Quelle: MEW 23 Das Kapital - Erster Band
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#181# 4. Kapitel - Verwandlung von Geld in Kapital
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3. Kauf und Verkauf der Arbeitskraft
Die Wertveränderung ds Geldes, das sich in Kapital verwandeln
soll, kann nicht an diesem Geld selbst vorgehn, denn als Kaufmit-
tel und als Zahlungsmittel realisiert es nur den Preis der Ware,
die es kauft oder zahlt, während es, in seiner eignen Form ver-
harrend, zum Petrefakt von gleichbleibender Wertgröße erstarrt.
38) Ebensowenig kann die Veränderung aus dem zweiten Zirkulati-
onsakt, dem Wiederverkauf der Ware, entspringen, denn dieser Akt
verwandelt die Ware bloß aus der Naturalform zurück in die Geld-
form. Die Veränderung muß sich also zutragen mit der Ware, die im
ersten Akt G-W gekauft wird, aber nicht mit ihrem Wert, denn es
werden Äquivalente ausgetauscht, die Ware wird zu ihrem Werte be-
zahlt. Die Veränderung kann also nur entspringen aus ihrem Ge-
brauchswert als solchem, d.h. aus ihrem Verbrauch. Um aus dem
Verbrauch einer Ware Wert herauszuziehn, müßte unser Geldbesitzer
so glücklich sein, innerhalb der Zirkulationssphäre, auf dem
Markt, eine Ware zu entdecken, deren Gebrauchswert selbst die ei-
gentürnliche Beschaffenheit besäße, Quelle von Wert zu sein, de-
ren wirklicher Verbrauch also selbst Vergegenständlichung von Ar-
beit wäre, daher Wertschöpfung. Und der Geldbesitzer findet auf
dem Markt eine solche spezifische Ware vor - das Arbeitsvermögen
oder die Arbeitskraft.
Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen verstehen wir den Inbe-
griff der physischen und geistigen Fähigkeiten, die in der Leib-
lichkeit, der lebendigen Persönlichkeit eines Menschen existieren
und die er in Bewegung setzt, sooft er Gebrauchswerte irgendeiner
Art produziert.
Damit jedoch der Geldbesitzer die Arbeitskraft als Ware auf dem
Markt vorfinde, müssen verschiedne Bedingungen erfüllt sein. Der
Warenaustausch schließt an und für sich keine andren Abhängig-
keitsverhältnisse
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Instanz durch den Wert der Ware? Ich sage "in letzter Instanz",
weil die Durchschnittspreise nicht direkt mit den Waßen der Waren
zusammenfallen, wie A. Smith, Ricardo usw. glauben.
38) "In der Form von Geld... erzeugt das Kapital keinen Profit."
(Ricardo, "Princ. of Pol. Econ.", p. 267.)
#182# II. Abschnitt - Die Verwandlung von Geld in Kapital
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ein als die aus seiner eignen Natur entspringenden. Unter dieser
Voraussetzung kann die Arbeitskraft als Ware nur auf dem Markt
erscheinen, sofern und weil sie von ihrem eignen Besitzer, der
Person, deren Arbeitskraft sie ist, als Ware feilgeboten oder
verkauft wird. Damit ihr Besitzer sie als Ware verkaufe, muß er
über sie verfügen können, also freier Eigentümer seines Arbeits-
vermögens, seiner Person sein. 39) Er und der Geldbesitzer begeg-
nen sich auf dem Markt und treten in Verhältnis zueinander als
ebenbürtige Warenbesitzer, nur dadurch unterschieden, daß der
eine Käufer, der andre Verkäufer, beide also juristisch gleiche
Personen sind. Die Fortdauer dieses Verhältnis erheischt, daß der
Eigentümer der Arbeitskraft sie stets nur für bestimmte Zeit ver-
kaufe, denn verkauft er sie in Bausch und Bogen, ein für allemal,
so verkauft er sich selbst, verwandelt sich aus einem Freien in
einen Sklaven, aus einem Warenbesitzer in eine Ware. Er als Per-
son muß sich beständig zu seiner Arbeitskraft als seinem Eigentum
und daher seiner eignen Ware verhalten, und das kann er nur, so-
weit er sie dem Käufer stets nur vorübergehend, für einen be-
stimmten Zeittermin, zur Verfügung stellt, zum Verbrauch über-
läßt, also durch ihre Veräußerung nicht auf sein Eigentum an ihr
verzichtet. 40)
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39) In Realenzyklopädien des klassischen Altrns kann man den Un-
sinn lesen, daß in der antiken Welt das Kapital völlig entwickelt
war, "außer daß der freie Arbeiter und das Kreditwesen fehlten".
Auch Herr Mommsen in seiner "Römischen Geschichte" begeht ein
Quidproquo über das andre.
40) Verschiedne Gesetzgebungen setzen daher ein Maximum für den
Arbeitskontrakt fest. Alle Gesetzbücher bei Völkern freier Arbeit
regeln Kündigungsbedingungen des Kontrakts. In verschiednen Län-
dern, namentlich in Mexiko (vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg
auch in den von Mexiko losgerissenen Territorien, und der Sache
nach bis zu Kusas Umwälzung [55] in den Donauprovinzen), ist die
Sklaverei unter der Form von Peonage versteckt. Durch Vorschüsse,
die in Arbeit abzutragen und sich von Generation zu Generation
fortwälzen, wird nicht nur der einzelne Arbeiter, sondern seine
Familie tatsächlich das Eigentum andrer Personen und ihrer Fami-
lien.
Juárez hatte die Peonage abgeschafft. Der sogenannte Kaiser Maxi-
milian führte sie wieder ein durch ein Dekret, das im Repräsen-
tantenhaus zu Washington treffend als Dekret zur Wiedereinführung
der Sklaverei in Mexiko denunziert ward. "Von meinen besondren
körperlichen und geistigen Geschicklichkeiten und Möglichkeiten
der Tätigkeit kann ich... einen in der Zeit beschränkten Gebrauch
an einen andren veräußern, weil sie nach dieser Beschränkung ein
äußerliches Verhältnis zu meiner Totalität und Allgemeinheit er-
halten. Durch die Veräußerung meiner ganzen durch die Arbeit kon-
kreten Zeit und der Totalität meiner Produktion würde ich das
Substantielle derselben, meine allgemeine Tätigkeit und Wirklich-
keit, meine Persönlichkeit zum Eigentum eines andren machen."
(Hegel, "Philosophie des Rechts", Berlin 1840, p. 104, Paragr.
67.)
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Die zweite wesentliche Bedingung, damit der Geldbesitzer die Ar-
beitskraft auf dem Markt als Ware vorfinde, ist die, daß ihr Be-
sitzer, statt Waren verkaufen zu können, worin sich seine Arbeit
vergegenständlicht hat, vielmehr seine Arbeitskraft selbst, die
nur in seiner lebendigen Leiblichkeit existiert, als Ware feil-
bieten muß.
Damit jemand von seiner Arbeitskraft unterschiedne Waren ver-
kaufe, muß er natürlich Produktionsmittel besitzen, z.B. Roh-
stoffe, Arbeitsinstrumente usw. Er kann keine Stiefel machen ohne
Leder: Er bedarf außerdem Lebensmittel. Niemand, selbst kein Zu-
kunftsmusikant, kann von Produkten der Zukunft zehren, also auch
nicht von Gebrauchswerten, deren Produktion noch unfertig, und
wie am ersten Tage seiner Erscheinung auf der Erdbühne, muß der
Mensch noch jeden Tag konsumieren, bevor und während er produ-
ziert. Werden die Produkte als Waren produziert, so müssen sie
verkauft werden, nachdem sie produziert sind, und können die Be-
dürfnisse des Produzenten erst nach dem Verkauf befriedigen. Zur
Produktionszeit kommt die für den Verkauf nötige Zeit hinzu.
Zur Verwandlung von Geld in Kapital muß der Geldbesitzer also den
freien Arbeiter auf dem Warenmarkt vorfinden, frei in dem Doppel-
sinn, daß er als freie Person über seine Arbeitskraft als seine
Ware verfügt, daß er andrerseits andre Waren nicht zu verkaufen
hat, los und ledig, frei ist von allen zur Verwirklichung seiner
Arbeitskraft nötigen Sachen.
Die Frage, warum dieser freie Arbeiter ihm in der Zirkulations-
sphäre gegenübertritt, interessiert den Geldbesitzer nicht, der
den Arbeitsmarkt als eine besondre Abteilung des Warenmarkts vor-
findet. Und einstweilen interessiert sie uns ebensowenig. Wir
halten theoretisch an der Tatsache fest, wie der Geldbesitzer
praktisch. Eins jedoch ist klar. Die Natur produziert nicht auf
der einen Seite Geld- oder Warenbesitzer und auf der andren bloße
Besitzer der eignen Arbeitskräfte. Dies Verhältnis ist kein na-
turgeschichtliches und ebensowenig ein gesellschaftliches, das
allen Geschichtsperioden gemein wäre. Es ist offenbar selbst das
Resultat einer vorhergegangenen historischen Entwicklung, das
Produkt vieler ökonomischen Umwälzungen, des Untergangs einer
ganzen Reihe älterer Formationen der gesellschaftlichen Produk-
tion.
Auch die ökonomischen Kategorien, die wir früher betrachtet, tra-
gen ihre geschichtliche Spur. Im Dasein des Produkts als Ware
sind bestimmte historische Bedingungen eingehüllt. Um Ware zu
werden, darf das Produkt nicht als unmittelbares Subsistenzmittel
für den Produzenten selbst produziert werden. Hätten wir weiter
geforscht: Unter welchen Umständen nehmen alle oder nimmt auch
nur die Mehrzahl der Produkte die Form der
#184# II. Abschnitt - Die Verwandlung von Geld in Kapital
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Ware an, so hätte sich gefunden, daß dies nur auf Grundlage einer
ganz spezifischen, der kapitalistischen Produktionsweise, ge-
schieht. Eine solche Untersuchung lag jedoch der Analyse der Ware
fern. Warenproduktion und Warenzirkulation können stattfinden,
obgleich die weit überwiegende Produktenmasse, unmittelbar auf
den Selbstbedarf gerichtet, sich nicht in Ware verwandelt, der
gesellschaftliche Produktionsprozeß also noch lange nicht in sei-
ner ganzen Breite und Tiefe vom Tauschwert beherrscht ist. Die
Darstellung des Produkts als Ware bedingt eine so weit entwic-
kelte Teilung der Arbeit innerhalb der Gesellschaft, daß die
Scheidung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert, die im unmittel-
baren Tauschhandel erst beginnt, bereits vollzogen ist. Eine sol-
che Entwicklungsstufe ist aber den geschichtlich verschiedensten
ökonomischen Gesellschaftsformationen gemein. Oder betrachten wir
das Geld, so setzt es eine gewisse Höhe des Warenaustausches vor-
aus. Die besondren Geldformen, bloßes Warenäquivalent oder Zirku-
lationsmittel oder Zahlungsmittel, Schatz und Weltgeld, deuten,
je nach dem verschiednen Umfang und dem relativen Vorwiegen einer
oder der andren Funktion, auf sehr verschiedne Stufen des gesell-
schaftlichen Produktionsprozesses. Dennoch genügt erfahrungsmäßig
eine relativ schwach entwickelte Warenzirkulation zur Bildung al-
ler dieser Formen. Anders mit dem Kapital. Seine historischen
Existenzbedingungen sind durchaus nicht da mit der Waren- und
Geldzirkulation. Es entsteht nur, wo der Besitzer von Produkti-
ons- und Lebensmitteln den freien Arbeiter als Verkäufer seiner
Arbeitskraft auf dem Markt vorfindet, und diese eine historische
Bedingung umschließt eine Weltgeschichte. Das Kapital kündigt da-
her von vornherein eine Epoche des gesellschaftlichen Produkti-
onsprozesses an. 41)
Diese eigentümliche Ware, die Arbeitskraft, ist nun näher zu be-
trachten.
Gleich allen andren Waren besitzt sie einen Wert. 42) Wie wird er
bestimmt?
Der Wert der Arbeitskraft, gleich dem jeder andren Ware, ist be-
stimmt durch die zur Produktion, also auch Reproduktion, dieses
spezifischen Artikels notwendige Arbeitszeit. Soweit sie Wert,
repräsentiert die Arbeitskraft
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41) Was also die kapitalistische Epoche charakterisiert, ist, daß
die Arbeitskraft für den Arbeiter selbst die Form einer ihm gehö-
rigen Ware, seine Arbeit daher die Form der Lohnarbeit erhält.
Andrerseits verallgemeinert sich erst von diesem Augenblick die
Warenform der Arbeitsprodukte.
42) "Der Wert eines Mannes ist wie der aller anderen Dinge gleich
seinem Preis: das will besagen, so viel, wie für den Gebrauch
seiner Kraft gezahlt wird." (Th. Hobbes, "Leviathan", in "Works",
edit. Molesworth, London 1839-1844, v. III, p. 76.)
#185# 4. Kapitel - Verwandlung von Geld in Kapital
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selbst nur ein bestimmtes Quantum in ihr vergegenständlichter ge-
sellschaftlicher Durchschnittsarbeit. Die Arbeitskraft existiert
nur als Anlage des lebendigen Individuums. Ihre Produktion setzt
also seine Existenz voraus. Die Existenz des Individuums gegeben,
besteht die Produktion der Arbeitskraft in seiner eignen Repro-
duktion oder Erhaltung. Zu seiner Erhaltung bedarf das lebendige
Individuum einer gewissen Summe von Lebensmitteln. Die zur Pro-
duktion der Arbeitskraft notwendige Arbeitszeit löst sich also
auf in die zur Produktion dieser Lebensmittel notwendige Ar-
beitszeit, oder der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur
Erhaltung ihres Besitzers notwendigen Lebensmittel. Die Arbeits-
kraft verwirklicht sich jedoch nur durch ihre Äußerung, betätigt
sich nur in der Arbeit. Durch ihre Betätigung, die Arbeit, wird
aber ein bestimmtes Quantum von menschlichem Muskel, Nerv, Hirn
usw. verausgabt, das wieder ersetzt werden muß. Diese vermehrte
Ausgabe bedingt eine vermehrte Einnahme. 43) Wenn der Eigentümer
der Arbeitskraft heute gearbeitet hat, muß er denselben Prozeß
morgen unter denselben Bedingungen von Kraft und Gesundheit wie-
derholen können. Die Summe der Lebensmittel muß also hinreichen,
das arbeitende Individuum als arbeitendes Individuum in seinem
normalen Lebenszustand zu erhalten. Die natürlichen Bedürfnisse
selbst, wie Nahrung, Kleidung, Heizung, Wohnung usw., sind ver-
schieden je nach den klimatischen und andren natürlichen Eigen-
tümlichkeiten eines Landes. Andrerseits ist der Umfang sog. not-
wendiger Bedürfnisse, wie die Art ihrer Befriedigung, selbst ein
historisches Produkt und hängt daher großenteils von der Kultur-
stufe eines Landes, unter andrem auch wesentlich davon ab, unter
welchen Bedingungen, und daher mit welchen Gewohnheiten und Le-
bensansprüchen die Klasse der freien Arbeiter sich gebildet hat.
44) Im Gegensatz zu den andren Waren enthält also die Wertbestim-
mung der Arbeitskraft ein historisches und moralisches Element.
Für ein bestimmtes Land, zu einer bestimmten Periode jedoch, ist
der Durchschnitts-Umkreis der notwendigen Lebensmittel gegeben.
Der Eigentümer der Arbeitskraft ist sterblich. Soll also seine
Erscheinung auf dem Markt eine kontinuierliche sein, wie die kon-
tinuierliche Verwandlung von Geld in Kapital voraussetzt, so muß
der Verkäufer der Arbeitskraft sich verewigen, wie jedes leben-
dige Individuum sich verewigt,
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43) Der altrömische villicus, als Wirtschafter an der Spitze der
Ackerbausklaven, empfing daher, weil er leichtere Arbeit hat als
die Knechte, knapperes Maß als diese", (Th. Mommsen, "Röm. Ge-
schichte", 1856, p.810.)
44) Vgl. "Over-Population and its Remedy", London 1846, von W.
Th. Thornton.
#186# II. Abschnitt - Die Verwandlung von Geld in Kapital
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durch Fortpflanzung" 45). Die durch Abnutzung und Tod dem Markt
entzogenen Arbeitskräfte müssen zum allermindesten durch eine
gleiche Zahl neuer Arbeitskräfte beständig ersetzt werden. Die
Summe der zur Produktion der Arbeitskraft notwendigen Lebensmit-
tel schließt also die Lebens, mittel der Ersatzmänner ein, d.h.
der Kinder der Arbeiter, so daß sich diese Race eigentümlicher
Warenbesitzer auf dem Warenmarkte verewigt. 46) Um die allgemein
menschliche Natur so zu modifizieren, daß sie Geschick und Fer-
tigkeit in einem bestimmten Arbeitszweig erlangt, entwickelte und
spezifische Arbeitskraft wird, bedarf es einer bestimmten Bildung
oder Erziehung, welche ihrerseits eine größere oder geringere
Summe von Warenäquivalenten kostet. Je nach dem mehr oder minder
vermittelten Charakter der Arbeitskraft sind ihre Bildungskosten
verschieden.
Diese Erlernungskosten, verschwindend klein für die gewöhnliche
Arbeitskraft, gehn also ein in den Umkreis der zu ihrer Produk-
tion verausgabten Werte.
Der Wert der Arbeitskraft löst sich auf in den Wert einer be-
stimmten Summe von Lebensmitteln. Er wechselt daher auch mit dem
Wert dieser Lebensrruttel, d.h. der Größe der zu ihrer Produktion
erheischten Arbeitszeit.
Ein Teil der Lebensmittel, z.B. Nahrungsmittel, Heizungsmittel
usw., werden täglich neu verzehrt und müssen täglich neu ersetzt
werden. Andre Lebensmittel, wie Kleider, Möbel usw., verbrauchen
sich in längeren Zeiträumen und sind daher nur in längeren
Zeiträumen zu ersetzen. Waren einer Art müssen täglich, andre wö-
chentlich, vierteljährlich usf. gekauft oder gezahlt werden. Wie
sich die Summe dieser Ausgaben aber immer während eines Jahres
z.B. verteilen möge, sie muß gedeckt sein durch die Durchschnitt-
seinnahme tagein, tagaus. Wäre die Masse der täglich zur Produk-
tion der Arbeitskraft erheischten Waren = A, die der wöchentlich
erheischten = B, die der vierteljährlich erheischten = C usw., so
wäre der tägliche Durchschnitt dieser Waren 365 A + 52 B + 4 C +
usw. / 365. Gesetzt, in dieser für den Durchschnitten nötigen Wa-
renmasse steckten 6 Stunden gesellschaftlicher Arbeit, so verge-
genständlicht sich in der Arbeitskraft
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45) Petty.
46) "Ihr" (der Arbeit) "natürlicher Preis... besteht in einer
solchen Menge von Subsistenzmitteln und Dingen der Bequemlich-
keit, wie sie entsprechend dem Klima und den Gewohnheiten eines
Landes notwendig sind, um den Arbeiter zu erhalten und es ihm zu
ermöglichen, eine Familie aufzuziehen, die auf dem Markt ein un-
vermindertes Angebot von Arbeit zu sichern vermag." - (R. Tor-
rens, "An Essay on the external Corn Trade", London 1815, p.62.)
Das Wort Arbeit steht hier fälschlich für Arbeitskraft.
#187# 4. Kapitel - Verwandlung von Geld in Kapital
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täglich ein halber Tag gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit,
oder ein halber Arbeitstag ist zur täglichen Produktion der Ar-
beitskraft erheischt. Dies zu ihrer täglichen Produktion
erheischte Arbeitsquantum bildet den Tageswert der Arbeitskraft
oder den Wert der täglich reproduzierten Arbeitskraft. Wenn sich
ein halber Tag gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit ebenfalls
in einer Goldmasse von 3 sh. oder einem Taler darstellt, so ist
ein Taler der dem Tageswert der Arbeitskraft entsprechende Preis.
Bietet der Besitzer der Arbeitskraft sie feil für einen Taler
täglich, so ist ihr Verkaufspreis gleich ihrem Wert und, nach un-
srer Voraussetzung, zahlt der auf Verwandlung seiner Taler in Ka-
pital erpichte Geldbesitzer diesen Wert.
Die letzte Grenze oder Minimalgrenze des Werts der Arbeitskraft
wird gebildet durch den Wert einer Warenmasse, ohne deren tägli-
che Zufuhr der Träger der Arbeitskraft, der Mensch, seinen Le-
bensprozeß nicht erneuern kann, also durch den Wert der physisch
unentbehrlichen Lebensmittel. Sinkt der Preis der Arbeitskraft
auf dieses Minimum, so sinkt er unter ihren Wert, denn sie kann
sich so nur in verkümmerter Form erhalten und entwickeln. Der
Wert jeder Ware ist aber bestimmt durch die Arbeitszeit, erfor-
dert, um sie in normaler Güte zu liefern.
Es ist eine außerordentlich wohlfeile Sentimentalität, diese aus
der Natur der Sache fließende Wertbestimmung der Arbeitskraft
grob zu finden und etwa mit Rossi zu jammern:
"Das Arbeitsvermögen (puissance de travail) begrifen, während man
von den Subsistenzmitteln der Arbeit während des Produktionspro-
zesses abstrahiert, heißt ein Hirngespinst (être de raison) be-
greifen. Wer Arbeit sagt, wer Arbeitsvermögen sagt, sagt zugleich
Arbeiter und Subsistenzmittel, Arbeiter und Arbeitslohn." 47)
Wer Arbeitsvermögen sagt, sagt nicht Arbeit, so wenig als wer
Verdauungsvermögen sagt, Verdauen sagt. Zum letztren Prozeß ist
bekanntlich mehr als ein guter Magen erfordert. Wer Arbeitsvermö-
gen sagt, abstrahiert nicht von den zu seiner Subsistenz notwen-
digen Lebensmitteln. Ihr Wert ist vielmehr ausgedrückt in seinem
Wert. Wird es nicht verkauft, so nützt es dem Arbeiter nichts, so
empfindet er es vielmehr als eine grausame Naturnotwendigkeit,
daß sein Arbeitsvermögen ein bestimmtes Quantum Subsistenzmittel
zu seiner Produktion erheischt hat und stets wieder von neuem zu
seiner Reproduktion erheischt. Er entdeckt dann mit Sismondi:
"Das Arbeitsvermögen... ist nichts, wenn es nicht verkauft wird"
48).
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47) Rossi, "Cours d'Écon. Polit.", Bruxelles 1843, p. 370, 371.
48) Sismondi, "Nouv. Princ. etc.", t.I,p. 113.
#188# II. Abschnitt - Die Verwandlung von Geld in Kapital
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Die eigentümliche Natur dieser spezifischen Ware, der Arbeits-
kraft, bringt es mit sich, daß mit der Abschließung des Kontrakts
zwischen Käufer und Verkäufer ihr Gebrauchswert noch nicht wirk-
lich in die Hand des Käufers übergegangen ist. Ihr Wert, gleich
dem jeder andren Ware, war bestimmt, bevor sie in die Zirkulation
trat, denn ein bestimmtes Quantum gesellschaftlicher Arbeit ward
zur Produktion der Arbeitskraft verausgabt, aber ihr Gebrauchs-
wert besteht erst in der nachträglichen Kraftäußerung. Die Veräu-
ßerung der Kraft und ihre wirkliche Äußerung, d.h. ihr Dasein als
Gebrauchswert, fallen daher der Zeit nach auseinander. Bei sol-
chen Waren aber 49), wo die formelle Veräußerung des Gebrauchs-
werts durch den Verkauf und seine wirkliche Überlassung an den
Käufer der Zeit nach auseinanderfallen, funktioniert das Geld des
Käufers meist als Zahlungsmittel. In allen Ländern kapitalisti-
scher Produktionsweise wird die Arbeitskraft erst gezahlt, nach-
dem sie bereits während des im Kaufkontrakt festgesetzten Termins
funktioniert hat, z.B. am Ende jeder Woche. Überall schießt daher
der Arbeiter dem Kapitalisten den Gebrauchswert der Arbeitskraft
vor; er läßt sie vom Käufer konsumieren, bevor er ihren Preis be-
zahlt erhält, überall kreditiert daher der Arbeiter dem Kapitali-
sten. Daß dies Kreditieren kein leerer Wahn ist, zeigt nicht nur
der gelegentliche Verlust des kreditierten Lohns beim Bankrott
des Kapitalisten 50), sondern auch eine Reihe mehr nachhaltiger
Wirkungen. 51) Indes ändert es an der Natur des Warenaustausches
selbst nichts, ob das Geld als Kaufmittel oder als Zahlungsmittel
funktioniert. Der Preis der Arbeitskraft ist kontraktlich festge-
setzt, obgleich er erst hinterher realisiert wird, wie der Miet-
preis eines Hauses. Die Arbeitskraft ist verkauft, obgleich sie
erst hinterher bezahlt wird. Für die reine Auffassung des Ver-
hältnisses ist es jedoch nützlich, einstweilen vorauszusetzen,
daß der Besitzer der Arbeitskraft mit ihrem Verkauf jedesmal auch
sogleich den kontraktlich stipulierten Preis erhält.
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49) "Alle Arbeit wird bezahlt, nachdem sie beendet ist." ("An In-
quiry into those Principles, respecting the Nature of Demand
etc.", p.104.) "Der kaufmännische Kredit mußte in dem Moment an-
fangen, in dem der Arbeiter, der erste Schöpfer der Produktion,
auf Grund seiner Ersparnisse in der Lage war, auf den Lohn seiner
Arbeit bis zum Ende von ein bis zwei Wochen, eines Monats, eines
Vierteljahres usw. zu warten." (Ch. Ganilh, "Des Systèmes d'Écon.
Polit.", 2ème édit., Paris 1821, t.II,p. 150.)
50) "Der Arbeiter leiht seinen Fleiß", aber, setzt Storch schlau
hinzu: "er riskiert nichts", außer "seinen Lohn zu verlieren...
der Arbeiter überträgt nichts Materielles". (Storch, Cours
d'Écon. Polit.", Pétersbourg 1815, t.II,p. 36, 37.)
51) Ein Beispiel. In ndon existieren zweierlei Sorten von Bäc-
kern, die "full priced", die das Brot zu seinem vollen Werte ver-
kaufen, und die "undersellers", die es
#189# 4. Kapitel - Verwandlung von Geld in Kapital
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Wir kennen nun die Art und Weise der Bestimmung des Werts, wel-
cher dem Besitzer dieser eigentümlichen Ware, der Arbeitskraft,
vom Geldbesitzer gezahlt wird. Der Gebrauchswert, den letztrer
seinerseits im Austausch erhält, zeigt sich erst im wirklichen
Verbrauch, im Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft. Alle zu diesem
Prozeß nötigen Dinge, wie Rohmaterial usw., kauft der Geldbesit-
zer auf dem Warenmarkt und zahlt sie zum vollen Preis. Der Kon-
sumtionsprozeß der Arbeitskraft ist zugleich der Produktionspro-
zeß von Ware und von Mehrwert. Die Konsumtion der Arbeitskraft,
gleich der Konsumtion jeder andren Ware, vollzieht sich außerhalb
des Markts oder der Zirkulationssphäre. Diese geräuschvolle, auf
der Oberfläche hausende und aller Augen zugängliche Sphäre ver-
lassen wir daher, zusammen mit Geldbesitzer und Arbeitskraftbe-
sitzer, um beiden nachzufolgen in die verborgne Stätte der Pro-
duktion, an deren Schwelle zu lesen steht: No admittance except
on business. 2*) Hier wird sich zeigen, nicht nur wie das Kapital
produziert, sondern auch wie man es selbst produziert, das Kapi-
tal. Das Geheimnis der Plusmacherei muß sich endlich enthüllen.
Die Sphäre der Zirkulation oder des Warenaustausches, innerhalb
deren Schranken Kauf und Verkauf der Arbeitskraft sich bewegt,
war in der Tat ein wahres Eden der angebernen Menschenrechte. Was
allein hier herrscht, ist Freiheit, Gleichheit, Eigentum und
Bentham. Freiheit! Denn Käufer
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unter diesem Werte verkaufen. Letztere Klasse bildet über 3/4 der
Gesamtzahl der Bäcker (p. XXXII im "Report" des Regierungskom-
missärs H.S. Tremenheere über die "Grievances complained of by
the journeymen bakers etc.", London 1862). Diese undersellers
verkaufen, fast ausnahmslos, Brot, das verfälscht ist durch Bei-
mischung von Alaun, Seife, Perlasche, Kalk, Derbyshire-Steinmehl
und ähnlichen angenehmen, nahrhaften und gesunden Ingredienzien.
(Sieh das oben zitierte Blaubuch, ebenso den Bericht des Commit-
tee of 1855 on the Adulteration of Bread" und Dr. Hassalls,
"Adulterations Detected", 2nd. edit., London 1861.) Sir John Gor-
don erklärte vor dem Komitee von 1855, daß "infolge dieser Fäl-
schungen der Arme, der von zwei Pfund Brot täglich lebt, jetzt
nicht den vierten Teil des Nahrungsstoffes wirklich erhält, abge-
sehn von den schädlichen Wirkungen auf seine Gesundheit". Als
Grund, warum "ein sehr großer Teil der Arbeiterklasse", obgleich
wohl unterrichtet über die Fälschungen, dennoch Alaun, Steinmehl
etc. mit in den Kauf nimmt, führt Tremenheere (l.c.p. XLVIII) an,
daß es für sie ein Ding der Notwendigkeit ist, von ihrem Bäcker
oder dem chandler's shop" das Brot zu nehmen, wie man es ihnen zu
geben beliebt". Da sie erst Ende der Arbeitswoche bezahlt werden,
können sie auch das während der Woche von ihren Familien ver-
zehrte Brot erst Ende der Woche zahlen"; und, fügt Tremenheere
mit
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1*) Kramladen - 2*) Eintritt nur in Geschäftsangelegenheiten
#190# II. Abschnitt - Die Verwandlung von Geld in Kapital
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und Verkäufer einer Ware, z.B. der Arbeitskraft, sind nur durch
ihren freien Willen bestimmt. Sie kontrahieren als freie, recht-
lich ebenbürtige Personen. Der Kontrakt ist das Endresultat,
worin sich ihre Willen einen gemeinsamen Rechtsausdruck geben.
Gleichheit! Denn sie beziehen sich nur als Warenbesitzer aufein-
ander und tauschen Äquivalent für Äquivalent.
Eigentum! Denn jeder verfügt nur über das Seine. Bentham! Denn
jedem von den beiden ist es nur um sich zu tun. Die einzige
Macht, die sie zusammen und in ein Verhältnis bringt, ist die
ihres Eigennutzes, ihres Sondervorteils, ihrer Privatinteressen.
Und eben weil so jeder nur für sich und keiner für den anderen
kehrt, vollbringen alle, infolge einer prästabilierten Harmonie
der Dinge oder unter den Auspizien einer allpfiffigen Vorsehung,
nur das Werk ihres wechselseitigen Vorteils, des Gemeinnutzens,
des Gesamtinteresses.
Beim Scheiden von dieser Sphäre der einfachen Zirkulation oder
des Warenaustausches, woraus der Freihändler vulgaris Anschauun-
gen, Begriffe
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Anführung der Zeugenaussagen hinzu: Es ist notorisch, daß mit
solchen Mixturen bereitetes Brot expreß für diese Art Kunden
gmacht wird." ("It is notorious that bread composed of those mix-
tures, is made expressly for sale in this manner.") "In vielen
chen Agrikulturdistrikten" (aber noch mehr in schottischen) "wird
der Arbeitslohn vierzehntägig und selbst monatlich gezahlt. Mit
diesen langen Zahlungsfristen muß der Agrikulturarbeiter seine
Waren auf Kredit kaufen... Er hat höhere Preise zu zahlen und ist
tatsächlich an die Boutique gebunden, die ihm pumpt. So kostet
ihm z.B. zu Horningsham in Wilts, wo die Löhnung monatlich, das-
selbe Mehl 2 sh. 4 d. per stone, das er sonstwo mit 1 sh. 10 d.
zahlt." ("Sixth Report" on "Public Health" by "The Medical Offi-
cer of the Privy Council etc.", 1864, p.264.) "Die Kattun-Hand-
drucker von Paisley und Klimarnock" (Westschottland) erzwangen
1853 durch einen strike 1*) die Herabsetzung des Zahlungstermins
von einem Monat auf 14 Tage." (Reports of the Inspectors of Fac-
tories for 1st Oct. 1853", p.34.) Als eine weitere artige Ent-
wicklung des Kredits, den der Arbeiter dem Kapitalisten gibt,
kann man die Methode vieler englischer Kohlenbergwerksbesitzer
betrachten, wonach der Arbeiter erst Ende des Monats bezahlt wird
und in der Zwischenzeit Vorschüsse vom Kapitalisten erhält, oft
in Waren, die er über ihren Marktpreis zahlen muß (Trucksystem).
"Es ist eine übliche Praxis der Kohlenherren, einmal im Monat
auszuzahlen und ihren Arbeitern am Ende jeder dazwischenliegenden
Woche Vorschuß zu geben. Dieser Vorschuß wird im Laden gegeben"
(nämlich dem tommy-shop oder dem Meister selbst gehörigen Kramla-
den). "Die Männer nehmen ihn auf der einen Seite des Ladens in
Empfang und geben ihn auf der anderen wieder aus." ("Children's
Employment Commission, III. Report", Lond. 1864, p. 38, n. 192.)
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1*) Streik
#191# 4. Kapitel - Verwandlung von Celd in Kapital
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und Maßstab für sein Urteil über die Gesellschaft des Kapitals
und der Lohnarbeit entlehnt, verwandelt sich, so scheint es,
schon in etwas die Physiognomie unsrer dramatis personae. Der
ehemalige Geldbesitzer schreitet voran als Kapitalist, der Ar-
beitskraftbesitzer folgt ihm nach als sein Arbeiter; der eine be-
deutungsvoll schmunzelnd und geschäftseifrig, der andre scheu,
widerstrebsam, wie jemand, der seine eigne Haut zu Markt getragen
und nun nichts andres zu erwarten hat als die - Gerberei.
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