Internationalen ist,
       der ihre  Fortschritte hindert. Die Pariser Kommune ist gefallen,
       weil in  Paris keine  Autorität, sondern nur Anarchie existierte.
       Spanien und  Frankreich leiden an demselben Übel. Ich wünsche dem
       'Avvenire' gutes Gedeihen und bleibe Ihr G. Garibaldi." [311]
       ------
       1*) Siehe vorl.  Band, S. 470/471 - 2*) in der französischen Aus-
       gabe eingefügt:  (sic) -  3*) in der  französischen Ausgabe endet
       hier der Satz
       
       #383# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über Bakunin
       -----
       Patienten und  ohne Kenntnisse,  von Studenten  vom Billard,  von
       Handlungsreisenden und sonstigen Kommis und besonders von Journa-
       listen der  kleinen Presse von mehr oder minder zweideutigem Ruf.
       Italien ist  das einzige Land, in dem die internationale Presse -
       oder die  sich so  nennt -  einen figaristischen Charakter trägt.
       Man braucht  nur einen  Blick auf  die Handschrift  der Sekretäre
       dieser angeblichen  Sektionen zu  werfen, um  sich zu überzeugen,
       daß sie  immer eine  kaufmännische ist oder doch den gewohnheits-
       mäßigen Gebrauch  der Feder  verrät. Sich  so  aller  offiziellen
       Stellungen in  den Sektionen  bemächtigend, zwang die Allianz die
       italienischen Arbeiter,  sobald sie  untereinander oder mit einem
       auswärtigen Rat der Internationalen in Verbindung treten wollten,
       sich der  Hände jener  allianzistischen degradierten Bourgeois zu
       bedienen, die  in der Internationalen endlich eine "Karriere" und
       einen "Ausweg" fanden.
       
       #384#
       -----
       VI
       
       Die Allianz in Frankreich
       
       Die Mitglieder  waren dort  wenig zahlreich, aber sehr eifrig. In
       Lyon wurde  die Allianz  geleitet von  Albert Richard und Gaspard
       Blanc, in  Marseille von  Bastelica, alle drei tätige Mitarbeiter
       an den  von Guillaume  redigierten Blättern. Ihnen ist es zu dan-
       ken, daß  die Allianz  es fertigbrachte,  die Lyoner  Bewegung im
       September 1870  zu desorganisieren;  diese Bewegung hatte für sie
       keine andere Bedeutung, als daß sie Bakunin Gelegenheit gab, sein
       ewig denkwürdiges Dekret der Abschaffung des Staates loszulassen.
       - Die Tätigkeit der Allianz nach der Niederlage der Lyoner Insur-
       rektion ist  trefflich charakterisiert  in folgender Stelle eines
       Briefs von Bastelica (Marseille, 13. Dezember 1870):
       
       "Unsere tatsächliche  Macht ist  ungeheuer groß  unter den Arbei-
       tern; doch ist unsere Sektion seit den letzten Verfolgungen nicht
       wieder organisiert worden. Wir wagen es nicht zu tun, aus Furcht,
       daß in  Abwesenheit der Führer (initiateurs) die Elemente korrum-
       piert Werden könnten. 1*)"
       
       Der Umstand, daß Bastelica zu einem Marschregiment eingezogen war
       und jeden  Augenblick von  Marseille entfernt  werden konnte, war
       also für  ihn ein genügender Grund, die Reorganisation der Inter-
       nationalen zu  verhindern, so  unentbehrlich für  ihre  Autonomie
       hielt er  die Gegenwart der allianzistischen Führer. - Das augen-
       scheinlichste Resultat,  das die  Allianz zuwege brachte, war bei
       den Lyoner  und Marseiller  Arbeitern die Internationale, die sie
       wie immer  und überall zu repräsentieren vorgab, in Mißachtung zu
       bringen.
       Das Ende Richards und Blancs ist bekannt. Im Herbst 1870 erschie-
       nen sie  in London und suchten unter den französischen Flüchtlin-
       gen Bundesgenossen für eine bonapartistische Restauration zu wer-
       ben. Im Januar 1872
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: Wir halten uns in Re-
       serve.
       
       #385# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       veröffentlichten sie  die Broschüre:  "L'Empire et la France nou-
       velle. Appel  du  peuple  et  de  la  jeunesse  à  la  conscience
       française, par Albert Richard et Gaspard Blanc, Bruxelles, 1872."
       (Das Kaisertum  und das neue Frankreich. Ein Appell des Volks und
       der Jugend  an das  französische Gewissen, von Albert Richard und
       Gaspard Blanc, Brüssel 1872.)
       Mit der  gewöhnlichen Bescheidenheit  der Scharlatane der Allianz
       preisen sie sich hier an:
       
       "Wir, die  wir die große Armee des französischen Proletariats ge-
       bildet hatten... wir, die einflußreichsten Führer der Internatio-
       nalen in Frankreich... wir sind glücklicherweise nicht erschossen
       worden, und  wir sind  da, um  angesichts jener  (der ehrgeizigen
       Parlamentsredner, der vollwanstigen Republikaner, der angeblichen
       Demokraten jeder  Gattung)  die  Fahne  aufzupflanzen,  in  deren
       Schatten wir kämpfen, und um dem erstaunten Europa trotz der Ver-
       leumdungen, trotz  der Drohungen,  trotz der  Angriffe jeder Art,
       die unser  warten, jenen  Ruf entgegenzuschleudern,  der aus  der
       Tiefe unseres  Gewissens kommt und bald in dem Herzen aller Fran-
       zosen widerhallen wird, den Ruf: 'VIVE L' EMPEREUR!' (Es lebe der
       Kaiser!)"
       
       Wir enthalten  uns der  Untersuchung, ob  diese beiden "durch den
       normalen Fortschritt  ihrer Anschauungen"  kaiserlich  gewordenen
       Allianzisten wirklich einfache "Kanaillen" sind, wie sie ihr ehe-
       maliger Freund  Guillaume im Haag nannte, oder ob sie vom allian-
       zistischen Papst  den besonderen  Auftrag erhalten  haben, in die
       Reihen der bonapartistischen Agenten zu treten. Die Dokumente der
       russischen Allianz,  die nach den geheimen Statuten das Geheimnis
       der Geheimnisse  dieser  geheimnisvollen  Gesellschaft  enthüllen
       sollen und von denen wir weiter unten Auszüge geben werden, sagen
       ausdrücklich, daß die internationalen Brüder sich überall Zutritt
       verschaffen sollen  und daß  sie selbst den Auftrag erhalten kön-
       nen, in  den Polizeidienst zu treten. Übrigens geht die Verehrung
       jener beiden  Brüder für ihren Bauernkaiser nicht weiter als die,
       welche Bakunin selbst im Jahre 1862 für seinen Bauernzar hatte.
       In den Städten Frankreichs, wo die Allianzisten nicht hingekommen
       waren, entwickelte  sich die Internationale reißend seit dem Fall
       der Kommune.  Auf dem  Haager Kongreß  konnte  der  Sekretär  für
       Frankreich 1*)  berichten, daß  sie in  über dreißig Departements
       organisiert war.  Die beiden  hauptsächlichsten  allianzistischen
       Korrespondenten für  Frankreich, Benoît  Malon und  Jules  Guesde
       (der Name des letzteren steht unter dem Zirkular von Sonvillier),
       welche die reißende Entwicklung unserer Assoziation kannten, ver-
       suchten, sie  zugunsten  der  Allianz  zu  desorganisieren.  Ihre
       Briefe
       -----
       1*) Auguste Serraillier
       
       #386# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       hatten  nicht   die  beabsichtigte  Wirkung;  man  schickte  dann
       Emissäre, unter  anderen einen  Russen namens  Metschnikow,  doch
       auch ihre  Anstrengungen führten  zu nichts. Diese selben Indivi-
       duen, welche  schamlos den  Generalrat beschuldigten,  daß er die
       Arbeiter verhindere,
       
       "sich in  jedem Lande frei, aus eigenem Antriebe, gemäß ihrem ei-
       genen Geiste  und ihren  besonderen Gewohnheiten zu organisieren"
       (Brief Guesdes vom 22. September 1872) [312],
       
       sagten den Arbeitern, sowie diese sich frei, aus eigenem Antriebe
       usw., aber  in voller  Harmonie mit dem Generalrat organisierten,
       daß die  Deutschen im Generalrat sie unterdrückten und daß es au-
       ßer ihrer  orthodoxen antiautoritären  Kirche kein Heil gebe. Die
       französischen Arbeiter,  welche sich  nur von den Versaillern un-
       terdrückt fühlten,  schickten diese  Briefe an den Generalrat mit
       der Frage, was das alles heißen solle.
       Diese Tätigkeit  der Allianz  in Frankreich ist der beste Beweis,
       daß sie  der Internationalen  den Krieg erklärt hatte von dem Au-
       genblick an, wo sie die Hoffnung verlor, sie zu beherrschen. Jede
       Sektion, die sich nicht ihrer Herrschaft unterwarf, wurde von ihr
       als Feindin betrachtet, ja als noch ärgere Feindin denn die Bour-
       geoisie. Wer  nicht für  uns ist,  der ist gegen uns, das ist die
       offen von  ihr in allen ihren russischen Manifesten eingestandene
       Regel. 1*) Den Augenblick, wo die französische Arbeiterklasse vor
       allem irgendeiner  Organisation, einerlei  welcher, bedurfte, ge-
       rade diesen  Augenblick wählte  die Allianz,  um Thiers  und  der
       Krautjunker-Versammlung zu  Hülfe zu kommen, indem sie der Inter-
       nationalen den Krieg erklärte.
       Sehen wir jetzt, wer die Agenten der Allianz waren in ihrem Feld-
       zuge zugunsten der Versailler.
       In Montpellier  hatte Guesde  zum Vertrauten  einen Studenten der
       Medizin ,  namens Paul  Brousse *). Dieser machte allianzistische
       Propaganda im  Hérault-Département 3*),  wo Guesde  ein  Journal:
       "Les Droits  de l'Homme" [314] (Die Menschenrechte) herausgegeben
       hatte. Kurz  vor dem  Haager Kongreß, als die Internationalen des
       Südens übereingekommen  waren, Beiträge für einen gemeinschaftli-
       chen Kongreßdelegierten  zu zahlen, versuchte Brousse die Sektion
       von Montpellier zu bewegen, ihren Anteil nicht zu zahlen und
       ---
       *) Jetzt mit  Alerini Redakteur  der "Solidarité révolutionnaire"
       [313] in Barcelona. 2*)
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe folgt: Der Erfolg der allgemei-
       nen Bewegung  bedeutet für sie ein Unglück, wenn sich diese Bewe-
       gung nicht  ihrem Sektenjoch  unterwirft. -  2*) in der französi-
       schen Ausgabe fehlt diese Fußnote - 3*) in der französischen Aus-
       gabe: Dieser versuchte, allianzistische Propaganda im ganzen Hér-
       ault-Departement zu machen
       
       #387# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       nicht eher Partei zu ergreifen, als bis der Kongreß die schweben-
       den Angelegenheiten  entschieden habe.  Das Komitee  des  Südens,
       Sektion von  Montpellier, beschloß,  beim Kongreß  den  Ausschluß
       Brousses  aus   der  Internationalen   zu  beantragen,   weil  er
       "unredlich gehandelt  habe, indem  er innerhalb  der Sektion eine
       Spaltung hervorzurufen suchte". Sein Freund Guesde brachte in ei-
       ner aus  Rom an  die Brüsseler  "Liberté" gesandten Korrespondenz
       [315] vom Monat Dezember dieses autoritäre Attentat gegen Brousse
       zur Kenntnis  und bezeichnete 1*) Calas in Montpellier mit vollem
       Namen als  Anstifter, während er Brousse nur mit den Anfangsbuch-
       staben andeutete.  Die durch  diese Denunziation geweckte Polizei
       überwachte Calas  und nahm gleich darauf auf der Post einen Brief
       Serrailliers an  Calas in  Beschlag, in welchem viel von Dentray-
       gues in  Toulouse die Rede war. Am 24. Dezember wurde Dentraygues
       verhaftet.
       Die tätigsten  Bundesgenossen der  Allianz waren in Narbonne Gon-
       drès, als  Polizeispion bezeichnet,  Bacave, der  in Narbonne und
       Perpignan das Gewerbe eines Polizeiagenten betrieb, de Saint-Mar-
       tin, Advokat  und Korrespondent  Malons. Herr de Saint-Martin be-
       warb sich  1866 um  eine Stelle  im Ministerium  des kaiserlichen
       Hauses und  der schönen Künste. Im Jahre 1869 wegen Preßvergehens
       zu einer  Geldbuße von 800 Franken verurteilt, brachten die Repu-
       blikaner diese  Summe für  ihn zusammen; doch Saint-Martin, statt
       das Geld  zur Erledigung  der Geldbuße zu verwenden, verwandte es
       zu einem  kleinen Ausflug nach Paris 2*), so daß die Arbeiter, um
       Skandal zu vermeiden, ihre Sammlung wiederholen mußten. Unmittel-
       bar nach den Maitagen 1871 bettelte derselbe Saint-Martin bei der
       Versailler Regierung um eine Unterpräfektenstelle.
       Noch ein  Agent der  Allianz: im  November 1871  schrieb Calas an
       Serraillier:
       
       "Sie können  auf die  volle Ergebenheit des Bürgers Abel Bousquet
       für die  soziale Sache  rechnen, er ist... Präsident des soziali-
       stischen Komitees zu Béziers."
       
       Zwei Tage  darauf, am  13. November, erhielt Serraillier folgende
       Erklärung:
       
       "In der Überzeugung, ... daß man das Vertrauen des Bürgers Calas,
       unseres gemeinschaftlichen  Freundes, mißbraucht hat, so daß die-
       ser dem  Herrn Bousquet, Präsidenten des Wahlkomitees zu Béziers,
       ein Vertrauen  schenkte, dessen  dieser durchaus unwürdig ist, da
       besagter Bousquet  Sekretär des Zentral-Polizeikommissärs von Be-
       ziers ist... so bitten wir den Bürger Serraillier in Übereinstim-
       mung mit dem Bürger
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe  eingefügt: in  allen Briefen -
       2*) in der französischen Ausgabe eingefügt: auf Kosten der Arbei-
       ter
       
       #388# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Calas, der den Irrtum, dessen Opfer er geworden, erkannt hat, den
       letzten vom  Bürger Calas  an ihn gerichteten Brief für nicht ge-
       schrieben zu  betrachten, und  ersuchen ihn außerdem, wenn es an-
       geht, den  Herrn Bousquet  aus der  Internationalen streichen  zu
       lassen. Für die Delegation der sozialistischen Demokratie von Bé-
       ziers und Pézenas" (folgen die Unterschriften).
       
       Serraillier  benutzte   diese  Erklärung,  um  in  der  Toulouser
       "Emancipation" (19.  Dezember 1871) diesen Herrn Bousquet als Po-
       lizeiagenten zu  entlarven. -  Ein "Narbonne,  24. Juli 1872" da-
       tierter Brief besagt, daß der Herr Bousquet
       
       "die Funktionen  eines Chef  brigadiers der Polizei und die eines
       Reisenden im  Auftrage der  Genfer Dissidenten  in seiner  Person
       vereinigt".
       
       Ganz natürlich also, daß das "Jura-Bulletin" vom 10.November 1872
       seine Verteidigung übernimmt. [203]
       
       #389#
       -----
       VII
       
       Die Allianz seit dem Haager Kongreß
       
       Wie man  weiß, gaben in der letzten Sitzung des Haager Kongresses
       die vierzehn  Delegierten der  Minorität eine  gegen die gefaßten
       Beschlüsse protestierende  Erklärung ab.  Diese Minorität bestand
       aus folgenden Delegierten: vier Spaniern, fünf Belgiern, zwei Ju-
       rassiern, zwei Holländern, einem Amerikaner.
       Nachdem sie  sich in Brüssel mit den Belgiern über die Grundlagen
       eines gemeinsamen  Vorgehens gegen  den neuen Generalrat verstän-
       digt hatten,  reisten die  Jurassier und  die Spanier nach Saint-
       Imier in  der Schweiz,  um dort den antiautoritären Kongreß [200]
       abzuhalten, den  die Allianz  durch ihre Anhänger in Rimini hatte
       einberufen lassen.
       Diesem Kongreß  vorher ging  der der Jura-Föderation, welcher die
       Haager Beschlüsse  verwarf und namentlich die, welche Bakunin und
       Guillaume ausgestoßen  hatten; infolgedessen wurde die Föderation
       vom Generalrat suspendiert.
       Auf dem  antiautoritären Kongreß  war die Allianz vollzählig ver-
       treten. Neben  den Spaniern und Jurassiern finden wir Italien von
       sechs Delegierten  vertreten, unter ihnen Costa, Cafiero, Fanelli
       und Bakunin selbst; zwei Delegierte gaben vor, "mehrere Sektionen
       in Frankreich"  und ein Delegierter, zwei Sektionen in Amerika zu
       vertreten; im ganzen waren dort fünfzehn "Alliierte". Dieser Kon-
       greß bot endlich Bakunin "alle Garantien eines unparteiischen und
       ernsten Urteils"; auch herrschte auf ihm die größte Einmütigkeit.
       Diese Leute,  von denen  mindestens die  Hälfte nicht  zur Inter-
       nationalen gehörte,  stellten sich  als höchsten Gerichtshof hin,
       berufen, in letzter Instanz über die Handlungen eines allgemeinen
       Kongresses unserer  Assoziation zu  entscheiden.  Sie  erklärten,
       alle Beschlüsse des Haager Kongresses absolut zu verwerfen und in
       keiner Weise die Befugnisse des neuen von demselben gewählten Ge-
       neralrats anzuerkennen.  Endlich schlössen sie im Namen ihrer Fö-
       derationen und ohne irgendeine Art Mandat hierzu ein
       
       #390# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Schutz- und  Trutzbündnis - einen "Pakt der Freundschaft, der So-
       lidarität und  des gegenseitigen Schutzes" - gegen den Generalrat
       und alle diejenigen, welche die Haager Beschlüsse anerkennen wür-
       den; sie  definierten ihren  Enthaltungs-Anarchismus in folgender
       Resolution, die  eine direkte  Verurteilung der  Pariser  Kommune
       ist:
       
       "Der Kongreß  erklärt: 1.  daß die  Vernichtung jeder politischen
       Macht die erste Pflicht des Proletariats ist; 2. daß jede Organi-
       sation einer  angeblich provisorischen und revolutionären politi-
       schen Macht zum Zwecke der Bewerkstelligung jener Vernichtung nur
       eine neue  Täuschung sein kann und für das Proletariat ebenso ge-
       fährlich sein muß, wie alle heute existierenden Regierungen."
       
       Endlich beschloß  man, die  anderen autonomistischen Föderationen
       aufzufordern, sich  diesem neuen Pakt anzuschließen, und in sechs
       Monaten einen zweiten antiautoritären Kongreß abzuhalten.
       Die Spaltung  in der  Internationalen war also ausgesprochen. Das
       Jura-Komitee nahm  von diesem Augenblick die Geschäftsführung der
       Dissidenten offen  in die Hand. Der Teil der Internationalen, der
       ihr folgte,  war nichts weiter als die neugeborene alte öffentli-
       che Allianz,  die so  der geheimen Allianz als Maske und Werkzeug
       diente.
       Nach Spanien zurückgekehrt, veröffentlichten die vier Haimonskin-
       der der  spanischen Allianz  ein mit Schmähungen gegen den Haager
       Kongreß und  mit Lobeserhebungen  gegen den  von Saint-Imier  ge-
       spicktes Manifest.  Der Föderalrat nahm diese Schmähschrift unter
       seine Fittiche und berief auf Geheiß der Schweizer Zentralbehörde
       den Landeskongreß  nach Cordoba  zum 25.  Dezember 1872,  während
       dieser erst im April 1873 hätte stattfinden sollen. Die Schweizer
       Zentralbehörde ihrerseits beeilte sich, vor allen Augen klarzule-
       gen, welche  subalterne Stellung  ihr gegenüber dieser Föderalrat
       einnehme: das  Jura-Komitee schickte über den Kopf des Spanischen
       Föderalrats hinweg  die  Resolutionen  von  Saint-Imier  an  alle
       Lokalföderationen Spaniens.
       Auf dem  Kongreß zu Córdoba fanden sich von 101 Föderationen (die
       vom Föderalrat  angegebene offizielle  Zahl) nur 36 vertreten; es
       war also  ein Minderheitskongreß, so reinlich und so zweifelsohne
       wie kaum ein anderer. Neugebildete Föderationen waren durch zahl-
       reiche Delegierte  vertreten; Alcoy  hatte ihrer  sechs, und doch
       war diese Föderation nie vorher auf einem Landeskongreß vertreten
       gewesen; zur Zeit des Haager Kongresses existierte sie noch nicht
       einmal, denn  sie hatte  für die  spanische Delegation weder eine
       Stimme noch einen Groschen abgegeben. Bedeutende und tätige Föde-
       rationen, wie Gracia (500 Mitglieder), Badalona (500 Mitglieder),
       Sabadell (125), Sans (1061), glänzten durch ihre Abwesenheit. Auf
       
       #391# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       der Liste der achtundvierzig Delegierten findet man die Namen von
       vierzehn notorischen  Mitgliedern der Allianz, von denen zehn Fö-
       derationen vertreten,  bei denen  sie nicht  Mitglieder und wahr-
       scheinlich auch  unbekannt waren. Die Allianz, der von ihr fabri-
       zierten Majorität  sicher, ließ ihren Gelüsten jetzt freien Lauf.
       Die in Valencia ausgearbeiteten und in Saragossa bestätigten Sta-
       tuten der Landesföderation wurden umgestoßen, die Spanische Föde-
       ration enthauptet,  indem ihr  Föderalrat durch eine bloße Korre-
       spondenz- und  statistische Kommission  ersetzt  wurde,  der  man
       nicht einmal die Ablieferung der spanischen Beiträge an den Gene-
       ralrat auftrug. In einem Wort, man brach mit der, Internationalen
       durch die  Verwerfung der  Haager Beschlüsse  und die Annahme des
       Pakts von  Saint-Imier; man  trieb die  Anarchie so weit, daß man
       schon im  voraus den  nächsten allgemeinen  Kongreß  verwarf  und
       durch einen neuen antiautoritären Kongreß ersetzte,
       
       "für den  Fall, daß  jener nicht die Würde und Unabhängigkeit der
       Internationalen durch  Umstoßung der  Beschlüsse des  Haager Kon-
       gresses wiederherstelle".
       
       Im Haag  wollte die  Allianz durch das imperative Mandat der Spa-
       nier den  Abstimmungsmodus aufzwingen, der ihr für den Augenblick
       am besten  paßte; in  Córdoba ging  sie so  weit, daß sie bereits
       neun Monate  vorher die Beschlüsse vorschrieb, welche der nächste
       allgemeine Kongreß  fassen müsse.  Gestehen wir es, weiter konnte
       man die Autonomie der Sektionen und Föderationen nicht treiben.
       Der Haager Kongreß, indem er die Allianz und ihre Häupter aus der
       Internationalen stieß, gab der gegen die Allianz reagierenden Be-
       wegung 1*)  neue Kraft. Die Neue Madrider Föderation wurde in dem
       Feldzuge, den  sie eröffnet  hatte, von den Föderationen zu Sara-
       gossa, Vitoria, Alcalá de Henares, Gracia, Lérida, Denia, Pont de
       Vilumara, Toledo,  Valencia, der  neuen Föderation  zu Cádiz usw.
       unterstützt. Das  Zirkular des  Föderalrats, der  den Kongreß von
       Córdoba einberief,  verlangte von  diesem, daß  er über  die  Be-
       schlüsse des  allgemeinen Kongresses im Haag zu Gericht sitze. Es
       war dieses  eine offenbare  Verletzung nicht  nur der Allgemeinen
       Statuten, sondern  auch der spanischen Landes-Statuten [316], die
       im Art. 13 erklären:
       
       "Der Föderalrat  hat die Beschlüsse der Landes- und internationa-
       len Kongresse auszuführen und ausführen zu lassen."
       
       Die Neue  Madrider Föderation antwortete in einem Zirkular an die
       anderen Lokalföderationen,  in welchem  sie erklärte, daß der Fö-
       deralrat durch  dieses Verfahren sich außerhalb der Internationa-
       len gestellt habe,
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: in Spanien
       
       #392# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       und das  Verlangen stellte,  ihn durch einen neuen provisorischen
       Föderalrat zu ersetzen, der die Aufgabe habe, streng die Statuten
       aufrechtzuerhalten und  nicht blind  den Befehlen  der Allianz zu
       gehorchen. Dieser  Vorschlag wurde angenommen; man ernannte einen
       neuen Föderalrat,  der seinen  Sitz in Valencia hat. Derselbe er-
       klärt sich  in seinem  ersten Zirkular  (2. Februar 1873) als den
       "treuen Wächter der auf den internationalen und Landes-Kongressen
       ausgearbeiteten und bestätigten Statuten der Internationalen" und
       protestiert energisch  gegen diejenigen,  welche die "Anarchie in
       den Schoß  der Internationalen  pflanzen wollen, die Anarchie vor
       der Revolution,  die Entwaffnung vor dem Siege! Welche Freude für
       die Bourgeoisie!" [317]
       Gleichzeitig mit  den Spaniern  hielten die Belgier ihren Kongreß
       ab und  verwarfen gleichfalls die Haager Beschlüsse. Der General-
       rat antwortete  ihnen, wie den sezessionistischen Spaniern, durch
       den Beschluß  vom 26. Januar 1873  1*) welcher erklärt, daß "alle
       Gesellschaften und  Personen, welche sich weigern, die Kongreßbe-
       schlüsse anzuerkennen, oder die Erfüllung der von den Allgemeinen
       Statuten und Reglements auferlegten Pflichten ausdrücklich versa-
       gen, sich  selbst außerhalb der Internationalen Arbeiter-Assozia-
       tion stellen und derselben anzugehören aufhören". Am 30. Mai ver-
       vollständigte er diese Erklärung durch folgende Resolution 2*):
       "In Anbetracht,  daß der  am 25.  und 26.Dezember 1872 in Brüssel
       abgehaltene Kongreß  der Belgischen  Föderation beschlossen  hat,
       die Beschlüsse  des fünften  allgemeinen Kongresses  für null und
       nichtig zu erklären;
       in Anbetracht  ferner, daß  der vom  25. Dezember 1872 bis zum 2.
       Januar 1873  in Córdoba abgehaltene Kongreß eines Teiles der Spa-
       nischen Föderation  beschlossen hat,  die Beschlüsse  des fünften
       allgemeinen Kongresses  nicht anzuerkennen und die Beschlüsse ei-
       ner antiinternationalen Versammlung anzunehmen;
       in Anbetracht  endlich, daß  eine in  London am  26. Januar  1873
       abgehaltene Versammlung  beschlossen hat,  die  Resolutionen  des
       fünften allgemeinen Kongresses zu verwerfen;
       erklärt der  Generalrat der  Internationalen Arbeiter-Assoziation
       gemäß den  Statuten und  dem Verwaltungsreglement und in Überein-
       stimmung mit seinem Beschluß vom 26. Januar 1873:
       Alle Landes-  oder Lokalföderationen, Sektionen und Personen, die
       an den  oben erwähnten  Kongressen oder Versammlungen 3*) teilge-
       nommen
       -----
       1*)  Vgl.  vorl. Band,  S. 691/692  - 2*) vgl.  ebenda, S.  693 -
       3*) in der  französischen Ausgabe  eingefügt: zu Brüssel, Córdoba
       und London
       
       #393# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       haben oder deren Beschlüsse anerkennen, haben sich dadurch selbst
       außerhalb der  Internationalen Arbeiter-Assoziation  gestellt und
       aufgehört, derselben anzugehören."
       Zu gleicher  Zeit erklärte  er von  neuem, "daß eine italienische
       Landesföderation nicht existiere, da keine sich diesen Titel bei-
       legende Organisation  jemals die  geringste von  den Statuten und
       dem Verwaltungsreglement  in betreff  der Zulassung  und Aufnahme
       vorgeschriebene Bedingung  erfüllt habe;  es bestehen  jedoch  in
       verschiedenen Teilen Italiens Sektionen in ordnungsmäßiger Bezie-
       hung zum Generalrat". 1*)
       Die  Jurassier  hielten  ihrerseits  am  27.  und  28.  April  in
       Neuchâtel einen  neuen Kongreß ab. Es waren daselbst neunzehn De-
       legierte aus  zehn Schweizer  Sektionen und einer angeblichen el-
       sässischen Sektion  erschienen; zwei Sektionen in der Schweiz und
       eine in  Frankreich hatten keine Delegierten geschickt. Die Jura-
       Föderation gab  also vor,  in der Schweiz zwölf Sektionen zu zäh-
       len. Der Delegierte von Moutier erklärte indessen, daß er nur ge-
       kommen sei, um zugunsten einer Versöhnung mit der Internationalen
       zu reden,  und daß sein Mandat ihm verbiete, sich an den Arbeiten
       des Kongresses  zu beteiligen. Moutier hatte sich in der Tat seit
       dem Kongreß  zu Saint-Imier von der Jura-Föderation losgelöst. Es
       bleiben also  elf Sektionen. Der Umstand, daß der Bericht des Ko-
       mitees sich  aufs peinlichste enthält, auch nur die geringste An-
       deutung über  ihre Stärke und innere Lage zu machen, gibt uns das
       Recht, vorauszusetzen,  daß sie nicht mehr Lebensfähigkeit besit-
       zen als  zur Zeit des Kongresses zu Sonvillier. Zur Entschädigung
       stellt der  Bericht die auswärtigen Streitkräfte der Jurassier in
       Schlachtordnung auf,  die Alliierten, welche die Allianz seit dem
       Kongreß im  Haag gewonnen hat. Es sind dieses nach diesem Bericht
       fast alle Föderationen der Internationalen:
       "Italien" -  Wir haben  jedoch gesehen, daß es keine italienische
       Föderation gibt.
       "Spanien" -  Obwohl die  Majorität der spanischen Internationalen
       in das  Lager der Sezessionisten übergegangen ist, haben wir doch
       eben gesehen,  daß die  Spanische Föderation immer noch existiert
       und in ordnungsmäßiger Beziehung zum Generalrat steht.
       "Frankreich, soweit  es ernstlich  organisiert ist",  - das heißt
       die  "Sektion   in  Frankreich",  welche  sich  beim  Kongreß  zu
       Neuchâtel entschuldigt  hat, daß sie keinen Delegierten geschickt
       habe. Wir werden uns wohl hüten, den Jurassiern zu entdecken, was
       in Frankreich bis jetzt noch "ernstlich
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       1*) Vgl. vorl. Band. S. 694
       
       #394# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       organisiert" ist,  trotz der letzten Verfolgungen, die zur Genüge
       gezeigt haben, auf welcher Seite die ernstliche Organisation war,
       und die  1*) sorgfältig  das Paar  Allianzisten schonten,  welche
       Frankreich besitzt.
       "Ganz Belgien" - läßt sich von der Allianz nasführen, deren Prin-
       zipien es weit entfernt ist zu teilen.
       "Holland mit  Ausnahme einer Sektion" - das heißt, zwei holländi-
       sche Sektionen  sind, nicht dem Pakt von Saint-Imier, sondern der
       antiseparatistischen Erklärung der Haager Minorität beigetreten.
       "England mit  Ausnahme einiger Dissidenten!" - Die "Dissidenten",
       d.h. die  ungeheure Majorität der englischen Internationalen, ha-
       ben am 1. und 2. Juni in Manchester ihren Kongreß abgehalten, auf
       dem sechsundzwanzig  Delegierte, welche  dreiundzwanzig Sektionen
       vertraten, erschienen waren [318]; während das England der Juras-
       sier weder Sektionen noch Föderalrat, noch gar einen Kongreß hat.
       "Amerika mit  Ausnahme einiger  Dissidenten!" - Die Amerikanische
       Föderation 2*)  besteht in regelmäßiger Wirksamkeit und in voller
       Harmonie mit  dem Generalrat;  sie hat  ihren Föderalrat und ihre
       Kongresse. Das  Amerika des  Jura-Komitees ist nichts anderes als
       jene Sorte  in freier Liebe, in Papiergeld, in Ämtern und Korrup-
       tion spekulierender  Bourgeois, auf  dem Haager Kongreß so treff-
       lich repräsentiert von Herrn West, zu dessen Gunsten nicht einmal
       die Jura-Delegierten zu sprechen oder zu stimmen wagten.
       "Die Slawen",  - das heißt die "slawische Sektion zu Zürich", die
       wie immer  eine ganze Race vorstellen muß. Die Polen, die Russen,
       die österreichischen  und ungarischen Slawen in der Internationa-
       len, alles ausgesprochene Feinde der Sezessionisten, zählen nicht
       mit.
       Das sind  also die Alliierten der Allianz. Wenn die elf Jura-Sek-
       tionen keine reellere Existenz haben als die Majorität dieser Al-
       liierten, hat  ihr Komitee wohl alle Ursache gehabt, hinsichtlich
       ihrer zu schweigen.
       In dieser  allianzistischen Schlachtordnung  glänzt  die  Schweiz
       durch ihre  Abwesenheit, und  zwar aus  sehr guten Gründen. Einen
       Monat später,  am 1.  und 2. Juni, wurde in Ölten ein allgemeiner
       schweizerischer Arbeiterkongreß zur Organisation des Widerstandes
       gegen das  Kapital und  der Strikes abgehalten. [319] Fünf Juras-
       sier predigten  daselbst das Evangelium von der absoluten Autono-
       mie der  Sektionen; sie ließen den Kongreß über die Hälfte seiner
       Zeit verlieren. Endlich mußte man wohl zur Abstimmung
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe  eingefügt: wie  immer - 2*) in
       der französischen Ausgabe eingefügt: der Internationale
       
       #395# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über Bakunin
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       schreiten; das Resultat war, daß von achtzig Delegierten fünfund-
       siebzig gegen  die fünf  Jurassier stimmten,  denen nichts übrig-
       blieb, als den Saal zu verlassen.
       Indessen scheint  die Allianz  in ihren  geheimen Winkelsitzungen
       sich über  ihre wirklichen  Hülfsmittel nicht  der Täuschung hin-
       zugeben, welche sie beim Publikum hervorrufen möchte. Auf demsel-
       ben Kongreß zu Neuchâtel ließ sie folgende Resolution annehmen:
       
       "In Erwägung,  daß nach dem Wortlaut der Allgemeinen Statuten der
       allgemeine Kongreß der Internationalen aus eigenem Recht alljähr-
       lich zusammentritt,  ohne daß  es dazu einer von einem Generalrat
       ausgehenden Einberufung  bedarf, macht  die Jura-Föderation allen
       Föderationen der Internationalen den Vorschlag, am Montag, dem 1.
       September, in  einer Stadt  der Schweiz  zum allgemeinen  Kongreß
       zusammenzutreten."
       
       Und um  zu verhüten, daß dieser Kongreß in "die unheilvollen Haa-
       ger Irrtümer"  verfalle, verlangt  man, daß  die allianzistischen
       Delegierten und ihre Alliierten bereits am 28. August als antiau-
       toritärer Kongreß  zusammentreten. Aus  den Debatten  über diesen
       Vorschlag
       
       "geht hervor, daß für uns als allgemeiner Kongreß der Internatio-
       nalen nur  derjenige gelten wird, der direkt von den Föderationen
       selbst einberufen  ist, und nicht der, welchen der angebliche Ge-
       neralrat zu Neu) York etwa einzuberufen versuchen möchte".
       
       So ist  also die Spaltung bis zur äußersten Konsequenz getrieben.
       Die Internationalen  werden zu dem Kongreß gehen, mit dessen Ein-
       berufung nach  einer von  ihm zu  wählenden Stadt der Schweiz der
       Generalrat von  dem letzten Kongreß beauftragt ist. Die Allianzi-
       sten und  ihr von  ihnen genasführter  Anhang werden zu einem von
       ihnen selbst  kraft ihrer  Autonomie einberufenen  Kongreß gehen.
       Wir wünschen ihnen glückliche Reise.
       
       #396#
       -----
       VIII
       
       Die Allianz in Rußland
       
       1. Der Prozeß Netschajew
       Die Tätigkeit  der Allianz in Rußland ist uns durch den unter dem
       Namen "Prozeß  Netschajew" bekannten  politischen Prozeß enthüllt
       worden, der sich im Juli 1871 vor der Justizkammer in St. Peters-
       burg abspielte.  Zum ersten  Male fand in Rußland die Verhandlung
       eines  politischen  Prozesses  öffentlich  und  vor  Geschworenen
       statt. Alle Angeschuldigten, mehr als achtzig an der Zahl, Männer
       und Frauen,  gehörten bis  auf wenige  Ausnahmen der studierenden
       Jugend an.  Sie hatten  in den  Gefängnissen der Petersburger Fe-
       stung vom  November 1870  bis Juli  1871 eine  Präventivhaft  er-
       litten, die  den Tod  zweier von ihnen veranlaßte und mehrere an-
       dere zum  Wahnsinn brachte.  Sie kamen aus dem Gefängnis, um ihre
       Verurteilung zu  den Bergwerken  Sibiriens, zur  Zwangsarbeit, zu
       Gefängnis von fünfzehn, zwölf, zehn, sieben und zwei Jahren anzu-
       hören; und  diejenigen, welche vom öffentlichen Gerichtshof frei-
       gesprochen wurden, wurden "auf dem Verwaltungswege" verbannt.
       Ihr Verbrechen  bestand darin,  einer geheimen Gesellschaft ange-
       hört zu  haben, die  sich den Namen der Internationalen Arbeiter-
       Assoziation angemaßt  und in die sie aufgenommen worden von einem
       Emissär des  internationalen revolutionären Komitees, dessen Man-
       date mit  dem angeblichen  Siegel der  Internationalen gestempelt
       waren. Derselbe  hatte zur  Verübung von Gaunereien verleitet und
       mehrere von  ihnen gezwungen, ihn bei der Ausführung eines Mordes
       zu unterstützen; dieser Mord hatte die Polizei auf die Spuren der
       geheimen Gesellschaft  gebracht; doch  hatte, wie gewöhnlich, der
       Emissär bereits  das Weite  gesucht. Die Polizei zeigte bei ihren
       Nachforschungen einen  solchen Scharfblick,  daß man eine detail-
       lierte Denunziation  voraussetzen möchte. In dieser ganzen Affäre
       spielt der  Emissär die  zweideutigste Rolle.  Dieser Emissär war
       Netschajew, Inhaber  eines Vollmachtszeugnisses in folgender Fas-
       sung:
       
       #397# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über Bakunin
       -----
       "Der Inhaber dieses Zeugnisses ist bevollmächtigter Vertreter des
       russischen Zweiges der allgemeinen revolutionären Allianz. - Num-
       mer 2771."
       
       Dieses Zeugnis  führt 1.  in französischer  Sprache den  Stempel:
       "Alliance révolutionnaire  européenne. Comité  général." (Europä-
       ische revolutionäre  Allianz. Generalkomitee);  2. das Datum: 12.
       Mai 1869; 3. die Unterschrift: Michail Bakunin *)
       Im Jahre  1861 erhoben die Studenten in Erwiderung auf die fiska-
       lischen Maßregeln,  welche den Zweck hatten, arme junge Leute von
       den höheren  Bildungsanstalten fernzuhalten, sowie auf die Diszi-
       plinarverfügungen, welche  die Tendenz hatten, sie der diskretio-
       nären Zucht  der Polizeiagenten  zu unterwerfen,  energische  und
       einmütige Proteste,  die sich  aus ihren  Versammlungen  auf  die
       Straßen fortpflanzten  und zu  gewaltigen Kundgebungen heranwuch-
       sen. Die  Petersburger Universität  wurde damals  für einige Zeit
       geschlossen und  die Studenten  ins Gefängnis  geworfen oder ver-
       bannt. Dieses  Vorgehen der Regierung trieb die Jugend in geheime
       Gesellschaften, die  natürlich  das  Schicksal  hatten,  daß  ein
       großer Teil  ihrer Angehörigen  ins Gefängnis, ins Exil oder nach
       Sibirien wanderten. Andere stifteten Kassen zur gegenseitigen Un-
       terstützung, um  den armen  Studenten die  Mittel zur Fortsetzung
       ihrer Studien  zu beschaffen.  Die Ernstesten  unter ihnen hatten
       beschlossen, der  Regierung keinen Vorwand mehr zur Unterdrückung
       dieser Kassen  zu geben,  die in der Weise organisiert waren, daß
       ihre Geschäftsführung  in kleinen Zirkeln gehandhabt wurde. Diese
       Zirkel gaben  zugleich Gelegenheit, politische und soziale Fragen
       zu diskutieren. Die sozialistischen Ideen waren bereits derart in
       die Jugend  der höheren  russischen Schulen,  zur großen Mehrheit
       Söhne von Bauern und anderen armen Leuten, gedrungen, daß sie be-
       reits an  sofortige praktische Anwendung dieser Ideen dachte. Mit
       jedem Tage  verallgemeinerte sich  diese Bewegung in den Schulen,
       deren theoretische  Seele Tschernyschewski  (jetzt  in  Sibirien)
       [321] war, und warf in die russische Gesellschaft eine besitzlose
       Jugend, die, aus dem niederen Volke hervorgegangen, in den sozia-
       listischen Ideen  unterrichtet und  von ihnen  durchdrungen  war.
       Dies war  der Stand  der Dinge  unter der russischen studierenden
       Jugend, als Netschajew das Ansehen, in welchem die Internationale
       stand, und die Begeisterung der Jugend benutzte, um die Studenten
       zu überreden,  daß es  nicht mehr an der Zeit sei, sich mit jenen
       Läppereien zu beschäftigen, während eine ungeheure geheime
       ---
       *) Petersburger (russische)  Zeitung [320],  1871, Nr.  180, 181,
       187 etc.
       
       #398# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Gesellschaft, mit  der Internationalen  in enger Verbindung, sich
       damit beschäftige,  die allgemeine Revolution anzufachen, und zum
       sofortigen Handeln  in Rußland bereit sei. Es gelang ihm, einigen
       jungen Leuten zu imponieren und sie fortzureißen zur Begehung ge-
       meiner Verbrechen,  welche der  Polizei den  Vorwand boten, diese
       ganze für  das offizielle  Rußland so  gefährliche  Bewegung  der
       Schulen niederzuwerfen.
       Im März  1869 fand sich in Genf ein junger Russe ein, der als an-
       geblicher Delegierter  der Petersburger Studenten sich in die en-
       geren Kreise der russischen Flüchtlingsschaft einzuführen suchte.
       Er stellte sich unter verschiedenen Namen vor. Einige Flüchtlinge
       wußten bestimmt,  daß kein  Delegierter von jener Stadt geschickt
       wäre; andere  hielten den  angeblichen Delegierten,  nachdem  sie
       sich mit  ihm unterhalten  hatten, für  einen Spion.  Er gab sich
       schließlich unter  seinem wahren  Namen, Netschajew, zu erkennen;
       er erzählte,  daß er  aus der Petersburger Festung, in der er als
       einer der  Hauptanstifter der  im Januar  1869 in den Hochschulen
       der Hauptstadt ausgebrochenen Unruhen gefangen gewesen, entflohen
       sei. Mehrere Emigranten, die eine lange Haft in jener Festung er-
       litten hatten,  kannten aus  Erfahrung  die  Unmöglichkeit  jeder
       Flucht; sie  wußten also, daß Netschajew in diesem Punkte log; da
       andererseits die  Zeitungen und Briefe, welche die Namen der ver-
       folgten Studenten  enthielten, Netschajew  nirgends erwähnten, so
       hielten sie seine angebliche revolutionäre Tätigkeit für eine Fa-
       bel. Bakunin  jedoch nahm  mit großem Lärm für Netschajew Partei;
       er verkündete  überall, daß  er "außerordentlicher  Gesandter der
       großen in  Rußland bestehenden  und wirkenden  geheimen Organisa-
       tion" sei.  Man bat  damals Bakunin  dringend, diesem  Individuum
       nicht die  Namen seiner Bekannten, die er kompromittieren könnte,
       anzuvertrauen. Er  versprach es,  und die Dokumente des Prozesses
       zeigen, wie er sein Wort hielt.
       In einer  Unterredung, die Netschajew bei einem Flüchtlinge nach-
       gesucht hatte, wurde er gezwungen, einzugestehen, daß er von kei-
       ner geheimen  Organisation delegiert sei, aber, sagte er, er habe
       Kameraden und Bekannte, die er zu organisieren wünsche; er setzte
       hinzu, daß  man die  alten Emigranten  benutzen müsse, um vermit-
       telst ihrer  Namen die Jugend zu beeinflussen und ihre Presse und
       ihr Geld  in die  Hand zu bekommen. Einige Zeit darauf erschienen
       die von  Netschajew und  Bakunin  an  die  Studenten  gerichteten
       "Worte". [322] Netschajew wiederholt darin das Märchen von seiner
       Flucht und fordert die Jugend auf, sich dem revolutionären Kampfe
       zu weihen; Bakunin entdeckt in den Organisationen der Hochschulen
       "den staatszerstörenden  Geist, ...  der aus der Tiefe des Volks-
       lebens
       
       #399# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       selbst hervorgeht" *); er wünscht "seinen jungen Brüdern zu ihren
       revolutionären Bestrebungen  Glück,... denn es ist nahe, das Ende
       dieses infamen Kaisertums aller Reußen!"
       Sein Anarchismus  dient ihm als Vorwand, den Polen den Eselstritt
       zu versetzen, indem er ihnen vorwirft, daß sie
       
       "nur an  der Wiederherstellung  ihres historischen  Staates" (!!)
       arbeiten - "sie denken also an eine neue Sklaverei ihres Volkes",
       und wenn  sie Erfolg  hätten, "so  würden sie  ebensowohl  unsere
       Feinde werden, wie sie die Unterdrücker ihres Volkes sein würden.
       Wir werden  sie im Namen der sozialen Revolution und der Freiheit
       der ganzen Welt bekämpfen."
       
       Man sieht,  Bakunin ist  mit dem Zar in dem Punkte einverstanden,
       daß man  die Polen um jeden Preis hindern muß, ihre inneren Ange-
       legenheiten nach  eignem Ermessen  zu ordnen. Die russische offi-
       zielle Presse  hat bei  allen polnischen Aufständen stets die in-
       surgierten Rolen  beschuldigt, "die Unterdrücker ihres Volkes" zu
       sein. Rührende  Übereinstimmung zwischen  den Organen der dritten
       Sektion **) und dem Erzanarchisten von Locarno!
       Das russische Volk, fährt Bakunin fort, befindet sich gegenwärtig
       in einer  Lage, ähnlich der, die es unter dem Zar Alexis, dem Va-
       ter Peters  des Großen,  zum Aufstande  zwang. Damals  war es der
       kosakische Räuberhauptmann Stenka Rasin, der sich an seine Spitze
       stellte und  ihm den  "Weg" zur  "Emanzipation" zeigte.  Um  sich
       heute zu  erheben, wartet das Volk nur auf einen neuen Stenka Ra-
       sin; diesmal jedoch
       
       "wird er  ersetzt werden durch die Legion junger, aus ihrem Beruf
       geworfener (déclassés)  Leute, die  jetzt bereits  das Volksleben
       mitleben ...  Das Volk  fühlt hinter  sich seinen  Stenka  Rasin,
       nicht den  persönlichen, sondern  den kollektiven (!) und dadurch
       unbezwingbaren Helden.  Das wird  diese  ganze  herrliche  Jugend
       sein, über der bereits sein Geist schwebt."
       
       Um diese Rolle eines Gesamt-Stenka-Rasin gut auszufüllen, hat die
       Jugend sich vorzubereiten vor allem durch die Unwissenheit:
       
       "So verlaßt denn schleunigst diese der Vernichtung geweihte Welt.
       Verlaßt ihre Universitäten, ihre Akademien, ihre Schulen, geht in
       das Volk", und seid "der Geburtshelfer seiner selbsttätigen Eman-
       zipation, schafft die Einheit und Organisation seiner
       ---
       *) Man muß  hierbei bemerken,  daß diese  "Worte" gerade zur Zeit
       der Verfolgungen  und Verurteilungen  veröffentlicht wurden,  als
       die Jugend  ihr Möglichstes  tat, ihre  Bewegung unbedeutend  er-
       scheinen zu  lassen, und die Polizei alles Interesse daran hatte,
       dieselbe zu übertreiben.
       **) Die dritte  Sektion der kaiserlich russischen Kanzlei ist das
       Zentralbüro der geheimen politischen Polizei in Rußland.
       
       #400# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Bemühungen und  aller Kräfte  des Volkes.  Kümmert euch in diesem
       Augenblick nicht  um die  Wissenschaft, in  deren Namen  man euch
       binden und  entmannen möchte  ... Dies ist der Glauben der besten
       Männer des Westens... Die Arbeiterwelt Europas und Amerikas ladet
       euch zu einer brüderlichen Allianz ein."
       
       In ihren  geheimen Statuten  sagt die  Allianz in der dritten Po-
       tenz: "Die  Grundsätze dieser  Organisation... werden noch einge-
       hender im Programm der russischen sozialistischen Demokratie aus-
       einandergesetzt." 1*)  Wir haben hier einen Anfang der Verwirkli-
       chung dieses  Versprechens. Außer  den gewöhnlichen  anarchischen
       Phrasen und dem chauvinistischen Haß gegen die Polen, den Bakunin
       nie hat  verbergen können, sehen wir hier zuerst, wie er den rus-
       sischen Räuber  als das  Urbild des  wahren Revolutionärs preist,
       wie er der russischen Jugend den Kultus der Unwissenheit predigt,
       unter dem Vorwand, daß die gegenwärtige Wissenschaft nur eine of-
       fizielle Wissenschaft  sei (man stelle sich gefälligst eine offi-
       zielle Mathematik,  Physik oder  Chemie vor)  und daß  dieses die
       Meinung der  Besten im Westen sei. Endlich gibt er am Schluß sei-
       ner Broschüre  zu verstehen,  daß die  Internationale durch seine
       Vermittlung jener  Jugend, der  er selbst  die  Wissenschaft  der
       Ignorantenbrüder [323] untersagt, ein Bündnis anbiete.
       Dieses evangelische  "Wort" hat bei der Netschajewschen Verschwö-
       rung eine  große Rolle  gespielt. Es wurde jedem Neugeweihten vor
       seiner Aufnahme geheimnisvoll vorgelesen.
       Gleichzeitig mit  diesem "Wort"  (1869) wurden  folgende  anonyme
       russische Schriften  losgelassen: I.  "Formel der  revolutionären
       Frage"; 2.  "Prinzipien der  Revolution"; 3.  "Veröffentlichungen
       der Gesellschaft des 'Volksgerichts'" (Narodnaja rasprava) Nr. I,
       Sommer 1869,  Moskau. [324]  - Alle diese Schriften waren in Genf
       gedruckt, wie  die Identität  der Lettern  mit denen  der übrigen
       Genfer russischen Drucksachen beweist - übrigens ist die Tatsache
       notorisch unter  der ganzen  russischen Emigration -, was sie je-
       doch nicht  hinderte, auf der ersten Seite den Vermerk zu führen:
       "Imprimé en  Russie -  Gedruckt in  Rußland", um unter den russi-
       schen Studenten  die Meinung zu erwecken, daß die geheime Gesell-
       schaft in Rußland selbst große Aktionsmittel besitze.
       Die "Formel der revolutionären Frage" verrät auf den ersten Blick
       ihre Verfasser.  Es sind  dieselben Phrasen, dieselben Ausdrücke,
       deren Bakunin und Netschajew sich in ihren "Worten" bedienen.
       
       "Man muß nicht allein den Staat, sondern auch die Staats- und Ka-
       binetts-Revolutionäre vernichten.  Wir wahrlich, wir sind für das
       Volk."
       -----
       1*) Vgl. vorl. Band, S. 462
       
       #401# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über Bakunin
       -----
       Vermöge der  anarchischen Assimilation  setzt sich Bakunin an die
       Stelle der studierenden Jugend:
       
       "Die Regierung selbst zeigt uns den Weg, den wir einschlagen müs-
       sen, um  unser Ziel,  d.h. das  Ziel des Volks, zu erreichen. Sie
       verjagt uns  aus den  Universitäten, den  Akademien, den Schulen.
       Wir danken  ihr, daß sie uns damit auf ein so ruhmreiches, ein so
       günstiges Schlachtfeld gestellt hat. Jetzt haben wir festen Boden
       unter den  Füßen, jetzt  können wir  handeln. Und  wie sollen wir
       handeln? Das  Volk unterrichten?  Das wäre  dumm. Das  Volk  weiß
       selbst und besser als wir, was ihm not tut" -
       
       man vergleiche  hiermit die geheimen Statuten, die den Massen die
       "Volksinstinkte", den  Eingeweihten die  "revolutionäre Idee" zu-
       schreiben.
       
       "Wir müssen das Volk nicht unterrichten, sondern es empören". Bis
       heute "hat  es sich  immer nutzlos empört, weil es sich nur teil-
       weise empörte  ... wir  können ihm  eine äußerst  wichtige  Hülfe
       bringen, wir können ihm das verschaffen, was ihm bisher stets ge-
       fehlt hat,  was die Hauptursache all seiner Niederlagen war - die
       Einheit der  allgegenwärtigen Bewegung  vermittelst der Zusammen-
       fassung seiner eigenen Kräfte."
       
       Man sieht,  die Lehre  der Allianz, Anarchie von unten und Diszi-
       plin von  oben, erscheint  hier in  ihrer ganzen Reinheit. Zuerst
       finden wir  da 1*)  "die Entfesselung  dessen, was man heute böse
       Leidenschaften nennt",  dann aber "ist es notwendig, daß inmitten
       der Volksanarchie,  welche eben das Leben und die ganze Kraft der
       Revolution bilden  wird, die  Einheit der revolutionären Idee und
       Handlung ein  Organ finde".  Dieses Organ soll die russische Sek-
       tion der  allgemeinen Allianz  sein, die  Gesellschaft des Volks-
       gerichts.
       Doch die  Jugend genügt  Bakunin nicht.  Er ruft  unter die Fahne
       seiner Allianz, russische Sektion, alle Räuber.
       
       "Das Räubertum  ist eine der ehrenhaftesten Formen des russischen
       Volkslebens. Der Räuber ist der Held, der Schirmer und Rächer des
       Volks, der  unversöhnliche Feind  des Staats  und jeder vom Staat
       gegründeten  gesellschaftlichen  und  bürgerlichen  Ordnung,  der
       Kämpfer auf  Tod und Leben gegen diese ganze Zivilisation der Be-
       amten, Edelleute,  Priester und  der Krone...  Wer das  Räubertum
       nicht versteht,  wird nie  von der russischen Volksgeschichte das
       Geringste verstehen. Wem das Räubertum nicht sympathisch ist, der
       kann auch  nicht mit  dem Volksleben  sympathisieren und hat kein
       Herz für  die hundertjährigen und unermeßlichen Leiden des Volks;
       er gehört  ins Lager  der Feinde, der Parteigänger des Staats ...
       nur im Räubertum zeigt sich die Lebensfähigkeit, die Leidenschaft
       und die  Kraft des  Volks ...  Der russische Räuber ist der wahre
       und einzige  Revolutionär -  Revolutionär ohne  Phrasen, ohne aus
       den Büchern  geschöpfte Rhetorik, ein unermüdlicher, unversöhnli-
       cher und  in der Aktion unwiderstehlicher Revolutionär, ein sozi-
       aler  und   Volksrevolutionär,  kein   politischer  und  Klassen-
       revolutionär...
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: durch den Aufruhr
       
       #402# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Die in  den Wäldern,  Städten und  Dörfern von  ganz Rußland zer-
       streuten und  die in den zahllosen Kerkern des Reichs eingesperr-
       ten Räuber  bilden eine  einige und  unteilbare, fest  verbundene
       Welt, die  Welt der  russischen Revolution. In ihr, in ihr allein
       besteht schon  seit langem  die wahre revolutionäre Verschwörung.
       Wer in  Rußland eine ernstliche Verschwörung will, wer die Volks-
       revolution will,  der muß in diese Welt gehen... Schlagen wir den
       Weg ein, den uns die Regierung vorgezeichnet hat, als sie uns aus
       den Akademien,  den Universitäten  und den Schulen jagte, Brüder,
       werfen wir uns allesamt in das Volk, in die Volksbewegung, in die
       Erneute der  Räuber und der Bauern, und, einander treue und feste
       Freundschaft bewahrend,  fassen wir  diese zerstreuten  Aufstände
       der Mushiks (Bauern) zu einer einzigen Masse zusammen. Machen wir
       daraus eine  wohlüberlegte, aber  unerbittliche Volksrevolution".
       *)
       
       Auf dem  zweiten Blatte,  "Die Prinzipien der Revolution", findet
       man das in den geheimen Statuten gegebene Gebot entwickelt, so zu
       handeln, "daß  kein Stein  auf dem  andern bleibt". Man muß alles
       zerstören, um  "den vollständigen Amorphismus" (Gestaltlosigkeit)
       zu erzeugen,  denn wenn "eine einzige alte Form" erhalten bliebe,
       so würde  sie der "Embryo" werden, aus dem alle anderen alten so-
       zialen Formen  wiedererständen. Das Blatt beschuldigt die politi-
       schen Revolutionäre,  welche diesen  Amorphismus nicht ernst neh-
       men, daß  sie das Volk täuschen. Es erhebt die Anklage gegen sie,
       daß sie
       
       "neue Galgen  und Schafotte  aufgebaut, auf  denen  sie  die  dem
       Kampfgemetzel entronnenen  revolutionären Brüder hingerichtet ha-
       ben ... bisher haben die Völker noch keine wahre Revolution gese-
       hen... die wahre Revolution braucht keine Individuen, die sich an
       die Spitze  der Masse  stellen und sie kommandieren, sondern Män-
       ner, die,  unsichtbar in  ihrer Mitte  verborgen, die unsichtbare
       Verbindung einer  Masse mit der andern ausmachen und so der Bewe-
       gung unsichtbar  eine und  dieselbe Richtung, einen und denselben
       Geist und Charakter geben. Die vorbereitende geheime Organisation
       hat nur diesen Sinn, und einzig und allein hierzu ist sie notwen-
       dig."
       
       Hier ist  also dem russischen Publikum und der russischen Polizei
       die Existenz  der "internationalen  Brüder" enthüllt, die man dem
       Westen so
       ---
       *) Um seine  Leser zu  täuschen, vermengt Bakunin die Häupter der
       Volksaufstände im 17. und 18. Jahrhundert mit den heutigen russi-
       schen Räubern und Dieben. Was diese letzteren betrifft, so dürfte
       das Buch  Flerowskis "Lage  der Arbeiterklasse  in Rußland" [325]
       die romantischsten  Seelen über  diese armen  Teufel enttäuschen,
       aus denen  Bakunin die heilige Schar der russischen Revolution zu
       bilden vorhat.  Das einzige Räubertum - wohl zu verstehen, außer-
       halb der  Regierungssphäre -,  das in  Rußland noch im Großen be-
       trieben wird, ist der Pferdediebstahl, der zu einem Handelsunter-
       nehmen aufgestiegen  ist, betrieben von Kapitalisten, deren bloße
       Werkzeuge und Opfer die "Revolutionäre ohne Phrase" sind.
       
       #403# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       sorgfältig verbarg.  Dann predigt  das Blatt  den  systematischen
       Mord und  erklärt, daß für die Männer des politischen 1*) revolu-
       tionären Werks alle Räsonnements über die Zukunft
       
       "ein Verbrechen  sind, weil  sie die reine Zerstörung hindern und
       den Gang der Revolution hemmen. Wir haben nur zu denen Vertrauen,
       welche durch  Taten ihre  Ergebenheit für die Revolution offenba-
       ren, ohne Furcht vor Martern und Kerker, und wir verleugnen jedes
       Wort, dem  nicht unmittelbar  auch die  Tat folgt.  Wir  brauchen
       keine zwecklose  Propaganda mehr,  wir brauchen keine Propaganda,
       die nicht  mit Bestimmtheit  die Stunde und den Ort festsetzt, wo
       sie den  Zweck der  Revolution verwirklichen  wird. Im Gegenteil,
       sie hindert  uns, und  wir werden all unsere Kraft gebrauchen, um
       ihr Halt  zu gebieten... Alle Schwätzer, die dieses nicht begrei-
       fen wollen, werden wir mit Gewalt zum Schweigen bringen."
       
       Diese Drohungen  wandten  sich  an  die  Adresse  der  russischen
       Flüchtlinge, die  sich nicht  vor dem  Papsttum Bakunins  gebeugt
       hatten und die er Doktrinäre titulierte.
       
       "Wir zerreißen  jede Verbindung  mit den  politischen Emigranten,
       welche nicht  in ihr  Land zurückkehren wollen, um sich in unsere
       Reihen zu  stellen, und,  solange unsere Reihen noch geheim sind,
       brechen wir  mit all  denen, die nicht dazu beitragen wollen, daß
       ihr öffentliches  Erscheinen auf  der Bühne des russischen Lebens
       möglich werde.  Wir machen  nur für  diejenigen Flüchtlinge  eine
       Ausnahme, welche  sich als  Arbeiter der  europäischen Revolution
       bewährt haben.  Wir werden keine zweite Mahnung ergehen lassen...
       Wer Augen und Ohren hat, wird die handelnden Männer sehen und hö-
       ren, und  wenn er  sich ihnen nicht anschließt, so sind wir nicht
       schuld an seinem Untergang, noch wird es unsere Schuld sein, wenn
       alles, was  sich hinter den Kulissen verbirgt, mitsamt diesen Ku-
       lissen kalt und unerbittlich zermalmt wird."
       
       Bakunin ist hier vollkommen deutlich. Während er den Flüchtlingen
       bei Todesstrafe  befiehlt, als  Agenten seiner  geheimen  Gesell-
       schaft nach  Rußland zurückzukehren,  nach dem Vorbild der russi-
       schen Polizeispitzel,  die  ihnen  Pässe  und  Geld  anboten,  um
       dorthin konspirieren  zu gehen,  erteilt  er  sich  selbst  einen
       päpstlichen Dispens,  um ruhig  in der  Schweiz  zu  bleiben  als
       "Arbeiter der europäischen Revolution" und dort an den Manifesten
       zu arbeiten,  zur Kompromittierung der armen gefangenen Studenten
       2*).
       
       "Indem wir  keine andere  Tätigkeit als die der Zerstörung zulas-
       sen, erkennen  wir an,  daß die Form, in der sich diese Tätigkeit
       äußern muß,  eine höchst  mannigfaltige sein  kann: Gift,  Dolch,
       Strick etc. Die Revolution heiligt alles ohne Unterschied. Also
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe: praktischen - 2*) in der fran-
       zösischen Ausgabe:  unglücklichen Studenten,  die die  Polizei in
       ihren Kerkern gefangen hält (statt: armen gefangenen Studenten)
       
       #404# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       das Feld  ist offen!...  So mögen  also alle  jungen und gesunden
       Köpfe unverweilt  aufnehmen die heilige Arbeit der Zerstörung des
       Bösen, der Reinigung und Klärung der russischen Erde mittelst des
       Feuers und  des Schwertes, indem sie sich brüderlich mit denjeni-
       gen vereinigen, welche dasselbe in ganz Europa tun werden."
       
       Fügen wir  noch hinzu,  daß in  dieser erhabenen Proklamation der
       unvermeidliche Räuber  in der  melodramatischen Person Karl Moors
       figuriert und  daß die Nummer 2 des "Volksgerichts" beim Zitieren
       einer Stelle  dieses Blattes dasselbe ausdrücklich als "eine Pro-
       klamation Bakunins" bezeichnet.
       Die Nr.  1 der "Veröffentlichungen der Gesellschaft 'Das Volksge-
       richt'" *) beginnt damit, den allgemeinen Aufstand des russischen
       Volkes als nahe bevorstehend zu verkünden.
       
       "Wir, das heißt jener Teil der Volksjugend, der zu einer gewissen
       Entwicklung gelangt  ist, wir  müssen ihr  den Weg  bahnen, d. h.
       alle Hindernisse  beseitigen, die  ihren Gang  hemmen können, und
       ihr günstige Bedingungen vorbereiten. Angesichts des bevorstehen-
       den Aufstandes  erachten wir  es für notwendig, in einem einzigen
       unauflöslichen Gebinde alle über ganz Rußland zerstreuten revolu-
       tionären Bestrebungen  zusammenzufassen. Deshalb  haben  wir  be-
       schlossen, seitens  des revolutionären Zentrums Blätter herauszu-
       geben, aus denen jeder von unseren in allen Winkeln Rußlands zer-
       streuten Glaubensgenossen, jeder, wenn auch uns unbekannte Arbei-
       ter an  der heiligen Sache der Revolution stets ersehen wird, was
       wir wollen und wohin wir gehen."
       
       Dann heißt es:
       
       "Der Gedanke hat für uns nur soweit Wert, als er dem großen Werke
       der allgemeinen  Allzerstörung dient.  Ein Revolutionär,  der die
       Revolution aus den Büchern studiert, wird nie etwas taugen... Wir
       glauben nicht  mehr an Worte. Das Wort hat für uns nur Wert, wenn
       ihm die  Tat auf  dem Fuße  folgt; aber  nicht alles ist Tat, was
       diesen Namen  führt. Zum Beispiel ist die bescheidene und zu vor-
       sichtige Organisation geheimer Gesellschaften ohne äußere Kundge-
       bungen in  unseren Augen  nur ein lächerliches und unerträgliches
       Kinderspiel. Wir  nennen äußere  Kundgebungen nur  eine Reihe von
       Handlungen, die  positiv irgend  etwas, eine  Person, eine Sache,
       ein Verhältnis,  das die  Volksemanzipation hindert, zerstört ...
       Ohne unser  Leben zu  schonen, ohne  vor irgendeiner Drohung, ir-
       gendeinem Hindernis,  irgendeiner Gefahr  etc. zurückzuschrecken,
       müssen wir  mit einer  Reihe verwegener, ja übermütiger Unterneh-
       mungen in  das Leben des Volkes einbrechen und ihm den Glauben an
       seine eigene  Macht einflößen,  es erwecken,  vereinigen und  zum
       Triumph seiner eigenen Sache hinführen."
       ---
       *) Bakunin und Netschajew übersetzen immer: Volksjustiz, doch be-
       deutet das  russische Wort  "rasprava" nicht  Justiz, sondern Ge-
       richt, Strafvollstreckung oder besser noch Rache, Vergeltung.
       
       #405# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Plötzlich verwandeln  sich die revolutionären Phrasen des "Volks-
       gerichts" in  Angriffe gegen  die "Volkssache", eine in Genf her-
       ausgegebene russische Zeitung, die das Programm und die Organisa-
       tion der Internationalen verteidigte. [326] Es war begreiflicher-
       weise von  der größten Wichtigkeit für die allianzistische Propa-
       ganda Bakunins  in Rußland, die auf den Namen der Internationalen
       gemacht wurde, ein Blatt zum Schweigen zu bringen, das diesen Be-
       trug aufdeckte.
       
       "Wenn dieses  Journal in  derselben Weise  fortfährt, werden  wir
       nicht zögern, ihm auszudrücken und kundzugeben, wie unsere Bezie-
       hungen zu ihm sein müssen... Wir sind überzeugt, daß alle ernsten
       Männer jede Theorie und mit noch stärkerem Grunde jeden Doktrina-
       rismus jetzt  beiseite setzen werden. Wir können die Veröffentli-
       chung von  Schriften, welche, wenn auch ehrlich gemeint, doch un-
       serer Fahne  feindlich sind, durch verschiedene praktische Mittel
       verhindern, die wir in Händen haben."
       
       Nach diesen Drohungen gegen seinen gefährlichen Rivalen fährt das
       "Volksgericht" fort:
       
       "Unter den  letzthin auswärts herausgegebenen Schriften empfehlen
       wir fast  ohne Einschränkung den Aufruf Bakunins an die ausgesto-
       ßene (déclassée) Jugend der Schulen. 1*)"
       
       Man sieht, Bakunin verliert nie eine Gelegenheit, sich ein bissel
       Weihrauch zu streuen.
       Der zweite  Artikel führt  den Titel:  "Eine Darstellung  des Be-
       griffs vom  Werke in  der Vergangenheit und in der Gegenwart". Im
       ersten Artikel bedrohten Bakunin und Netschajew das russische in-
       ternationale Organ  im  Ausland;  hier  erbosen  sie  sich  gegen
       Tschernyschewski, gegen  den Mann,  der am meisten dazu beigetra-
       gen, jene  angeblich von  ihnen vertretene  Jugend der Schulen in
       die sozialistische Bewegung zu stürzen.
       
       "Wahrlich, der  Bauer hat  sich nie  damit abgegeben,  in  seiner
       Phantasie Formen  für die zukünftige gesellschaftliche Ordnung zu
       schaffen; nichtsdestoweniger  wird er  nach der Beseitigung aller
       Hindernisse (d.h.  nach der  allzerstörenden Revolution,  die vor
       allen Dingen  zu machen und die daher das Wichtigste für uns ist)
       sein Leben  mit mehr  Verstand einzurichten wissen, als enthalten
       ist in  den Theorien  und Entwürfen  der doktrinären Sozialisten,
       die sich  dem Volke  als Lehrer,  und was noch schlimmer ist, als
       Leiter aufdrängen  wollen. Vor  den Augen  des  nicht  durch  die
       Brille der  Zivilisation verdorbenen  Volkes liegt  das Bestreben
       dieser zur  Unzeit sich  meldenden Professoren  zu auffällig dar.
       Sie wollen  unter dem  Vorwande der  Wissenschaft, Kunst etc. für
       sich und  ihresgleichen gute  Stellchen  vorbereiten.  Und  wären
       diese Bestrebungen
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe  folgt: Bakunin hat recht, wenn
       er euch  rät, die  Akademien, die  Universitäten, die  Schulen zu
       verlassen und ins Volk zu gehen.
       
       #406# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       auch uneigennützig und unbewußt, wären sie nur die unvermeidliche
       Frucht jeder von der modernen Zivilisation durchdrungenen Gesell-
       schaftsordnung, so  würde doch das Volk nicht dabei gewinnen. Der
       ideale Zweck der sozialen Gleichheit war in der von Wassili Us in
       Astrachan nach  der Abreise  Stenka Rasins organisierten Kosaken-
       Gesellschaft unvergleichlich besser verwirklicht als in den Phal-
       ansterien Fouriers,  den Anstalten Cabets, Louis Blancs und ande-
       rer sozialistischer  Gelehrten (!), besser als in den Assoziatio-
       nen Tschernyschewskis."
       
       Folgt eine ganze Seite Ausfälle gegen diesen und seine Gefährten.
       Das gute  Stellchen, welches  sich Tschernyschewski vorbereitete,
       die russische  Regierung hat  es ihm  angewiesen in einem sibiri-
       schen Kerker, während Bakunin, in seiner Eigenschaft als Arbeiter
       der europäischen  Revolution dieser  Gefahr überhoben,  sich  auf
       seine Kundgebungen  von außen  beschränkte. Und  es war gerade in
       dem Augenblick,  wo die Regierung streng verbot, auch nur den Na-
       men Tschernyschewskis in der Presse auszusprechen, daß die Herren
       Bakunin und Netschajew ihn angriffen.
       Unsere "amorphen" (gestaltlosen) Revolutionäre fahren fort:
       
       "Wir unternehmen es, dieses faule soziale Gebäude zu zerstören...
       Wir kommen aus dem Volke, die Haut zerfleischt von den Zähnen der
       gegenwärtigen Ordnung,  geleitet vom  Haß gegen  alles, was nicht
       Volk ist, wir haben keinen Begriff von moralischen Pflichten oder
       irgendwelchen Rücksichten  gegen diese Gesellschaft, die wir has-
       sen und  von der wir nur Böses erwarten. Wir haben nur einen ein-
       zigen unveränderlichen  negativen Plan:  den  der  unerbittlichen
       Zerstörung. Wir  verzichten kategorisch  auf die Ausarbeitung der
       zukünftigen Lebensbedingungen; ein solcher Versuch wäre unverein-
       bar mit  unserer Tätigkeit,  und deshalb  erachten wir  jede rein
       theoretische Kopfarbeit  für unnütz... Wir übernehmen ausschließ-
       lich die Zerstörung der gegenwärtigen sozialen Ordnung."
       
       Die beiden  "Kundgeber von  außen" geben  zu verstehen,  daß  der
       Mordversuch gegen den Zar im Jahre 1866 zu der "Reihe" allzerstö-
       render Handlungen ihrer geheimen Gesellschaft gehörte:
       
       "Karakosow war  es, der  am 4. April 1866 unser heiliges Werk be-
       gann. Seit dieser Zeit erwacht in der Jugend das Bewußtsein ihrer
       revolutionären Macht. Es war ein Beispiel, eine Tat! Keine Propa-
       ganda kann eine so große Bedeutung haben."
       
       Dann stellen  sie eine  länge Liste  von "Kreaturen" auf, die vom
       Komitee dem  sofortigen Tode  geweiht sind.  Mehreren  soll  "die
       Zunge ausgerissen werden...", aber
       
       "wir rühren  den Zar  nicht an...  ihn sparen wir auf für das Ge-
       richt des  Volkes, der  Bauern; dieses  Recht gehört  dem  ganzen
       Volke... unser  Henker, er möge also leben bis zum Augenblick des
       Volkssturms..."
       
       #407# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Niemand wird  wagen, in  Zweifel zu  ziehen, daß diese russischen
       Flugschriften, die  geheimen Statuten und die von Bakunin 1869 in
       französischer Sprache  herausgegebenen  Schriften  aus  derselben
       Quelle stammen.  Im Gegenteil,  diese drei  Klassen von Schriften
       ergänzen einander.  Sie entsprechen gewissermaßen den drei Weihe-
       graden der  famosen allzerstörenden  geheimen  Gesellschaft.  Die
       französischen Broschüren  1*) sind  geschrieben für die gewöhnli-
       chen Allianzisten,  deren Vorurteile  man schont.  Man spricht zu
       ihnen nur  von der  reinen Anarchie,  vom Antiautoritarismus, von
       der freien  Föderation autonomer  Gruppen und  von anderen ebenso
       abgestandenen Dingen:  reiner Galimathias.  Die geheimen Statuten
       sind bestimmt für die internationalen Brüder des Westens; die An-
       archie wird  dort zur  "vollständigen Entfesselung  des  Volksle-
       bens... der bösen Leidenschaften", aber mitten in dieser Anarchie
       existiert das  geheime leitende  Element - eben diese Brüder; man
       gibt ihnen  nur einige unbestimmte Andeutungen über die allianzi-
       stische, dem  heiligen Loyola  entnommene Moral;  man erwähnt nur
       die Notwendigkeit,  keinen Stein auf dem andern zu lassen, - denn
       im Westen  ist man  noch mit philiströsen Vorurteilen genährt und
       man bedarf einiger Schonung. Man sagt ihnen, daß die Wahrheit, zu
       blendend für  Augen, die  des wahren  Anarchismus noch ungewohnt,
       erst vollständig  enthüllt werde  im Programm der russischen Sek-
       tion. Nur  zu den  geborenen Anarchisten, zum auserwählten Volke,
       zu seiner  Jugend des heiligen Rußlands wagt der Prophet offen zu
       reden. Da  wird die  Anarchie zur  allgemeinen Allzerstörung, die
       Revolution zu  einer Reihe von erst einzelnen individuellen, dann
       Massenmorden; die  einzige Verhaltungsregel  ist die  gesteigerte
       Jesuitenmoral; das  Urbild des  Revolutionärs ist  der Räuber. Da
       wird der  Jugend das  Denken und  die Wissenschaft  verboten  als
       weltliche Beschäftigungen,  die sie zum Zweifel an der allzerstö-
       renden Orthodoxie  führen könnten.  Wer etwa  bei ihren theoreti-
       schen Ketzereien hartnäckig zu verharren oder den Maßstab der ge-
       wöhnlichen Kritik  an den  allgemeinen Amorphismus anzulegen sich
       vermäße, wird  mit der heiligen Inquisition bedroht. Vor der rus-
       sischen Jugend  braucht der  Papst sich keinen Zwang mehr anzule-
       gen, weder im Inhalt, noch in der Form. Da läßt er seiner Sprache
       den Zügel  schießen. Der  absolute Mangel an Ideen drückt sich in
       einem so schwülstigen Galimathias aus, daß es unmöglich ist, den-
       selben in  einer westlichen  Sprache wiederzugeben, ohne das Gro-
       teske abzuschwächen.  Diese Sprache  selbst ist nicht einmal rus-
       sisch, sie  ist tartarrisch,  dafür hat  sie ein  Russe  erklärt.
       Diese Männchen mit verschrumpften
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: des Bürgers B.
       
       #408# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Gehirnen blähen sich auf mit haarsträubenden Phrasen, um in ihren
       eigenen Augen  als revolutionäre Riesen zu erscheinen. Es ist die
       alte Geschichte vom Frosch und vom Ochsen.
       Was für  schreckliche Revolutionäre!  Sie wollen  alles, "absolut
       alles" vernichten  und amorphisieren  (vollständig gestaltlos ma-
       chen), sie  stellen Proskriptionslisten  auf, deren  Opfer  ihren
       Dolchen, ihrem  Gift, ihrem Strick, den Kugeln ihrer Revolver ge-
       weiht sind. Mehreren sogar werden sie "die Zunge ausreißen", aber
       sie beugen  sich vor der Majestät des Zars. Doch der Zar, die Be-
       amten, der Adel, die Bourgeoisie können ruhig schlafen. Die Alli-
       anz bekämpft  nicht die konstituierten Staaten, sondern die Revo-
       lutionäre, die  sich  nicht  zu  Figuranten  dieser  Tragikomödie
       erniedrigen  wollen.  Friede  den  Palästen,  Krieg  den  Hütten!
       Tschernyschewski wird  verleumdet; die  Redakteure,  der  "Volks-
       sache" werden  benachrichtigt, daß  man sie zum Schweigen bringen
       werde "durch  verschiedene praktische Mittel, die wir in der Hand
       haben"; die  Allianz droht  mit Meuchelmord allen Revolutionären,
       die  nicht  mit  ihr  gehen.  Das  ist  der  einzige  Teil  ihres
       allzerstörenden Programms,  dessen Ausführung  begonnen hat.  Wir
       kommen jetzt zu ihrer ersten Heldentat auf diesem Gebiet.
                                   ---
       Seit April  1869 begannen  Bakunin und Netschajew das Terrain für
       die Revolution  in Rußland  vorzubereiten. Sie  schickten Briefe,
       Proklamationen und  Telegramme von Genf aus nach Petersburg, Kiew
       Und anderen Städten. Sie wußten indes, daß man nach Rußland keine
       Briefe, Proklamationen  und vor  allem keine  Telegramme schicken
       kann, ohne  daß die  dritte Sektion  (die geheime  Polizei) davon
       Kenntnis nimmt.  Dieses alles  konnte keinen anderen Zweck haben,
       als die  Leute zu  kompromittieren.  Das  feige  Vorgehen  dieser
       Leute, die in ihrer guten Stadt Genf keinerlei Gefahr liefen, be-
       wirkte zahlreiche  Verhaftungen in  Rußland. Und  dabei waren die
       Herren benachrichtigt  von der  Gefahr, die sie hervorriefen. Wir
       haben den  Beweis in Händen, daß folgende Stelle aus einem Briefe
       aus Rußland Bakunin mitgeteilt wurde:
       
       "Bitte 1*), lassen Sie Bakunin sagen, daß er, wenn ihm an der Re-
       volution irgend etwas heilig ist, aufhören möge, seine unsinnigen
       Proklamationen herzusenden, die in mehreren Städten zu Verfolgun-
       gen, zu  Verhaftungen Anlaß  geben und jede ernste Tätigkeit läh-
       men."
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: Um alles in der Welt
       
       #409# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Bakunin antwortete, daran sei nichts und Netschajew sei nach Ame-
       rika abgereist. Aber der geheime Kodex Bakunins schreibt, wie man
       später sehen  wird, vor,  "die Ehrgeizigen und Liberalen der ver-
       schiedenen Schattierungen  ... vollständig zu kompromittieren,...
       so daß  ihnen der  Rückzug unmöglich wird, und sich dann ihrer zu
       bedienen". (Revolutionärer Katechismus § 19. 1*))
       Hier eine  Probe davon.  Am 7.  April 1869  schrieb Netschajew an
       Frau Tomilowa,  die Gattin eines seitdem infolge ihrer Verhaftung
       vor Kummer  gestorbenen Obersten,  "daß es in Genf ungeheuer viel
       zu tun  gebe", und  er drang  in sie, einen zuverlässigen Mann zu
       schicken, mit dem er sich verständigen könne. "Die Angelegenheit,
       über die wir uns ins Einvernehmen ¿ setzen müssen, betrifft nicht
       allein unseren Verkehr, sondern den von ganz Europa. Hier ist die
       Sache im  Kochen. Man  bereitet eine Suppe, die ganz Europa nicht
       imstande sein  wird auszuessen.  Beeilen Sie sich also." Es folgt
       dann die  Genfer Adresse.  Dieser Brief  gelangte nicht  an seine
       Adresse; er  wurde auf  der Post von der geheimen Polizei mit Be-
       schlag belegt und führte die Verhaftung der Frau Tomilowa herbei,
       der er  erst während  der Untersuchung  vorgelegt wurde. (Bericht
       über den Prozeß Netschajew, "Petersb. Ztg.", Nr. 187.) *)
       Hier noch ein Beweis dafür, wie klug sich Bakunin bei der Organi-
       sation Seiner  Verschwörung benahm.  Ein Student  der Akademie zu
       Kiew, Mawrizki,  erhielt Proklamationen  aus Genf,  die an seinen
       Namen adressiert  waren. Er schickte sie sofort an die Regierung,
       die sich  beeilte, nach Genf einen Vertrauensmann, d.h. einen Po-
       lizeispion, zu  senden. Bakunin  und Netschajew  knüpften alsbald
       vertrauliche Beziehungen  mit diesem  "Delegierten aus  dem Süden
       Rußlands" an,  lieferten ihm  Proklamationen sowie  Adressen  von
       Personen, die  Netschajew in  Rußland kennengelernt haben wollte,
       und gaben  ihm einen  Brief, der  nur ein Vertrauens- und Empfeh-
       lungsbrief sein konnte ("St. Petersburger Zeitung", Nr. 187).
       Am 3.  September (15.  September neuen  Stils) 1869  stellte sich
       Netschajew in  Moskau einem  jungen Manne,  Uspenski, den  er vor
       seiner Abreise ins Ausland kennengelernt, als delegierter Emissär
       des Genfer allgemeinen revolutionären Komitees vor und zeigte ihm
       das oben abgedruckte Mandat. Er teilte ihm mit, daß Emissäre die-
       ses europäischen Komitees mit
       ---
       *) Alle die  Verschwörung Netschajew  betreffenden Tatsachen, die
       wir zitieren,  sind  den  in  der  russischen  "St.  Petersburger
       Zeitung" veröffentlichten  Prozeßberichten entnommen.  Wir  geben
       die Nummern des Blattes an, aus denen wir zitieren.
       -----
       1*) Vgl. vorl. Band. S. 430
       
       #410# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       gleichen Mandaten  nach Moskau kommen würden, und daß er die Auf-
       gabe habe,  "eine geheime Gesellschaft unter der studierenden Ju-
       gendzu organisieren,... um in Rußland den Volksaufstand hervorzu-
       rufen". Auf Empfehlung Uspenskis ging Netschajew, um eine sichere
       Wohnung zu finden, nach der in einem entlegenen Stadtteil befind-
       lichen landwirtschaftlichen  Akademie und  setzte sich in Verbin-
       dung mit  Iwanow, einem der wegen ihres Eifers für die Interessen
       der Jugend und des Volkes bekanntesten Studenten. Von da ab wurde
       die landwirtschaftliche  Akademie der  Mittelpunkt seiner  Tätig-
       keit. Er  führte sich  zuerst unter falschem Namen ein, erzählte,
       daß er  viel in Rußland gereist sei, daß überall das Volk zur Er-
       hebung bereit  sei, und daß es dies schon lange getan hätte, ohne
       den ihm  von den  Revolutionären erteilten  Rat, sich zu gedulden
       bis zur  Vollendung ihrer  großen und mächtigen Organisation, die
       alle revolutionären  Kräfte Rußlands  vereinen soll.  Er  drängte
       Iwanow und andere Studenten zum Eintritt in diese geheime Gesell-
       schaft, die  ein allmächtiges Komitee habe, in dessen Namen alles
       geschehe, dessen  Sitz und Zusammensetzung jedoch den Mitgliedern
       unbekannt bleiben müsse. Dies Komitee und diese Organisation bil-
       deten den  russischen Zweig der allgemeinen Union, der revolutio-
       nären Allianz, der Internationalen Arbeiter-Assoziation! *)
       Netschajew begann  mit der  Verteilung der oben zitierten "Worte"
       an die  Studenten, um  ihnen zu zeigen, daß Bakunin, der berühmte
       Revolutionär von  1848, der  Flüchtling aus  Sibirien, eine große
       Rolle in Europa spiele, daß er der Generalbevollmächtigte der Ar-
       beiter sei,  daß er  Mandate des Zentralkomitees der universellen
       Assoziation unterzeichne  und daß  dieser Heros  ihnen rate, ihre
       Studien aufzugeben  usw. Um  ihnen einen sprechenden Beweis einer
       bis zum  Tode gehenden  Hingebung zu  geben, las er ihnen ein Ge-
       dicht Ogarjews,  eines Freundes  Bakunins und Redakteurs des Her-
       zenschen "Kolokol"  [18], vor, betitelt: "Der Student" und gewid-
       met "seinem  jungen Freunde Netschajew". [327] Dieser wurde darin
       als das  ideale Vorbild des Studenten dargestellt, als "der uner-
       müdliche Kämpfer  von Kindheit  an"; Ogarjew beschrieb darin, wie
       die lebendige Arbeit der Wissenschaft
       ----
       *) Wir müssen  hier bemerken,  daß in  der russischen Sprache die
       Worte Assoziation,  Union, Allianz  (obschtschestvo, sojuz, tova-
       rischtschestvo) mehr  oder weniger  synonym sind  und ohne Unter-
       schied gebraucht werden. Ebenso wird das Wort: International mei-
       stens mit  allgemein (vsemirnyi)  übersetzt.  In  der  russischen
       Presse wird  also die "Internationale Assoziation" oft mit Worten
       übersetzt, die  ebensogut auch  die "allgemeine  oder universelle
       Allianz" bedeuten  könnten. Durch  Benutzung dieser Sprachverwir-
       rung gelang es Bakunin und Netschajew, den Namen unserer Assozia-
       tion auszubeuten  und fast  hundert junge  Leute ins  Unglück  zu
       stürzen.
       
       #411# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Netschajew die  Qualen seiner  Jugendzeit  ertragen  lehrte,  wie
       seine Hingebung  für das  Volk stieg, wie er, durch die Rache des
       Zars und  den Schrecken der Bojaren verfolgt, sich dem Nomadenle-
       ben (skitanie, Herumstreichen) hingab, wie er auf die Pilgerfahrt
       ging, um  allen Bauern vom Aufgang bis zum Niedergang 1*) zuzuru-
       fen: Sammelt  euch, erhebt  euch mutig etc.; wie er sein Leben in
       der Zwangsarbeit  im Schnee  Sibiriens geendet,  und wie  er, der
       kein Heuchler  war, sein  ganzes Leben  hindurch dem  Kampfe treu
       blieb und beim letzten Hauch noch wiederholte: Das ganze Volk muß
       sein Land  und seine  Freiheit erobern  I - Diese allianzistische
       Dichtung wurde im Frühjahr 1869 gedruckt, während Netschajew sich
       in Genf  amüsierte. Sie  wurde mit den übrigen Proklamationen pa-
       ketweise nach  Rußland gesandt.  Es scheint,  daß schon  das  Ab-
       schreiben dieser Dichtung die Eigenschaft hatte, den Neugeweihten
       Selbstverleugnung einzuflößen,  denn Netschajew  ließ sie auf Be-
       fehl des Komitees von jedem Neuaufgenommenen abschreiben und ver-
       teilen (Aussagen mehrerer Angeklagter).
       Die Musik scheint das einzige zu sein, was dem Amorphismus entge-
       hen soll,  dem  die  allgemeine  Allzerstörung  alle  Künste  und
       Wissenschaften überliefern  wird. Netschajew  befahl im Namen des
       Komitees, die Propaganda durch revolutionäre Musik, zu unterstüt-
       zen und  mühte sich  ab, eine  Melodie zu  finden, nach der jenes
       Meisterstück der  Poesie von  der Jugend  gesungen werden  könnte
       ("St. Petersb. Ztg.", Nr. 190).
       Jene mystische  Legende über seinen Tod hielt ihn nicht ab, anzu-
       deuten, daß  Netschajew wohl  noch am Leben sein könnte, oder gar
       unter dem  Siegel des  Geheimnisses zu  erzählen, daß  Netschajew
       sich im Ural als Arbeiter befinde und dort Arbeitergenossenschaf-
       ten gegründet habe ("St. Petersb. Ztg.", Nr. 202). Er machte die-
       se Enthüllung  besonders jenen, die "nichts taugten", d.h. denen,
       die an  Gründung von  Arbeitergenossenschaften dachten,  um  auch
       ihnen Bewunderung für den fabelhaften Heros einzuflößen. Endlich,
       sobald  die   Legende  von  seiner  erdichteten  Flucht  aus  der
       Petersburger Festung  und von  seinem poetischen Tode in Sibirien
       die Geister  genügend vorbereitet hatte und er seine Schüler hin-
       reichend eingepaukt  glaubte, bewirkte er seine evangelische Auf-
       erstehung und  erklärte: Er  sei es,  Netschajew in  Person! Aber
       diesmal war es nicht mehr der Netschajew von ehemals, der von den
       Studenten in  Petersburg verlachte und verachtete, wie Zeugen und
       Angeklagte bestätigten, sondern der Bevollmächtigte des allgemei-
       nen revolutionären Komitees. Das Wunder dieser
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe: Sonnenaufgang bis Sonnenunter-
       gang (statt: Aufgang bis zum Niedergang)
       
       #412# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Umwandlung hatte  Bakunin fertiggebracht.  Netschajew hatte  alle
       Bedingungen erfüllt,  welche die Statuten der von ihm gepredigten
       Organisation verlangten;  er hatte  sich "durch Taten ausgezeich-
       net, welche das Komitee kannte und würdigte"; er hatte in Brüssel
       einen bedeutenden  Strike der Internationalen organisiert und ge-
       leitet; das  belgische Komitee  hatte ihn als Delegierten zur In-
       ternationalen in  Genf geschickt,  woselbst er mit Bakunin zusam-
       mentraf, und  da er  nach  seinem  eigenen  Ausspruch  "es  nicht
       liebte, auf  seinen Lorbeeren  zu ruhen",  war  er  nach  Rußland
       zurückgekehrt, um die "revolutionäre Aktion" zu beginnen. Er ver-
       sicherte auch,  daß mit  ihm ein ganzer Generalstab, aus sechzehn
       russischen Flüchtlingen bestehend, nach Rußland gekommen sei. *)
       Uspenski, Iwanow  und vier oder sechs andere junge Leute scheinen
       die einzigen  in Moskau  gewesen zu sein, die sich von all diesen
       Gaukeleien fangen ließen. Vier dieser Aufgenommenen erhielten den
       Auftrag, neue Anhänger zu werben und Zirkel oder kleine Sektionen
       zu bilden.  Der Organisationsplan  findet sich  in den Dokumenten
       des Prozesses;  er stimmt fast in jedem Punkte mit dem der gehei-
       men Allianz  überein. Das "allgemeine Reglement der Organisation"
       wurde in voller Gerichtssitzung verlesen und keiner der Hauptein-
       geweihten hat  seine Echtheit angefochten; übrigens hat die Nr. 2
       des von  Bakunin und  Netschajew redigierten  "Volksgerichts" die
       Echtheit folgender Stellen zugegeben:
       
       "Die Organisation  hat das  Vertrauen gegen  das  Individuum  zur
       Grundlage. -  Kein Mitglied weiß, welchen Grad es einnimmt, ob es
       weiter oder  näher vom Zentrum entfernt ist. - Der Gehorsam gegen
       das Komitee  muß absolut, ohne irgendwelchen Einwand sein. - Ver-
       zichtleistung auf jedes Eigentum zugunsten des Komitees, das dar-
       über verfügen  kann. -  Jedes Mitglied, das eine bestimmte Anzahl
       Proselyten für  unsere Sache geworben hat, das durch Taten Beweis
       abgelegt hat  vom Grad seiner Kräfte und Fähigkeiten, kann Kennt-
       nis von diesem Reglement und später mehr oder weniger vollständig
       von den  Statuten der  Gesellschaft erhalten. Der Grad der Kräfte
       und Fähigkeiten unterliegt der Schätzung des Komitees."
       Um die Moskauer Affiliierten zu täuschen, sagte ihnen Netschajew,
       daß in Petersburg die Organisation schon ungeheuer groß sei, wäh-
       rend in Wirklichkeit daselbst nicht ein einziger Zirkel oder eine
       Sektion existierte.  Einen Augenblick  vergaß er  sich einmal und
       rief vor  einem seiner  Eingeweihten aus: "In Petersburg sind sie
       mir untreu geworden wie die Weiber
       ---
       *) Von den  russischen Flüchtlingen  war niemand nach Rußland zu-
       rückgekehrt, und in ganz Europa wären kaum sechzehn russische po-
       litische Flüchtlinge aufzutreiben.
       
       #413# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       und haben  mich verraten wie die Sklaven." In Petersburg sagte er
       umgekehrt, daß die Organisation in Moskau wunderbare Fortschritte
       mache.
       Da man  in dieser  letzteren Stadt  ein Komiteemitglied  zu sehen
       verlangte, so lud er einen jungen Petersburger Offizier, der sich
       für die Studentenbewegung interessierte, ein, mit ihm nach Moskau
       zu kommen, um sich ihre Zirkel anzusehen. Der junge Mann willigte
       ein und  unterwegs weihte  ihn Netschajew  zum "außerordentlichen
       Delegierten des  Komitees  der  Internationalen  Assoziation  von
       Genf".
       
       "Sie würden",  sagte er  zu ihm,  "zu unseren Versammlungen nicht
       zugelassen, weil Sie nicht Mitglied sind, aber hier haben Sie ein
       Mandat, welches bescheinigt, daß Sie Mitglied der Internationalen
       Assoziation sind und als solches haben Sie Zutritt."
       
       Das Mandat  hatte einen  französischen Stempel  und lautete: "Der
       Inhaber dieses  Mandats ist bevollmächtigter Vertreter der Inter-
       nationalen Assoziation."  Die anderen Angeklagten bestätigen, daß
       Netschajew sie glauben machte, daß dieser Unbekannte "der wirkli-
       che Agent  des revolutionären  Komitees zu Genf" sei (Nr. 225 und
       226, "St. Petersb. Ztg.").
       Dolgow, ein Freund Iwanows, bezeugt, daß "Netschajew, wenn er von
       der geheimen  Gesellschaft sprach,  die zu dem Zwecke organisiert
       sei, das  Volk im  Falle einer  Erhebung zu  unterstützen und den
       Aufstand so  zu leiten,  daß er gelingen müsse, auch der Interna-
       tionalen Assoziation  erwähnte und  angab, daß  Bakunin ihnen als
       Bindeglied mit  der Internationalen diene" (Nr. 198). Ripman ver-
       sicherte, daß  Netschajew, "um  ihn von seiner Idee über koopera-
       tive Assoziationen  abzubringen, ihm  erzählte, daß in Europa die
       Internationale Arbeiter-Assoziation  existierte, und  daß es,  um
       den von  dieser verfolgten  Zweck zu  erreichen, genüge, in seine
       Gesellschaft einzutreten,  von der eine Sektion bereits in Moskau
       existierte" (Nr. 198).
       Man sieht ferner aus den Aussagen, daß Netschajew die Internatio-
       nale für  eine geheime  Gesellschaft und  seine Gesellschaft  für
       einen Zweig  derselben gelten  ließ. Auch  versicherte er  seinen
       Vertrauten, daß  ihre Sektion zu Moskau mit Strikes und Genossen-
       schaften in  großem Maßstabe,  wie  die  Internationale  vorgehen
       werde. Als der Angeklagte Ripman von ihm das Programm der Gesell-
       schaft verlangte,  las ihm  Netschajew einige  Stellen aus  einem
       französischen Schriftstück  über den  Zweck der Gesellschaft vor;
       der Angeklagte  verstand, daß  dies Schriftstück das Programm der
       Internationalen sei, und setzte hinzu, "da man in der Presse viel
       von dieser  Gesellschaft gesprochen  hätte, habe  er in  dem Vor-
       schlage Netschajews  nichts besonderes Strafbares gesehen". Einer
       der Hauptangeklagten,  Kusnezow, sagte,  daß Netschajew  das Pro-
       gramm der Internationalen Assoziation
       
       #414# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       vorgelesen habe  (Nr. 181); sein Bruder sagt aus, daß "er gesehen
       habe, wie  man bei  seinem Bruder  ein französisches Schriftstück
       kopierte, welches das Programm der Gesellschaft sein sollte" (Nr.
       202). Der  Angeklagte Klimin  erklärt, man habe ihm "das Programm
       der Internationalen  Assoziation nebst  einigen von  Bakunin  als
       Postskriptum geschriebenen  Zeilen" vorgelesen,  "... doch soweit
       ich mich  erinnere, war  dieses Programm in sehr allgemeinen Aus-
       drücken abgefaßt  und sagte  nichts über  die Mittel  zum Zwecke,
       sondern sprach  nur von der Gleichheit im allgemeinen" (Nr. 199).
       Der  Angeklagte   Gawrischew  erklärte,   daß  das  "französische
       Schriftstück, soweit  man den  Sinn verstehen konnte, eine Darle-
       gung der Grundsätze der Vertreter des Sozialismus, die ihren Kon-
       greß in Genf gehabt hatten, enthielt". Endlich klärt uns die Aus-
       lassung des  Angeklagten Swjatski vollständig über dieses geheim-
       nisvolle französische Schriftstück auf; bei der Untersuchung fand
       man bei  ihm ein  französisch geschriebenes  Blatt mit  der Über-
       schrift: "Programm  der Internationalen  Allianz der  sozialisti-
       schen Demokratie";  er sagte  aus: "Man hat in den Zeitungen viel
       von der  internationalen Assoziation  gesprochen, und das erregte
       in mir das Interesse, in ausschließlich theoretischer Absicht ihr
       Programm kennenzulernen"  ("St. Petersb.  Ztg.", Nr.  230). Diese
       Aussagen beweisen,  daß das geheime Programm der Allianz im Manu-
       skript für  das der Internationalen ausgegeben wurde. Die Identi-
       tät des  universellen revolutionären Komitees, als dessen Emissär
       sich Netschajew  erklärte, mit  dem Zentralbüro  der Allianz (dem
       Bürger B.) ist durch die Auslassung des Hauptangeklagten Uspenski
       bewiesen, welcher erklärt, daß er alle Protokolle der Versammlun-
       gen des  Zirkels gesammelt  habe, "um aus denselben einen Bericht
       für Bakunin  in Genf herzustellen". Pryshow, einer der Hauptange-
       klagten, bekundete,  daß Netschajew  ihm befohlen habe, nach Genf
       zu gehen, um Bakunin Bericht zu überbringen.
       Aus Mangel an Raum erwähnen wir hier nicht alle Lügen, Albernhei-
       ten, Schwindeleien  und Gewaltstreiche  des Agenten Bakunins, die
       durch den Prozeß aufgedeckt wurden. Wir lassen nur die auffällig-
       sten Züge hervortreten.
       Alles in  dieser Organisation  war Geheimnis.  Dolgow sagte  aus,
       "daß er  gewünscht habe,  bevor er in diese Gesellschaft eintrat,
       ihre Organisation und ihre Mittel kennenzulernen; Netschajew ant-
       wortete ihm,  das sei ein Geheimnis und er werde es später erfah-
       ren" ("St.  Petersb. Ztg.", Nr. 198).-Wenn Mitglieder sich Fragen
       erlaubten, stopfte  Netschajew ihnen  den Mund,  indem  er  ihnen
       sagte, daß nach den Statuten niemand das Recht habe, etwas zu er-
       fahren, er habe sich denn zuvor durch irgendeine Tat aus
       
       #415# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       gezeichnet (Nr. 199). - "Sobald wir eingewilligt hatten, Mitglie-
       der der Gesellschaft zu werden", erklärt ein Angeklagter, "begann
       Netschajew uns  mit der Macht und Gewalt des Komitees zu terrori-
       sieren, von  dem er  vorgab, daß  es existiere  und uns lenke; er
       sagte, das  Komitee habe seine Polizei, und wenn jemand sein Wort
       nicht halte  oder den Befehlen von Individuen entgegenhandle, die
       höher ständen  als unser Zirkel, das Komitee Rache nehmen würde."
       Der Angeklagte  bekennt, "als  er die  Schwindeleien  Netschajews
       bemerkt, habe  er diesem  seine Absicht  angekündigt, vollständig
       von dieser  Sache zurückzutreten  und zur  Herstellung seiner Ge-
       sundheit nach dem Kaukasus zu gehen. Netschajew erklärte ihm, daß
       dies ihm  nicht gestattet  sei, und  daß das  Komitee ihn mit dem
       Tode bestrafen  könnte, falls  er die  Gesellschaft zu  verlassen
       wage; er  befahl ihm  gleichzeitig, in eine Versammlung zu gehen,
       dort von  der geheimen Gesellschaft zu reden, um Anhänger zu wer-
       ben, und  auch das  Gedicht über den Tod Netschajews zu verlesen.
       Da der  Angeklagte sich  zu gehorchen  weigerte, drohte  ihm  Ne-
       tschajew: Sie  sind nicht  hier zum Diskutieren, rief er aus, Sie
       sind verpflichtet,  ohne Einwand den Befehlen des Komitees zu ge-
       horchen." (Nr. 198.) - Wäre dieses nur eine vereinzelte Tatsache,
       so könnte man sie in Zweifel ziehen, aber mehrere Angeklagte, die
       sich in  der Unmöglichkeit befanden, sich gegenseitig zu verstän-
       digen, bezeugen  genau dasselbe.  - Ein  anderer erklärt, daß die
       Mitglieder des Zirkels, als sie bemerkt hatten, wie sie getäuscht
       wurden, die  Gesellschaft zu  verlassen wünschten,  aber es nicht
       wagten aus Furcht vor der Rache des Komitees (Nr. 198).
       Ein Zeuge  sagte, indem  er von  einem seiner angeklagten Freunde
       sprach: Der  Angeklagte Florinski  wußte nicht  mehr, wie er Net-
       schajew loswerden sollte, der ihn am Arbeiten hinderte; der Zeuge
       riet ihm,  Moskau zu verlassen und sich nach Petersburg zurückzu-
       ziehen, aber  Florinski gab  ihm zur  Antwort, daß Netschajew ihn
       ebensogut in  Petersburg wie  in Moskau auffinden werde, daß Net-
       schajew den Überzeugungen einer großen Anzahl junger Leute Gewalt
       antue, und sie terrorisiere; was Florinski am meisten zu fürchten
       schien, war eine Denunziation von seiten Netschajews. "Man sagte,
       und ich  hatte es  gehört, bekundete Lichutin, daß Netschajew aus
       dem Auslande  in sehr  heftigen Ausdrücken  abgefaßte  Briefe  an
       seine Bekannten schickte, um sie zu kompromittieren und verhaften
       zu lassen.  Diese Handlungsweise war ein Zug in seinem Charakter"
       (Nr. 186).  - Jenischerlow  erklärt sogar,  daß er Netschajew als
       einen Agenten der Regierung zu betrachten anfing.
       In einer  kleinen Zirkelsitzung gab ein Mitglied, Klimin, dem Un-
       bekannten, der in seiner Eigenschaft als Emissär der Sitzung bei-
       wohnte und
       
       #416# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       seine Unzufriedenheit  mit dem  Verhalten des Zirkels ausdrückte,
       zur Antwort,  "daß auch sie unzufrieden seien; am Anfang habe man
       den Angeworbenen gesagt, jede Sektion könne mehr oder weniger un-
       abhängig handeln,  ohne daß man von ihren Mitgliedern blinden Ge-
       horsam verlange,  dann aber  schlug man einen ganz anderen Ton an
       und das Komitee machte sie förmlich zu Sklaven" (Nr. 199). - Net-
       schajew erteilte  seine Befehle  auf  Zetteln  mit  dem  Stempel:
       "Russische Sektion  der universellen  revolutionären Allianz, öf-
       fentlicher Stempel", und formulierte sie in folgender Weise: "Das
       Komitee befiehlt  euch...", dieses  oder jenes zu tun, hier- oder
       dorthin zu gehen etc.
       Ein junger  Offizier, der  sich enttäuscht  sah, will die Gesell-
       schaft verlassen. Netschajew scheint seine Einwilligung zu geben,
       verlangt aber  einen Loskauf.  Man muß ihm einen Wechsel auf 6000
       Rubel mit der Unterschrift Kolatschewskis verschaffen. Sowohl Ko-
       latschewski wie  seine Schwestern  hatten im Jahre 1866, nach dem
       Attentat Karakosows,  eine lange  Haft zu erleiden gehabt. Zu der
       Zeit, in  welcher diese  Geschichte spielt,  befand sich eine der
       Schwestern zum  zweiten Male wegen politischer Angelegenheiten im
       Gefängnis. Die  ganze Familie  stand unter strengster Polizeiauf-
       sicht, und  Kolatschewski konnte  in jedem Augenblick einer neuen
       Verhaftung gewärtig  sein. Netschajew  benutzte diese  Lage;  auf
       sein Geheiß  lud der  junge Offizier,  von dem wir oben sprachen,
       unter einem  falschen Vorwand  Kolatschewski zu sich ein, knüpfte
       mit ihm  ein Gespräch an und gab ihm Proklamationen, die derselbe
       aus Neugier annahm. Kaum ist jedoch Kolatschewski auf der Straße,
       als ein Offizier an ihn herantritt, und ihm befiehlt, ihm zu fol-
       gen; er  sei Beamter  der dritten  Sektion (geheime  Polizei) und
       wisse, daß  Kolatschewski aufständische  Proklamationen bei  sich
       führe. Nun  ist der  bloße Besitz  solcher Papiere schon mehr als
       hinreichend,um jemandem  mehrjährige Untersuchungshaft zuzuziehen
       und ihn  einer Verurteilung  zur Zwangsarbeit  auszusetzen,  wenn
       derselbe das Unglück hat, bereits in einer politischen Sache kom-
       promittiert gewesen  zu sein.  Der angebliche  Agent der  dritten
       Sektion fordert Kolatschewski auf, in einen Wagen zu steigen, und
       dort macht  er ihm  das Anerbieten,  sich durch  sofortige Unter-
       zeichnung einer  Tratte von  6000 Rubeln loszukaufen. Vor der si-
       cheren Aussicht,  sonst nach  Sibirien zu wandern, unterzeichnete
       Kolatschewski. Tags  darauf erfuhr  ein anderer  junger Mann, Ne-
       greskul, diese  Geschichte; sein  Verdacht fiel sogleich auf Net-
       schajew; er  suchte den  angeblichen Agenten  der dritten Sektion
       auf und  verlangte Rechenschaft  über seine  Gaunerei. Netschajew
       leugnete alles; die Tratte wurde verborgen gehalten und fand sich
       erst später bei den Haussuchungen wieder.
       
       #417# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       Die Entdeckung der Verschwörung und die Flucht Netschajews hatten
       diesem das Inkasso unmöglich gemacht. - Negreskul kannte Netscha-
       jew schon lange. In Genf war er das Opfer einer seiner Gaunereien
       geworden; dann  hatte Bakunin ihn an sich zu ziehen gesucht. Spä-
       ter erpreßte  man von  ihm hundert  Rubel (Nr.  230). Schließlich
       wurde er  durch Netschajew kompromittiert, obwohl er diesen haßte
       und jeder  Niederträchtigkeit fähig hielt. Er wurde verhaftet und
       starb im Gefängnis.
       Wie wir  sahen, gehörte  Iwanow  zu  den  ersten  von  Netschajew
       Angeworbenen. Er  war einer der beliebtesten und einflußreichsten
       Studenten der landwirtschaftlichen Akademie zu Moskau. Er widmete
       sich der  Verbesserung der  Lage seiner Kollegen und organisierte
       Unterstützungskassen und  Kosthäuser, in denen armen Studierenden
       die Kost unentgeltlich gewährt wurde und die zugleich den Vorwand
       zu Zusammenkünften  abgaben, in welchen man soziale Fragen disku-
       tierte. Seine  ganze freie  Zeit widmete er dem Unterricht der in
       der Umgebung  der Akademie wohnenden Bauernkinder. Seine Kollegen
       gaben ihm  das Zeugnis,  daß er alles mit Leidenschaft tat, indem
       er seinen  letzten Groschen  weggab und  sich sehr oft ohne warme
       Nahrung behalf.
       Iwanow wurde  von dem  Blödsinn in den gewaltsamen Proklamationen
       Netschajews und  Bakunins betroffen.  Er konnte  nicht begreifen,
       weshalb das  Komitee befahl, die "Worte", den "Totengesang" Ogar-
       jews, das  "Volksgericht", ja  sogar Bakunins  "Aufruf an den 1*)
       Adel", eine ganz aristokratische Proklamation *), zu verbreiten.
       ---
       *) Wir geben  hier einige  Stellen aus  der im Druck erschienenen
       Proklamation Bakunins:  "Aufruf an den russischen Adel": "Was für
       Privilegien haben wir dafür empfangen, daß wir während der ganzen
       Hälfte des 19ten Jahrhunderts die Stütze des oft in seinen Grund-
       festen erschütterten  Thrones gewesen,  daß wir 1848, während der
       über ganz  Europa entfesselten  Sturme des  Volkswahnsinns, durch
       unsere Großtaten  das russische  Reich vor den es bedrohenden so-
       zialistischen Utopien bewahrt haben?... Was hat man uns dafür ge-
       währt, daß  wir das Reich vor der Zerstückelung retteten, daß wir
       in Polen  die Flammen  des Brandes, der ganz Rußland zu verzehren
       drohte, erstickten,  daß wir  bis zu diesem Augenblick ohne Scho-
       nung unserer Kräfte und mit einem Mute sondergleichen an der Ver-
       nichtung der  revolutionären Elemente  in Rußland  arbeiteten?  -
       Ging nicht  aus unserem  Schöße Michail  Murawjow hervor,  dieser
       mutvolle Mann,  den Alexander  II. selbst  trotz seiner  Geistes-
       schwäche den  Retter des  Vaterlandes nannte?  Für all  diese un-
       schätzbaren Dienste  werden wir alles dessen beraubt, was wir be-
       sitzen... Unser gegenwärtiger Aufruf ist die Kundgebung einer
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       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: russischen
       
       #418# Karl Marx/Friedrich Engels
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       Er begann die Geduld zu verlieren und fragte, wo das Komitee sei,
       was es tue, wie es beschaffen sei, dieses Komitee, das Netschajew
       fortwährend recht  gebe und allen anderen Mitgliedern unrecht. Er
       offenbarte den  Wunsch, jemanden  von diesem Komitee zu sehen; er
       hatte hierzu das Recht erlangt, da Netschajew selbst ihn zu einem
       Grade erhoben,  der dem  eines Mitgliedes  eines Nationalkomitees
       der geheimen  Allianz entsprach.  Bei dieser  Gelegenheit war es,
       daß sich  Netschajew aus  der Verlegenheit zog, indem er die oben
       erzählte Komödie  mit dem Emissär der Genfer Internationalen auf-
       führte.
       Eines Tages  befahl Netschajew, das für die Kasse zur gegenseiti-
       gen Unterstützung  der Studenten  bestimmte Geld  an das  Komitee
       auszuliefern. Dagegen  protestierte Iwanow  und es  entspann sich
       ein Streit.  Andere Kameraden  bewogen ihn, sich der Entscheidung
       des Komitees  zu unterwerfen; sie seien ja den Statuten beigetre-
       ten, welche  diese Unterwerfung geboten. Ihrem Drängen gab Iwanow
       nach und  ließ es  widerwillig geschehen.  Von diesem  Augenblick
       sann Netschajew,  wie er sich dieses Mannes entledigen könne, den
       er wahrscheinlich  als doktrinären  Revolutionär betrachtete, der
       aus der  Welt geschafft  werden müsse.  Er knüpfte  mit  Uspenski
       theoretische Gespräche  an über  die Bestrafung,  die Vernichtung
       treuloser Mitglieder,  die durch ihre Widersetzlichkeit die ganze
       ungeheuere geheime  Organisation kompromittieren  und  vernichten
       könnten.
       Die Art  und  Weise,  wie  Netschajew  die  geheime  Organisation
       lenkte, war  allerdings geeignet,  Zweifel an  deren  ernsthaften
       Charakter hervorzurufen.  Die Sektionen mußten regelmäßig Sitzun-
       gen halten,  um die  akademischen Namensverzeichnisse der Studie-
       renden zu prüfen und diejenigen zu bezeichnen, deren Heranziehung
       man wünschenswert  erachtete, sowie  um Mittel zu finden, wie man
       Geld schaffe.  Zu diesen Mitteln gehörten die Subskriptionslisten
       für "Studenten,  welche gelitten haben", d.h. die im Verwaltungs-
       wege verbannt waren ; der Ertrag dieser Listen ging gradeswegs in
       die Tasche  des Komitees Netschajew. Man mußte sich allerlei Kos-
       tüme verschaffen,  die an sicherm Orte aufbewahrt wurden und spä-
       ter Netschajew  bei seiner  Flucht zur  Verkleidung dienten.  Die
       Hauptbeschäftigung jedoch
       ---
       großen Mehrheit  des russischen  Adels, welcher  seit langer Zeit
       schon in  organisierter Bereitschaft dasteht... Wir fühlen in un-
       serem Rechte unsere Macht und werfen kühn dem Despoten, dem klei-
       nen deutschen  Prinzen Alexander  II. Saltykow-Romanow  den Hand-
       schuh ins  Gesicht und  fordern ihn zu edlem, ritterlichem Kampfe
       heraus, der  im Jahre 1870 zwischen den Nachkommen Ruriks und der
       Partei des unabhängigen russischen Adels beginnen soll."
       "Murawjow, dieser  mutvolle Mann",  ist niemand  anders, als  der
       Henker Polens.
       
       #419# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       bestand im Abschreiben des "Totengesanges" und der oben zitierten
       Proklamationen. Die  Verschworenen mußten alles in ihren Versamm-
       lungen Verhandelte  möglichst genau  aufschreiben, und Netschajew
       drohte ihnen  mit dem  Komitee, das  überall seine  Spione  habe,
       falls sie  etwas zu  verbergen  wagten.  Jeder  von  ihnen  mußte
       schriftliche Berichte  über alles,  was er  seit der letzten Ver-
       sammlung getan,  in seinen  Zirkel mitbringen, und aus all diesen
       Berichten wurde  ein Auszug  gemacht, um ihn an Bakunin zu schic-
       ken.
       Diese ganze  kindische und  inquisitorische  Handlungsweise  ließ
       Iwanow sogar  an der Existenz des Komitees und an der so sehr ge-
       rühmten Macht der Organisation zweifeln; er begann zu merken, daß
       alles sich  auf sinnlose  Ausbeutung und  riesenhafte  Lügen  be-
       schränke, und  er gestand  seinen Vertrauten, daß, wenn die Sache
       nicht in  Gang käme und man sie mit nichts weiter als mit Spiele-
       reien beschäftige, er sich von Netschajew trennen und selbst eine
       ernstliche Organisation gründen würde.
       Grade damals  ergriff Netschajew eine energische Maßregel: Er be-
       fahl, seine  Proklamationen in  den Sälen der Studentenkosthäuser
       anzuschlagen. Iwanow  sah in  der Anheftung dieser Proklamationen
       den Schluß der Kosthäuser, das Verbot der Versammlungen, die Zer-
       streuung der  besten Studenten. Er widersetzte sich dieser Maßre-
       gel. (Die  Verköstigungsanstalt der  Studenten  wurde  denn  auch
       wirklich geschlossen,  und alle  in deren Verwaltung gewählte De-
       legierte wurden  verbannt.) Hierüber  entspann sich  der  Streit;
       Netschajew wiederholte  wieder seine  stereotype Phrase:  "Es ist
       der Befehl des Komitees!"
       Iwanow ist  in höchster  Verzweiflung. Am  20. November  1869 er-
       scheint er  bei einem  Mitgliede der Sektion 1*) und erklärt dem-
       selben, daß  er aus  jener Gesellschaft  austrete; Pryshow  teilt
       diese Erklärung  Uspenski mit, der seinerseits eiligst Netschajew
       benachrichtigt. Nach  einigen Stunden  kommen diese drei Personen
       bei Kusnezow zusammen, bei dem auch Nikolajew wohnt. Dort erklärt
       Netschajew, daß  man Iwanow  wegen seiner Widersetzlichkeit gegen
       die Befehle  des Komitees  strafen  und  sich  seiner  entledigen
       müsse, um  ihn zu hindern, ihnen weiteren Schaden zuzufügen. Kus-
       nezow, der vertraute Freund Iwanows, scheint die Absicht Netscha-
       jews nicht  zu verstehen; da erklärt dieser, man müsse Iwanow tö-
       ten. Pryshow  ruft hierauf aus, indem er sich an Kusnezow wendet:
       Netschajew ist  verrückt, er will Iwanow töten; man muß ihn daran
       hindern. Netschajew  macht ihrem Bedenken durch seine gewöhnliche
       Phrase ein Ende: "Wollt ihr euch auch gegen die Befehle des Komi-
       tees empören? Wenn man ihn
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: Pryshow
       
       #420# Karl Marx/Friedrich Engels
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       nicht anders  töten kann,  so werde ich mit Nikolajew diese Nacht
       auf sein Zimmer gehen und ihn dort erdrosseln." Dann macht er den
       Vorschlag, Iwanow  nachts in  eine Grotte im Park der Akademie zu
       locken, unter dem Vorwande, eine daselbst seit längerer Zeit ver-
       borgen gehaltene Presse auszugraben, und ihn dort zu ermorden.
       So gab  Netschajew selbst in diesem entscheidenden Augenblick der
       Hingebung Iwanows  die Ehre.  Er war  überzeugt, daß Iwanow trotz
       seines Austritts ihm bei der Ausgrabung der Presse zur Hülfe kom-
       men werde,  daß er nicht fähig sei, ihn zu verraten, denn wenn er
       dieses beabsichtigte,  so hätte  er es vor seiner Austrittserklä-
       rung oder  unmittelbar nach derselben getan. Hätte Iwanow ihn bei
       der  Polizei   denunzieren  wollen,   so  hatte   er  jetzt   die
       Gelegenheit, ihn  bei offener  Tat abfassen  zu lassen.  Aber  im
       Gegenteil, Iwanow  war glücklich,  endlich einen positiven Beweis
       für die  Existenz dieser  Organisation zu  finden,  ein  faßbares
       Zeichen, daß  sie irgendwelche Aktionsmittel besitze und wären es
       auch nur  typographische Lettern.  Er  vergaß  alle  so  oft  von
       Netschajew gegen  die Treulosen  ausgestoßenen Drohungen; eiligst
       verließ er  einen Freund,  bei dem er seinen Tee nahm und von dem
       ihn Nikolajew  auf Befehl  Netschajews abholte,  und kam der Auf-
       forderung nach.
       In der  Dunkelheit der  Nacht nähert sich Iwanow ohne Argwohn der
       Grotte. Plötzlich  ertönt ein  Schrei; jemand  springt von hinten
       auf ihn. Ein schrecklicher Kampf beginnt, man hört nur das Heulen
       Netschajews und  das Röcheln seines Opfers, das er mit den Händen
       würgte; ein  Schuß fällt  und Iwanow  ist tot. Die Kugel aus Net-
       schajews Revolver  war ihm  durch  den  Kopf  gegangen.  "Schnell
       Stricke, Steine!"  ruft Netschajew,  indem er  in den Taschen des
       Ermordeten wühlt,  um das  Geld und  die Papiere  herauszunehmen.
       Dann wirft man die Leiche in einen Teich.
       Die Mörder  kehren zu  Kusnezow zurück  und ergreifen dort Maßre-
       geln, um  die Spuren ihres Verbrechens zu verbergen. Sie verbren-
       nen das  blutige Hemd Netschajews. Alle Mitschuldigen sind düster
       und niedergeschlagen.  Plötzlich ertönt ein zweiter Revolverschuß
       und eine Kugel saust Pryshow am Ohre vorbei. Netschajew entschul-
       digt sich:  "Er habe  Nikolajew zeigen  wollen, wie sein Revolver
       gehe". Die  Zeugen bekundeten einmütig, daß dies ein neues Atten-
       tat war.  Netschajew wollte Pryshow töten, weil dieser vormittags
       gegen den Mord Iwanows zu protestieren gewagt.
       Unmittelbar darauf  verläßt Netschajew  eiligst Moskau und begibt
       sich mit Kusnezow nach Petersburg, indem er Uspenski überläßt, in
       Moskau das Weitere zu besorgen. In Petersburg stellt er sich, als
       ob er  sich noch  immer mit seiner Organisation beschäftige; doch
       zu seiner großen Verwunderung
       
       #421# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       findet Kusnezow, daß dort noch weniger Organisation vorhanden ist
       als in  Moskau. Da  wagt er endlich Netschajew zu fragen: "Wo ist
       denn das Komitee? Bist du es etwa?" - Noch leugnet Netschajew und
       versichert, das  Komitee existiere.  Er kehrt  nach Moskau zurück
       und gesteht  Nikolajew, daß,  da Uspenski bereits verhaftet, dies
       allen übrigen  in kurzer  Zeit auch bevorstehe, und daß "er nicht
       wisse, was er tun solle". Da entschließt sich Nikolajew, sein Ge-
       treuester, ihn zu fragen, ob denn das wunderbare Komitee in Wirk-
       lichkeit existiere  oder ob  es aus  Netschajew allein bestehe. -
       "Ohne geradeaus  diese Frage  zu beantworten,  sagte er mir, alle
       Mittel seien  erlaubt, um  die Leute  in  solch  ein  Unternehmen
       hineinzuziehen, diese  Regel werde  auch im  Auslande gehandhabt.
       Bakunin befolge  sie ebenso wie andere, und wenn solche Männer in
       dieser Weise  handeln, dann sei es natürlich, daß er, Netschajew,
       ebenso handle"  (Nr. 181).  Darauf heißt er Nikolajew mit Pryshow
       nach Tula  gehen, um einem von früher her mit Netschajew befreun-
       deten Arbeiter  einen Paß  abzuschwindeln. Später  begibt er sich
       selbst nach  Tula; wo  er Frau  Alexandrowskaja bittet,  ihn nach
       Genf zu begleiten; es sei dies für ihn durchaus notwendig.
       Frau Alexandrowskaja war seit den Unruhen von 1861 und 1862 stark
       kompromittiert; man hatte sie sogar in Haft genommen, bei welcher
       Gelegenheit ihre  Handlungsweise sehr viel zu wünschen übrigließ.
       In einem  Anfall von  Offenherzigkeit hatte  sie den Richtern ein
       schriftliches Geständnis abgelegt und dies Geständnis hatte viele
       Personen kompromittiert.  Später wurde  sie in  einer Provinzial-
       stadt unter  Polizeiaufsicht interniert. Da sie keinen Paß zu er-
       halten fürchtete,  verschaffte ihr  Netschajew  einen,  man  weiß
       nicht wie. Man möchte fragen, warum Netschajew die Begleitung ei-
       ner Frau  suchte, deren Gesellschaft allein genügen konnte, seine
       Verhaftung an  der Grenze  herbeizuführen. Doch er gelangte unter
       Deckung der  Frau Alexandrowskaja  gesund und  wohlbehalten  nach
       Genf, und  während die  von ihm  getäuschten armen  Teufel in den
       Kerker geworfen  wurden, fabrizierten  er und  Bakunin die zweite
       Nummer des  "Volksgerichts". Bakunin  fühlte sich aufs höchste in
       seinem Stolze  geschmeichelt, als  er im  "Journal de Genève" von
       der Verschwörung Netschajew las, deren Leitung man ihm zuschrieb;
       er vergaß  dabei, daß  sein "Volksgericht"  in Moskau gedruckt zu
       sein vorgab,  und füllte  eine ganze  Seite darin mit dem Artikel
       des "Journal  de Genève"  in französischer  Sprache. Kaum war das
       Blatt fertig,  so erhielt  Frau Alexandrowskaja  den Auftrag,  es
       nebst andern  Proklamationen nach Rußland einzuschmuggeln. An der
       Grenze erwartete  ein Agent  der dritten Sektion die Frau Alexan-
       drowskaja, nahm  ihr das  Paket ab  und  verhaftete  sie.  Darauf
       stellte sie ihm eine Liste mit Namen zu, die nur
       
       #422# Karl Marx/Friedrich Engels
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       Bakunin allein  bekannt sein  konnten. - Einer der Angeklagten in
       der Affäre  Netschajew, und  zwar einer seiner Vertrautesten, be-
       kannte vor  Gericht, daß  "er vorher  Bakunin für einen Ehrenmann
       gehalten habe,  und daß  er nicht begreifen könne, wie er und an-
       dere in  so feiger Weise jene Frau der Verhaftung hätte aussetzen
       können".
       Wenn Bakunin sich auch nicht verbunden hielt, selbst nach Rußland
       zu gehen;  um die große Revolution, deren bevorstehenden Ausbruch
       er stets  voraussagte, in  eigener Person  zu leiten,  so ließ er
       doch in  Europa arbeiten, als hätte er "den Teufel im Leibe". Der
       "Progrès" zu  Locle, das schweizerische Organ der Allianz, veröf-
       fentlichte lange Auszüge aus dem "Volksgericht". Guillaume strich
       die großen  Erfolge der  großen russischen Sozialisten heraus und
       erklärte, daß  sein Enthaltungsprogramm mit dem der großen russi-
       schen Sozialisten  identisch sei.  *) Als  auf dem  Kongreß zu La
       Chaux-de-Fonds Utin  die Infamien  Netschajews zu  enthüllen ver-
       suchte, schnitt ihm Guillaume das Wort ab, indem er sagte, es sei
       Spionage treiben, wenn man von jenen Männern rede. Bakunin selbst
       schrieb in  der "Marseillaise",  als ob er eben zurückgekehrt sei
       "von einer  langen Reise  nach fernen  Ländern, wo  freie Blätter
       keinen Eingang finden" [329], damit man glauben sollte, die Dinge
       nähmen in  Rußland eine so revolutionäre Wendung, daß seine Anwe-
       senheit dort notwendig gewesen.
       Wir kommen  jetzt zur  Lösung des Knotens in der Tragikomödie der
       russischen Allianz.  Herzen hatte  im Jahre 1859 von einem jungen
       Russen ein  Vermächtnis von  25 000 Franken erhalten, um damit in
       Rußland revolutionäre  Propaganda zu  machen. [330]  Herzen,  der
       diese Summe  nie hatte  an jemanden  ausliefern wollen, ließ sich
       doch von  Bakunin überreden; es gelang diesem, das Geld unter dem
       Vorwand zu  erhalten, daß Netschajew der Vertreter einer weitver-
       zweigten und  mächtigen  geheimen  Organisation  sei.  Netschajew
       glaubte sich nun berechtigt, seinen Anteil zu verlangen; doch die
       beiden internationalen  Brüder, die  der Mord Iwanows nicht hatte
       entzweien können,  gerieten bei  der Geldfrage in Streit. Bakunin
       weigerte sich, das Geld zu geben. Netschajew verließ Genf und gab
       im Frühjahr 1870 in London ein russisches Blatt heraus, "Die Kom-
       mune" (Obschtschina)  [331], worin  er öffentlich von Bakunin den
       Rest des Kapitals verlangte, das er von
       ---
       *) Im Jahre  1868, also  noch nicht zwei Jahre vor dem Kongreß zu
       La Chaux-de-Fonds,  auf welchem die Allianzisten ihre Doktrin von
       der politischen Enthaltung sanktionieren ließen, schrieb Bakunin,
       indem er die politische Enthaltung der französischen Arbeiter ta-
       delte, in  der "Démocratie"  von Chassin:  "Die  politische  Ent-
       haltung ist  ein Blödsinn,  von Schurken  erfunden, um  Narren zu
       täuschen." [328]
       
       #423# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       weiland Herzen erhalten habe. Hieraus sehen wir, daß die interna-
       tionalen Brüder "nie einander angreifen, noch ihre Streitigkeiten
       vor dem Publikum ausmachen".
                                   ---
       Der erste  Artikel der zweiten Nummer des "Volksgerichts" enthält
       wieder einen  Totengesang in  poetischer Prosa auf den ewig toten
       und ewig  lebenden Netschajew.  Diesmal war  der Held  erdrosselt
       worden von  Gendarmen ,  die ihn nach Sibirien schleppten. Er war
       in Tambow  verhaftet worden,  als Arbeiter verkleidet, während er
       im Wirtshause  saß. Diese  Verhaftung hatte  in Regierungskreisen
       außerordentliche  Bewegung  hervorgerufen.  Man  sprach  nur  vom
       "verkleideten Netschajew...  von Denunziationen...  von  geheimen
       Gesellschaften... von  Bakunisten... von  Revolution". Beim  Tode
       Netschajews schickte  der Gouverneur  von Perm ein Telegramm nach
       Petersburg; dieses  Telegramm wird wörtlich zitiert. Ein anderes,
       ebenso wörtlich  zitiertes Telegramm  wird an  die dritte Sektion
       geschickt, und das "Volksgericht" weiß ganz genau, daß "der Poli-
       zeichef nach Empfang dieses Telegramms von seinem Stuhl aufsprang
       und den  ganzen Abend ein hämisches Lächeln aufsetzte". So starb,
       zum zweiten Male, Netschajew.
       Der Mord Iwanows wird zugegeben, aber man nennt ihn
       
       "eine Tat  der Rache  seitens der  Gesellschaft, verübt  an einem
       Mitgliede wegen  Abweichung von seiner Pflicht. Die strenge Logik
       der wahren Arbeiter am Werke darf nicht zurückschrecken vor einer
       Tat, die  zum Erfolge  des Werkes führt, und noch weniger vor Ta-
       ten, welche das Werk retten und ihr Verderben abwenden."
       
       Der "Erfolg  des Werks"  in den Augen Bakunins war die Verhaftung
       von achtzig jungen Leuten.
       Der zweite  Artikel ist betitelt: "Ja, wer nicht für uns ist, der
       ist wider  uns", und  enthält eine Verherrlichung des politischen
       Mordes. Das Schicksal Iwanows, der nicht genannt wird, wird allen
       Revolutionären angedroht, die nicht der Allianz anhängen:
       
       "Der entscheidende  Augenblick ist  gekommen... die kriegerischen
       Operationen zwischen beiden Lagern haben begonnen... es ist nicht
       mehr möglich,  neutral zu  bleiben; hierbei  in der  Mitte stehen
       wollen, hieße sich zwischen zwei feindliche Heere stellen, im Au-
       genblick, wo diese das Feuer eröffnen; es hieße, sich umsonst dem
       Tode aussetzen,  unter den Kartätschen der einen oder der anderen
       fallen, ohne Möglichkeit der Verteidigung. Es hieße, entweder die
       Knutenhiebe und  Martern der dritten Sektion auf sich nehmen oder
       unter den Kugeln unserer Revolver fallen."
       
       Folgt dann eine anscheinend ironische Danksagung an die russische
       Regierung wegen "ihrer Mitwirkung an der Entwicklung und dem
       
       #424# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       beschleunigten Fortgange  unseres Werks, das sich mit geflügeltem
       Schritt seiner  so sehr ersehnten Vollendung nähert". Allerdings.
       Im Augenblick,  wo unsere beiden Helden der Regierung dankten we-
       gen ihrer  Beschleunigung der "so sehr ersehnten Vollendung", wa-
       ren sämtliche Mitglieder ihrer vorgeblichen geheimen Gesellschaft
       verhaftet. -  Daran schließt  sich ein  neuer Aufruf.  Ihre "Arme
       sind zur  Aufnahme aller  frischen und  ehrenhaften Kräfte geöff-
       net", aber  diese werden  zugleich unterrichtet,  daß, einmal von
       dieser Umarmung  umschlungen, sie  sich allen  Anforderungen  der
       geheimen Gesellschaft unterwerfen müssen, "daß jede Absage, jeder
       Rücktritt von  der Gesellschaft,  der wissentlich  aus Mangel  an
       Glauben an die Wahrheit und Gerechtigkeit gewisser Prinzipien ge-
       schieht, auch  zur  Ausstreichung  aus  der  Liste  der  Lebenden
       führt". Sodann  machen unsere  beiden Helden sich lustig über die
       Verhafteten, es  seien das  nur kleine  Liberale, die  wirklichen
       Mitglieder der Organisation werden durch die geheime Gesellschaft
       geschützt, welche ihre Verhaftung nicht zulassen würde.
       Der dritte  Artikel führt  die Überschrift:  "Hauptgrundlagen der
       sozialen Ordnung  der Zukunft". Dieser Artikel beweist, daß, wenn
       gewöhnliche Sterbliche  für jedes Nachdenken über die soziale Or-
       ganisation der  Zukunft wie  für ein  Verbrechen bestraft werden,
       dies nur  geschieht, weil die Häupter bereits alles ins reine ge-
       bracht haben.
       
       "Das Ende  der gegenwärtigen  1*) Ordnung  und die Erneuerung des
       Lebens mit  Hülfe der  neuen Prinzipien  kann nur  erzielt werden
       durch die  Konzentrierung aller  Mittel der  sozialen Existenz in
       den Händen  unseres Komitees und durch die Proklamierung der Ver-
       pflichtung zur physischen Arbeit für alle.
       Das Komitee  verkündet unmittelbar nach dem Umsturz der gegenwär-
       tigen Einrichtungen,  daß alles  Eigentum Gemeingut  ist; es  be-
       fiehlt die  Gründung von Arbeitergesellschaften (Arteis) und ver-
       öffentlicht gleichzeitig von Sachverständigen angefertigte stati-
       stische Tabellen,  welche die  an einem gegebenen Orte notwendig-
       sten Industriezweige  angeben, sowie  diejenigen, welche daselbst
       auf Hindernisse stoßen könnten.
       Während einer  bestimmten Frist,  ausgefüllt durch die revolutio-
       näre Umwandlung  und die dieselbe unvermeidlich begleitenden Stö-
       rungen, muß  jedes Individuum  in irgendein selbstgewähltes Artel
       eintreten... Alle diejenigen, welche ohne genügenden Grund in ih-
       rer Vereinzelung  beharren und  sich  keiner  Arbeitergruppe  an-
       schließen, haben  kein Recht  der Zulassung  zu  den  gemeinsamen
       Kosthäusern, Schlafstellen  oder zu  irgendwelchen anderen Gebäu-
       den, welche  zur Befriedigung  der verschiedenen  Bedürfnisse der
       Arbeiterbrüder, oder  zur Aufbewahrung  der für die verschiedenen
       Zweige der  neubegründeten  Arbeitergesellschaft  dienenden  Pro-
       dukte, Materialien,  Lebensmittel oder  Werkzeuge bestimmt  sind;
       mit einem Wort, wer ohne genügenden Grund
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: sozialen
       
       #425# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       keinem Artel  beigetreten ist,  bleibt ohne  Existenzmittel. Alle
       Wege und  Mittel des  Verkehrs bleiben  für ihn  verschlossen; es
       gibt für ihn keinen anderen Ausweg als Arbeit oder Tod."
       Jedes Artel  wählt seinen Taxator (otzienschtschik), der den Gang
       der Arbeit  regelt, über die Produktion und Konsumtion sowie über
       die Produktivität jedes Arbeiters Buch führt und zwischen dem Ar-
       tel und  dem gemeinschaftlichen  Kontor des  Orts vermittelt. Das
       Kontor besteht aus Mitgliedern , die von den Arteis des Ortes ge-
       wählt werden  ; es  bewirkt den  Austausch zwischen  den  Arteis,
       führt die  Verwaltung aller gesellschaftlichen Anstalten (Schlaf-
       räume, Kosthäuser,  Schulen, Hospitäler)  und leitet alle öffent-
       lichen Arbeiten:
       
       "Alle gemeinschaftlichen Arbeiten stehen unter der Verwaltung des
       Kontors, während  alle individuellen  Arbeiten, für welche es be-
       sonderer Geschicklichkeit  und Kunstfertigkeit  bedarf,  von  den
       Arteis gesondert ausgeführt werden."
       
       Dann kommt  ein langes  Reglement über Erziehung, Arbeitsstunden,
       Säugung der Kinder, Erteilung von Arbeitserlaß an Erfinder usw.
       
       "Mit der  vollständig öffentlichen  und der  allgemeinen Kenntnis
       unterliegenden Tätigkeit jedes einzelnen verschwindet spurlos und
       für immer  jeder Ehrgeiz,  wie man  ihn jetzt  versteht, und jede
       Lüge... Es  wird dann ein jeder bestrebt sein, soviel wie möglich
       für die  Gemeinschaft zu  produzieren und  sowenig wie möglich zu
       konsumieren, und der ganze Stolz, der ganze Ehrgeiz des Arbeiters
       wird in dem Bewußtsein seiner sozialen Nützlichkeit bestehen."
       
       Ein prachtvolles Probestück von Kasernenkommunismus! Da haben wir
       alles, gemeinsame Schlaf räume und Kosthäuser, Taxatoren und Kon-
       tors zur  Bevormundung der Erziehung, der Produktion, der Konsum-
       tion, mit einem Worte jeder sozialen Tätigkeit, und hoch über dem
       allem die  Oberleitung unseres  namenlosen und  unbekannten Komi-
       tees. Reiner "Antiautoritarismus" vom reinsten Wasser!
       Um  diesem  blödsinnigen  Organisationsplan  den  Anschein  einer
       theoretischen Grundlage  zu geben, wird der Überschrift des Arti-
       kels selbst folgende Anmerkung angehängt:
       
       "Wer die  vollständige theoretische  Entwicklung  unserer  Haupt-
       grundsätze kennenlernen will, findet sie in der von uns herausge-
       gebenen Schrift: 'Manifest der kommunistischen Partei'."
       
       Es findet sich wirklich die russische Übersetzung des (deutschen)
       Manifestes der  kommunistischen Partei  vom Jahre 1847 (Preis ein
       Franken) in jeder Nummer des "Kolokol" vom Jahre 1870 [332] neben
       dem Aufruf  Bakunins "An  die Offiziere der russischen Armee" und
       den beiden Nummern
       
       #426# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       des "Volksgerichts" angekündigt. Derselbe Bakunin, der dieses Ma-
       nifest mißbraucht,  um seinen  tatarischen Phantasien  in Rußland
       Ansehen zu  verschaffen, ließ  dasselbe durch die westeuropäische
       Allianz als  eine äußerst ketzerische Schrift verschreien, welche
       die unheilvollen  Lehren des  deutschen  autoritären  Kommunismus
       predige (siehe  die Resolution der Konferenz von Rimini, die Rede
       Guillaumes im  Haag, das  "Jura-Bulletin" Nummer  10 und  11, die
       "Federacion" zu Barcelona etc.).
       Jetzt, da  jedermann die  Rolle kennt, zu welcher "unser Komitee"
       bestimmt ist,  wird man  leicht jenen  Konkurrenzneid  gegen  den
       Staat und gegen jede Zentralisation der Arbeiterkräfte begreifen.
       In der  Tat, solange die Arbeiterklasse ihre eigenen Vertretungs-
       organe hat, werden die unter dem Inkognito "unseres Komitees" re-
       volutionierenden Herren  Bakunin und  Netschajew es  nicht  dahin
       bringen, die  Inhaber und Verwalter des gesellschaftlichen Reich-
       tums zu  werden und die Früchte jenes erhabenen Ehrgeizes zu ern-
       ten, den  sie - anderen einzuflößen brennen: viel zu arbeiten, um
       wenig zu verzehren!
       
       2. Der Revolutionskatechismus
       Netschajew hob mit größter Sorgfalt ein in Chiffern geschriebenes
       Büchelchen auf,  benannt: "Der  Revolutionskatechismus" [333]; er
       behauptete, daß  der Besitz  dieses Buches  das charakteristische
       Kennzeichen 1*)  jedes Emissärs  oder Agenten der Internationalen
       Assoziation sei. Aus allen Aussagen sowie aus den von den Vertei-
       digern gelieferten  klaren Beweisen geht hervor, daß dieser Kate-
       chismus von  Bakunin geschrieben;  auch hat  dieser seine  Vater-
       schaft nie zu leugnen gewagt. Übrigens zeigen Form und Inhalt des
       Werkes deutlich,  daß es  derselben Quelle entspringt wie die ge-
       heimen  Statuten,   die  "Worte",   die  Proklamationen  und  das
       "Volksgericht", von denen wir bereits gesprochen haben. Der Kate-
       chismus ergänzt  sie nur.  Diese allzerstörenden Anarchisten, die
       alles amorphisieren  wollen, 2*) führen die Anarchie in der Moral
       ein, indem  sie die  Unsittlichkeit der Bourgeoisie aufs äußerste
       übertreiben. Wir  haben bereits  an einigen  Proben jene  allian-
       zistische Moral  würdigen können,  deren  Dogmen,  ganz  und  gar
       christlichen Ursprungs,  zuerst von  den Escobar  [334]  des  17.
       Jahrhunderts im einzelnen
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: Privileg - 2*) in der französi-
       schen Ausgabe  lautet der  folgende Satzteil:  um die Anarchie in
       der Moral einzuführen, treiben die Unsittlichkeit der Bourgeoisie
       bis aufs äußerste
       
       #427# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       ausgearbeitet wurden. Nur übertreibt die Allianz deren Ausdrucks-
       weise ins  Lächerliche, und setzt an die Stelle der heiligen, ka-
       tholischen, apostolischen  und  römischen  Kirche  ihr  "heiliges
       Werk" der  erzanarchistischen und allzerstörenden Revolution. Der
       Revolutionskatechismus ist der offizielle Kodex dieser Moral, die
       hier systematisch und unverhüllt dargestellt wird. Wir veröffent-
       lichen ihn  vollständig, wie  er vor dem Gerichtshofe in der Sit-
       zung vom 8. Juli 1871 verlesen wurde.
       
       "Pflichten des Revolutionärs gegen sich selbst
       § 1. Der Revolutionär ist ein geweihter Mensch. Er hat keine per-
       sönlichen Interessen,  Angelegenheiten, Gefühle  oder  Neigungen,
       kein Eigentum,  nicht einmal  einen Namen. Alles in ihm wird ver-
       schlungen von  einem einzigen  ausschließlichen Interesse,  einem
       einzigen Gedanken, einer einzigen Leidenschaft - der Revolution,
       § 2.  In der  Tiefe seines  Wesens, nicht  nur in Worten, sondern
       auch in  der Tat,  hat er vollständig gebrochen mit der bürgerli-
       chen Ordnung  und mit der gesamten zivilisierten Welt, mit den in
       dieser Welt landläufig anerkannten Gesetzen, Herkommen, Moral und
       Gebräuchen. Er  ist ihr  unversöhnlicher Gegner,  und wenn  er in
       dieser Welt  fortlebt, so geschieht es nur, um sie desto sicherer
       zu vernichten.
       § 3. Ein Revolutionär verachtet jeden Doktrinarismus und verzich-
       tet auf  die Wissenschaft der heutigen Welt, die er den zukünfti-
       gen Generationen  überläßt. Er  kennt nur  eine Wissenschaft: die
       Zerstörung. Hierzu  und nur  hierzu studiert er Mechanik, Physik,
       Chemie und  vielleicht auch  Medizin. Zu demselben Zweck studiert
       er Tag  und Nacht die lebendige Wissenschaft - die Menschen, Cha-
       raktere, Verhältnisse,  sowie alle  Bedingungen der gegenwärtigen
       sozialen Ordnung auf allen möglichen Gebieten. Der Zweck ist der-
       selbe, die  schnellste und sicherste Zerstörung dieser unflätigen
       (poganyi) Weltordnung.
       § 4.  Er verachtet die öffentliche Meinung. Er verachtet und haßt
       die gegenwärtige gesellschaftliche Moral in allen ihren Antrieben
       und allen ihren Kundgebungen. Für ihn ist alles sittlich, was den
       Triumph der  Revolution begünstigt,  alles unsittlich und verbre-
       cherisch, was ihn hemmt.
       § 5.  Der Revolutionär  ist ein  geweihter Mensch (der sich nicht
       mehr selbst  angehört) 1*),  er hat  keine Schonung für den Staat
       überhaupt und  für die ganze zivilisierte Klasse der Gesellschaft
       und er  darf ebensowenig Schonung für sich erwarten. Zwischen ihm
       und der  Gesellschaft herrscht  Krieg auf  Tod und Leben, offener
       oder geheimer Kampf, aber stets ununterbrochen und unversöhnlich.
       Er muß sich daran gewöhnen, jede Marter zu ertragen.
       § 6.  Streng gegen sich selbst, muß er es auch gegen andere sein.
       Alle Gefühle  der Neigung, die verweichlichenden Empfindungen der
       Verwandtschaft, Freundschaft,  Liebe, Dankbarkeit,  müssen in ihm
       erstickt werden durch die einzige, kalte Leidenschaft
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe fehlt das in Klammern Geschrie-
       bene
       
       #428# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       des revolutionären  Werks. Für  ihn existiert  nur ein Genuß, ein
       Trost, ein  Lohn, eine  Befriedigung: der  Erfolg der Revolution.
       Tag und Nacht darf er nur einen Gedanken, nur einen Zweck haben -
       die unerbittliche  Zerstörung. Während er diesen Zweck kaltblütig
       und unaufhörlich  verfolgt, muß  er selbst zu sterben bereit sein
       und ebenso  bereit, mit eigenen Händen jeden zu töten, der ihn an
       der Erreichung dieses Ziels hindert.
       § 7.  Die Natur  des wahren Revolutionärs schließt jede Romantik,
       jede Empfindsamkeit,  jeden Enthusiasmus und jede Hinreißung aus;
       sie schließt  sogar persönlichen  Haß oder Rache aus. Die revolu-
       tionäre Leidenschaft, bei ihm zu einer alltäglichen und beständi-
       gen Gewohnheit  geworden, muß mit kalter Berechnung gepaart sein.
       Immer und  überall muß er nicht seinen persönlichen Trieben, son-
       dern nur  dem gehorchen, was ihm das allgemeine Interesse der Re-
       volution vorschreibt.
       
       Pflichten des Revolutionärs gegen seine Revolutionsgenossen
       § 8.  Der Revolutionär kann Freundschaft und Zuneigung nur zu dem
       hegen, der durch Taten bewiesen hat, daß er gleichfalls Agent der
       Revolution ist.  Der Grad  der Freundschaft, Ergebenheit und son-
       stiger Verbindlichkeiten  gegen einen  solchen Gefährten bemessen
       sich nur  nach dessen  Nützlichkeit in  dem praktischen Werke der
       allzerstörenden (vserasruschitelnoi) Revolution.
       § 9. Es ist überflüssig, von der Solidarität unter den Revolutio-
       nären zu reden, auf ihr beruht die ganze Macht des revolutionären
       Werks. Die  Revolutionsgenossen, welche auf gleicher Höhe revolu-
       tionären Verständnisses  und revolutionärer Leidenschaft sich be-
       finden, müssen  soviel wie möglich über alle wichtigen Angelegen-
       heiten gemeinschaftlich  beraten und  ihre Beschlüsse  einstimmig
       fassen. Bei  Ausführung einer  so beschlossenen  Sache muß  jeder
       möglichst nur  auf sich  selbst rechnen. Wo es sich um Ausführung
       einer Reihe zerstörender Handlungen handelt, muß jeder auf eigene
       Hand tätig  sein und Hülfe und Rat von seinen Gefährten nur bean-
       spruchen, wo es für den Erfolg unumgänglich ist.
       § 10.  Jeder Revolutionsgenosse muß mehrere Revolutionäre zweiter
       oder dritter  Ordnung, d.h.  solche, die  noch nicht  vollständig
       eingeweiht sind,  in seiner  Hand haben.  Er  muß  dieselben  als
       einen, seiner Verfügung anvertrauten Teil des allgemeinen revolu-
       tionären Kapitals  betrachten. Er muß ökonomisch mit seinem Kapi-
       talanteil wirtschaften  und möglichst großen Nutzen aus demselben
       herausschlagen. Er  hat sich  selbst auch  nur als ein Kapital zu
       betrachten, das  für den  Triumph des  Revolutionswerks verwendet
       wird, als  ein Kapital  jedoch, über das er nicht allein und ohne
       Zustimmung sämtlicher  vollständig eingeweihter Genossen verfügen
       kann.
       § 11. Wenn sich ein Kamerad in Gefahr befindet, so darf der Revo-
       lutionär bei  der Frage,  ob er  ihn retten soll oder nicht, kein
       persönliches Gefühl zu Rate ziehen, sondern einzig und allein das
       Interesse der  Sache der Revolution. Demnach muß er auf der einen
       Seite den  Nutzen, welchen  sein Kamerad gewährt, auf der anderen
       den Aufwand an Revolutionskräften, den seine Befreiung erfordert,
       gegeneinander abwägen  und handeln, je nachdem sich die Waage zur
       einen oder andern Seite neigt.
       
       #429# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       Pflichten des Revolutionärs gegen die Gesellschaft
       § 12.  Ein neues  Mitglied kann, nachdem es seine Proben nicht in
       Worten, sondern  in Taten abgelegt hat, nur mit Einstimmigkeit in
       die Assoziation aufgenommen werden.
       § 13. Ein Revolutionär tritt in die Welt des Staates, in die Welt
       der Klassen,  in die  sich zivilisiert  nennende Welt und lebt in
       derselben einzig  aus dem  Grunde, weil er an ihre nahe und voll-
       ständige Vernichtung  glaubt. Er  ist kein  Revolutionär, wenn er
       noch an  irgend etwas in dieser Welt hängt. Er darf nicht zurück-
       beben, wo es sich darum handelt, irgendein jener alten Welt ange-
       höriges Band  zu zerreißen, irgendeine Einrichtung oder irgendei-
       nen Menschen  zu vernichten.  Er muß  alles und  alle gleichmäßig
       hassen. Um  so schlimmer für ihn, wenn er in jener Welt Bande der
       Verwandtschaft, Freundschaft  oder Liebe hat; er ist kein Revolu-
       tionär, wenn diese Bande seinen Arm aufhalten können.
       § 14. Um der unerbittlichen Zerstörung willen kann der Revolutio-
       när, und  muß er  sogar oft, mitten in der Gesellschaft leben und
       dabei den  Schein bewahren,  er sei ein ganz anderer als er wirk-
       lich ist.  Ein Revolutionär muß sich überall Eingang verschaffen,
       in der höheren Gesellschaft wie beim Mittelstand, im Kaufmannsla-
       den, in der Kirche, im aristokratischen Palast, in der bürokrati-
       schen, militärischen  und literarischen Welt, in der dritten Sek-
       tion (geheime Polizei) und selbst im kaiserlichen Palast.
       § 15. Jene ganze unflätige Gesellschaft teilt sich in mehrere Ka-
       tegorien. Die  erste besteht aus denen, die unverzüglich dem Tode
       geweiht sind.  Die Genossen mögen Listen dieser Verurteilten auf-
       stellen, nach  dem Grade ihrer verhältnismäßigen Bösartigkeit und
       mit Rücksicht  auf den Erfolg des Revolutionswerkes geordnet, und
       zwar so,  daß die ersten Nummern vor den übrigen abgefertigt wer-
       den.
       § 16. Bei der Aufstellung dieser Listen, bei der Feststellung der
       Kategorien darf  nicht die  individuelle Verderbtheit  eines Men-
       schen entscheiden  oder gar  der Haß,  den er den Mitgliedern der
       Organisation oder  dem Volke  einflößt. Können  doch selbst diese
       Verderbtheit und  dieser Haß  gewissermaßen nützlich  sein, indem
       sie zum  Volksaufstand reizen.  Man darf nur den Maßstab des Nut-
       zens berücksichtigen,  der aus  dem Tode  einer bestimmten Person
       für das Revolutionswerk hervorgehen kann. An erster Stelle müssen
       die vernichtet  werden, die für die revolutionäre Organisation am
       verderblichsten sind und deren gewaltsamer und plötzlicher Tod am
       geeignetsten ist,  die Regierung zu erschrecken und ihre Macht zu
       erschüttern, indem  er sie der energischsten und intelligentesten
       Agenten beraubt.
       § 17.  Die zweite Kategorie besteht aus denen, welchen man provi-
       sorisch (!) das Leben läßt, damit sie durch eine Reihe empörender
       Taten das Volk zum unvermeidlichen Aufstand treiben.
       § 18.  Zur dritten Kategorie gehört eine große Anzahl hochstehen-
       der Bestien  1*), die  weder durch  Geist noch durch Energie sich
       auszeichnen, die aber vermittelst ihrer
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       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: oder Individuen
       
       #430# Karl Marx/Friedrich Engels
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       Stellung Reichtum, hohe Verbindungen, Einfluß und Macht besitzen.
       Man muß sie auf alle mögliche Art ausbeuten, man muß sie umgarnen
       und verwirren,  und, indem  man sich  zum Herrn ihrer schmutzigen
       Geheimnisse macht,  sie zu unsern Sklaven machen. Auf diese Weise
       werden ihre  Macht, ihre Verbindungen, ihr Einfluß und ihr Reich-
       tum zu  einem unerschöpflichen  Schatze und  zu  einer  kostbaren
       Hülfe bei mannigfaltigen Unternehmungen.
       § 19. Die vierte Kategorie besteht aus allerlei ehrgeizigen Beam-
       ten und  aus den  Liberalen der verschiedenen Schattierungen. Mit
       diesen kann  man nach  ihrem eigenen Programm konspirieren, indem
       man tut, als ob man ihnen blindlings folge. Man muß sie in unsere
       Hand bringen, sich ihrer Geheimnisse bemächtigen, sie vollständig
       kompromittieren, so  daß ihnen  der Rückzug  unmöglich wird,  und
       sich ihrer zur Herbeiführung von Unruhen im Staate bedienen.
       § 20.  Die fünfte  Kategorie bilden  die Doktrinäre, Verschwörer,
       Revolutionäre, alle  diejenigen, welche in Versammlungen oder auf
       dem Papier  Geschwätz machen. Man muß sie unaufhörlich zu prakti-
       schen und gefahrvollen Kundgebungen treiben und fortreißen, deren
       Erfolg sein  wird, daß  der größte  Teil von  ihnen verschwindet,
       während einige darunter sich zu echten Revolutionären entwickeln.
       § 21. Die sechste Kategorie ist von großer Bedeutung; es sind die
       Frauen, die  in drei Klassen einzuteilen sind. Zur ersten gehören
       die oberflächlichen  Frauen, ohne  Geist und Herz, deren man sich
       in derselben  Weise bedienen  muß, wie der Männer der dritten und
       vierten Kategorie. Zur zweiten Klasse gehören die leidenschaftli-
       chen, hingebenden  und befähigten Frauen, die jedoch nicht zu uns
       gehören, weil sie noch nicht zum praktischen und phrasenlosen re-
       volutionären Verständnis  emporgedrungen sind; man muß sie benut-
       zen wie  die Männer  der fünften  Kategorie. Endlich  kommen  die
       Frauen, die ganz und gar zu uns gehören, das heißt, die vollstän-
       dig eingeweiht sind und unser gesamtes Programm angenommen haben.
       Sie müssen  wir als  den kostbarsten  unserer Schätze betrachten,
       ohne dessen Beistand wir nichts auszurichten vermögen.
       
       Pflichten der Assoziation gegen das Volk
       § 22.  Die Assoziation hat keinen anderen Zweck als die vollstän-
       dige Emanzipation  und das Glück des Volkes, d.h. der hart arbei-
       tenden Menschheit  (tschernorabotschii ljud).  Aber von der Über-
       zeugung ausgehend,  daß diese  Emanzipation und  dieses Glück nur
       vermittelst einer  alles  zerstörenden  Volksrevolution  erreicht
       werden können,  wird die  Assoziation alle ihre Mittel und Kräfte
       anwenden, um die Übel und Leiden zu erhöhen und zu vermehren, die
       endlich die Geduld des Volkes zerreißen und seinen Massenaufstand
       anfachen werden.
       § 23.  Unter Volksrevolution  versteht unsere  Gesellschaft nicht
       eine nach  dem klassischen Muster des Westens geregelte Bewegung,
       die stets  vor dem Eigentum und der überlieferten gesellschaftli-
       chen Ordnung der sogenannten Zivilisation und Moralität haltmacht
       und  sich   bisher  darauf  beschränkt  hat,  den  Wegfall  einer
       politischen Form  auszusprechen, um  sie durch eine andere zu er-
       setzen, und  einen sogenannten  revolutionären Staat zu schaffen.
       Die einzige Revolution, die dem Volke zum Heile gereichen
       
       #431# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       kann, ist die, die jeden Staatsbegriff durch und durch vernichtet
       und alle  Überlieferungen, Ordnungen  und Klassen  des Staats  in
       Rußland umstürzt.
       § 24. Bei diesem Ziel hat die Gesellschaft nicht die Absicht, dem
       Volke irgendeine von oben kommende Organisation aufzudrängen. Die
       zukünftige Organisation  wird ohne  Zweifel aus  der Bewegung und
       dem Leben des Volks hervorgehen, aber das ist die Sache künftiger
       Generationen.  Unsere   Arbeit  ist   die  schreckliche,  totale,
       unerbittliche und allgemeine Zerstörung.
       § 25. Deshalb müssen wir, indem wir uns dem Volke nähern, uns vor
       allem mit  den Elementen  des Volkslebens  verbinden, welche seit
       Gründung des  moskowitischen Staats  unaufhörlich, nicht  nur  in
       Worten, sondern  auch in Taten gegen alles protestiert haben, was
       direkt oder indirekt mit dem Staat verbunden ist, gegen den Ade],
       die Bürokratie,  die Priester,  die  große  Handelswelt  und  die
       Kleinhändler, gegen  alle Ausbeuter des Volks. Wir müssen uns mit
       der abenteuernden  Welt der Räuber verbinden, die die einzig wah-
       ren Revolutionäre Rußlands sind.
       § 26.  Diese Welt zu einer einzigen allzerstörenden und unbesieg-
       baren Macht  zusammenzufassen, darin besteht unsere ganze Organi-
       sation, unsere ganze Verschwörung und unser ganzes Unternehmen."
       
       Solch ein Meisterwerk kritisiert man nicht. Man verdürbe sich den
       Spaß an  seiner Fratzenhaftigkeit. Man nähme auch diesen amorphi-
       schen All-Zerstörer  viel zu  ernst, der  Rudolph von Gerolstein,
       Monte-Christo, Karl  Moor und  Robert Macaire  glücklich in  eine
       Person verschmolzen hat. Wir beschränken uns darauf, durch einige
       Nachweise die  Identität des Geistes und selbst der Ausdrücke des
       Katechismus, ihre krampfhafte Übertreibung abgerechnet, mit denen
       der geheimen  Statuten und  der sonstigen russischen Produktionen
       der Allianz festzustellen.
       Die drei  Grade der Einweihung in den geheimen Statuten der Alli-
       anz  werden  im  §  10  des  Katechismus  wiedergegeben,  wo  von
       "Revolutionären zweiter  und dritter  Ordnung... die  noch  nicht
       vollständig eingeweiht sind", die Rede ist. - Die im Art. 6 ihres
       Reglements definierten  Pflichten der internationalen Brüder sind
       dieselben, wie  die in  den §§  1 und 13 des Katechismus anbefoh-
       lenen. -  Die Bedingungen, unter denen die Brüder Regierungsämter
       annehmen können,  laut Art.  8 des  Reglements, werden noch "ein-
       gehender auseinandergesetzt"  im §  14 des Katechismus, der ihnen
       sogar die  Möglichkeit klarmacht, auf Befehl bei der Polizei ein-
       treten zu  müssen. Die den Brüdern im Reglement, Art. 9, erteilte
       Vorschrift, einander zu Rate zu ziehen, wird im § 9 des Katechis-
       mus wiederholt. - Die Art. 2, 3 und 6 des Programmes der interna-
       tionalen Brüder  legen der  Revolution genau  denselben Charakter
       bei, wie  die §§  22 und  23 des  Katechismus. - Die Jakobiner im
       Art. 4 des Programmes figurieren im § 20 des Katechismus als eine
       Unterabteilung der "Männer der fünften Kategorie"; hier wie dort
       
       #432# Karl Marx/Friedrich Engels
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       sind sie  dem Tode  geweiht. - Die Vorstellungen der Art. 5 und 6
       des Programmes  über den Gang einer wahrhaft anarchischen Revolu-
       tion fallen zusammen mit denen des § 24 des Katechismus.
       Die Verdammung  der Wissenschaft  im §  3 des  Katechismus findet
       sich wieder  in allen  schon erwähnten russischen Druckschriften.
       Die Verherrlichung des Räubers als des wahren revolutionären Vor-
       bildes, in  den "Worten"  nur erst in schwachen Anfängen angedeu-
       tet, wird  in allen  anderen Schriften  voll und ganz bekannt und
       gepredigt. Für die "fünfte Kategorie" in § 20 des Katechismus hat
       die  "Formel   der  revolutionären  Frage"  die  Bezeichnung  der
       "Staats- und  Kabinettsrevolutionäre". Auch  da, wie  im § 25 und
       26, wird  erklärt, daß  es erste  Pflicht des  Revolutionärs sei,
       sich aufs  Räubertum zu  legen. Aber  erst in den "Prinzipien der
       Revolution" und  im "Volksgericht" beginnt man, die in den §§ 6,8
       und 26 des Katechismus befohlene Allzerstörung und den systemati-
       schen Mord, wie in den §§ 13, 15, 16 und 17 zu predigen.
       
       3. Der Aufruf Bakunins an die Offiziere der russischen Armee
       Indes schien  Bakunin daran  gelegen, daß  kein Zweifel bleibe an
       seiner Mitschuld  an der angeblichen Verschwörung Netschajews. Er
       veröffentlichte eine  "Genf, Januar  1870" datierte  und "Michail
       Bakunin" unterzeichnete  Proklamation: "An die Offiziere der rus-
       sischen Armee".  Diese Proklamation,  "Preis ein  Frank",  findet
       sich als  Werk Bakunins  in allen  Nummern des "Kolokol" von 1870
       angekündigt. Wir geben hier einige Auszüge.
       Sie kündigt  zunächst an,  wie es auch Netschajew in Rußland tat,
       daß
       
       "die Stunde  des letzten  Kampfes zwischen  den Romanow-Holstein-
       Gottorp und  dem russischen  Volke, der  Kampf zwischen dem tata-
       risch-deutschen Joche  und der  weiten slawischen Freiheit heran-
       naht. Der  Frühling ist an unserer Schwelle und in den ersten Ta-
       gen des  Frühlings wird  der Kampf  beginnen... die revolutionäre
       Gewalt ist bereit und bei der tiefen und allgemeinen Unzufrieden-
       heit der Massen, welche in diesem Augenblick in Rußland herrscht,
       ist sie ihres Triumphs sicher."
       
       Eine Organisation  ist vorhanden, um die bevorstehende Revolution
       zu leiten,  denn "eine  geheime Organisation ist wie der General-
       stab einer Armee, und diese Armee ist das ganze Volk".
       
       "In meinem  'Aufruf an  die jungen  russischen Brüder' sagte ich,
       daß der Stenka Rasin, der sich während der so sichtbar nahen Ver-
       nichtung des  russischen Reiches  an die  Spitze der  Volksmassen
       stellen wird,  nicht mehr  der individuelle Held, sondern ein Ge-
       samt-Stenka-Rasin sein  wird. Wer  kein Tor  ist, wird leicht be-
       griffen haben, daß
       
       #433# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über Bakunin
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       ich von  einer vorhandenen und bereits in diesem Augenblick täti-
       gen Organisation  sprach, die  in ihrer Disziplin, in der leiden-
       schaftlichen Hingebung und Selbstverleugnung ihrer Mitglieder und
       in dem blinden Gehorsam gegen ein einziges allwissendes, doch von
       niemandem gekanntes Komitee seine Stärke findet.
       Die Mitglieder  dieses Komitees haben vollständig auf ihre eigene
       Persönlichkeit Verzicht geleistet; dies gibt ihnen das Recht, von
       allen Mitgliedern  der Organisation  eine gleiche absolute Entsa-
       gung zu  verlangen. Sie haben in solchem Grade auf alles verzich-
       tet, was  sonst den  Gegenstand der  Begierde eitler, ehrgeiziger
       und machtgieriger  Leute bildet,  daß sie ein für allemal auf den
       individuellen Besitz  der Gewalt, auf jede öffentliche oder offi-
       zielle Macht,  ja im  allgemeinen selbst  auf  das  Bekanntwerden
       ihres Namen  in der Gesellschaft verzichten und sich einer ewigen
       Verborgenheit hingeben,  und, während sie anderen den offenkundi-
       gen Ruhm und Glanz des Werks überlassen, für sich nur, doch immer
       als Gesamtheit, das Wesen des Werkes aufheben 1*).
       Wie die  Jesuiten, aber  nicht zum  Zwecke der Knechtung, sondern
       der Emanzipation  des Volkes,  hat jeder von ihnen selbst auf den
       eigenen Willen verzichtet. In dem Komitee wie in der ganzen Orga-
       nisation ist  es nicht  das Individuum,  welches denkt,  will und
       handelt, sondern die Gesamtheit. Ein solcher Verzicht auf eigenes
       Leben, Denken  und Wollen  wird vielen unmöglich, ja selbst empö-
       rend scheinen.  Es ist in der Tat schwer, ihn durchzusetzen, aber
       es ist  unumgänglich notwendig.  Besonders den  Neulingen wird es
       schwer erscheinen, die kaum in die Organisation eingetreten sind,
       den Leuten,  die noch nicht die Gewohnheit geschwätziger und eit-
       ler Prahlerei abgelegt haben, Leuten, die nach Ehre, nach persön-
       licher Würde  und nach  Macht streben,  und von  allen denen, die
       sich von  den jämmerlichen  Phantomen einer erdichteten Humanität
       lenken lassen,  Phantomen, hinter denen in der russischen Gesell-
       schaft eine  allgemeine Servilität  gegenüber der  gemeinsten und
       verworfensten Wirklichkeit sich zeigt. Dieser Verzicht wird denen
       peinlich erscheinen, die in dem großen Werke nur die Befriedigung
       ihrer Eigenliebe,  nur eine  Gelegenheit zum Phrasendrechseln su-
       chen und  die nicht das Werk um des Werkes willen lieben, sondern
       wegen der theatralischen Aufspreizung ihrer eigenen Person.
       Jedes neue  Mitglied tritt aus freien Stücken in unsere Organisa-
       tion ein  und weiß  im voraus,  daß es, einmal eingetreten, nicht
       mehr sich, sondern ganz ihr angehört. Der Eintritt in die Organi-
       sation ist  frei, der Austritt aber unmöglich, denn jedes austre-
       tende Mitglied würde die Existenz der Organisation selbst unzwei-
       felhaft gefährden,  und diese  darf nicht  von dem Leichtsinn und
       der Laune, oder der größeren oder geringeren Zuverlässigkeit, Eh-
       renhaftigkeit und  Macht eines  oder mehrerer  Individuen  abhän-
       gen... Wer ihr daher angehören will, muß im voraus wissen, daß er
       sich ihr  vollständig hingibt, mit allem, was er an Kräften, Mit-
       teln und Wissen besitzt, ja mit seinem ganzen Leben und das unwi-
       derruflich... Es  ist dies  klar und  deutlich in  ihrem Programm
       auseinandergesetzt; dasselbe  ist veröffentlicht  und ist bindend
       für alle  Mitglieder des Komitees wie für alle, die nicht zum Ko-
       mitee gehören... Ist ein Mitglied wirklich
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       1*) In der französischen Ausgabe: behüten
       
       #434# Karl Marx/Friedrich Engels
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       von der" (revolutionären) "Leidenschaft durchdrungen, so wird ihm
       alles leicht  erscheinen, was  die Organisation von ihm verlangt.
       Es ist  eine bekannte  Sache, daß  es für  die Leidenschaft keine
       Schwierigkeiten gibt;  sie kennt  keine Unmöglichkeit;  je größer
       die Hindernisse  sind, desto  stärker wird  auch der  Wille,  die
       Kraft und  das Geschick  des Leidenschaftlichen  angespannt.  Die
       kleinen persönlichen  Leidenschaften  finden  bei  dem  von  der"
       (revolutionären) "Leidenschaft  Besessenen nicht  einmal Raum, er
       brauchte jene nicht einmal zu opfern, weil sie bei ihm nicht mehr
       vorhanden sind.  Ein zuverlässiges  Mitglied der  Assoziation hat
       bereits jedes  Gefühl der  Neugier in  sich erstickt und verfolgt
       diesen Fehler unbarmherzig bei allen andern. Obgleich er sich je-
       den Vertrauens  würdig weiß  und gerade  Weil er desselben würdig
       ist, d.h.,  weil er  ein zuverlässiger  Mann ist, strebt er nicht
       danach, ja  wünscht nicht  einmal mehr zu wissen, als für ihn zur
       möglichst guten Ausführung der ihm anvertrauten Aufgabe notwendig
       ist. Er  spricht über  die Geschäfte nur mit den ihm bezeichneten
       Personen und  sagt nur  das, was  ihm in  den erhaltenen Befehlen
       vorgeschrieben ist;  überhaupt richtet  er sich  streng und unbe-
       dingt nach  den von oben ihm zugehenden Befehlen und Verfügungen,
       ohne zu fragen oder auch nur sich zu erkundigen, in welchem Grade
       der Organisation  er sich  befinde; er  wird natürlich den Wunsch
       hegen, daß  ihm so  viel Geschäfte wie möglich übertragen werden,
       jedoch nichtsdestoweniger  mit Geduld den Augenblick abwarten, wo
       man ihm eins anvertraut.
       Eine so starre und absolute Disziplin mag einem Neuling wunderbar
       vorkommen und  ihn selbst  erstaunen; ein zuverlässiges Mitglied,
       einen wirklich starken und verständigen Mann wird sie weder über-
       raschen noch  verletzen, sie  wird ihm im Gegenteil Freude machen
       und ihm eine Bürgschaft für seine Sicherheit sein, vorausgesetzt,
       daß er  unter dem  Einflüsse jener  alles absorbierenden  Leiden-
       schaft des  Volkssieges steht,  von der  ich oben gesprochen. Ein
       ernsthaftes Mitglied  wird begreifen,  daß solche  Disziplin  das
       notwendige Unterpfand  für die  verhältnismäßige Unpersönlichkeit
       jedes Mitgliedes  ist, die wiederum die conditio sine qua non des
       gemeinschaftlichen Triumphes  ist; es  wird begreifen,  daß diese
       Disziplin allein  imstande ist,  eine wirkliche  Organisation  zu
       bilden und eine vereinigte Revolutionsmacht zu schaffen, die, ge-
       stützt auf  die elementare  Macht des Volkes, imstande sein wird,
       die furchtbare Gewalt der Staatsorganisation zu besiegen.
       Man wird  vielleicht fragen: wie kann man sich der diktatorischen
       Leitung eines  uns unbekannten Komitees unterwerfen? Aber das Ko-
       mitee ist  euch bekannt,  und zwar  zunächst durch  das Programm,
       welches es  veröffentlicht hat,  das mit solcher Klarheit und Be-
       stimmtheit abgefaßt ist und das jedem in die Organisation eintre-
       tenden Mitgliede  noch mehr im einzelnen auseinandergesetzt wird.
       Das Komitee  empfiehlt sich  euch aber  zweitens durch das blinde
       Vertrauen, welches  ihm Personen,  euch bekannte, von euch geach-
       tete, schenken,  dasselbe Vertrauen, das euch dieser Organisation
       den Vorzug  geben läßt  vor jeder  anderen. Das Komitee gibt sich
       den tätigen  Mitgliedern der Organisation noch weiter zu erkennen
       durch seine unermüdliche, entschlossene Tätigkeit, die sich über-
       allhin erstreckt  und stets dem Programm und dem Zwecke der Orga-
       nisation entspricht.  Und jedermann  unterwirft sich  gern seiner
       Autorität, indem  er durch die Praxis selbst mehr und mehr eines-
       teils von seiner wahrhaft staunenerregenden
       
       #435# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       Voraussicht überzeugt  wird, von  seiner Wachsamkeit,  von seiner
       mit Vorsicht  gepaarten Energie  und von seinem Geschick, die zu-
       treffenden Maßregeln  dem Zwecke  anzupassen, und andernteils von
       der Notwendigkeit und heilsamen Wirkung einer solchen Disziplin.
       Man könnte  an mich  die Frage  stellen: wenn der Personenbestand
       des Komitees  ein  undurchdringliches  Geheimnis  für  alle  Welt
       bleibt, wie hast du dich denn über dasselbe unterrichten und dich
       von seinem  wirklichen Werte  überzeugen  können?  -Ich  antworte
       freimütig auf  diese Frage.  Ich kenne kein einziges von den Mit-
       gliedern dieses Komitees, nicht einmal ihre Zahl oder ihren Sitz.
       Ich weiß  nur eins,  daß es sich nicht im Auslande befindet, son-
       dern in  Rußland, wie es sein muß, denn ein russisches revolutio-
       näres Komitee,  das im  Auslande seinen Sitz hat, ist ein Unsinn,
       den nur  das Gehirn sinnloser und dummehrgeiziger Phrasenschmiede
       aushecken kann,  die zur  Emigration gehören und ihren lächerlich
       eitlen und  boshaft intriganten  Müßiggang unter dem volltönenden
       Namen der 'Volkssache' *) verbergen.
       Nach der  Adelsverschwörung der  Dekabristen" (1825)  "wurde  der
       erste ernste Versuch einer Organisation von Ischutin und Genossen
       gemacht. Die gegenwärtige Organisation ist die erste Organisation
       der revolutionären Kräfte von ganz Rußland, die wirklich gelungen
       ist. Sie hat alle Vorbereitungen, alle Erfahrungen benutzt; keine
       Reaktion wird  sie zur Auflösung zwingen; sie wird alle Regierun-
       gen überleben  und ihre  Tätigkeit erst dann enden, wenn ihr Pro-
       gramm zum  Alltagsleben der Russen und der gesamten Welt geworden
       ist.
       Vor nahe  einem Jahr  hielt es das Komitee für nützlich, mich von
       seiner Existenz  zu benachrichtigen,  und schickte  mir sein Pro-
       gramm nebst einer Darlegung des allgemeinen Plans für die revolu-
       tionäre Tätigkeit in Rußland. Da ich mit beiden vollständig über-
       einstimmte und  mich überzeugt hatte, daß das Unternehmen ebenso-
       gut wie  die Männer, welche die Initiative ergriffen haben, einen
       durchaus ernstlichen  Charakter hat,  so tat ich, was nach meiner
       Meinung jeder  ehrenhafte Flüchtling tun mußte: ich habe mich der
       Autorität des  Komitees als  des einzigen  Vertreters und Leiters
       der Revolution  in Rußland  bedingungslos unterworfen.  Wenn  ich
       mich heute  an euch wende, so gehorche ich damit nur den Befehlen
       des Komitees.  Mehr kann  ich euch nicht sagen. Ich will nur noch
       ein Wort  in dieser  Sache hinzufügen.  Der Plan der Organisation
       ist mir genügend bekannt, um mir die Überzeugung zu gewähren, daß
       keine Macht mehr imstande ist, sie zu vernichten. Selbst wenn die
       Volkspartei eine  neue Niederlage  im  nächsten  Kampfe  erleiden
       sollte -  was niemand  unter uns befürchtet, wir glauben sämtlich
       an den  nahe bevorstehenden  Triumph des Volks -, ja, wenn selbst
       unsere Hoffnung  getäuscht würde,  so  würde  dennoch  unter  den
       schrecklichsten Unterdrückungsmaßregeln,  inmitten der  wildesten
       Reaktion die  Organisation wohlbehalten  und  ungeschädigt  blei-
       ben...
       ---
       *) Der Leser  wird sich erinnern, daß dies der Titel eines inter-
       nationalen russischen Blattes war, das in Genf von einigen jungen
       Russen herausgegeben  wurde [326], die genau wußten, woran in be-
       treff des angeblichen Komitees und der Organisation Bakunins sich
       zu halten.
       
       #436# Karl Marx/Friedrich Engels
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       Die Grundlage  des Programms  ist die  breiteste,  die  humanste:
       vollständige Freiheit und vollständige Gleichheit aller Menschen,
       gegründet auf  gemeinsamem Eigentum  und gemeinsamer  Arbpit, die
       gleich obligatorisch  für alle ist, mit Ausnahme natürlich derje-
       nigen, welche es vorziehen, ohne Arbeit zu verhungern.
       Dies ist  auch das  gegenwärtige Programm  der Arbeiterwelt aller
       Länder, und dieses Programm entspricht den hundertjährigen Forde-
       rungen und Instinkten unseres Volks... Als die Mitglieder unserer
       Organisation dies  Programm den Leuten aus niederem Volke vorleg-
       ten, waren  sie ganz  erstaunt zu  sehen, wie schnell und überall
       diese es  begreifen und mit welcher glühenden Begeisterung sie es
       annehmen. Also  das Programm  ist fertig,  es ist unveränderlich.
       Wer für  dieses Programm  ist, wird  mit uns gehen. Wer wider uns
       ist, der  ist der  Freund der  Gegner des Volks, der Gensdarm des
       Zaren, der Henker des Zaren, unser Feind...
       Ich habe  euch gesagt,  daß unsere Organisation so fest gegründet
       ist, und  ich füge  jetzt hinzu,  daß sie so tief im Volke Wurzel
       geschlagen hat,  daß, selbst  wenn wir  eine Niederlage erleiden,
       die Reaktion ohnmächtig ist, sie zu zerstören...
       Die servile  Presse, den  Befehlen der  dritten Sektion gehorsam,
       gibt sich Mühe, dem Publikum einzureden, daß es der Regierung ge-
       lungen, die  Verschwörung an  ihrer Wurzel  selbst zu fassen. Man
       hat durchaus nichts gefaßt. Das Komitee und die Organisation sind
       unangetastet und werden es stets bleiben; die Regierung wird sich
       bald davon überzeugen, denn der Ausbruch des Volksaufstands steht
       nahe bevor.  Er ist  so nahe  gerückt, daß  jeder sich jetzt ent-
       scheiden muß, ob er unser Freund, der Freund des Volkes, oder un-
       ser Feind  und der  des Volkes sein will. Allen Freunden, welchen
       Platz oder  welche Stellung  sie auch einnehmen mögen, stehen un-
       sere Reihen  offen. Aber wie soll man uns finden, werdet ihr fra-
       gen. Die  Organisation, welche  euch von allen Seiten umgibt, die
       unter euch  zahlreiche Anhänger zählt, wird von selbst denjenigen
       herausfinden, der  sie sucht mit dem aufrichtigen Wunsche und dem
       festen Willen,  der Sache  des Volks zu dienen. Wer nicht für uns
       ist, der ist wider uns. Wählt!"
       
       In dieser  mit seinem Namen unterzeichneten Broschüre stellt sich
       Bakunin, als  ob er den Ort und die Zusammensetzung des Komitees,
       in dessen Namen er spricht und in dessen Namen Netschajew in Ruß-
       land gehandelt  hat, nicht  kenne. Und doch ist die einzige Voll-
       macht, welche  Netschajew hatte,  um im  Namen dieses Komitees zu
       handeln, unterzeichnet:  Michail Bakunin,  und der  einzige Mann,
       der Berichte über die Sektionen erhielt, war wieder Michail Baku-
       nin. Wenn  also Michail  Bakunin dem Komitee unbedingten Gehorsam
       gelobt, nun so schwört er, niemand anders gehorchen zu wollen als
       eben Michail Bakunin.
       Wir halten  es für unnütz, die vollständige Identität der Tenden-
       zen und  selbst der  Ausdrücke dieser von Bakunin unterzeichneten
       Schrift mit  den anderen anonymen russischen Dokumenten noch wei-
       ter nachzuweisen.  Wir wollen  nur die Art und Weise hervorheben,
       in welcher  Bakunin hier  die Moral  des Katechismus in Anwendung
       bringt. Zuerst predigt er diese
       
       #437# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Moral den russischen Offizieren; er erklärt ihnen, daß er und die
       anderen Eingeweihten  sowohl eine  Pflicht vollbracht,  wie  eine
       Lücke ausgefüllt haben, indem sie sich als die Jesuiten der Revo-
       lution konstituierten,  und daß  sie gegenüber  dem Komitee nicht
       mehr persönlichen  Willen haben,  als der bekannte "Leichnam" der
       Gesellschaft Jesu.  Und damit  sie nicht durch die Ermordung Iwa-
       nows abgeschreckt  werden, sucht  er ihnen  die Notwendigkeit be-
       greiflich zu  machen, jedes Mitglied zu ermorden, das aus der ge-
       heimen Gesellschaft  austreten will.  Dann wendet  er diese selbe
       Moral seinen Lesern gegenüber an, indem er ihnen unverschämt vor-
       lügt. Er wußte, daß die Regierung nicht bloß alle Eingeweihten in
       Rußland verhaftet hatte, sondern sogar noch eine zehnfach größere
       Anzahl von Netschajew kompromittierter Personen von der bekannten
       "fünften Kategorie"  des Katechismus;  er wußte,  daß in  Rußland
       auch nicht der Schatten einer Organisation bestand, daß das Komi-
       tee ebensowenig  daselbst existierte,  wie es jemals außer in der
       Person Netschajews,  der sich  damals bei ihm in Genf befand, da-
       selbst existiert  hatte; er wußte auch, daß diese Broschüre nicht
       einen einzigen  Anhänger in  Rußland gewinnen  würde, daß sie der
       Regierung nur  einen Vorwand zu neuen Verfolgungen bieten könnte;
       dennoch proklamiert  er, daß  die Regierung durchaus nichts abge-
       faßt hat,  daß das  Komitee noch immer seinen Sitz in Rußland hat
       und daselbst  eine unermüdliche,  entschlossene, sich  nach allen
       Seiten hin  erstreckende  Tätigkeit,  wahrhaft  bewundernswürdige
       Voraussicht, Wachsamkeit,  eine mit Vorsicht gepaarte Energie und
       eine staunenerregende  Geschicklichkeit (die  Aussagen im  Prozeß
       zeigen es)  entwickelt, daß  seine geheime Organisation, die ein-
       zige ernste,  welche in Rußland seit 1825 existiert, unangetastet
       dasteht, daß  sie in das niedere Volk gedrungen, welches mit glü-
       hender Begeisterung ihr Programm annimmt, daß sie bereits die Of-
       fiziere von  allen Seiten  umgibt, daß die Revolution bereits vor
       der Türe steht, daß sie in einigen Monaten, im Frühjahr 1870 aus-
       brechen wird.  Die Eitelkeit,  seiner Person  eine "theatralische
       Aufspreizung" vor  seinen säubern internationalen Brüdern und vor
       seinem Spiegel  zu geben, ist es allein, die Bakunin bewegt, wenn
       er seine lügnerischen Großprahlereien an die Russen richtet unter
       dem Vorgeben,  "auf das  eigene Leben, Denken und Wollen verzich-
       tet" zu  haben und  erhaben zu  sein über  die "geschwätzige  und
       eitle Prahlerei"  der "Leute,  die nach  Ehre, nach  persönlicher
       Würde und nach Recht streben".
       Dieser selbe  Mann, der  1870  den  Russen  blinden,  unbedingten
       Gehorsam predigt gegenüber Befehlen, die von oben herab von einem
       unbekannten namenlosen  Komitee kommen,  der erklärt, daß die je-
       suitische Disziplin  die notwendige Bedingung des Sieges, daß sie
       allein fähig sei, die furchtbare
       
       #438# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Zentralisation des  Staats, und  zwar nicht  bloß des russischen,
       sondern jedes  Staates zu besiegen; der einen Kommunismus verkün-
       digt, der  autoritärer ist als der primitivste Kommunismus - die-
       ser selbe  Mann zettelt im Jahre 1871 im Schöße der Internationa-
       len eine separatistische und desorganisierende Bewegung an, unter
       dem Vorwande, den Autoritarismus und die Zentralisation der deut-
       schen Kommunisten  zu bekämpfen, die Autonomie der Sektionen, die
       freie Föderation autonomer Gruppen zu bilden und aus der Interna-
       tionalen das zu machen, was sie sein sollte: das Bild der zukünf-
       tigen Gesellschaft.  Wenn die  künftige Gesellschaft nach dem Mu-
       ster der  Allianz, russischer  Sektion, eingerichtet  würde, dann
       würde sie  das Paraguay der Ehrwürdigen Jesuiten-Patres [335] 1*)
       weit überbieten.
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       1*) In der  französischen Ausgabe eingefügt: die Bakunin so teuer
       sind
       
       #439#
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       IX
       
       Schluß
       
       Während die  Internationale der  Arbeiterklasse der verschiedenen
       Länder die  vollste Freiheit in ihren Bewegungen und Bestrebungen
       ließ, brachte  sie es  gleichzeitig fertig,  die  Gesamtarbeiter-
       klasse zu einem Bunde zu vereinigen und zum ersten Male den herr-
       schenden Klassen  und ihren Regierungen die kosmopolitische Macht
       des Proletariats  fühlbar zu machen. Die herrschenden Klassen und
       die Regierungen  haben diese  Tatsache anerkannt dadurch, daß sie
       ihre Angriffe auf das exekutive Organ unserer Gesamtorganisation,
       den Generalrat,  konzentrierten. Diese  Angriffe wurden  mehr und
       mehr verschärft seit dem Falle der Kommune. Und gerade diesen Au-
       genblick wählten  die Allianzisten,  um ihrerseits dem Generalrat
       offenen Krieg  zu erklären! Ihnen zufolge war sein Einfluß, diese
       mächtige Waffe  in den Händen der Internationalen, nur eine gegen
       die Internationale  gerichtete  Waffe.  Dieser  Einfluß  war  die
       Frucht 1*) eines Kampfes, der nicht gegen die Feinde des Proleta-
       riats, sondern  gegen die  Internationale selbst  geführt  worden
       war. Sie behaupteten, die herrschsüchtigen Bestrebungen des Gene-
       ralrats hätten  den Sieg über die Autonomie der Sektionen und Na-
       tionalföderationen davongetragen.  Es blieb demnach nichts weiter
       übrig, als  die Internationale zu enthaupten, um die Autonomie zu
       retten.
       In der  Tat, die  Männer der  Allianz wußten, daß, wenn sie nicht
       diesen entscheidenden  Augenblick ergriffen,  es um  die von  den
       hundert internationalen Brüdern geträumte geheime Leitung der Ar-
       beiterbewegung geschehen  war. Ihre Angriffe fanden ein beifälli-
       ges Echo in der Polizeipresse aller Länder.
       Ihre hochtönenden  Phrasen von  Autonomie und  freier Föderation,
       überhaupt ihr  Kriegsgeschrei gegen  den Generalrat  waren nichts
       weiter als ein Kunstgriff zur Maskierung ihres wahren Zwecks: die
       Internationale zu
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: der Preis
       
       #440# Karl Marx/Friedrich Engels
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       desorganisieren und sie eben dadurch der geheimen, hierarchischen
       und autokratischen Regierung der Allianz zu unterwerfen.
       Autonomie der  Sektionen,  freie  Föderation  autonomer  Gruppen,
       Antiautoritarismus, Anarchie  - das sind Phrasen, welche gar wohl
       anstehen einer  "Gesellschaft von  'Deklassierten' ohne Beruf und
       ohne Ausweg" (sans carrière, sans issue), einer Gesellschaft, die
       im Schöße der Internationalen konspiriert, um diese einer geheim-
       gehaltenen Diktatur zu unterwerfen und ihr das Programm des Herrn
       Bakunin aufzudrängen!
       Wenn man  von diesem  Programm die  melodramatischen Flittern ab-
       löst, so kommt es auf folgendes heraus:
       1. Alle Scheußlichkeiten,  in denen  sich nun  einmal, wie  durch
       Schicksalsschluß, das Leben der Deklassierten der höheren gesell-
       schaftlichen Schichten bewegt, werden als ebenso viele ultrarevo-
       lutionäre Tugenden gepriesen.
       2.Man stellt  die Notwendigkeit  als Grundsatz  auf, eine kleine,
       gut ausgesuchte  Minderzahl von  Arbeitern zu  verlocken;  diesen
       schmeichelt man,  indem man  sie durch  geheimnisvolle Einweihung
       von den  Massen trennt,  sie an  dem betrügerischen Intrigenspiel
       der Geheimregierung teilnehmen läßt und ihnen vorpredigt, daß sie
       die alte  Gesellschaft durch  und durch umstürzen, wenn sie ihren
       "bösen Leidenschaften" freien Lauf lassen.
       3. Die Hauptmittel der Propaganda bestehen darin, daß man die Ju-
       gend durch  erdichtete Schilderungen  - Lügen über die Ausdehnung
       und Macht  der geheimen Gesellschaft, Prophezeiungen vom nahe be-
       vorstehenden Ausbruch der von ihr vorbereiteten Revolution etc. -
       verleitet und  den Regierungen  gegenüber die  vorgeschrittensten
       Männer der  besitzenden Klassen  kompromittiert, um  sie pekuniär
       auszubeuten.
       4. An die  Stelle des  ökonomischen und  politischen Kampfes  der
       Arbeiter um  ihre Emanzipation  treten die  allzerstörenden Taten
       des Zuchthausgesindels, als der höchsten Verkörperung der Revolu-
       tion. Mit einem Worte, man muß das bei den "Revolutionen nach dem
       klassischen Muster  des Westens" von den Arbeitern selbst nieder-
       gehaltene Lumpentum  loslassen und so aus eigenem Antrieb den Re-
       aktionären eine  wohldisziplinierte Bande von Agents provocateurs
       zur Verfügung stellen.
       Es ist schwer zu entscheiden, welches von beiden in den theoreti-
       schen Phantasien  und praktischen  Anläufen der Allianz mehr vor-
       herrscht, das Groteske oder das Infame. Nichtsdestoweniger ist es
       ihr gelungen,  im Schöße  der  Internationalen  einen  heimlichen
       Kampf hervorzurufen,  der zwei  Jahre lang  die Tätigkeit unserer
       Assoziation gehemmt  und schließlich  zum Abfall  eines Teils der
       Sektionen und Föderationen geführt hat. Die
       
       #441# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       vom Haager  Kongreß gegen  die Allianz  gefaßten Beschlüsse waren
       daher reine  Handlungen der Pflicht, er konnte nicht die Interna-
       tionale, diese  große Schöpfung  des Proletariats,  in den  Fall-
       stricken des Auswurfs der Ausbeuterklassen sich verfangen lassen.
       Was diejenigen  anlangt, die dem Generalrat die Befugnisse abneh-
       men wollen,  ohne welche  die Internationale nur eine zerstreute,
       zusammenhanglose und,  um  die  Sprache  der  Allianz  zu  reden,
       "amorphe" Masse  wäre, so  können wir  in ihnen nur Verräter oder
       Gimpel sehen.
       London, den 2I.Juli 1873
       Die Kommission:
       E. Dupont, F. Engels, Leo Frankel, A. Le Moussu,
       Karl Marx, Aug. Serraillier
       
       #442#
       -----
       X
       
       Anhang zur Allianz in Rußland
       
       1. Die Hegira 1*) Baukunins
       Im Jahre  1857 wurde  Bakunin nach  Sibirien geschickt, nicht zur
       Zwangsarbeit, wie  er in  seinen Berichten  glauben machen  will,
       sondern nur  in die  einfache Verbannung. Gouverneur von Sibirien
       war zu  jener Zeit  der Graf Murawjow-Amurski, ein Verwandter des
       Henkers von  Polen und  Vetter Bakunins.  Dank  dieser  Verwandt-
       schaft, dank  auch seinen  der Regierung erwiesenen Diensten, er-
       freute sich  Bakunin einer  ausnahmsweisen und begünstigten Stel-
       lung.
       Um diese  Zeit befand sich in Sibirien Petraschewskî, der Organi-
       sator und  Hauptführer des  Komplotts  von  1849.  [336]  Bakunin
       setzte sich  zu ihm  in offene Feindschaft und versuchte, ihm auf
       jede Weise  zu schaden,  was für den Vetter des sibirischen Vize-
       Kaisers eine  leichte Sache  war. Diese Verfolgung Petraschewskis
       gab Bakunin neue Ansprüche auf Vergünstigungen seitens der Regie-
       rung. Eine  dunkle Geschichte,  die in  Sibirien und Rußland viel
       von sich  reden machte,  brachte den  Kampf der beiden Verbannten
       zum Abschluß.  Das Verhalten  eines hohen  Beamten, der den Libe-
       ralen spielte,  hatte zu mancherlei Bemerkungen Anlaß gegeben, in
       ihrem Gefolge brach in der Umgebung des Vize-Kaisers ein Gewitter
       los, das  zu einem  tödlichen Duell  führte. Nun trug diese ganze
       Affäre so sehr den Charakter persönlicher Intrigen und betrügeri-
       scher Ränke  an sich,  daß die ganze Bevölkerung in Aufregung ge-
       riet und die höchsten Beamten beschuldigte, das Opfer des Duells,
       einen jungen  Freund Petraschewskis, ermordet zu haben. Die Bewe-
       gung nahm  solche Verhältnisse  2*) an,  daß die  Regierung einen
       Volksaufstand fürchtete. Da übernahm Bakunin die Verteidigung der
       hohen Beamten, namentlich auch Murawjows. Er benutzte seinen Ein-
       fluß,
       -----
       1*) Hedschra - 2*) in der französischen Ausgabe: Dimensionen
       
       #443# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       um Petraschewski nach einer entlegeneren Gegend verbannen zu las-
       sen, und  verteidigte dessen  Verfolger in  einer langen  von ihm
       verfaßten, aber nur "als Zeuge" unterzeichneten und an Herzen ge-
       sandten Korrespondenz.  Herzen ließ  bei der  Veröffentlichung im
       "Kolokol" alle Angriffe gegen Petraschewski fort; aber in Peters-
       burg hatte man unterwegs eine Abschrift von dem Artikel genommen,
       die nun  im Manuskript  zirkulierte und den Originaltext bekannt-
       machte.
       Die sibirischen  Kaufleute, im  allgemeinen liberaler als die des
       eigentlichen Rußlands,  wollten in  ihrem Lande  eine Universität
       gründen, um  nicht mehr nötig zu haben, ihre Kinder nach den ent-
       legenen Hochschulen  jenseits des  Ural 1*)  zu schicken,  und um
       einen eigenen  geistigen Mittelpunkt  für Sibirien  zu  schaffen.
       Hierzu bedurften  sie der  kaiserlichen Genehmigung. Murawjow wi-
       dersetzte sich  auf Anraten und Zureden Bakunins diesem Projekte.
       Der Haß  Bakunins gegen  die Wissenschaft  ist von  altem  Datum.
       Diese Tatsache  ist in  Sibirien allgemein bekannt. Bakunin wurde
       hierüber bei mehreren Gelegenheiten von Russen zur Rede gestellt,
       und da er nicht leugnen konnte, so erklärte er stets sein Verhal-
       ten damit,  daß er,  mit den  Vorbereitungen zu seiner Flucht be-
       schäftigt, habe suchen müssen, die Gunst seines Vetters, des Gou-
       verneurs, zu verdienen.
       Nicht allein  für  sich  brauchte  und  mißbrauchte  Bakunin  die
       Begünstigungen der  Regierung; er ließ sie dieselben auch für ein
       geringes Trinkgeld auf Kapitalisten, Unternehmer und Generalpäch-
       ler regnen.  Die bei den Opfern Netschajews mit Beschlag belegten
       und von der Regierung 1869 und 1870 veröffentlichten Proklamatio-
       nen Bakunins  enthielten Proskriptionslisten, in die auch der be-
       kannte Katkow, Chefredakteur der "Moskauer Zeitung" [337], einge-
       tragen war.  Dieser rächte  sich, indem  er in seinem Blatte fol-
       gende Enthüllung veröffentlichte: Katkow besitzt Briefe von Baku-
       nin, datiert  aus London  nach seiner  Rückkehr von  Sibirien, in
       denen Bakunin  an Katkow, seinen alten Freund, die Bitte richtet,
       ihm einige  tausend Rubel  vorzuschießen. Bakunin bekennt, daß er
       bei seinem  Aufenthalt in  Sibirien von einem Branntwein-General-
       pächter einen  Jahresgehalt bezog,  den derselbe  ihm zahlte,  um
       sich durch  seine Vermittlung  die Gunst  des Gouverneurs  zu si-
       chern. Dieser  unredliche Lohn  (den er  seit seiner Flucht nicht
       mehr bezog)  lastete ihm  auf dem  Gewissen, und  er wünschte dem
       Generalpächter das  diesem abgezapfte  Geld zurückzuschicken. Zur
       Ausführung dieses  guten Werks  erbat er  den Vorschuß von seinem
       Freunde Katkow. Katkow schlug ab.
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe:  Rußlands (statt: jenseits des
       Ural)
       
       #444# Karl Marx/Friedrich Engels
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       In der Zeit, wo Bakunin diese Bitte an seinen alten Freund Katkow
       richtete, hatte dieser sich bereits lange seine Sporen im Dienste
       der dritten  Sektion verdient,  und sein  Blatt zu Denunziationen
       hergegeben gegen  die russischen Revolutionäre, besonders Tscher-
       nyschewski, sowie  gegen die  polnische Revolution. Also im Jahre
       1862 erbat Bakunin Geld von einem Menschen, von dem er wußte, daß
       er Denunziant  und literarischer Buschklepper im Solde der russi-
       schen Regierung war. Bakunin hat nie gewagt, diese so schwere Be-
       schuldigung Lügen zu strafen.
       Versehen mit Geld - wir wissen, durch welche Mittel es erworben -
       und im Genuß der hohen Protektion des Gouverneurs, konnte Bakunin
       seine Flucht  auf die  einfachste Weise  ausführen. Nicht nur gab
       man ihm  einen Paß  zum Herumreisen in Sibirien auf seinen Namen,
       sondern obendrein die offizielle Mission, das Land bis zur äußer-
       sten östlichen Grenze zu besichtigen. Einmal im Hafen von Nikola-
       jewsk angelangt,  kam er ohne Schwierigkeit nach Japan, von wo er
       sich ruhig  nach Amerika  einschiffen und Ende 1861 in London an-
       langen konnte. So vollzog sich die wunderbare Hegira dieses neuen
       Mohammed.
       
       2. Das panslawistische Manifest Bakunins
       Am 3. März 1861 hatte Alexander II. unter dem Beifallsgejubel des
       gesamten liberalen Europas die Aufhebung der Leibeigenschaft pro-
       klamiert. Die Bemühungen Tschernyschewskis und der revolutionären
       Partei, die  Aufrechterhaltung des  Gemeindebesitzes an Grund und
       Boden durchzusetzen,  hatten zwar Erfolg gehabt, aber in so wenig
       befriedigender Weise,  daß Tschernyschewski  bereits vor der Pro-
       klamierung der Aufhebung der Leibeigenschaft traurig eingestand:
       
       "Hätte ich gewußt, daß die von mir aufgeworfene Frage eine solche
       Lösung erhalten würde, so wäre mir eine Niederlage lieber gewesen
       als solch  ein Sieg.  Ich hätte  es vorgezogen, daß man gehandelt
       hätte, wie  es die  erste Absicht  war, ohne irgendwie auf unsere
       Forderungen Rücksicht zu nehmen."
       
       In der  Tat war  der  Emanzipationsakt  nur  ein  Taschenspieler-
       streich. Das  Land wurde zum großen Teil seinen wirklichen Besit-
       zern genommen  und das  System des Rückkaufs des Bodens durch die
       Bauern proklamiert. Aus diesem Akt zaristischer Täuschung schöpf-
       ten Tschernyschewski  und seine Partei ein neues unwiderlegliches
       Argument gegen die kaiserlichen Reformen. Der sich zur Fahne Her-
       zens schlagende  Liberalismus brüllte aus Leibeskräften: "Du hast
       gesiegt, Galiläer!" Galiläer bedeutete in ihrem
       
       #445# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Munde Alexander  II. -  Diese liberale  Partei, deren  Hauptorgan
       Herzens "Kolokol"  war, wußte  seit diesem  Augenblick nichts als
       das Lob des Zaren, des Befreiers, zu singen, und um die öffentli-
       che Aufmerksamkeit von den Klagen und Einsprüchen abzulenken, die
       jener volksfeindliche  Akt hervorrief,  ersuchte sie  den  Zaren,
       sein Emanzipationswerk  fortzusetzen und einen Kreuzzug zu begin-
       nen zur  Befreiung der  unterdrückten slawischen Völker, zur Ver-
       wirklichung des Panslawismus.
       Im Sommer 1861 entlarvte Tschernyschewski in der Revue "Der Zeit-
       genosse" (Sovremennik)  [338] die  Umtriebe der  Panslawisten und
       sagte den  slawischen Völkern  die Wahrheit  über den  Stand  der
       Dinge in  Rußland sowie  über die  interessierte Reaktionswut 1*)
       ihrer falschen  Freunde, der  Panslawisten. Da  glaubte  Bakunin,
       eben von Sibirien zurückgekehrt, den Augenblick gekommen, um sich
       vorzuschieben. Er  schrieb den  ersten Teil  eines  langen  Mani-
       festes, veröffentlicht als Beiblatt zum "Kolokol" vom 15. Februar
       1862 unter  dem Titel:  "An die  russischen, polnischen und sämt-
       liche slawischen  Freunde." Der  zweite Teil ist niemals erschie-
       nen.
       Das Manifest führt sich ein mit folgender Erklärung:
       
       "Ich habe mir den Mut des allerobernden Gedankens bewahrt, und in
       meinem Herzen,  meinem Willen und meiner Leidenschaft bin ich den
       Freunden, der  großen gemeinsamen  Sache, mir selbst treu geblie-
       ben... Ich  erscheine  jetzt  vor  euch,  meine  alten  erprobten
       Freunde, und vor euch jungen Freunde, die ihr in demselben Gedan-
       ken, in  demselben Willen lebt wie wir, und ich bitte euch: nehmt
       mich von  neuem in eure Mitte auf; möge es mir vergönnt sein, un-
       ter euch  und zusammen  mit euch den ganzen Rest meines Lebens zu
       weihen dem  Kampfe für  die russische Freiheit, für die polnische
       Freiheit, für die Freiheit und Unabhängigkeit aller Slawen."
       
       Wenn Bakunin  diese demütige  Bitte an  seine  alten  und  jungen
       Freunde richtet, so tut er es, weil es
       
       "ein schlimmes  Ding ist,  seine Tätigkeit  in fremdem Lande aus-
       zuüben. Ich  habe dies nur zu sehr erprobt in den Revolutionsjah-
       ren; weder  in Frankreich,  noch in  Deutschland habe  ich Wurzel
       schlagen können.  Und so  widme ich  auch ferner der fortschritt-
       lichen Bewegung  der gesamten  Welt meine  glühende Sympathie; um
       jedoch den  Rest meines  Lebens nicht  zu vergeuden,  muß ich von
       jetzt an  meine direkte Tätigkeit auf Rußland, Polen und die Sla-
       wen beschränken.  Diese drei heute 2*) getrennten Welten sind un-
       zertrennbar in meiner Liebe und meinem Glauben."
       
       Im Jahre  1862, also  vor elf  Jahren, im Alter von 51 Jahren be-
       kannte der  große Anarchist Bakunin den Staatskultus und den pan-
       slawistischen Patriotismus.
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe: über den interessierten Obsku-
       rantismus - 2*) in der französischen Ausgabe fehlt: heute
       
       #446# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       "Bis zur  Gegenwart hat  das großrussische  Volk, man  kann sagen
       ausschließlich, von  dem nach außen gerichteten Leben des Staates
       gelebt. Wie  drückend auch  immer  seine  Lage  nach  innen  sein
       mochte, wie  sehr diese es auch zur äußersten Verarmung und Skla-
       verei führte,  trotzdem blieb  es erfüllt  von Liebe für die Ein-
       heit, Größe und Macht Rußlands und für diese Prinzipien war es zu
       allen Opfern  bereit. So entwickelte sich im großrussischen Volke
       das Staatsbewußtsein und ein Patriotismus, nicht der Phrase, son-
       dern der  Tat. Daher erhielt sich unter allen slawischen Nationa-
       litäten allein  das großrussische  Volk unversehrt, es allein er-
       hielt sich  aufrecht in  Europa und  ließ dieses seine Macht füh-
       len... Glaubt  nicht, daß es den berechtigten Einfluß und die po-
       litische Macht  verlieren werde, die es nur durch Kämpfe errungen
       hat, Kämpfe,  geführt durch drei Jahrhunderte und mit der Selbst-
       verleugnung des Märtyrers, nur um den unversehrten Bestand seines
       Staates zu retten... Verweisen wir die Tataren nach Asien und die
       Deutschen nach  Deutschland, und  seien wir  ein freies, ein rein
       russisches Volk..."
       
       Zur besseren Beglaubigung dieser panslawistischen Propaganda, die
       im Kreuzzuge  gegen die  Tataren und  Deutschen gipfelt, verweist
       Bakunin seine Leser auf den Kaiser Nikolaus:
       
       "Man sagt,  daß selbst  der Kaiser Nikolaus kurz vor seinem Tode,
       als er  sich anschickte,  Österreich den  Krieg zu erklären, alle
       österreichischen und  türkischen Slawen,  die Ungarn und die Ita-
       liener zum allgemeinen Aufstande aufrief 1*). Er selbst hatte den
       orientalischen Krieg  gegen sich heraufbeschworen und, um sich zu
       verteidigen, hätte  er sich fast aus einem despotischen Kaiser in
       einen revolutionären  verwandeln mögen.  Man sagt, daß seine Pro-
       klamationen an  die Slawen, darunter ein Aufruf an die Polen, be-
       reits unterzeichnet  waren. Trotz  all seines  Hasses gegen Polen
       begriff er,  daß ohne  dasselbe der  slawische Aufstand unmöglich
       war... er  bezwang seine  Abneigung bis  zu dem Grade, daß er 2*)
       bereit war, die unabhängige Existenz Polens anzuerkennen, aber...
       nur jenseits der Weichsel."
       
       Derselbe Mann  also, der  seit 1868  in Internationalismus macht,
       predigte noch 1862 den Racenkrieg im Interesse der russischen Re-
       gierung. Der  Panslawismus ist  eine Erfindung  des  Petersburger
       Kabinetts und  hat keinen  andern Zweck als den, die europäischen
       Grenzen Rußlands nach Westen und Süden vorzuschieben. Da man aber
       nicht wagt, den österreichischen, preußischen und türkischen Sla-
       wen ihren Beruf anzukündigen, im großen russischen Reich aufzuge-
       hen, stellt  man ihnen  Rußland als die Macht dar, welche sie vom
       fremden Joche befreien und in einer großen freien Föderation ver-
       einigen wird.  Der Panslawismus  ist demnach verschiedener Schat-
       tierungen fähig, vom Panslawismus des Kaisers Nikolaus bis zu dem
       Bakunins; aber  alle laufen  sie auf  dieselbe Tendenz hinaus und
       stehen
       -----
       1*) Im "Kolokol": aufrufen wollte - 2*) in der französischen Aus-
       gabe eingefügt: sagt man
       
       #447# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über Bakunin
       -----
       im Grunde in inniger Harmonie, wie die eben angeführte Stelle be-
       weist. Das  Manifest, das uns jetzt beschäftigen wird, läßt hier-
       über keinen Zweifel mehr.
       
       3. Bakunin und der Zar
       Wir haben  gesehen, daß in Rußland, bei Gelegenheit der Aufhebung
       der Leibeigenschaft  der Krieg zwischen der liberalen und der re-
       volutionären Partei  ausgebrochen war.  Um Tschernyschewski,  den
       Führer der  revolutionären Partei, reihte sich eine ganze Phalanx
       Publizisten, eine  zahlreiche Gruppe Offiziere und die Jugend der
       Hochschulen. Die  liberale Partei war vertreten durch Herzen, ei-
       nige Panslawisten  und eine große Anzahl friedlicher Reformatoren
       und Bewunderer  Alexanders II. Die Regierung gewährte der libera-
       len Partei  ihre Unterstützung. Im März 1861 hatte die Jugend der
       russischen Universitäten  sich energisch für die Befreiung Polens
       ausgesprochen; im  Herbst 1861  hatte sie  versucht, dem  Staats-
       streiche Widerstand  zu leisten,  der mittelst  disziplinarischer
       und fiskalischer  Maßregelungen den armen Studierenden (über zwei
       Drittel der Gesamtzahl) die Möglichkeit rauben sollte, am höheren
       Unterricht teilzunehmen.  Die Regierung  behandelte ihre Proteste
       als Emeute;  in Petersburg,  Moskau, Kasan  werden Hunderte junge
       Leute ins  Gefängnis geworfen,  von den  Universitäten vertrieben
       oder nach  dreimonatlicher Haft  ausgestoßen. Und aus Furcht, daß
       diese jungen  Leute die  Mißstimmung der Bauern verschärfen könn-
       ten, verbot eine Entscheidung des Staatsrats den Ex-Studenten je-
       den Zutritt  zu öffentlichen Ämtern auf dem Lande. Die Verfolgun-
       gen hörten  hiermit nicht  auf. Man verbannt Professoren wie Paw-
       low; man  schließt die von den aus den Universitäten ausgeschlos-
       senen Studenten  organisierten öffentlichen  Vorlesungen; man be-
       ginnt unter den nichtigsten Vorwänden neue Verfolgungen; die kaum
       genehmigte "Kasse  der studierenden Jugend" wird plötzlich aufge-
       hoben; Zeitungen  werden suspendiert. Alles dies versetzt die ra-
       dikale Partei  in die höchste Entrüstung und Aufregung und zwingt
       sie, zur  heimlichen Presse  ihre Zuflucht zu nehmen. Es erschien
       das Manifest  dieser Partei  unter dem  Titel "Das junge Rußland"
       mit einem Motto aus Robert Owens Schriften. [339] Dieses Manifest
       gab eine  klare und  deutliche Darstellung  der inneren  Lage des
       Landes, des  Zustandes der verschiedenen Parteien und der Presse,
       und schloß daraus, indem es den Kommunismus proklamierte, auf die
       Notwendigkeit einer sozialen Revolution. Es forderte alle tüchti-
       gen Leute auf, sich um die radikale Fahne zu scharen.
       
       #448# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Kaum hatte  dies Manifest  die heimliche  Presse  verlassen,  als
       durch ein  verhängnisvolles Zusammentreffen (insofern die Polizei
       nicht ihre  Hand dabei  im Spiele hatte) zahlreiche Feuersbrünste
       in Petersburg  ausbrachen.  Die  Regierung  und  die  reaktionäre
       Presse ergriffen  mit Freuden  diese Gelegenheit,  die Jugend und
       die gesamte  radikale Partei  der Brandstiftung  zu beschuldigen.
       Von neuem  füllen sich  die Gefängnisse,  neue Opfer drängen sich
       auf den Wegen zur Verbannung. Tschernyschewski wird verhaftet und
       auf die  Petersburger Festung  gebracht; von  da schickt  man ihn
       nach zwei  langen martervollen Jahren zur Zwangsarbeit nach Sibi-
       rien.
       Schon vor  dieser Katastrophe  griffen Herzen  und Gromeka, welch
       letzterer später  als Gouverneur einer polnischen Provinz bei der
       Unterwerfung Polens  mitwirkte, der eine in London, der andere in
       Rußland, die  radikale Partei aufs wütendste an und gaben zu ver-
       stehen, daß  Tschernyschewski vielleicht noch schließlich mit ei-
       nem Orden  begnadigt werde.  Tschernyschewski forderte  Herzen in
       einem ganz  besonders gemäßigten Artikel auf, über die Folgen der
       neuen Rolle  nachzudenken, worin  der "Kolokol"  sich  in  offene
       Feindschaft mit der russischen revolutionären Partei setze. [340]
       Herzen erklärte  pomphaft, er  sei bereit, in Gegenwart von allem
       dem, was  er die internationale Demokratie nannte, Mazzinis, Vic-
       tor Hugos,  Ledru-Rollins, Louis  Blancs u.a.,  den famosen Toast
       auf den  großen Zar  und Emanzipator  auszubringen, und, fügte er
       hinzu, was  auch die  revolutionären Daniels  in Petersburg sagen
       mögen, ihnen und ihren Schreiern zum Trotz, "ich weiß, daß dieser
       Toast ein  günstiges Echo  im Winterpalast"  (Residenz des Zaren)
       "finden wird". 1*)
       Bakunin übertraf  Herzen. Gerade  als die revolutionäre Partei in
       voller Auflösung,  als Tschernyschewski  im Gefängnis war, veröf-
       fentlichte Bakunin,  damals schon  einundfünfzig Jahre alt, seine
       berüchtigte Broschüre  für den  Bauernzar:  "Romanow,  Pugatschow
       oder Pestel? Die Sache des Volks." Von Michail Bakunin. 1862.
       
       "Manche fragen  sich noch, ob es in Rußland eine Revolution geben
       wird. Aber  diese Revolution  vollzieht  sieb  schrittweise,  sie
       herrscht überall  vor, in  allen Verhältnissen wie in allen Gemü-
       tern. Sie betätigt sich durch die Hand der Regierung noch erfolg-
       reicher als  in den  Bemühungen ihrer  eigenen Anhänger. Sie läßt
       sich nicht  beschwichtigen noch  aufhalten, bis sie die russische
       Welt wiedergeboren,  bis sie neue slawische Welten geschaffen ha-
       ben wird.
       Die Dynastie  arbeitet selbst  an ihrem Sturz. Sie sucht ihr Heil
       darin, nicht  das  erwachte  Volksleben  zu  beschützen,  sondern
       darin, ihm Halt zu gebieten. Würde dieses
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe  folgt: Mit  den revolutionären
       Daniels sind Tschernyschewski und seine Freunde gemeint.
       
       #449# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Volksleben verstanden, es hätte das kaiserliche Haus zu einer bis
       auf den  heutigen Tag  unbekannten Höhe  der Macht und des Ruhmes
       erheben können...  Es ist zu beklagen. Selten hatte das Schicksal
       dem zarischen Hause eine so großartige, so segensreiche Rolle zu-
       gewiesen. Alexander  II. konnte leicht der Abgott des Volkes wer-
       den, der erste Zar der Bauern *), mächtig nicht durch die Furcht,
       sondern durch  die Liebe,  die Freiheit, das Glück seines Volkes.
       Indem er sich auf das Volk stützte, hätte er der Herr und Erlöser
       der gesamten slawischen Welt werden können...
       Hierzu freilich  mußte er  ein russisches  Herz haben,  weit  und
       stark in  Hochsinn und  in der Wahrheit. Die ganze lebende russi-
       sche und  slawische Gegenwart kam ihm mit offenen Armen entgegen,
       bereit, seiner historischen Größe als Fußgestell zu dienen."
       
       Weiter verlangt  Bakunin die  Abschaffung des  Staates Peter  des
       Großen, des  deutschen Staates,  und die Gründung des "neuen Ruß-
       lands". Alexander II. ist zu diesem Werk berufen.
       
       "Sein Anfang war herrlich; er verkündete die Freiheit des Volkes,
       die Freiheit  und ein neues Leben nach tausendjähriger Sklaverei;
       es hatte  den Anschein,  als wollte  er das  Rußland der  Bauern"
       (zemskuju Russiju)  "organisieren,  weil  im  Staate  Peters  ein
       freies Volk  unmöglich ist. Am 19. Februar 1861 war Alexander II.
       trotz aller  Fehler, aller  absurden Widersprüche des Ukases über
       die Bauern-Emanzipation, der größte, geliebteste, mächtigste Zar,
       den Rußland je gehabt." - Jedoch "widerspricht die Freiheit allen
       Instinkten Alexanders II.", weil er ein "Deutscher" ist, und "ein
       Deutscher wird  nie Verständnis  oder Liebe  für das  Rußland der
       Bauern haben...  er hat  nur daran gedacht, das Staatsgebäude Pe-
       ters zu  befestigen... damit  hat er ein verhängnisvolles und un-
       mögliches Werk  unternommen und arbeitet an seinem eigenen Unter-
       gang und  dem seines  Hauses; er  steht auf dem Punkt, Rußland in
       eine blutige Revolution zu stürzen."
       
       Alle Widersprüche  des Emanzipations-Ukas, alle Bauernmetzeleien,
       die Erneuten  der Studenten,  die ganze  Schreckensherrschaft mit
       einem Worte, lassen sich nach Bakunin
       
       "vollständig erklären  aus dem  Mangel an  russischem Geiste beim
       Zaren, an  einem Herzen, das für das Volk schlägt, aus seinem tö-
       richten Streben,  koste es  was es wolle, den Staat Peters zu er-
       halten... und  doch ist  er es,  er allein,  der in Rußland, ohne
       einen Tropfen Bluts zu vergießen, die bedeutendste und wohltätig-
       ste Revolution  durchführen könnte.  Er kann  es noch jetzt; wenn
       wir am  friedlichen Ausgange  verzweifeln, so geschieht es nicht,
       weil es  zu spät  ist, sondern weil wir schließlich allen Glauben
       aufgegeben haben, daß Alexander II. die Fähigkeit besitzt, einzu-
       sehen, auf  welche Weise  allein er sich und Rußland retten kann.
       Die Bewegung des nach tausendjährigem
       ---
       *) Der Titel des Bauernzaren (Zemsky Tzar), mit dem Alexander II.
       beschenkt wird, ist eine Erfindung Bakunins und des "Kolokol".
       
       #450# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Schlafe erwachten Volkes aufzuhalten, ist unmöglich. Aber stellte
       sich der  Zar kühn  und entschlossen  an die Spitze der Bewegung,
       dann hätte  seine Macht  für das Wohl und den Ruhm Rußlands keine
       Grenzen."
       
       Hierzu brauchte  er nur den Bauern Land zu geben und Freiheit und
       Selbstverwaltung zu gewähren.
       
       "Es ist nicht zu fürchten, daß die Selbstverwaltung der einzelnen
       Landesteile den  Zusammenhang der Provinzen miteinander löse, daß
       die Einheit  Rußlands erschüttert  werde; die Selbständigkeit der
       Provinzen wird  nur eine  administrative, für die inneren Angele-
       genheiten gesetzgebende,  juridische sein, aber keine politische.
       Und in keinem Lande, mit Ausnahme Frankreichs vielleicht, ist das
       Volk in  solchem Grade wie in Rußland durchdrungen vom Bewußtsein
       der Einheit,  Harmonie und  Unteilbarkeit des Staates und der na-
       tionalen Größe."
       
       Zu jener  Zeit verlangte  man in  Rußland die  Einberufung  einer
       Nationalversammlung 1*). Die einen verlangten sie, um finanzielle
       Schwierigkeiten zu  lösen, die anderen, um der Monarchie ein Ende
       zu  machen.  Bakunin  forderte  sie,  als  Ausdruck  der  Einheit
       Rußlands, zur Befestigung der Macht und Größe des Zaren.
       
       "Die Einheit Rußlands, die bisher nur in der Person des Zaren ih-
       ren Ausdruck gefunden, bedarf einer anderen Vertretung durch eine
       Nationalversammlung... Es handelt sich nicht darum, zu wissen, ob
       eine Revolution kommen wird, sondern ob sie friedlich oder blutig
       sein wird. Sie wird friedlich und wohltätig sein, sobald der Zar,
       an der Spitze der Volksbewegung, mit der Nationalversammlung ent-
       schlossen und  auf breiter  Grundlage die  Umwandlung Rußlands im
       Sinne der  Freiheit vornehmen  will; will aber der Zar rückwärts-
       schreiten oder bei halben Maßregeln stehenbleiben, wird die Revo-
       lution schrecklich  sein. Sie  wird dann  beim Aufstande  des ge-
       samten Volkes den Charakter eines unerbittlichen Blutbades anneh-
       men... Noch  kann Alexander  II. Rußland vor vollständigem Unter-
       gang und vor Blutvergießen schützen."
       
       Für Bakunin  war also 1862 die Revolution der vollständige Unter-
       gang Rußlands,  und er beschwor den Zaren, Rußland davor zu behü-
       ten. Vielen  russischen Revolutionären galt die Einberufung einer
       Nationalversammlung als  eine Niederlage des kaiserlichen Hauses;
       Bakunin jedoch schneidet kurzweg ihre Hoffnungen ab und verkündet
       ihnen, daß
       
       "die Nationalversammlung  gegen sie  und für den Zaren sein wird.
       Und wenn  die Versammlung  dem Zaren  feindlich wäre?  - Das  ist
       nicht möglich,  ist es  ja das  Volk, welches  seine  Delegierten
       schicken wird,  das Volk,  dessen Vertrauen  zum Zaren  bis jetzt
       keine Grenzen  kennt und  das alles an ihm mit Ehrfurcht betrach-
       tet. Woher sollte also die
       -----
       1*) Im russischen  Text gebraucht  Bakunin hier  und  an  anderen
       Stellen den Terminus: ???????????? ??????? ?????
       
       #451# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Feindseligkeit kommen?...  Es ist kein Zweifel, daß, wenn der Zar
       jetzt" (Februar  1862) "die  Nationalversammlung  einberiefe,  er
       sich zum  ersten Male von Männern umringt fände, die ihm aufrich-
       tig ergeben  sind. Dauert  die Anarchie 1*) noch einige Jahre, so
       kann die  Stimmung des  Volkes sich  ändern. In unserer Zeit lebt
       man schnell.  Aber gegenwärtig ist das Volk für den Zaren und ge-
       gen den  Adel, gegen  die Beamten  und gegen  alles, was deutsche
       Tracht" (d.h.  europäische Tracht) "trägt. Im Lager des offiziel-
       len Rußlands  ist alles  Feind des Volkes, alles mit Ausnahme de-
       sZaren. Wer  sollte es  also versuchen, zum Volke gegen den Zaren
       zu reden?  Und wenn  es selbst jemand versuchen wollte, würde das
       Volk ihm  glauben? War er nicht der Zar, welcher die Bauern gegen
       den Willen der Adeligen, gegen den allgemeinen Wunsch der Beamten
       emanzipiert hat?
       In seinen  Abgeordneten wird  das russische  Volk zum ersten Male
       Angesicht zu  Angesicht seinem Zaren gegenüberstehen. Das ist ein
       entscheidender, im  höchsten Grade  kritischer Moment. Werden sie
       aneinander Gefallen  finden? Von  dieser Begegnung wird die ganze
       Zukunft des  Zaren und  Rußlands abhängen.  Das Vertrauen und die
       Ergebenheit der  Abgeordneten für  den Zaren werden keine Grenzen
       kennen. Stützt er sich auf sie, kommt er ihnen mit Liebe und Ver-
       trauen entgegen,  so wird  er seinen  Thron zu einer noch nie er-
       reichten Höhe  und Festigkeit  erheben. Aber  was wird geschehen,
       wenn die  Delegierten in ihm statt eines emanzipatorischen Zaren,
       eines volkstümlichen  2*) Zaren,  einen  Petersburger  Kaiser  in
       preußischer Uniform,  einen engherzigen  Deutschen vorfinden? Was
       wird geschehen,  wenn ihnen der Zar statt der erwarteten Freiheit
       nichts oder  fast nichts  gibt?... Dann, wehe dem Cäsarismus 3*)!
       Es  wird   dann  geschehen  sein  mindestens  um  das  Petersbur-
       ger,deutsche, Holstein-Gottorpsche Kaisertum.
       Wenn in diesem verhängnisvollen Augenblick, da die Frage um Leben
       und Tod,  Frieden oder  Blut, für  ganz Rußland  sich entscheiden
       soll, wenn  da vor  der Nationalversammlung der volkstümliche Zar
       erschiene, der gute und redliche Zar, voll Liebe für Rußland, be-
       reit, dem  Volke eine  Organisation nach  seinem Willen zu geben,
       was könnte  der nicht  mit einem  solchen Volke machen! Wer würde
       wagen, sich gegen ihn zu erheben? Frieden und Vertrauen wären wie
       durch ein  Wunder hergestellt,  das Geld  wäre gefunden und alles
       ordnete sich  einfach, natürlich,  ohne jemanden zu schädigen, zu
       allgemeiner Befriedigung. Unter Leitung eines solchen Zaren würde
       die Nationalversammlung  ein neues Rußland schaffen. Kein böswil-
       liges Unternehmen,  keine feindliche  Macht wäre  imstande, gegen
       die vereinigte Macht des Zaren und des Volkes anzukämpfen... Kann
       man hoffen, daß diese Vereinigung zustande kommt? Wir sagen gera-
       dezu nein."
       
       Trotz alledem gibt Bakunin nicht die Hoffnung auf, den Zar hinzu-
       reißen, und  um ihn zu bestimmen, droht er ihm mit der revolutio-
       nären Jugend,  die, wenn er sich nicht beeilt, ihr Werk vollenden
       und den Weg zum Volke finden wird.
       -----
       1*) Bei Bakunin: ?????????? - 2*) ???????? - 3*) in der französi-
       schen Ausgabe: Zarismus
       
       #452# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       "Und warum  ist diese Jugend nicht für Sie, sondern gegen Sie? Es
       ist dies  ein großes  Unglück für  Sie... sie" (die revolutionäre
       Jugend) "bedarf  vor allem  der Freiheit  und der  Wahrheit. Aber
       warum hat  sie den Zaren aufgegeben, warum hat sie sich gegen den
       erklärt, der  zuerst dem  Volke Freiheit  gegeben hat? Sollte sie
       sich durch  das abstrakte  revolutionäre Ideal  und  durch  jenes
       klangvolle Wort  der Republik haben hinreißen lassen? Das ist zum
       Teil möglich,  ist aber  doch nur  ein in zweiter Reihe stehender
       und nicht tiefgehender Grund. Die Mehrheit unserer vorgeschritte-
       nen Jugend  weiß sehr  wohl, daß  die Abstraktionen  des Westens,
       sowohl die konservativen als die bürgerlichen, liberalen oder de-
       mokratischen, auf  die russische Bewegung nicht anwendbar sind...
       das russische  Volk bewegt  sich nicht  nach  abstrakten  Prinzi-
       pien... das Ideal des Westens ist ihm fremd und alle Versuche des
       konservativen, liberalen  oder selbst revolutionären Doktrinaris-
       mus, ihm  seine Tendenzen aufzudrängen, werden vergeblich sein...
       es hat  sein Ideal für sich... es wird neue Prinzipien in die Ge-
       schichte hineintragen, es wird eine andere Zivilisation schaffen,
       eine neue Religion, ein neues Recht, ein neues Leben.
       Gegenüber dieser  großen, ernsten  und selbst  schrecklichen  Er-
       scheinung, dem Volk, wagt man keine Torheiten zu begehen. Die Ju-
       gend wird  die lächerliche  und hochmütige  1*) Rolle  eines täu-
       schenden Schulmeisters  fallenlassen... Was  können wir  das Volk
       lehren? Wenn  man die mathematischen und Naturwissenschaften bei-
       seite läßt, wird das letzte Wort unserer Wissenschaft die Vernei-
       nung der  angeblich unumstößlichen Wahrheiten der westlichen Dok-
       trin sein, die vollständige Negation des Westens."
       
       Dann nimmt  Bakunin die Gründer des "Jungen Rußlands" vor; er be-
       schuldigt sie,  daß sie  Doktrinäre seien, daß sie sich zu Herren
       des Volkes aufwerfen wollen, daß sie die Sache kompromittiert ha-
       ben, daß  sie Kinder  seien, die  nichts begreifen  und die  ihre
       Ideen aus  einigen Büchern des Westens geschöpft haben. - Die Re-
       gierung, die  damals diese  selbe Jugend als Brandstifter einker-
       kerte, schleuderte  dieselben Vorwürfe  gegen sie.  Und um seinen
       Zar zu beruhigen, verkündet Bakunin, daß
       
       "das Volk  nicht für  jene revolutionäre  Partei ist... die unge-
       heure Mehrheit unserer Jugend gehört der Volkspartei an, der Par-
       tei, welche  zum einzigen  und alleinigen  Zweck den  Triumph der
       Volkssache hat; diese Partei hat keine Vorurteile, weder für noch
       gegen den  Zar, und wenn nicht der Zar, der das große Werk begon-
       nen, das  Volk verraten  hätte, man hätte ihn nie aufgegeben. Und
       auch jetzt  ist es  noch nicht  zu spät  für ihn, auch jetzt noch
       würde diese  Jugend ihm mit Freuden folgen, vorausgesetzt, daß er
       an der Spitze seines Volkes schritte. Sie würde sich durch keines
       der revolutionären  Vorurteile des  Westens behindern  lassen. Es
       ist Zeit,  daß die  Deutschen nach Deutschland abziehen. Wenn der
       Zar begriffen hätte, daß er von nun an nicht mehr das Haupt einer
       Zwangs-Zentralisation, sondern das einer freien Föderation freier
       Völker sein  müßte, gestützt  auf eine  feste und  neugekräftigte
       Macht, im  Bündnis mit  Polen und der Ukraine, daß er alle sosehr
       verabscheuten deutschen Bündnisse lösen und kühn das panslawisti-
       sche Banner  erheben müßte  - er würde der Heiland der slawischen
       Welt.
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: widerwärtige
       
       #453# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Ja, in  der Tat, der Krieg gegen die Deutschen ist für die Slawen
       ein gutes  und unerläßliches  Werk; es ist jedenfalls besser, als
       die Polen  zum Vergnügen der Deutschen zu ersticken. Eine Notwen-
       digkeit und  heilige Pflicht für das befreite russische Volk wird
       es sein,  sich zur  Befreiung der Slawen vom türkischen und deut-
       schen Joche zu erheben."
       
       In derselben  Broschüre verpflichtet  Bakunin  die  revolutionäre
       Partei, sich  unter das Banner der Volkssache zu scharen. Wir ge-
       ben hier  einige Glaubensartikel des Programms dieser für den Za-
       ren zugeschnittenen Volkssache:
       
       "Art. 1. 1*) Wir" (Bakunin & Co.) "wollen die Selbstregierung des
       Volks in  der Gemeinde, der Provinz, dem einzelnen Lande und end-
       lich dem  Gesamtstaate, ob mit oder ohne Zar, daran liegt uns we-
       nig; das  wird sich  machen, je  nachdem das  Volk entscheidet. -
       Art. 2. 2*) ... Wir sind bereit, und die Pflicht gebietet es uns,
       Litauen, Polen  und der Ukraine zur Hülfe zu kommen, um jede Ver-
       gewaltigung zu  verhindern und  diese Länder  gegen ihre  äußeren
       Feinde zu  beschützen, besonders  gegen die  Deutschen. - Art. 4.
       3*) Vereinigt mit Polen, Litauen und der Ukraine wollen wir unse-
       ren Arm  allen unseren slawischen Brüdern leihen, die gegenwärtig
       unter dem Joche des Königreichs Preußen, des österreichischen und
       türkischen Reichs  seufzen, und wir verpflichten uns, das Schwert
       nicht in die Scheide zu stecken, so lange noch ein einziger Slawe
       Sklave der Deutschen, Türken oder wessen sonst sein wird."
       Der Artikel 6 schreibt eine Allianz mit Italien, Ungarn, Rumänien
       und Griechenland vor; es waren gerade diese Allianzen, welche die
       russische Regierung damals suchte.
       
       "Art. 7. Wir werden mit allen übrigen slawischen Stämmen nach der
       Verwirklichung des  teuern Traums  der Slawen  streben, nach  der
       Gründung der großen und freien panslawischen Föderation, damit es
       nur eine einzige und unteilbare panslawische Macht gebe.
       Das ist  das große  Programm der  slawischen Sache,  das ist  das
       letzte unabänderliche  Wort der  russischen Volkssache. Wir haben
       unser ganzes Leben dieser Sache geweiht.
       Und nun: wohin gehen wir, und mit wem werden wir gehen? Wir haben
       gesagt, wohin  wir gehen  wollen; wir  haben auch gesagt, mit wem
       wir gehen  wollen, mit niemandem anders als mit dem Volke. Bleibt
       nur noch  zu wissen,  wem wir  folgen werden. Werden wir Romanow,
       Pugatschow oder einem neuen Pestel, wenn sich ein solcher findet,
       folgen? *)
       ---
       *) Romanow ist  der Familienname  des Zaren;  Pugatschow war  das
       Haupt des  großen Kosaken-Aufstandes  unter Katharina II.; Pestel
       war das  Haupt der  Verschwörung gegen Nikolaus I. im Jahre 1825,
       er wurde gehängt.
       -----
       1*) Bei Bakunin: 2. - 2*) ebenda: 4. - 3*) ebenda: 5.
       
       #454# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Sagen wir  die Wahrheit. Wir würden es vorziehen, Romanow zu fol-
       gen, wenn  Romanow sich  aus einem  Petersburger Kaiser  in einen
       Bauernzar umwandeln  könnte und wollte. Wir würden uns gern unter
       seine Fahne  stellen, weil das russische Volk sie noch anerkennt,
       und weil  seine Macht  bereits geschaffen  und zum Handeln bereit
       ist und  weil sie unbesiegbar würde, sobald er ihr die Volkstaufe
       gäbe. Wir  würden ihm  auch deshalb  folgen, weil  er allein  die
       große friedliche  Revolution durchführen kann, ohne einen Tropfen
       russischen oder  slawischen Bluts  zu vergießen.  Blutige Revolu-
       tionen, dank  der menschlichen  Torheit,  werden  oft  notwendig;
       nichtsdestoweniger sind  sie ein  großes Übel  und ein großes Un-
       glück, nicht  nur wegen  ihrer Schlachtopfer,  sondern auch  hin-
       sichtlich der Reinheit und Fülle des Zweckes, wozu sie sich voll-
       ziehen. Wir haben dies während der Französischen Revolution gese-
       hen.
       So ist  unsere Haltung  gegenüber Romanow  klar. Wir  sind  nicht
       seine Feinde,  wir sind  ebensowenig seine  Freunde. Wir sind die
       Freunde der  russischen Volkssache,  der slawischen  Sache. Steht
       der Zar  an der Spitze dieser Sache, so folgen wir ihm; stellt er
       sich gegen  sie, so  sind wir seine Feinde. Daher handelt es sich
       einfach darum: Will Romanow der russische Zar, der Zar der Bauern
       sein, oder will er lieber der Petersburger, der Holstein-Gottorp-
       sche Kaiser  sein? Will  er Rußland,  will er den Slawen oder den
       Deutschen seine  Dienste widmen?  Diese Frage wird sich bald ent-
       scheiden, und dann werden wir wissen, was wir zu tun haben."
       
       Leider hielt  es der  Zar nicht  für angemessen, die Nationalver-
       sammlung einzuberufen, für welche Bakunin in dieser Broschüre be-
       reits seine  Kandidatur aufstellte.  Er hatte  also  dieses  sein
       Wahlmanifest und  seine Kniebeugungen  vor  Romanow  weggeworfen.
       Schmählich in  seinem unschuldsvollen  Vertrauen getäuscht, blieb
       ihm nichts weiter übrig, als sich kopfüber in die pan-destruktive
       Anarchie zu stürzen.
       Nach diesem  Machwerk des  Meisters, der vor seinem Bauernzar auf
       dem Bauche  kriecht, war  es seinen  Freunden und Schülern Albert
       Richard und  Gaspard Blanc  wohl gestattet,  aus vollem  Halse zu
       schreien: Es lebe Napoleon III., der Bauernkaiser!
       
       #455#
       -----
       XI
       
       Belegstücke
       
       1. Geheime Statuten der Allianz
       Das in  unseren Händen  befindliche Exemplar  dieser Statuten ist
       teilweise von  der Hand  Bakunins geschrieben. Er gab Abschriften
       nicht nur  an seine  Eingeweihten, sondern  auch an viele andere,
       die er durch die Enthüllung seines prachtvollen Programms zu ver-
       führen hoffte.  Die Eitelkeit  des Schriftstellers  trug über die
       finstre Zurückhaltung des Mystifikators den Sieg davon.
       
       ORGANISATION DER ALLIANZ DER INTERNATIONALEN BRÜDER
       Drei Grade:
       I. Internationale Brüder.
       II. Die nationalen Brüder.
       III. Die halb geheime, halb öffentliche Organisation der Interna-
       tionalen Allianz der sozialistischen Demokratie.
       
       I. Reglement der internationalen Brüder
       1. Die internationalen  Brüder haben  kein anderes  Vaterland als
       die allgemeine  Revolution, kein anderes Ausland und keinen ande-
       ren Feind als die Reaktion.
       2. Sie verwerfen jede Versöhnungs- und Kompromiß-Politik und hal-
       ten jede  politische Bewegung  für reaktionär, die nicht den Tri-
       umph ihrer Prinzipien zum unmittelbaren und direkten Zweck hat.
       3. Sie sind Brüder - nie greifen sie einander an, noch machen sie
       ihre Streitigkeiten  vor der  Öffentlichkeit oder  den  Gerichten
       aus. Ehren-Jury,  gewählt von  beiden Parteien  aus der  Zahl der
       Brüder - das ist ihre einzige Gerichtsbarkeit.
       
       #456# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       4. Jeder von  ihnen muß  allen anderen  heilig sein, heiliger als
       ein natürlicher  Bruder. Jeder  Bruder hat  auf die Hülfe und den
       Beistand aller anderen bis auf die Auslöschung der Möglichkeit zu
       rechnen.
       5. Internationaler Bruder  kann nur  werden, wer  offen das ganze
       Programm in allen seinen theoretischen und praktischen Konsequen-
       zen angenommen  hat und außer der gehörigen Intelligenz, Energie,
       Ehrenhaftigkeit und  Zuverlässigkeit auch noch die revolutionäre.
       Leidenschaft besitzt  - den  Teufel im Leibe hat. Wir legen weder
       Pflichten noch  Opfer auf.  Denn wer  jene Leidenschaft  besitzt,
       wird vieles  vollbringen, ohne sich nur einzubilden, daß er Opfer
       bringt.
       6. Es darf  für einen Bruder keine ernsteren und heiligeren Ange-
       legenheiten, Interessen  und Pflichten  geben als  den Dienst der
       Revolution und unserer ihrem Dienste bestimmten geheimen Assozia-
       tion.
       7. Ein Bruder  hat stets  das Recht,  die Dienste  zu verweigern,
       welche das  Zentralkomitee oder sein Nationalkomitee von ihm for-
       dert - doch werden viele aufeinanderfolgende Weigerungen geeignet
       sein, ihn  als trag  oder böswillig betrachten zu lassen; er kann
       durch sein  Nationalkomitee suspendiert  und auf  Vorstellung des
       letzteren durch  das Zentralkomitee bis zur definitiven Entschei-
       dung der Konstituante in Ruhestand versetzt werden.
       8. Kein Bruder darf ein öffentliches Amt annehmen ohne Zustimmung
       des Komitees, dem er angehört. - Er darf sich an keiner öffentli-
       chen Handlung  oder Kundgebung beteiligen, die der von seinem Ko-
       mitee gezogenen  Richtschnur feindlich oder selbst nur fremd ist,
       oder bei  der er  letzteres nicht zu Rate gezogen hat. Sooft zwei
       oder mehrere  Brüder beisammen  sind, haben  sie sich  über  alle
       wichtigen öffentlichen Angelegenheiten zu beraten.
       9. Alle internationalen  Brüder kennen einander. Kein politisches
       Geheimnis darf  je unter ihnen existieren. Niemand kann irgendei-
       ner geheimen Gesellschaft angehören ohne positive Zustimmung sei-
       nes Komitees  oder im  Notfall, wenn dieses es verlangt, ohne die
       des Zentralkomitees;  und er kann ihr nur unter der Bedingung an-
       gehören, daß er diesen Komitees alle Geheimnisse aufdeckt, welche
       sie direkt oder indirekt interessieren könnten.
       10. Die Organisation  der internationalen  Brüder teilt  sich ein
       in: A.  Das Generalkomitee oder die Konstituante. B. Das Zentral-
       komitee. C. Die Nationalkomitees.
       
       A. Das Generalkomitee
       Dies ist  die Vereinigung von allen oder mindestens zwei Dritteln
       der internationalen  Brüder, die ordnungsmäßig zu bestimmter Zeit
       oder als  außerordentliche Versammlung von 1*) dem Zentralkomitee
       einberufen ist. Das Generalkomitee bildet die höchste konstituie-
       rende und  vollziehende Gewalt  unserer ganzen  Organisation, und
       kann deren Programm, deren Reglements und organische Statuten mo-
       difizieren.
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe  lautet der  folgende Satzteil:
       der Majorität des Zentralkomitees einberufen ist
       
       #457# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       B. Das Zentralkomitee
       Dasselbe besteht  aus a) dem Zentralbüro und b) dem Zentral-Über-
       wachungskomitee. Mitglieder  dieses letzteren  sind alle interna-
       tionalen Brüder,  die nicht  zum Büro gehören und sich in solcher
       Nähe befinden, daß sie innerhalb zweier Tage zusammenberufen wer-
       den können,  sowie natürlich alle durchreisenden Brüder. Für ihre
       gegenseitigen Beziehungen  gilt das Reglement der Allianz der so-
       zialistischen Demokratie (siehe Art. 2-4).
       
       C. Die Nationalkomitees
       Jedes Nationalkomitee  besteht aus  allen internationalen Brüdern
       (einerlei welcher  Nationalität), die  sich am Zentrum der Natio-
       nal-Organisation oder in dessen Nähe aufhalten. Jedes Nationalko-
       mitee zerfällt  gleichfalls in  zwei Unterabteilungen,  in a) das
       National-Exektitivbüro und  b) das National- Überwachungskomitee.
       Dieses letztere  umfaßt alle  anwesenden internationalen  Brüder,
       die nicht  zum Büro gehören. Es gelten dieselben Verhältnisse wie
       in der Allianz der sozialistischen Demokratie.
       11. Zur Schaffung  eines neuen  Bruders bedarf es der Einstimmig-
       keit aller  (wenigstens in  der Zahl  von dreien) anwesenden Mit-
       glieder des Nationalkomitees und der Bestätigung des Zentralkomi-
       tees mit Zweidrittel-Majorität. Das Zentralkomitee kann neue Mit-
       glieder mit Einstimmigkeit aller seiner Mitglieder aufnehmen.
       12. Jedes Nationalkomitee  versammelt sich  mindestens einmal wö-
       chentlich, um die organisatorische, agitatorische und administra-
       tive Arbeit  seines Büros zu kontrollieren und anzuspornen. - Das
       Nationalkomitee ist  der natürliche Richter über die Haltung sei-
       ner Mitglieder  in allem, was ihre revolutionäre Würdigkeit sowie
       ihre Beziehungen  zur Gesellschaft betrifft. Seine Entscheidungen
       müssen dem  Zentralkomitee zur  Bestätigung vorgelegt  werden. Es
       schreibt der  Tätigkeit wie allen öffentlichen Kundgebungen aller
       seiner Mitglieder die Richtung vor. Es hat, sei es durch Vermitt-
       lung seines  Büros oder durch einen von ihm hierzu zu ernennenden
       Bruder, eine  regelmäßige Korrespondenz  mit dem  Zentralbüro  zu
       führen, dem  es mindestens  einmal alle  vierzehn Tage  schreiben
       muß.
       13. Das Nationalkomitee wird die geheime Assoziation der nationa-
       len Brüder seines Landes organisieren.
       
       II. Die nationalen Brüder
       14. Die nationalen  Brüder müssen in jedem Lande in der Art orga-
       nisiert werden,  daß sie sich niemals der Leitung der allgemeinen
       Organisation der  internationalen Brüder  und namentlich  der des
       Generalkomitees und  des Zentralkomitees  entziehen können.  Ihre
       Programme und  Reglements können  definitiv nur  in Kraft gesetzt
       werden, nachdem sie die Sanktion des Zentralkomitees erhalten ha-
       ben.
       15. Jedes Nationalkomitee  kann, wenn es dies für nützlich befin-
       det, zwei  Kategorien aufstellen: a) solche nationale Brüder, die
       in jedem einzelnen Lande einander kennen, und b) solche, die sich
       nur in kleinen Gruppen kennen. - In keinem Falle
       
       #458# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       dürfen die  nationalen Brüder  die Existenz einer internationalen
       Organisation auch nur ahnen.
       16. Provinzial-Zentren, ganz  oder teilweise  aus internationalen
       Brüdern oder  aus nationalen  Brüdern der ersten Kategorie beste-
       hend, sollen an allen Hauptpunkten eines Landes gegründet werden;
       sie haben  die Aufgabe,  die geheime  Organisation und die Propa-
       ganda der  Prinzipien, so tief und soweit sie nur können, wachsen
       zu lassen,  indem sie sich nicht mit der Tätigkeit in den Städten
       begnügen, sondern auch den Versuch machen, sie in den Dörfern und
       unter den Bauern auszudehnen.
       17. Die Nationalkomitees  werden suchen,  aufs schnellste die fi-
       nanziellen Mittel  zu ' schaffen, welche notwendig sind nicht nur
       für den  Erfolg ihrer  eigenen Organisation, sondern auch für die
       allgemeinen Bedürfnisse  der ganzen  Assoziation. Sie werden also
       einen Teil - die Hälfte? - an das Zentralbüro schicken.
       18. Die  Nationalbüros müssen  außerordentlich tätig sein und be-
       denken, daß  die Prinzipien,  Programme und Reglements nur soweit
       etwas wert  sind, als  die Personen, welche dieselben in Ausübung
       bringen sollen, den Teufel im Leibe haben.
       
       GEHEIME ORGANISATION DER INTERNATIONALEN ALLIANZ
       DER SOZIALISTISCHEN DEMOKRATIE
       1. Das permanente  Zentralkomitee der  Allianz besteht  aus allen
       Mitgliedern der permanenten Nationalkomitees und denen der Genfer
       Zentralsektion.
       In ihrer Vereinigung bilden alle diese Mitglieder die geheime Ge-
       neralversammlung der Allianz, welche die höchste und zugleich die
       konstituierende Macht der Allianz ist und mindestens einmal jähr-
       lich auf dem Arbeiterkongreß als Delegierte der verschiedenen na-
       tionalen Gruppen der Allianz zusammentritt; die außerdem zu jeder
       Zeit sowohl vom Zentralbüro als auch durch die Genfer Zentralsek-
       tion einberufen werden kann.
       2. Die Genfer  Zentralsektion ist  die permanente  Delegation des
       permanenten Zentralkomitees.  Sie besteht  aus allen  Mitgliedern
       des Zentralbüros  und des  Überwachungskomitees, die notwendiger-
       weise stets  Mitglieder des  permanenten Zentralkomitees  sind. -
       Die Zentralsektion  ist der  höchste vollziehende Rat der Allianz
       innerhalb der  Grenzen der  einzig durch  die  Generalversammlung
       festzustellenden oder  abzuändernden Verfassung  und Richtschnur.
       Die Zentralsektion  entscheidet mit  einfacher Stimmenmehrheit in
       allen Exekutiv-Angelegenheiten  (bei denen  es sich  nicht um die
       Verfassung oder  die allgemeine  Politik handelt),  und  ihre  so
       gefaßten Beschlüsse sind obligatorisch für das Zentralbüro, falls
       dieses nicht  in der  Mehrheit seiner  Mitglieder beschließt, da-
       gegen an  die Generalversammlung  zu  appellieren,  die  es  dann
       innerhalb drei  Wochen einzuberufen  hat. -  Eine so  einberufene
       Generalversammlung  bedarf,   um  ordnungsgemäß   zu  sein,   der
       Anwesenheit von zwei Dritteln aller ihrer Mitglieder.
       3. Das Zentralbüro  - die  Exekutivgewalt - wird von 3 bis 5 oder
       selbst 7 Mitgliedern gebildet, welche immer gleichzeitig Mitglie-
       der des permanenten Zentralkomitees sein
       
       #459# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       müssen. Als  eines der  beiden Bestandteile der geheimen Zentral-
       sektion ist das Zentralbüro eine geheime Organisation. Als solche
       erhält es von der Zentralsektion seine Inspirationen und hat sei-
       nerseits seine Mitteilungen, um nicht zu sagen seine geheimen Be-
       fehle, an  alle Nationalkomitees  zu richten, von denen es wenig-
       stens einmal monatlich geheime Berichte empfangen soll. Als voll-
       ziehendes Direktorium  der öffentlichen  Allianz ist das Zentral-
       büro aber  zugleich eine öffentliche Organisation. Als solche hat
       es je nach den Ländern und Umständen mehr oder weniger vertrauli-
       che oder  öffentliche Beziehungen  zu  allen  Nationalbüros,  von
       denen es  gleichfalls monatliche Berichte zu empfangen hat. Seine
       äußerliche Regierungsform wird die einer Präsidentschaft in einer
       Föderativ-Republik sein.  Das Zentralbüro, als sowohl geheime wie
       öffentliche Exekutivgewalt  der Allianz, wird die geheime und öf-
       fentliche Propaganda  der Gesellschaft  ins Werk  setzen und ihre
       Entwickelung in  allen Ländern  durch alle  möglichen Mittel för-
       dern. Es  hat die  Verwaltung über  den Teil der Finanzen, welche
       ihm nach Artikel b) des öffentlichen Reglements aus allen Ländern
       für die  allgemeinen Bedürfnisse  gesandt werden.  Es  wird  eine
       Zeitschrift und Broschüren herausgeben, und Reise-Agenten aussen-
       den, um  Allianzgruppen in den Ländern zu gründen, wo solche noch
       nicht existieren.  Bei allen  Maßregeln, die  das Zentralbüro zum
       Wohle der  Allianz zu  ergreifen hat, hat es sich jedoch den Ent-
       scheidungen der Mehrheit der geheimen Zentralsektion zu unterwer-
       fen, zu  der übrigens  alle Mitglieder  des Büros selbst gehören.
       Als zugleich  öffentliche und  geheime Organisation  und als ganz
       aus Mitgliedern  des permanenten Zentralkomitees zusammengesetzt,
       wird das  Zentralbüro immer  ein direkter Ausfluß dieses Komitees
       sein. Das provisorische Zentralbüro soll diesmal der Genfer Grün-
       dungsgruppe präsentiert werden als provisorisch gewählt von allen
       Gründungsmitgliedern der Allianz, die, zum größten Teil ehemalige
       Mitglieder des  Kongresses zu Bern, heimgereist sind, nachdem sie
       ihre Vollmacht an Bürger B. 1*) übertragen. - Dieses Büro wird in
       Tätigkeit bleiben bis zur ersten öffentlichen Generalversammlung,
       welche nach  Artikel 7  des öffentlichen Reglements auf dem näch-
       sten Arbeiterkongreß als Zweig der Internationalen Arbeiter-Asso-
       ziation zusammentritt.  Es versteht  sich, daß die Mitglieder des
       neuen Zentralbüros von dieser Versammlung gewählt werden. Aber da
       es dringend notwendig ist, daß das Zentralbüro stets nur aus Mit-
       gliedern des  permanenten Zentralkomitees bestehe, so wird dieses
       letztere vermittelst seiner Nationalkomitees dafür sorgen müssen,
       alle lokalen  Gruppen so  zu organisieren  und zu leiten, daß sie
       als Delegierte  in diese Versammlung nur Mitglieder des permanen-
       ten Zentralkomitees  senden, oder,  in Ermangelung  solcher,  nur
       Leute, die  vollständig der Leitung ihrer respektiven Nationalko-
       mitees ergeben  sind - damit das permanente Zentralkomitee in der
       ganzen Organisation der Allianz stets die Oberhand habe.
       4. Das Überwachungskomitee übt die Kontrolle über alle Handlungen
       des Zentralbüros.  - Es  besteht aus allen Mitgliedern des perma-
       nenten Zentralkomitees,  die am  Orte 2*)  in der Nähe des Sitzes
       des Zentralbüros  wohnen, sowie  aus allen  zeitweilig anwesenden
       oder durchreisenden Mitgliedern, mit Ausnahme derer, die das Büro
       bilden. Auf  Antrag von zwei Mitgliedern des Überwachungskomitees
       müssen alle Mitglieder
       -----
       1*) Michail Bakunin - 2*) in der französischen Ausgabe eingefügt:
       selbst oder
       
       #460# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       desselben innerhalb drei Tagen mit den Mitgliedern des Zentralbü-
       ros zusammentreten,  um die  Versammlung der  Zentralsektion  des
       höchsten vollziehenden Rats zu konstituieren, deren Rechte im Ar-
       tikel 2 festgestellt sind.
       5. Die Nationalkomitees  werden von allen zu derselben Nation ge-
       hörigen Mitgliedern  des permanenten  Zentralkomitees gebildet. -
       Sowie es drei Mitglieder des permanenten Zentralkomitees aus der-
       selben Nation  gibt, werden  dieselben vom  Büro und nötigenfalls
       von der  Zentralsektion aufgefordert,  sich  als  Nationalkomitee
       ihres Landes  zu konstituieren.  Jedes Nationalkomitee  kann  ein
       neues Mitglied  des Zentralkomitees  aus seinem  Lande  ernennen,
       aber nur  unter Einstimmigkeit aller seiner Mitglieder. Sowie ein
       neues Mitglied  von einem Nationalkomitee ernannt ist, hat dieses
       hiervon unmittelbar  das Zentralbüro  in Kenntnis zu setzen, wel-
       ches dieses  neue Mitglied  in die  Liste aufnimmt und eben hier-
       durch auf  dasselbe alle  Rechte eines Mitgliedes des permanenten
       Zentralkomitees  überträgt.   -  Die  Genfer  Zentralsektion  ist
       gleichfalls ermächtigt, unter Einstimmigkeit aller ihrer Mitglie-
       der, neue Mitglieder zu ernennen.
       Jedes Nationalkomitee  hat die besondere Aufgabe, in seinem Lande
       sowohl die  öffentliche wie die geheime nationale Gruppe zu grün-
       den und  zu organisieren.  Das Nationalkomitee  ist deren höchste
       Leitungs- und  Verwaltungsbehörde 1*),  vermittelst seines Natio-
       nalbüros, für dessen Gründung es in der Art zu sorgen hat, daß es
       ganz und  gar aus Mitgliedern des permanenten Zentralkomitees be-
       steht. Die Nationalkomitees werden ihren respektiven Büros gegen-
       über dieselben  Beziehungen, Rechte und Befugnisse haben, wie die
       Zentralsektion gegenüber dem Zentralbüro. - Die Nationalkomitees,
       welche durch  die Vereinigung  ihrer bezüglichen  Büros und Über-
       wachungskomitees gebildet  werden, haben  kein anderes  Oberhaupt
       als das  Zentralbüro anzuerkennen;  sie dienen  als die  einzigen
       Mittelorgane zwischen  diesem letzteren  und  allen  Lokalgruppen
       ihres Landes sowohl in betreff der Propaganda und der Verwaltung,
       wie auch der Erhebung und Verwendung der Steuern. Die Nationalko-
       mitees haben  vermittelst ihrer respektiven Büros für die Organi-
       sation der  Allianz in  ihren Ländern zu sorgen, doch in der Art,
       daß diese  immer durch Mitglieder des permanenten Zentralkomitees
       beherrscht und auf den Kongressen vertreten werde.
       In dem Maße als die Nationalbüros ihre lokalen Gruppen organisie-
       ren, haben  sie auch  dafür zu sorgen, daß das Reglement und Pro-
       gramm dieser  letzteren der  Bestätigung des  Zentralbüros unter-
       breitet werde  - ohne  diese Bestätigung  können die Lokalgruppen
       keinen Teil der Internationalen Allianz der sozialistischen Demo-
       kratie bilden.
       
       PROGRAMM DER SOZIALISTISCHEN INTERNATIONALEN ALLIANZ
       1. Die Internationale  Allianz ist  zu dem  Zwecke gegründet, auf
       Grundlage der  in unserem Programm ausgesprochenen Prinzipien der
       allgemeinen Revolution  zu dienen, sie zu organisieren und zu be-
       schleunigen.
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       1*) In der französischen Ausgabe: höchster Chef und Administrator
       
       #461# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       2. Gemäß diesen  Grundsätzen kann  das Ziel  der  Revolution  nur
       sein: a) die Vernichtung aller religiösen, monarchischen, aristo-
       kratischen und  bürgerlichen Mächte  und Gewalten  in Europa. Die
       Konsequenz hiervon  ist der Umsturz aller gegenwärtig bestehenden
       Staaten nebst  allen ihren  politischen, rechtlichen,  bürokrati-
       schen und  finanziellen Einrichtungen,  b) Der Aufbau einer neuen
       Gesellschaft auf  der einzigen  Grundlage  der  freien  genossen-
       schaftlichen Arbeit, die zum Ausgangspunkt nimmt das Kollektivei-
       gentum, die Gleichheit und Gerechtigkeit.
       3. Die Revolution,  wie wir sie auffassen, oder vielmehr, wie die
       Macht der Tatsachen sie heute mit Notwendigkeit hervorruft, trägt
       einen wesentlich internationalen oder universellen Charakter. An-
       gesichts der  drohenden Koalition aller privilegierten Interessen
       und aller  reaktionären Mächte  in Europa,  welche über  alle die
       furchtbaren Mittel gebieten, die ihnen eine klug organisierte Or-
       ganisation verleiht,  angesichts der  tiefen  Kluft,  welche  1*)
       überall zwischen  der Bourgeoisie  und  den  Arbeitern  herrscht,
       könnte keine  nationale Revolution  auf Erfolg  rechnen, wenn sie
       sich nicht  zugleich auf  die anderen Nationen erstreckt, und sie
       könnte nie  die Grenze 2*) überschreiten und diesen Charakter der
       Allgemeinheit annehmen,  wenn sie  nicht in sich selbst alle Ele-
       mente dieser  Allgemeinheit trägt, das heißt, wenn sie nicht eine
       geradezu sozialistische,  staatzerstörende  und  vermittelst  der
       Gleichheit und  Gerechtigkeit freiheitschaffende ist; denn nichts
       von nun  an kann  noch die  große, die einzig wahre Macht unseres
       Jahrhunderts -  die Arbeiter - vereinigen, elektrisieren, zur Er-
       hebung bringen,  es sei denn allein die vollständige Emanzipation
       der Arbeit  auf den  Trümmern aller  zum Schutze des Erbeigentums
       und des Kapitals bestehenden Einrichtungen.
       4. Da die  nächste Revolution  nur eine  allgemeine sein kann, so
       muß die Allianz, oder um das Wort geradeheraus zu sagen, die Ver-
       schwörung, welche  dieselbe  vorbereiten,  organisieren  und  be-
       schleunigen soll, es auch sein.
       5. Die Allianz  wird einen doppelten Zweck verfolgen: a) Sie wird
       sich bemühen,  in den  Volksmassen aller  Länder die wahren Ideen
       über Politik,  über Sozialökonomie  und über alle philosophischen
       Fragen zu  verbreiten. Sie  wird  tatkräftige  Propaganda  machen
       sowohl durch  Zeitschriften, Broschüren und Bücher wie auch durch
       Gründung öffentlicher  Assoziationen, b) Sie wird an sich zu zie-
       hen suchen  alle intelligenten,  tatkräftigen  und  zuverlässigen
       Männer, die  guten Willen  und treue Ergebenheit für unsere Ideen
       haben, um  so über ganz Europa und, soweit es sich tun läßt, auch
       über Amerika  ein unsichtbares  Netz von  aufopferungsfähigen und
       durch diese  ihre Allianz selbst mächtigen Revolutionären zu bil-
       den.
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       1*) In der  französischen Ausgabe  eingefügt: heute  - 2*) in der
       französischen Ausgabe eingefügt: eines Landes
       
       #462# Karl Marx/Friedrich Engels
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       PROGRAMM UND ZWECK DER REVOLUTIONÄREN ORGANISATION
       DER INTERNATIONALEN BRÜDER
       1. Die Grundsätze  dieser Organisation sind dieselben wie die des
       Programms der  Internationalen Allianz  der sozialistischen Demo-
       kratie. In  Beziehung auf  die Frauenfrage, auf die religiöse und
       juristische Stellung  der Familie und auf den Staat sind sie noch
       eingehender auseinandergesetzt  im Programm der russischen sozia-
       listischen Demokratie.
       Das Zentralbüro  behält sich  übrigens vor, bald eine vollständi-
       gere theoretische  und praktische  Entwicklung der  Grundsätze zu
       liefern.
       2. Die Assoziation  der internationalen  Brüder will zugleich die
       soziale, philosophische,  ökonomische und  politische  allgemeine
       Revolution, damit  von der  gegenwärtigen Ordnung  der Dinge, be-
       gründet auf  dem Eigentum, der Ausbeutung, der Herrschaft und dem
       Autoritätsprinzip, dasselbe  sei religiös  oder metaphysisch  und
       bourgeoisdoktrinär, ja selbst jakobinisch-revolutionär - zunächst
       in ganz  Europa und  dann auf der übrigen Welt kein Stein auf dem
       anderen bleibe.  Mit dem Rufe: Friede den Arbeitern, Freiheit den
       Unterdrückten und  Tod den  Herrschern, Ausbeutern und Vormündern
       jeder Sorte! wollen wir alle Staaten und alle Kirchen nebst allen
       ihren religiösen,  politischen, juristischen, finanziellen, poli-
       zeilichen, universitätlichen,  ökonomischen und sozialen Einrich-
       tungen und  Gesetzen vernichten, damit alle diese Millionen armer
       Menschenwesen, die  man bisher  betrog, knechtete, marterte, aus-
       beutete, nunmehr  von allen ihren offiziellen und offiziösen Len-
       kern und  Wohltätern befreit,  Genossenschaften  wie  Individuen,
       endlich in vollkommener Freiheit aufatmen.
       3. In der Überzeugung, daß das individuelle und soziale Übel viel
       weniger in  den einzelnen  Individuen als in der Organisation der
       Dinge und  den sozialen Verhältnissen wurzelt, werden wir mensch-
       lich sein  sowohl aus  dem Gefühl der Gerechtigkeit wie aus Nütz-
       lichkeitsberechnung und werden wir ohne Erbarmen Verhältnisse und
       Dinge vernichten,  um ohne Gefahr für die Revolution die Menschen
       schonen zu können. Wir leugnen den freien Willen und das angebli-
       che Strafrecht  der Gesellschaft.  Die Gerechtigkeit  selbst,  im
       menschlichsten, im  weitesten Sinne  genommen, ist nur eine nega-
       tive, eine Übergangs-Idee; sie stellt die soziale Frage, aber sie
       löst sie  nicht, sie zeigt uns nur den einzigen möglichen Weg der
       Menschheits-Emanzipation, das  heißt, der  Humanisierung der  Ge-
       sellschaft durch die Freiheit innerhalb der Gleichheit; die posi-
       tive Lösung kann nur durch die mehr und mehr vernunftgemäße Orga-
       nisation der Gesellschaft erreicht werden. Diese so sehr ersehnte
       Lösung, unser  aller Ideal,  ist die Freiheit, Sittlichkeit, Bil-
       dung und Wohlfahrt eines jeden vermittelst der Solidarität aller,
       - es ist die menschliche Brüderlichkeit.
       Jedes menschliche  Individuum ist  das unfreiwillige  Produkt der
       natürlichen und  sozialen Lage,  innerhalb deren  es geboren ist,
       sich entwickelte  und deren Einfluß es beständig weiter zu dulden
       hat. Die drei großen Ursachen jeder menschlichen
       
       #463# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       Immoralität sind:  die politische wie ökonomische und soziale Un-
       gleichheit, die  Unwissenheit als  deren natürliches Resultat und
       als notwendige Konsequenz die Sklaverei.
       Da die  Organisation der  Gesellschaft immer und überall die ein-
       zige Ursache  der von  den Menschen begangenen Verbrechen ist, so
       ist es  eine offenbare Heuchelei oder Widersinnigkeit seitens der
       Gesellschaft, die  Verbrecher zu bestrafen, indem jede Strafe die
       Schuld des  zu Bestrafenden voraussetzt, die Verbrecher aber nie-
       mals die  Schuldigen sind. Die Theorie von Schuld und Strafe geht
       aus der  Theologie hervor,  das heißt aus der Ehe des Widersinnes
       mit der religiösen Heuchelei.
       Das einzige  Recht, welches  man der Gesellschaft in ihrem gegen-
       wärtigen Übergangszustande  zugestehen könnte, ist das natürliche
       Recht, die  von ihr  selbst geschaffenen  Verbrecher im Interesse
       ihrer eigenen Verteidigung zu ermorden, nicht aber das Recht, sie
       zu richten  und zu verurteilen. Dieses Recht ist nicht einmal ein
       solches in  strikter Wortbedeutung, sondern vielmehr ein natürli-
       ches, bedauerliches  aber unvermeidliches, tatsächliches Verhält-
       nis, zugleich  ein Zeichen  und Produkt der Ohnmacht und Dummheit
       der gegenwärtigen  Gesellschaft; je mehr die Gesellschaft es ver-
       stehen wird,  die Übung  dieses Rechtes zu vermeiden, um so näher
       wird sie ihrer wirklichen Emanzipation rücken.
       Alle Revolutionäre,  die Unterdrückten,  die leidenden  Opfer der
       gegenwärtigen Organisation  der Gesellschaft, deren Herzen natür-
       lich von  Rache und  Haß erfüllt sind, müssen wohl im Auge behal-
       ten, daß  die Könige,  die Unterdrücker, die Ausbeuter jeder Gat-
       tung ebenso  schuldig sind,  als die aus der Volksmasse hervorge-
       gangenen Verbrecher:  auch jene  sind Übeltäter,  aber auch nicht
       Schuldige, da sie ebenfalls, wie die gewöhnlichen Verbrecher, die
       unfreiwilligen Produkte  der gegenwärtigen  Organisation der  Ge-
       sellschaft sind.  Man wird  sich nicht  wundern dürfen,  wenn das
       Volk im ersten Augenblick seiner Erhebung ihrer viele tötet - das
       wird ein  vielleicht unvermeidliches, aber auch ebenso vorüberge-
       hendes Unglück sein wie die Verheerungen eines Ungewitters.
       Aber diese  natürliche Tatsache  wird weder moralisch noch selbst
       nützlich sein.  In dieser  Hinsicht ist  die  Geschichte  äußerst
       lehrreich: -  die schreckliche Guillotine von 1793, die man gewiß
       nicht der Langsamkeit und Milde beschuldigen kann, ist nicht dazu
       gekommen, die  Adelsklasse in  Frankreich zu vernichten. Die Ari-
       stokratie wurde  dort, wenn  nicht vollständig  zerstört, so doch
       tief erschüttert,  aber nicht durch die Guillotine, sondern durch
       die Konfiskation  und den Verkauf ihrer Güter. Und im allgemeinen
       kann man  sagen, daß politische Metzeleien niemals Parteien getö-
       tet haben;  jene haben sich überall 1*) ohnmächtig gegen die pri-
       vilegierten Klassen  gezeigt, da  die Macht  viel weniger  in den
       Menschen ihren  Grund hat,  als in  den Zuständen, welche für die
       Privilegierten durch  die Organisation  der Dinge, d.h. durch die
       Einrichtung des  Staates  und  seine  natürliche  Konsequenz  wie
       Grundlage, das individuelle Eigentum, geschaffen sind.
       Um eine  radikale Revolution  zu machen, muß man also den Angriff
       gegen die  zugrunde liegenden Verhältnisse und Dinge richten, man
       muß das Eigentum und den
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: besonders
       
       #464# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Staat vernichten, dann hat man nicht mehr nötig, Menschen zu ver-
       nichten und  sich selbst  zu der  unfehlbaren und unvermeidlichen
       Reaktion zu  verurteilen, welche  in jeder Gesellschaft stets 1*)
       als die  Folge des  Menschenmordes eingetreten  ist und stets als
       solche eintreten wird.
       Aber um  das Recht  zu haben,  ohne  Gefahr  für  die  Revolution
       menschlich gegen Menschen zu sein, muß man unerbittlich gegen die
       Zustände und  Dinge sein; man muß vollständig vernichten, überall
       und vor allem das Eigentum und sein unvermeidliches Korollar: den
       Staat. Das ist das ganze Geheimnis der Revolution.
       Man darf  sich nicht wundern, wenn die Jakobiner und Blanquisten,
       die mehr aus Notwendigkeit als aus Überzeugung Sozialisten gewor-
       den sind und für die der Sozialismus ein Revolutionsmittel, nicht
       aber der  Revolutionszweck ist,  da sie die Diktatur wollen, d.h.
       die Zentralisation  des Staates,  und da  der Staat sie in unver-
       meidlicher logischer  Notwendigkeit zur Wiederherstellung des Ei-
       gentums führen  muß - es ist also sehr natürlich, sagen wir, wenn
       sie, die  keine radikale Revolution gegen die Dinge selbst durch-
       führen wollen,  von einer  blutigen Revolution gegen die Menschen
       träumen. Diese  blutige Revolution aber, gegründet auf dem Aufbau
       eines mächtig  zentralisierten revolutionären Staates, hätte, wie
       wir später noch mehr beweisen werden, die Militärdiktatur mit ei-
       nem neuen  Herrn zur unvermeidlichen Folge. Der Triumph der Jako-
       biner und Blanquisten also wäre der Tod der Revolution.
       4. Wir sind die natürlichen Feinde dieser Revolutionäre - der Zu-
       kunftsdiktatoren, Gesetzgeber und Vormünder der Revolution - die,
       bevor noch  die gegenwärtigen monarchischen, aristokratischen und
       Bourgeois-Staaten zerstört  sind, bereits  an die Schöpfung neuer
       revolutionärer Staaten  denken, Staaten,  ebenso  zentralisierend
       und noch despotischer als die heute existierenden Staaten sind -,
       die so  sehr an  die durch irgendeine Autorität von oben geschaf-
       fene Ordnung gewöhnt sind und einen so großen Abscheu vor alledem
       haben, was ihnen als Unordnung erscheint und was doch nichts wei-
       ter ist,  als der  freie und natürliche Ausdruck des Volkslebens,
       daß sie, bevor noch eine gute und gesunde Unordnung durch die Re-
       volution hervorgebracht  ist, bereits  daran denken, ihr ein Ende
       zu machen  und den Maulkorb anzulegen durch irgendeine Autorität,
       die von  der Revolution nur den Namen trägt, in Wirklichkeit aber
       nur eine  neue Reaktion  ist, da  sie in  der Tat  von neuem  die
       Volksmassen durch Dekrete regieren läßt und sie so wieder zum Ge-
       horsam, zum Stillstand, zum Tode, das heißt zur Sklaverei und zur
       Ausbeutung durch  eine neue quasi-revolutionäre Aristokratie ver-
       dammt.
       5. Wir fassen  die Revolution  auf in  dem Sinne der Entfesselung
       alles dessen,  was man  heute die bösen Leidenschaften nennt, und
       der Vernichtung desjenigen, was in derselben Sprache "öffentliche
       Ordnung" heißt.
       Wir fürchten die Anarchie nicht, wir rufen sie herbei, überzeugt,
       daß aus  dieser Anarchie,  das heißt,  aus der vollständigen Gel-
       tendmachung  des  entfesselten  Volkslebens,  die  Freiheit,  die
       Gleichheit, die Gerechtigkeit, die neue Ordnung und selbst
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe lautet der folgende Satzteil: zu
       Menschenmassakern geführt hat und stets führen wird
       
       #465# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
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       die Macht  der Revolution der Reaktion gegenüber hervorgehen muß.
       Dies neue  Leben -  die Volksrevolution  - wird  unzweifelhaft es
       auch nicht  unterlassen, sich  zu organisieren, aber es wird sich
       seine revolutionäre  Organisation von unten nach oben und von der
       Peripherie zum Zentrum schaffen - dem Prinzip der Freiheit gemäß,
       nicht aber  von oben  nach unten  oder vom Zentrum zur Peripherie
       hin nach  Art der  Autorität, wie  auch immer  diese beschaffen -
       denn es ist uns wenig daran gelegen, ob diese sich Kirche, Monar-
       chie, konstitutioneller Staat, Bourgeois-Republik oder selbst re-
       volutionäre Diktatur  nennt. Wir  verabscheuen und  verwerfen sie
       alle aus  gleichem Grunde - als unfehlbare Quellen der Ausbeutung
       und des Despotismus.
       6. Die Revolution,  wie wir sie verstehen, muß vom ersten Tage an
       radikal und  vollständig den  Staat und  alle Staatseinrichtungen
       vernichten. Die  natürlichen und  notwendigen Konsequenzen dieser
       Vernichtung werden sein: a) der Staatsbankerott; b) das Auf hören
       der Bezahlung  von Privatschulden  durch Einmischung des Staates,
       indem jedem Schuldner überlassen bleibt, seine Schulden zu bezah-
       len, wenn  ihm dies  so beliebt; c) das Aufhören jeder Steuerzah-
       lung und  der Erhebung irgendwelcher direkter oder indirekter Ab-
       gaben; d)  die Auflösung  des Heeres,  der Magistratur, der Büro-
       kratie, der Polizei und der Priester; e) die Abschaffung der amt-
       lichen Rechtspflege,  die Aufhebung  alles dessen,  was juridisch
       Recht heißt  odermit der  Ausübung dieses  Rechtes in  Verbindung
       steht. Demgemäß  Abschaffung und Autodafé (Verbrennung) aller Ei-
       gentumstitel, Erbschafts-,  Kauf-, Schenkungs-, Prozeßakten - mit
       einem Worte,  des gesamten  juridischen und  bürgerlichen Papier-
       krams. Überall  und in allen Dingen die revolutionäre Tatsache an
       Stelle des durch den Staat geschaffenen und garantierten Rechtes;
       f) die Konfiskation aller produktiven Kapitalien und Arbeitswerk-
       zeuge zugunsten  der Arbeitergenossenschaften, die jene kollektiv
       produzieren lassen  müssen; g)  die Konfiskation  alles Eigentums
       der Kirche  und des  Staates, sowie des im Privatbesitz befindli-
       chen   Edelmetalls    zugunsten   der    Föderativallianz   aller
       Arbeitergenossenschaften - einer Allianz, welche die Kommune bil-
       den wird.
       An Stelle  der konfiszierten  Güter wird die Kommune allen so be-
       raubten Individuen  genau das  Notwendige geben,  und können  sie
       dann später  durch ihre  eigene Arbeit mehr erwerben, wenn sie es
       vermögen und  wenn sie  es wollen.  - h) Für die Organisation der
       Kommune eine Föderation der Barrikaden in Permanenz und die Funk-
       tion eines  Rates der revolutionären Kommune durch Delegation von
       einem oder zwei Abgeordneten für jede Barrikade, einem per Straße
       oder per  Bezirk; die  Deputierten sind  mit imperativen Mandaten
       versehen und stets verantwortlich sowie jederzeit abberufbar. Der
       so organisierte  Kommunalrat kann  aus seiner Mitte Exekutivkomi-
       tees wählen, und für sie die einzelnen Gebiete der revolutionären
       Verwaltung der Kommune abzweigen. - i) Erklärung der insurgierten
       und als  Kommune organisierten  Hauptstadt, daß,  nachdem sie den
       Autoritäts- und  Bevormundungsstaat zerstört (wozu sie berechtigt
       war, da  sie in derselben Sklaverei unter demselben gestanden wie
       alle anderen  örtlichkeiten), sie  nunmehr ihrem  Rechte  entsage
       oder vielmehr  jeder Anmaßung,  die Provinzen  zu regieren und zu
       beherrschen, k)  Aufruf an alle Provinzen, Kommunen und Genossen-
       schaften, sämtlich  sofort dem  von der Hauptstadt gegebenen Bei-
       spiele zu  folgen und  sich zuerst revolutionär zu reorganisieren
       und sodann an einen zu verabredenden
       
       #466# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Versammlungsort ihre  gleichfalls mit imperativen Mandaten verse-
       henen verantwortlichen  und abberufbaren Abgeordneten zu delegie-
       ren, um  die Föderation  der im Namen derselben Prinzipien insur-
       gierten Assoziationen,  Kommunen und  Provinzen zu  konstituieren
       und eine  Revolutionsmacht zu  organisieren, stark genug, um über
       die Reaktion  zu triumphieren. Sendung, nicht von offiziellen Re-
       volutions-Kommissarien mit  irgendwelchen Schärpen,  sondern  von
       Revolutions-Agitatoren in  alle Provinzen  und Gemeinden - beson-
       ders zu  den Bauern,  die nicht  durch Prinzipien oder durch Ver-
       fügungen irgendwelcher  Diktatur  revolutioniert  werden  können,
       sondern einzig  und allein  durch  die  Tatsache  der  Revolution
       selbst, das  heißt, durch  die notwendigen Konsequenzen des voll-
       ständigen Aufhörens  des offiziellen  juridischen Staatslebens in
       allen Gemeinden.  Abschaffung des nationalen Staates sogar in dem
       Sinne, daß  jedes fremde Land, Provinz, Gemeinde, Genossenschaft,
       ja selbst jedes vereinzelte Individuum, das sich im Namen dersel-
       ben Prinzipien  erhoben hat, in die revolutionäre Föderation ohne
       Rücksicht auf  die gegenwärtigen  Staatsgrenzen aufgenommen wird,
       wenn sie auch zu verschiedenen politischen oder nationalen Syste-
       men gehören,  und daß  die eigenen Provinzen, Kommunen, Genossen-
       schaften, wie  Individuen, welche die Partei der Reaktion ergrei-
       fen, ausgeschlossen  bleiben. So  wird also die Tatsache der Aus-
       strömung und  der Organisation  der Revolution selbst bei dem ge-
       genseitigen Schutze  der insurgierten Länder es bewirken, daß die
       Universalität der  auf Abschaffung  der Grenzen  und auf der Zer-
       trümmerung des Staates begründeten Revolution triumphiert.
       7. Es kann keine politische oder nationale Revolution mehr trium-
       phieren, es  sei denn, daß die politische Revolution sich in eine
       soziale verwandelt, und die vernunftgemäße, eben durch ihren Cha-
       rakter radikal  sozialistische und  staatszerstörende  Revolution
       zur allgemeinen Revolution wird.
       8. Da die Revolution überall aus dem Volke selbst hervorgehen und
       die Oberleitung  immer bei dem als freie Föderation ackerbauender
       und industrieller  Genossenschaften organisierten  Volke  bleiben
       muß, so  wird der neue revolutionäre Staat, der sich auf dem Wege
       der revolutionären Delegation von unten nach oben organisiert und
       alle im  Namen derselben Prinzipien organisierten 1*) Länder ohne
       Rücksicht auf  die alten  Grenzen und die Verschiedenheit der Na-
       tionalität umfaßt,  die Verwaltung  des öffentlichen Dienstes und
       nicht die Regierung der Völker zum Gegenstande haben. Er wird das
       neue Vaterland,  die Allianz der allgemeinen Revolution gegen die
       Allianz aller Reaktionären konstituieren.
       9. Diese Organisation schließt jeden Gedanken einer Diktatur oder
       irgendeiner bevormundend  leitenden Gewalt aus. Aber zur Gründung
       dieser revolutionären  Allianz und  zum Triumphe  der  Revolution
       über die  Reaktion ist  es notwendig, daß inmitten der Volksanar-
       chie, welche  eben das  Leben und  die ganze Kraft der Revolution
       bilden wird,  die Einheit  des Gedankens  und des  revolutionären
       Handelns ein  Organ finde. Dieses Organ soll die geheime und uni-
       verselle Assoziation der internationalen Brüder sein.
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: insurgierten
       
       #467# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       10. Diese Assoziation  geht von  der Überzeugung aus, daß Revolu-
       tionen niemals von Individuen, auch nicht einmal von geheimen Ge-
       sellschaften gemacht  werden. Sie machen sich wie von selbst, die
       Macht der  Dinge, der  Strom der  Ereignisse  und  der  Tatsachen
       schaffen sie.  Lange bereiten  sie sich  vor in der Tiefe des in-
       stinktiven Bewußtseins der Volksmassen - dann kommen sie zum Aus-
       bruch, anscheinend  oft nur durch unbedeutende Ursachen hervorge-
       rufen. Alles  was eine  gut organisierte geheime Gesellschaft tun
       kann, besteht zunächst darin, daß sie die Geburt einer Revolution
       unterstützt, indem  sie in  den Massen  die den  Masseninstinkten
       entsprechenden Ideen verbreitet, und daß sie, nicht die Revoluti-
       onsarmee - die Armee muß immer das Volk sein - wohl aber eine Art
       revolutionären Generalstabs organisiert, der aus ergebenen, ener-
       gischen, intelligenten  Individuen und vor allem aus aufrichtigen
       und nicht  ehrgeizigen oder  eitlen Freunden  des Volkes besteht,
       die die  Fähigkeit besitzen,  als Vermittler zwischen der revolu-
       tionären Idee und den Volksinstinkten zu dienen.
       11. Die Zahl  dieser Individuen  darf also  nicht sehr groß sein.
       Für die  internationale Organisation von ganz Europa genügen hun-
       dert fest  und ernst verbündete Revolutionäre. Zwei-, dreihundert
       Revolutionäre werden  für die Organisation des größten Landes ge-
       nügen.
                                   ---
       
       2. Programm und Reglement der öffentlichen Allianz
       Indem die  sozialistische Minorität  der Friedens- und Freiheits-
       liga (!)  sich von  dieser Liga trennte infolge des Majoritätsvo-
       tums auf dem Kongreß zu Bern, welches Votum sich ausdrücklich ge-
       gen das  Grundprinzip aller Arbeitergenossenschaften, das Prinzip
       der ökonomischen  und sozialen Gleichheit der Klassen und Indivi-
       duen, aussprach, ist diese Minorität hierdurch von selbst den von
       den Arbeiterkongressen  zu Genf,  Lausanne und Brüssel ausgespro-
       chenen Prinzipien beigetreten. Mehrere verschiedenen Nationen an-
       gehörige Mitglieder  der erwähnten  Minorität haben  uns den Vor-
       schlag gemacht,  eine neue Internationale Allianz der sozialisti-
       schen Demokratie  zu organisieren,  die, zwar  vollständig in der
       großen  Internationalen  Arbeiter-Assoziation  aufgegangen,  sich
       doch die  besondere Mission  stelle, die politischen und philoso-
       phischen Fragen auf der Grundlage dieses großen Prinzips der all-
       gemeinen und  sittlichen 1*)  Gleichheit aller  Menschenwesen auf
       Erden zu studieren.
       Unsererseits von dem Nutzen eines solchen Unternehmens überzeugt,
       das den  aufrichtigen sozialistischen Demokraten Europas und Ame-
       rikas das  Mittel gewähren  wird, sich  zu verständigen  und ihre
       Ideen zu  befestigen außerhalb  jeder Pression jenes falschen So-
       zialismus, welchen  die Bourgeois-Demokratie  heute zur Förderung
       ihrer Zwecke  zur Schau  trägt, haben wir, in Übereinstimmung mit
       den gedachten  Freunden, geglaubt,  die Initiative für diese neue
       Organisation ergreifen zu müssen.
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe: wirklichen
       
       #468# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       Demgemäß haben wir uns als Zentralsektion der Internationalen Al-
       lianz der sozialistischen Demokratie organisiert und veröffentli-
       chen heute das Programm und Reglement derselben.
       
       PROGRAMM DER INTERNATIONALEN ALLIANZ
       DER SOZIALISTISCHEN DEMOKRATIE
       1. Die Allianz  erklärt sich  als atheistisch;  sie will  die Ab-
       schaffung aller  Religionskulte und  die Ersetzung  des  Glaubens
       durch die  Wissenschaft sowie  der göttlichen Gerechtigkeit durch
       die menschliche.
       2. Sie will  vor allem  die politische,  ökonomische und  soziale
       Gleichmachung der Klassen und der Individuen beider Geschlechter,
       indem sie mit der Abschaffung des Erbrechts den Anfang macht, da-
       mit in  Zukunft der  Genuß gleich  sei der produktiven Arbeit 1*)
       eines jeden  und, dem  vom letzten Arbeiterkongreß zu Brüssel ge-
       faßten Beschlüsse  gemäß, der  Grund und  Boden, die Arbeitswerk-
       zeuge sowie  alles andere  Kapital, als Kollektiveigentum der ge-
       samten Gesellschaft,  nur 2*)  dem Nutzen  der Arbeiter, d.h. der
       ackerbauenden und industriellen Assoziationen dienen.
       3. Sie will  für alle Kinder beiderlei Geschlechter von ihrer Ge-
       burt an  die Gleichheit  der Mittel  zu ihrer  Entwickelung, d.h.
       ihres Unterhaltes, ihrer Erziehung und ihres Unterrichtes auf al-
       len Stufen  der Wissenschaft,  der Industrie  und der Künste; sie
       hegt die  Überzeugung, daß diese zunächst nur ökonomische und so-
       ziale Gleichheit  die Folge haben wird, eine immer größere natür-
       liche Gleichheit  der Individuen  zu  schaffen,  indem  sie  alle
       künstlichen Ungleichheiten,  historische  Produkte  einer  ebenso
       falschen  als   unbilligen  sozialen  Organisation,  verschwinden
       macht.
       4. Als Feindin jedes Despotismus und keine andere politische Form
       als die republikanische anerkennend sowie jedes reaktionäre Bünd-
       nis absolut  verwerfend, weist  sie jede politische Tätigkeit von
       sich, die  nicht den Triumph der Sache der Arbeiter gegen das Ka-
       pital zum unmittelbaren und direkten Zweck hat.
       5. Sie bekennt,  daß alle  gegenwärtig existierenden  politischen
       Autoritätsstaaten, sich mehr und mehr zu einfachen Funktionen der
       Verwaltung des  öffentlichen Dienstes  in ihren betreffenden Län-
       dern umwandelnd,  in der  universellen  Einigung  freier,  acker-
       bauender wie industrieller Genossenschaften verschwinden müssen.
       6. Da die soziale Frage nur auf der Grundlage der internationalen
       oder allgemeinen  Solidarität  der  Arbeiter  aller  Länder  ihre
       schließliche und wirkliche Lösung finden kann, verwirft die Alli-
       anz jede  auf dem  sogenannten Patriotismus und der Rivalität der
       Nationen begründete Politik.
       7. Sie will  die universelle  Genossenschaft aller lokalen Genos-
       senschaften vermittelst der Freiheit.
       -----
       1*) In der  französischen Ausgabe: Produktion (statt: produktiven
       Arbeit) -  2*) in der  französischen Ausgabe  lautet der folgende
       Satzteil: durch  die Arbeiter,  d.h. die  ackerbauenden und indu-
       striellen Assoziationen nutzbar gemacht werden können
       
       #469# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       REGLEMENT
       1. Die Internationale Allianz der sozialistischen Demokratie kon-
       stituiert sich  als ein  Zweig der Internationalen Arbeiter-Asso-
       ziation, deren sämtliche allgemeine Statuten sie annimmt.
       2. Die Gründungsmitglieder  (membres fondateurs) 1*) organisieren
       provisorisch ein Zentralbüro in Genf.
       3. Die Gründungsmitglieder ein und desselben Landes konstituieren
       das Nationalbüro dieses Landes.
       4. Die Nationalbüros haben die Aufgabe, an allen Orten Lokalgrup-
       pen der  Allianz der  sozialistischen Demokratie  zu gründen, die
       sodann vermittelst  ihrer bezüglichen Nationalbüros beim Zentral-
       büro der Allianz ihre Aufnahme in die Internationale Arbeiter-As-
       soziation zu beantragen haben.
       5. Alle Lokalgruppen  bilden ihre  Büros in der bei den Lokalsek-
       tionen der Internationalen Arbeiter-Assoziation üblichen Weise.
       6. Alle Mitglieder  der Allianz verpflichten sich zur Zahlung ei-
       nes monatlichen  Beitrages von zehn Centimes. Die Hälfte des Bei-
       trages hält  jede nationale  Gruppe für  ihre eigenen Bedürfnisse
       zurück, die  andere Hälfte  fließt in  die Kasse des Zentralbüros
       für die allgemeinen Zwecke.
       In den  Ländern, in welchen man diesen Beitrag für zu hoch erach-
       tet, können ihn die Nationalbüros in Übereinstimmung mit dem Zen-
       tralbüro ermäßigen.
       7. Bei dem jährlichen Arbeiterkongreß wird die Delegation der Al-
       lianz der sozialistischen Demokratie, als Zweig der Internationa-
       len Arbeiter-Assoziation,  ihre öffentlichen  Sitzungen in  einem
       besonderen Lokale halten.
                                   ---
       
       3. Brief Bakunins an Francisco Mora in Madrid
       (Der Brief ist französisch geschrieben)
       Locarno, den 5. April 1872
       Lieber Alliierter  und Genosse!  Da unsere  Freunde zu  Barcelona
       mich aufgefordert  haben, an  Sie zu schreiben, tue ich es mit um
       so größerem Vergnügen, als auch ich und meine Freunde, unsere Al-
       liierten von  der Jura-Föderation, den Verleumdungen des Londoner
       Generalrats ausgesetzt sind, in Spanien so gut wie anderwärts. Es
       ist wahrlich  etwas sehr Betrübendes, daß in dieser schrecklichen
       Krisis, in der sich für viele Jahrzehnte das Schicksal des Prole-
       tariats von  ganz Europa entscheidet, und in der alle Freunde des
       Proletariats, der  Menschheit und  der Gerechtigkeit sich brüder-
       lich vereinigen  müßten, um  dem gemeinsamen Feinde, der im Staat
       organisierten Gesellschaft
       -----
       1*) In der französischen Ausgabe eingefügt: der Allianz
       
       #470# Karl Marx/Friedrich Engels
       -----
       der Privilegierten,  die Spitze-  zu bieten  - es ist sehr betrü-
       bend, sage  ich, daß Leute, die übrigens in der Vergangenheit der
       Internationalen große  Dienste geleistet haben, heute, durch eine
       böse autoritätssüchtige  Leidenschaft getrieben,  sich sogar  zur
       Lüge erniedrigen  und Zwietracht  säen, statt  überall jene freie
       Einigung zu schaffen, aus der allein die Macht hervorgehen kann.
       Um Ihnen  eine richtige Idee unserer Bestrebungen zu geben, brau-
       che ich  Ihnen nur  eins zu  sagen. Unser  Programm ist das Ihre,
       dasselbe, welches Sie im vergangenen Jahre auf Ihrem Kongreß pro-
       klamiert haben, und wenn Sie demselben treu geblieben sind, gehö-
       ren Sie  zu uns,  aus demselben Grunde, wie wir zu Ihnen gehören.
       Wir verabscheuen  das Prinzip der Diktatur, des Regierungssystems
       (gouvernementalisme) und  der Autorität, wie Sie es verabscheuen;
       wir haben  die Überzeugung,  daß jede  politische Gewalt zu einer
       unfehlbaren Quelle der Entsittlichung für die Regierenden und der
       Knechtschaft für die Regierten wird. - Staat bedeutet Herrschaft,
       und die menschliche Natur ist so geartet, daß jede Herrschaft zur
       Ausbeutung führt.  Als Feinde  des Staates unter allen Umständen,
       des Staates  in allen  seinen Kundgebungen, wollen wir einen sol-
       chen ebensowenig  in der  Internationalen dulden.  Wir betrachten
       die Londoner  Konferenz und die von ihr angenommenen Resolutionen
       als eine  Intrige des  Ehrgeizes und als einen Staatsstreich, und
       deshalb haben  wir protestiert und werden bis ans Ende protestie-
       ren. Ich  berühre nicht  die persönlichen Angelegenheiten, leider
       werden sie  nur zu  sehr den  nächsten Kongreß beschäftigen, wenn
       dieser Kongreß  stattfindet, woran  ich meinerseits zweifle, denn
       wenn die  Dinge in  derselben Weise fortgehen wie bisher, wird es
       bald auf  dem Festlande Europas keinen Ort geben, wo sich die De-
       legierten des Proletariats versammeln können, um frei zu beraten.
       Und jetzt  sind alle  Augen auf Spanien und auf den Ausgang Eures
       Kongresses gerichtet.  Was wird das Resultat desselben sein? Die-
       ser Brief  wird Ihnen,  wenn er Ihnen zukommt, erst nach dem Kon-
       gresse zukommen.  Wird er Sie in voller Revolution oder in voller
       Reaktion finden?  Alle unsere  Freunde in Italien, in Frankreich,
       in der Schweiz erwarten in grausamer Spannung Nachrichten aus Ih-
       rem Lande.
       Sie wissen  ohne Zweifel,  daß in Italien in der letzten Zeit die
       Internationale und unsere teure Allianz eine sehr bedeutende Ent-
       wicklung erreicht  haben. Das  Volk, sowohl  auf dem Lande wie in
       den Städten,  befindet sich  in einer vollständig revolutionären,
       d.h. in  einer ökonomisch  verzweifelten Lage, und die Massen be-
       ginnen, sich in sehr ernster Weise zu organisieren, ihre Interes-
       sen beginnen  Ideen zu  werden. - Was bisher Italien gefehlt hat,
       das waren  nicht die  Instinkte, sondern  gerade die Organisation
       und die  Idee. Beide bilden sich jetzt derart, daß Italien nächst
       Spanien, mit  Spanien in  dieser Stunde vielleicht das revolutio-
       närste Land  ist. In  Italien existiert,  was den anderen Ländern
       fehlt: eine  glühende, energische Jugend ohne jede Stellung, ohne
       Karriere, ohne  Ausweg (tout à fait déplacée, sans carrière, sans
       issue), die  trotz ihrer  Bourgeois-Herkunft nicht  moralisch und
       intellektuell erschöpft  ist, wie  die  Bourgeois-Jugend  anderer
       Länder. Heute  stürzt sie  sich kopfüber  (à tête  perdue) in den
       revolutionären Sozialismus  mit unserem ganzen Programm, dem Pro-
       gramm der  Allianz. Mazzini, unser genialer und mächtiger Gegner,
       ist tot,  die mazzinistische  Partei ist  vollständig  desorgani-
       siert, und Garibaldi läßt sich mehr und mehr fortreißen von jener
       
       #471# Ein Komplott gegen die IAA - Bericht über ... Bakunin
       -----
       seinen Namen  führenden Jugend, die jedoch viel weiter geht, oder
       vielmehr läuft,  als er.  Ich habe den Freunden in Barcelona eine
       italienische Adresse  gesandt; ich  werde ihnen  bald noch andere
       schicken. Es ist gut, es ist notwendig, daß die Alliierten Spani-
       ens mit denen Italiens in direkte Verbindung treten. Erhalten Sie
       die italienischen sozialistischen Blätter? Ich empfehle Ihnen be-
       sonders: die  "Eguaglianza" in  Girgenti, Sizilien, die "Campana"
       in Neapel  - den  "Fascio Operaio"  in Bologna  - "II  Gazzettino
       Rosa", aber  vor allen  "II Martello"  in Mailand, der leider mit
       Beschlag belegt  und dessen Redakteure sich sämtlich im Gefängnis
       befinden.
       In der Schweiz empfehle ich Ihnen zwei Alliierte: James Guillaume
       (Schweiz, Neuchâtel,  5, Rue  de la  Place d'Armes)  und  Adhémar
       Schwitzguébel, Graveur  (Mitglied und korrespondierender Sekretär
       der Jura-Föderation), Schweiz, Berner Jura, Sonvillier, Herrn Ad-
       hémar Schwitzguébel, Graveur. (Folgt die Adresse Bakunins.)
       Allianz und Brüderlichkeit
       M. Bakunin
       Ich bitte,  grüßen Sie  meinerseits den Bruder Morago, und bitten
       Sie ihn, mir sein Blatt zu schicken.
       Bekommen Sie das "Bulletin" der Jura-Föderation?
       Ich bitte Sie, diesen Brief zu verbrennen, da er Namen enthält.
                                   ---
       Der Haager  Kongreß hat  Bakunin nicht bloß als Gründer der Alli-
       anz, sondern  auch wegen  einer persönlichen Tatsache aus der In-
       ternationalen ausgestoßen.  Das authentische  Dokument, das diese
       Tatsache belegt,  ist noch  in unseren  Händen, doch gebieten uns
       politische Gründe,  vorläufig von seiner Veröffentlichung Abstand
       zu nehmen.
                                   ---

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