Quelle: März 1872 - Mai 1875
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Karl Marx/Friedrich Engels
Vorwort
[zum "Manifest der Kommunistischen Partei"
(deutsche Ausgabe 1872)] [121]
Der Bund der Kommunisten, eine internationale Arbeiterverbindung,
die unter den damaligen Verhältnissen selbstredend nur eine ge-
heime sein konnte, beauftragte auf dem in London im November 1847
abgehaltenen Kongresse die Unterzeichneten mit der Abfassung ei-
nes für die Öffentlichkeit bestimmten, ausführlichen theoreti-
schen und praktischen Parteiprogramms. So entstand das nachfol-
gende "Manifest", dessen Manuskript wenige Wochen vor der Fe-
bruarrevolution 1*) nach London zum Druck wanderte. Zuerst
deutsch veröffentlicht, ist es in dieser Sprache in Deutschland,
England und Amerika in mindestens zwölf verschiedenen Ausgaben
abgedruckt worden. Englisch erschien es zuerst 1850 in London im
"Red Republican" [122], übersetzt von Miß Helen Macfarlane, und
1871 in wenigstens drei verschiedenen Übersetzungen in Amerika.
Französisch zuerst in Paris kurz vor der Juni-Insurrektion 1848
[123], neuerdings in "Le Socialiste" 11241 von New York. Eine
neue Übersetzung wird vorbereitet. Polnisch in London kurz nach
seiner ersten deutschen Herausgabe. Russisch in Genf in den sech-
ziger Jahren. [125] Ins Dänische wurde es ebenfalls bald nach
seinem Erscheinen übersetzt.
Wie sehr sich auch die Verhältnisse in den letzten fünfundzwanzig
Jahren geändert haben, die in diesem "Manifest" entwickelten all-
gemeinen Grundsätze behalten im ganzen und großen auch heute noch
ihre volle Richtigkeit. Einzelnes wäre hier und da zu bessern.
Die praktische Anwendung dieser Grundsätze, erklärt das
"Manifest" selbst, wird überall und jederzeit von den geschicht-
lich vorliegenden Umständen abhängen, und wird deshalb durchaus
kein besonderes Gewicht auf die am Ende von Abschnitt II vorge-
schlagenen revolutionären Maßregeln gelegt. Dieser Passus würde
heute in vieler Beziehung anders lauten. Gegenüber der immensen
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1*) 1848 in Frankreich
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Fortentwicklung der großen Industrie in den letzten fünfundzwan-
zig Jahren und der mit ihr fortschreitenden Parteiorganisation
der Arbeiterklasse, gegenüber den praktischen Erfahrungen, zuerst
der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo
das Proletariat zum erstenmal zwei Monate lang die politische Ge-
walt innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet.
Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, daß "die Arbei-
terklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz neh-
men und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann".
(Siehe "Der Bürgerkrieg in Frankreich. Adresse des Generalraths
der Internationalen Arbeiter-Association", deutsche Ausgabe, S.
19, wo dies weiter entwickelt ist. 1*)) Ferner ist selbstredend,
daß die Kritik der sozialistischen Literatur für heute lückenhaft
ist, weil sie nur bis 1847 reicht; ebenso daß die Bemerkungen
über die Stellung der Kommunisten zu den verschiedenen Op-
positionsparteien (Abschnitt IV), wenn in den Grundzügen auch
heute noch richtig, doch in ihrer Ausführung heute schon deswegen
veraltet sind, weil die politische Lage sich total umgestaltet
und die geschichtliche Entwicklung die meisten der dort aufge-
zählten Parteien aus der Welt geschafft hat.
Indes, das "Manifest" ist ein geschichtliches Dokument, an dem zu
ändern wir uns nicht mehr das Recht zuschreiben. Eine spätere
Ausgabe erscheint vielleicht begleitet von einer den Abstand von
1847 bis jetzt überbrückenden Einleitung; der vorliegende Abdruck
kam uns zu unerwartet, um uns Zeit dafür zu lassen.
London, 24. Juni 1872
Karl Marx Friedrich Engels
Nach: "Das kommunistische Manifest",
neue Ausgabe mit einem Vorwort
der Verfasser, Leipzig 1872.
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1*) Vgl. Band 17 unserer Ausgabe, S. 335/336
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