Quelle: MEW 25 Das Kapital - Dritter Band
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#247# 14. Kapitel - Entgegenwirkende Ursachen
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V. Der auswärtige Handel
Soweit der auswärtige Handel teils die Elemente des konstanten
Kapitals, teils die notwendigen Lebensmittel, worin das variable
Kapital sich umsetzt, verwohlfellert, wirkt er steigernd auf die
Profitrate, indem er die Rate des Mehrwerts hebt und den Wert des
konstanten Kapitals senkt. Er wirkt überhaupt in diesem Sinn, in-
dem er erlaubt, die Stufenleiter der Produktion zu erweitern. Da-
mit beschleunigt er einerseits die Akkumulation, andrerseits aber
auch das Sinken des variablen Kapitals gegen das konstante und
damit den Fall der Profitrate. Ebenso ist die Ausdehnung des aus-
wärtigen Handels, obgleich in der Kindheit der kapitalistischen
Produktionsweise deren Basis, in ihrem Fortschritt, durch die in-
nere Notwendigkeit dieser Produktionsweise, durch ihr Bedürfnis
nach stets ausgedehnterm Markt, ihr eignes Produkt geworden. Es
zeigt sich hier wieder dieselbe Zwieschlächtigkeit der Wirkung.
(Ricardo hat diese Seite des auswärtigen Handels ganz übersehn.
[39])
Eine andre Frage - die in ihrer Spezialität eigentlich jenseits
der Grenze unsrer Untersuchung liegt - ist die. Wird die allge-
meine Profittate erhöht durch die höhere Profitrate, die das im
auswärtigen und namentlich im Kolonialhandel angelegte Kapital
macht? Kapitale, im auswärtigen Handel angelegt, können eine hö-
here Profitrate abwerfen, weil hier erstens mit Waren konkurriert
wird, die von andern Ländern mit mindren Produktionsleichtigkei-
ten produziert werden, so daß das fortgeschrittnere Land seine
Waren über ihrem Wert verkauft, obgleich
#248# III. 3. Abschnitt - Gesetz des tendenziellen Falls...
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wohlfeiler als die Konkurrenzländer. Sofern die Arbeit des fort-
geschrittnern Landes hier als Arbeit von höherm spezifischen Ge-
wicht verwertet wird, steigt die Profitrate, indem die Arbeit,
die nicht als qualltativ höhere bezahlt, als solche verkauft
wird. Dasselbe Verhältnis kann stattfinden gegen das Land, wohin
Waren gesandt und woraus Waren bezogen werden; daß dies nämlich
mehr vergegenständlichte Arbeit in natura gibt, als es erhält,
und daß es doch hierbei die Ware wohlfeller erhält, als es sie
selbst produzieren könnte. Ganz wie der Fabrikant, der eine neue
Erfindung vor ihrer Verallgemeinerung benutzt, wohlfeller ver-
kauft als seine Konkurrenten und dennoch über dem individuellen
Wert seiner Ware verkauft, d.h., die spezifisch höhere Produktiv-
kraft der von ihm angewandten Arbeit als Mehrarbeit verwertet. Er
realisiert so einen Surplusprofit. Was andrerseits die in Kolo-
nien etc. angelegten Kapitale betrifft, so können sie höhere Pro-
fitraten abwerfen, weil dort überhaupt wegen der niedrigen Ent-
wicklung die Profitrate höher steht, und ebenfalls, bei Anwendung
von Sklaven und Kulis etc., die Exploitation der Arbeit. Warum
nun die höhern Profitraten, die in gewissen Zweigen angelegte Ka-
pitale so abwerfen und nach der Heimat abführen, hier, wenn sonst
nicht Monopole im Wege stehn, nicht in die Ausgleichung der all-
gemeinen Profitrate eingehn und daher diese pro tanto erhöhn sol-
len, ist nicht abzusehn. 36) Es ist dies namentlich nicht abzu-
sehn, wenn jene Zweige der Kapitalanwendung unter den Gesetzen
der freien Konkurrenz stehn. Was Ricardo dagegen vorschwebt, ist
namentlich dies: mit dem im Ausland erzielten höheren Preis wer-
den dort Waren gekauft und als Retour nach Hause geschickt; diese
Waren werden also im Inland verkauft, und es kann dies daher
höchstens eine temporäre Extrabevortellung dieser begünstigten
Sphären der Produktion über andte ausmachen. Dieser Schein fällt
weg, sobald von der Geldform abgesehn wird. Das begünstigte Land
erhält mehr Arbeit zurück im Austausch für weniger Arbeit, ob-
gleich diese Differenz, dies Mehr, wie beim Austausch zwischen
Arbeit und Kapital überhaup, von einer gewissen Klasse eingesackt
wird. Soweit also die Profitrate höher ist, weil sie überhaupt
höher in dem Kolonialland, mag dies bei günstigen Naturbedingun-
gen desselben mit niedren Warenpreisen Hand in Hand gehn. Aus-
gleichung findet statt, aber nicht Ausgleichung zum alten Niveau,
wie Ricardo meint.
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36) A. Smith hat hier recht gegen Ricardo, welcher sagt: Sie be-
haupten, daß die Gleichheit der Profite durch das allgemeine
Steigen der Profite zustande gebracht werden wird; und ich bin
der Meinung, daß die Profite des bevorzugten Gewerbes schnell auf
den allgemeinen Stand sinken werden." ("Works", ed. MacCulloch,
p. 73.)
#249# 14. Kapitel - Entgegenwirkende Ursachen
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Derselbe auswärtige Handel aber entwickelt im Inland die kapita-
listische Produktionsweise, und damit die Abnahme des variablen
Kapitals gegenüber dem konstanten, und produziert auf der andern
Seite Überproduktion mit Bezug auf das Ausland, hat daher auch
wieder im weitern Verlauf die entgegengesetzte Wirkung.
Und so hat sich denn im allgemeinen gezeigt, daß dieselben Ursa-
chen, die das Fallen der allgemeinen Profitrate hervorbringen,
Gegenwirkungen hervorrufen, die diesen Fall hemmen, verlangsamen
und teilweise paralysieren. Sie heben das Gesetz nicht auf,
schwächen aber seine Wirkung ab. Ohne das wäre nicht das Fallen
der allgemeinen Profitrate unbegreiflich, sondern umgekehrt die
relative Langsamkeit dieses Falls. So wirkt das Gesetz nur als
Tendenz, dessen Wirkung nur unter bestimmten Umständen und im
Verlauf langer Perioden schlagend hervortritt.
Ehe wir nun weitergehn, wollen wir zur Vermeidung von Mißver-
ständnis noch zwei mehrfach entwickelte Sätze wiederholen.
Erstens: Derselbe Prozeß, der die Verwohlfellerung der Waren im
Entwicklungsgang der kapitalistischen Produktionsweise erzeugt,
erzeugt eine Veränderung in der organischen Zusammensetzung des
zur Produktion der Waren angewandten gesellschaftlichen Kapitals
und infolgedessen den Fall der Profitrate. Man muß also die Ver-
minderung der relativen Kost der einzelnen Ware, auch des Teils
dieser Kost, der Verschleiß von Maschinerie enthält, nicht iden-
tifizieren mit dem steigenden Wert des konstanten Kapitals, verg-
lichen mit dem variablen, obgleich umgekehrt jede Verminderung in
der relativen Kost des konstanten Kapitals, bei gleichbleibendem
oder wachsendem Umfang seiner stofflichen Elemente, auf die Erhö-
hung der Profitrate, d.h. auf Verminderung pro tanto im Wert des
konstanten Kapitals, verglichen mit dem in sinkenden Proportionen
angewandten variablen Kapital, wirkt.
Zweitens: Der Umstand, daß in den einzelnen Waren, aus deren Ge-
samtheit das Produkt des Kapitals besteht, die enthaltne zusätz-
liche lebendige Arbeit in einem abnehmenden Verhältnis zu den in
ihnen enthaltnen Arbeitsstoffen und den in ihnen konsumierten Ar-
beitsmitteln steht; der Umstand also, daß ein stets abnehmendes
Quantum zusätzlicher lebendiger Arbeit in ihnen vergegenständ-
licht ist, weil weniger Arbeit zu ihrer Produktion erheischt mit
Entwicklung der gesellschaftlichen Produktionskraft - dieser Um-
stand trifft nicht das Verhältnis, worin sich die in der Ware
enthaltne lebendige Arbeit in bezahlte und unbezahlte teilt. Um-
gekehrt. Obgleich das Gesamtquantum der in ihr enthaltnen zusätz-
lichen lebendigen Arbeit fällt, wächst der unbezahlte Teil im
Verhältnis zum bezahlten, entweder
#250# III. Abschnitt - Gesetz des tendenziellen Falls...
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durch absolutes oder propertionelles Sinken des bezahlten Teils;
denn dieselbe Produktionsweise, die die Gesamtmasse der zusätzli-
chen lebendigen Arbeit in einer Ware vermindert, ist begleitet
vom Steigen des absoluten und relativen Mehrwerts. Das tenden-
zielle Sinken der Profitrate ist verbunden mit einem tendenziel-
len Steigen in der Rate des Mehrwerts, also im Exploitationsgrad
der Arbeit. Nichts alberner daher, als das Sinken der Profitrate
aus einem Steigen in der Rate des Arbeitslohns zu erklären, ob-
gleich auch dies ausnahmsweise der Fall sein mag. Die Statistik
wird erst durch Verständnis der Verhältnisse, die die Profitrate
bilden, befähigt, wirkliche Analysen über die Rate des Arbeits-
lohns in verschiednen Epochen und Ländern vorzunehmen. Die Pro-
fitrate fällt nicht, weil die Arbeit unproduktiver, sondern weil
sie produktiver wird. Beides, Steigen der Rate des Mehrwerts und
Fallen der Rate des Profits, sind nur besondre Formen, worin sich
wachsende Produktivität der Arbeit kapitalistisch ausdrückt.
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