Quelle: März 1872 - Mai 1875
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Friedrich Engels
[Über die Verfolgungen des Mitglieds
der Internationale Theodor Cuno [94]]
["The Eastern Post" Nr. 187 vom 27. April 1872]
Schon seit einiger Zeit ist bekannt, daß die Regierungen Deutsch-
lands, Österreichs und Italiens ein Komplott geschmiedet haben,
um auf die Mitglieder der Internationale Jagd zu machen. [11] Wie
dieses Komplott arbeitet, zeigen folgende Tatsachen: Ein promi-
nentes Mitglied der Internationale in Mailand, der Bürger Theodor
Cuno, gebürtiger Preuße, ein Ingenieur, den man um seine Stellung
in einem großen Maschinenbaubetrieb gebracht hatte, wurde am 25.
Februar verhaftet, und alle seine Papiere und in seinem Besitz
befindlichen Photographien (einschließlich der seines Vaters
etc.) wurden beschlagnahmt. In Ketten wurde er nach Verona trans-
portiert, wo man ihn nahezu einen Monat lang unter Dieben und
Mördern im Gefängnis hielt und ihn genau wie diese behandelte,
während seine Papiere zur Überprüfung nach Rom gesandt wurden. Am
29. März wurde er, an einen gewöhnlichen Verbrecher gekettet, an
die Grenze gebracht und den österreichischen Behörden ausgelie-
fert. Hier durfte er zum ersten Male den Grund erfahren, der all
das verursacht hatte. Wie groß war sein Erstaunen, als er las,
daß er verhaftet worden war, weil
"er in Mailand müßig gewesen sei, als Vagabund und ohne Existenz-
mittel gelebt habe, überdies ein gefährlicher Agent der interna-
tionalen sozialistischen Partei sei und aus allen diesen Gründen
aus dem Königreich Italien ausgewiesen würde"!
Nun, weit davon entfernt, müßig zu sein, hatte er am 1. März eine
sehr einträgliche Stellung in Como als Direktor einer Fabrik an-
treten sollen, und weit davon entfernt, mittellos zu sein, mußten
ihm die italienischen Behörden, als sie sich von ihm trennten,
111 Francs seines eigenen Geldes aushändigen! Die Österreicher
konnten sich diesen Widerspruch nicht erklären, aber anstatt ihn
freizulassen, übergaben sie ihn der Aufsicht eines
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Polizisten, der ihn auf Cunos Kosten an die bayrische Grenze
bringen mußte, und auf diese Weise hatte Cuno nicht nur weitere
sieben Nächte im Gefängnis zuzubringen, sondern auch noch den
größeren Teil seines Geldes auszugeben. An der bayrischen Grenze
erhielt er, zweifellos dank dem Fehlen geeigneter Instruktionen
wie auch dank der angeborenen Dummheit der bayrischen Polizei,
davon Kenntnis, daß ein Telegramm an seine Verwandten abgegangen
war, und nach Erhalt einer zufriedenstellenden Antwort wurde er
endlich in Freiheit gesetzt. Es scheint also, daß das europäische
Polizeibündnis gegen die Internationale eine Realität ist. Cuno
hätte man an die Schweizer Grenze schicken und dort in Freiheit
setzen können, aber statt dessen mußte er den Österreichern und
durch sie den Bayern ausgeliefert werden, um wie ein gewöhnlicher
Verbrecher von Gefängnis zu Gefängnis geschickt zu werden. Das
ist der Liberalismus "freier" konstitutioneller Monarchien.
Geschrieben 22./23. April 1872.
Aus dem Englischen.
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