Quelle: MEW 25 Das Kapital - Dritter Band
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#257# 15. Kapitel - Entfaltung der inneren Widersprüche...
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II. Konflikt zwischen Ausdehnung der Produktion und Verwertung
Die Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit
zeigt sich doppelt: Erstens in der Größe der schon produzierten
Produktivkräfte, in dem Wertumfang und Massenumfang der Produkti-
onsbedingungen, worunter die Neuproduktion stattfindet, und in
der absoluten Größe des schon akkumulierten produktiven Kapitals;
zweitens in der verhältnismäßigen Kleinheit des im Arbeitslohn
ausgelegten Kapitalteils gegen das Gesamtkapital, d.h. in der
verhältnismäßigen Kleinheit der lebendigen Arbeit, die zur Repro-
duktion und Verwertung eines gegebnen Kapitals, zur Massenproduk-
tion erheischt ist. Es unterstellt dies zugleich Konzentration
des Kapitals. Mit Bezug auf die angewandte Arbeitskraft zeigt
sich die Entwicklung der Produktivkraft wieder doppelt: Erstens
in der Vermehrung der Mehrarbeit, d.h. der Abkürzung der notwen-
digen Arbeitszeit, die zur Reproduktion der Arbeitskraft
erheischt ist. Zweitens in der Abnahme der Menge von Arbeitskraft
(Arbeiterzahl), die überhaupt angewandt wird, um ein gegebnes Ka-
pital in Bewegung zu setzen.
Beide Bewegungen gehn nicht nur Hand in Hand, sondern bedingen
sich wechselseitig, sind Erscheinungen, worin sich dasselbe Ge-
setz ausdrückt. Indes wirken sie in entgegengesetzter Richtung
auf die Profitrate. Die Gesamtmasse des Profits ist gleich der
Gesamtmasse des Mehrwerts, die Profitrate = m/C = Mehr-
wert/Vorgeschoßnes Gesamtkapital. Der Mehrwert aber, als Gesamt-
betrag, ist bestimmt erstens durch seine Rate, zweitens aber
durch die Masse der zu dieser Rate gleichzeitig angewandten Ar-
beit, oder was dasselbe, durch die Größe des variablen Kapitals.
Nach der einen Seite hin steigt der eine Faktor, die Rate des
Mehrwerts; nach der andren fällt (verhältnismäßig oder absolut)
der andre Faktor, die Anzahl der Arbeiter. Soweit die Entwicklung
der Produktionskraft den bezahlten Teil der angewandten Arbeit
vermindert, steigert sie den Mehrwert, weil seine Rate; soweit
sie jedoch die Gesamtmasse der von einem gegebnen Kapital ange-
wandten Arbeit vermindert, vermindert sie den Faktor der Anzahl,
womit die Rate des Mehrwerts multipliziert wird, um seine Masse
herauszubringen. Zwei Arbeiter, die 12 Stunden täglich arbeiten,
können nicht dieselbe Masse Mehrwert liefern wie 24, die jeder
nur 2 Stunden arbeiten, selbst wenn sie von der Luft leben könn-
ten und daher gar nicht für sich selbst zu arbeiten hätten. In
dieser Beziehung hat also die Kompensation
#258# III. Abschnitt - Gesetz des tendenziellen Falls...
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der verringerten Arbeiterzahl durch Steigerung des Exploitations-
grads der Arbeit gewisse nicht überschreitbare Grenzen; sie kann
daher den Fall der Profitrate wohl hernmen, aber nicht aufheben.
Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise fällt
also die Rate des Profits, während seine Masse mit der zunehmen-
den Masse des angewandten Kapitals steigt. Die Rate gegeben,
hängt die absolute Masse, worin das Kapital wächst, ab von seiner
vorhandnen Größe. Aber andrerseits diese Größe gegeben, hängt das
Verhältnis, worin es wächst, die Rate seines Wachstums, von der
Profitrate ab. Direkt kann die Steigerung der Produktivkraft (die
außerdem, wie erwähnt, stets mit Entwertung des vorhandnen Kapi-
tals Hand in Hand geht) die Wertgröße des Kapitals nur vermehren,
wenn sie durch Erhöhung der Profitrate den Werttell des jährli-
chen Produkts vermehrt, der in Kapital rückverwandelt wird. So-
weit die Produktivkraft der Arbeit in Betracht kommt, kann dies
nur geschehn (denn diese Produktivkraft hat direkt nichts zu tun
mit dem Wert des vorhandnen Kapitals), soweit dadurch entweder
der relative Mehrwert erhöht oder der Wert des konstanten Kapi-
tals vermindert wird, also die Waren verwohlfeilert werden, die
entweder in die Reproduktion der Arbeitskraft oder in die Ele-
mente des konstanten Kapitals eingehn. Beides schließt aber Ent-
wertung des vorhandnen Kapitals ein, und beides geht Hand in Hand
mit der Verminderung des variablen Kapitals gegenüber dem kon-
stanten. Beides bedingt den Fall der Profitrate und beides ver-
langsamt ihn. Sofern ferner gesteigerte Profitrate gesteigerte
Nachfrage nach Arbeit verursacht, wirkt sie auf Vermehrung der
Arbeiterbevölkerung und damit des exploitablen Materials, das das
Kapital erst zu Kapital macht.
Aber indirekt trägt die Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit
bei zur Vermehrung des vorhandnen Kapitalwerts, indem sie die
Masse und Mannigfaltigkeit der Gebrauchswerte vermehrt, worin
sich derselbe Tauschwert darstellt, und die das materielle Sub-
strat, die sachlichen Elemente des Kapitals bilden, die stoffli-
chen Gegenstände, woraus das konstante Kapital direkt und das va-
riable wenigstens indirekt besteht. Mit demselben Kapital und
derselben Arbeit werden mehr Dinge geschaffen, die in Kapital
verwandelt werden können, abgesehn von ihrem Tauschwert. Dinge,
die dazu dienen können, zusätzliche Arbeit einzusaugen, also auch
zusätzliche Mehrarbeit, und so zusätzliches Kapital zu bilden.
Die Masse Arbeit, die das Kapital kommandieren kann, hängt nicht
ab von seinem Wert, sondern von der Masse der Roh- und Hilfs-
stoffe, der Maschinerie und Elemente des fixen Kapitals, der Le-
bensmittel, woraus es zusammengesetzt ist, was immer deren Wert
sei. Indem damit die Masse der angewandten Arbeit,
#259# 15. Kapitel - Entfaltung der innern Widersprüche...
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als, auch Mehrarbeit, wächst, wächst auch der Wert des reprodu-
zierten Kapitals und der ihm neu zugesetzte Surpluswert. Diese
beiden - in Akkumulationsprozeß einbegriffnen Momente sind aber
nicht nur in dem ruhigen Nebeneinander zu betrachten, worin Ri-
cardo sie behandelt; sie schließen einen Widerspruch ein, der
sich in widersprechenden Tendenzen und Erscheinungen kundgibt.
Die widerstreitenden Agentien wirken gleichzeitig gegeneinander.
Gleichzeitig mit den Antrieben zur wirklichen Vermehrung der Ar-
beiterbevölkerung, die aus der Vermehrung des als Kapital wirken-
den Teils des gesellschaftlichen Gesamtprodukts stammen, wirken
die Agentlen, die eine nur relative Übervölkerung schaffen.
Gleichzeitig mit dem Fall der Profitrate wächst die Masse der Ka-
pitale, und geht Hand in Hand mit ihr eine Entwertung des vor-
handnen Kapitals, welche diesen Fall aufhält und der Akkumulation
von Kapitalwert einen beschleunigenden Antrieb gibt.
Gleichzeitig mit der Entwicklung der Produktivkraft entwickelt
sich die höhere Zusammensetzung des Kapitals, die relative Ab-
nahme des variablen Teils gegen den konstanten.
Diese verschiednen Einflüsse machen sich bald mehr nebeneinander
im Raum, bald mehr nacheinander in der Zeit geltend; periodisch
macht sich der Konflikt der widerstreitenden Agentlen in Krisen
Luft. Die Krisen sind immer nur momentane gewaltsame Lösungen der
vorhandnen Widersprüche, gewaltsame Eruptionen, die das gestörte
Gleichgewicht für den Augenblick wiederherstellen. Der Wider-
spruch, ganz allgemein ausgedruckt, besteht darin, daß die kapi-
talistische Produktionsweise eine Tendenz einschließt nach abso-
luter Entwicklung der Produktivkräfte, abgesehn vom Wert und dem
in ihm eingeschloßnen Mehrwert, auch abgesehn von den gesell-
schaftlichen Verhältnissen, innerhalb deren die kapitalistische
Produktion stattfindet; während sie andrerseits die Erhaltung des
existierenden Kapitalwerts und seine Verwertung im höchsten Maß
(d.h. stets beschleunigten Anwachs dieses Werts) zum Ziel hat.
Ihr spezifischer Charakter ist auf den vorhandnen Kapitalwert als
Mittel zur größtmöglichen Verwertung dieses Werts gerichtet. Die
Methoden, wodurch sie dies erreicht, schließen ein: Abnahme der
Profitrate, Entwertung des vorhandnen Kapitals und Entwicklung
der Produktivkräfte der Arbeit auf Kosten der schon produzierten
Produktivkräfte.
Die periodische Entwertung des vorhandnen Kapitals, die ein der
kapitalistischen Produktionsweise immanentes Mittel ist, den Fall
der Profitrate
#260# III. Abschnitt - Gesetz des tendenziellen Falls...
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aufzuhalten und die Akkumulation von Kapitalwert durch Bildung
von Neukapital zu beschleunigen, stört die gegebnen Verhältnisse,
worin sich der Zirkulations- und Reproduktionsprozeß des Kapitals
vollzieht, und ist daher begleitet von plötzlichen Stockungen und
Krisen des Produktionsprozesses.
Die mit der Entwicklung der Produktivkräfte Hand in Hand gehende
relative Abnahme des variablen Kapitals gegen das konstante gibt
dem Anwachs der Arbeiterbevölkerung einen Stachel, während sie
fortwährend künstliche Obervölkerung schafft. Die Akkumulation
des Kapitals, dem Wert nach betrachtet, wird verlangsamt durch
die fallende Profitrate, um die Akkumulation des Gebrauchswerts
noch zu beschleunigen, während diese wieder die Akkumulation, dem
Wert nach, in beschleunigten Gang bringt. Die kapitalistische
Produktion strebt beständig, diese ihr immanenten Schranken zu
überwinden, aber sie überwindet sie nur durch Mittel, die ihr
diese Schranken aufs neue und auf gewaltigeren Maßstab entgegen-
stellen.
Die w a h r e S c h r a n k e der kapitalistischen Produktion
ist d a s K a p i t a l s e l b s t, ist dies: daß das Kapi-
tal und seine Selbstverwertung als Ausgangspunkt und Endpunkt,
als Motiv und Zweck der Produktion erscheint; daß die Produktion
nur Produktion für das K a p i t a l ist und nicht umgekehrt
die Produktionsmittel bloße Mittel für eine stets sich erwei-
ternde Gestaltung des Lebensprozesses für die
G e s e l l s c h a f t der Produzenten sind. Die Schranken, in
denen sich die Erhaltung und Verwertung des Kapitalwerts, die auf
der Enteignung und Verarmung der großen Mase der Produzenten be-
ruht, allein bewegen kann, diese Schranken treten daher beständig
in Widerspruch mit den Produktionsmethoden, die das Kapital zu
seinem Zweck anwenden muß und die auf unbeschränkte Vermehrung
der Produktion, auf die Produktion als Selbstzweck, auf unbe-
dingte Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der Ar-
beit lossteuern. Das Mittel unbedingte Entwicklung der gesell-
schaftlichen Produktivkräfte - gerät in fortwährenden Konflikt
mit dem beschränkten Zweck, der Verwertung des vorhandnen Kapi-
tals. Wenn daher die kapitalistische Produktionsweise ein histo-
risches Mittel ist, um die materielle Produktivkraft zu entwic-
keln und den ihr entsprechenden Weltmarkt zu schaffen, ist sie
zugleich der beständige Widerspruch zwischen dieser ihrer histo-
rischen Aufgabe und den ihr entsprechenden gesellschaftlichen
Produktionsverhältnissen.
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