Quelle: Engels: Schriften 1839 bis 1844
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[Die Erfindung der Buchdruckerkunst] [123]
Wird denn allein des Dichters Stimme singen
Von blut'gem Ehrgeiz und von stolzen Thronen,
Wenn die Drommeten Fama's um ihn klingen,
Die Lippen schwellend, wo die Götter wohnen?
Ward euch so fremd die Scham? Des Preisens Gabe,
Des Ruhmes Strahl mit seinem hellen Lichte
Verschwendet ihr an Männern, welchen ewig
Fluch spendet und Verwünschung die Geschichte?
Erwacht, erwacht! die Wolken überfliege
Der Sang, der scheugeword'ne,
Mit nie geseh'ner Kraft in hehrem Siege!
Und wollt ihr, daß die Welt euch würdig halte
Des Lorbeers, der um eure Stirne blüht,
So sorgt, daß euer Lied
Würdig der Welt und kräftig sich entfalte!
In alter Zeit ward nimmermehr verschwendet
Der Opferduft des Lobes;
An dem Altar wohltätiger Erfindung,
Wohltät'gen Geistes ward er stets gespendet.
Einst kam Saturn, und mit dem mächt'gen Pfluge
Zerteilte er der Erde Mutterbusen,
Da sah der Mensch sich breiten
Lebend'ge Saat rings über dürren Boden,
Zum Himmel steigen seines Dankes Oden,
Sie nennen ihn den Gott der goldnen Zeiten.
Warst du nicht auch ein Gott, der dem Gedanken,
Dem Wort du einen Leib einst hast gegeben,
In Zeichen fesseltest der Rede Leben,
Das sonst entfloh, gehemmt von keinen Schranken?
#111# Die Erfindung der Buchdruckerkunst
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Verschlungen immer wieder
Hätt' ohne dich sich selbst die Zeit, ins Grab
Ew'gen Vergessens sinkend, tot, hernieder.
Du kamst, und der Gedanke
Sah rasch erweitert seine enge Sphäre,
Die ihn umgrenzt in seiner langen Kindheit.
Ihn trug sein Fittich in die ferne Welt,
Wo mit zukünft'ger Zeit die tatenschwere
Vergangenheit gewalt'ge Zwiesprach hält.
Erleuchter du der Blindheit!
Erfreue dich, Unsterblicher, der Ehre,
Des hohen Ruhmgesanges nun allein,
Die dir gebühren, dem erhabnen Geiste!
Und die Natur, als hätte d i e Erfindung
Allein genügt, zu zeigen ihre Macht,
Sie hat geruht seitdem, und, geizig, nicht
Ein gleiches Wunder mehr der Welt gebracht.
Endlich erhebt sie sich, ein neues Zeichen
Sich zu erschaffen, und der eis'ge Rhein
Sah Gutenberg erstehn. "Vergebliche Mühen!
Was hilft es euch, daß Leben ihr verleiht
Eurem Gedanken, schreibend,
Wenn er erstirbt, starr in der Dunkelheit
Lethargischen Vergessens ferner bleibend?
Kann ein Gefäß die breiten Wogen alle
Des Ozeans, des tosenden, enthalten?
So können nicht in einem Buch allein
Des Menschengeistes Gaben sich entfalten!
Was fehlt? die Kunst des Flugs? Doch wenn Natur
Nach einem Bilde unzählbare Wesen
Erschuf, wohlan, ihr nach, meine Erfindung!
Daß tausendfach im Echo eine Wahrheit
Erschalle in gewaltiger Verkündung,
Empor sich schwingend mit dem Flug der Klarheit!"
Er sprach's - da ward der Druck, und sieh, Europa
Erstaunt, bewegt, erhebt sich alsobald
Mit lautem Brausen, wie vom Sturmeswinde
Emporgefacht, erschallt
#112# Die Erfindung der Buchdruckerkunst
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Das grimme Feuer, dessen Flammen schliefen
Verschlossen in der Erde finstern Tiefen. -
O schlimme Burg, dem Irrtum aufgemauert
Durch schnöde Rohheit und Tyrannenwüten!
Es platzte der Vulkan, die Felsen glühten,
Da bebten deine Gründe, schreckdurchschauert!
Wer ist das Ungetüm, des bösen Geistes
Unreine Mißgeburt, die ohn' Erröten
Auf dem verfallnen Kapitol den Thron,
Den scheußlichen, sich gründet, und zu töten,
Ja, zu verschlingen drohet alles schon?
Wohl lebt es noch, doch seiner Macht Gebäude
Bricht langsam ein; einst aber stürzt der Wipfel,
Und weithin breiten rings sich die Ruinen.
Also beherrscht den hohen Bergesgipfel
Ein starker Turm auf hoher Felsenzinne;
Des Krieges Söhne haben aufgeschlagen
Die feste Wohnung drinne,
Dort herrschen sie mit der geraubten Macht,
Laut brüllend stürzen sie von da zur Schlacht;
Verlassen bleibt er stehen,
Der Turm, einsam im Wald, und ungesehen.
Noch schaut er, auch gebrechlich, wie vor Zeiten,
Mit droh'ndem Antlitz rings nach allen Seiten.
Einst aber kommt die Zeit, da fällt er nieder,
Er fällt, die Felder ächzen,
Trümmerbedeckt; bis dahin bleibt er freilich
Popanz und Vogelscheuche aller Leute,
Der doch ihr Schreck, ihr Ärgernis war neulich.
Das war der erste Lorbeer, der die Schläfe
Bekränzte der Vernunft; doch kühn erhebt
Sich der Verstand, nach sicherm Wissen dürstend,
Und er umarmt die Welt in ihrem Fluge.
Kopernikus schwingt sich zum Sternenzuge,
Den, undurchdringlich, deckte sonst ein Schleier;
Dort schaut er, wie in ungemeßner Ferne
Der leuchtendste der Sterne,
Der uns den Tag bringt, ruht in ew'ger Feier.
#113# Die Erfindung der Buchdruckerkunst
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Unter der Sohle fühlet Galileo
Der Erde Kugel rollen, und zum Lohne
Gibt ihm Italien einen Kerker, blind;
Und dennoch schifft indes die Erde ohne
Aufhören durch des Raumes Meer geschwind,
Und mit ihr schiffen, Blitzen gleich, die Sterne,
Die schimmernden, im Flug; da ward geschleudert
In ihre Mitte Newtons rascher Geist;
Er folgt, und er versteht sie,
Bestimmend die Geleise
Des Triebs, der sie gescheucht in ihre Kreise.
Was hilft es dir, den Himmel zu erobern,
Zu finden das Gesetz, das ewig regt
Den Luftkreis und das Meer? Den Strahl zu teilen
Des unantastbar'n Lichts, und in die Erde
Dich zu vergraben, und des Goldes Wiege
Und des Kristalles zu ertappen? Kehre
Zum Menschen, Geist! - Er tat's, und warf die schwere
Erbitterung in seine lauten Klagen.
"Wie ist der Sinn mit Blindheit doch geschlagen,
Wie klirrt die wilde Kette,
Die Tyrannei in ihrer Wut geschmiedet,
An diesem Pol und jenem um die Wette,
Und bannt ans Totenbette
Den Menschen, wenn der Knechtschaft er ermüdet!
So sei's nicht mehr!" - Das hörten die Despoten,
Da fühlten sie das Feuer und das Schwert
In der verruchten Hand, zwei sichre Boten.
"Unsinnige! die hohen Scheiterhaufen,
Die schrecklich dorther droh'n mich zu verschlingen,
Die mit der Wahrheit wollen um mich streiten,
Leuchttürme sind's ja, die zu ihr mich leiten,
Und Fackeln, Licht für ihren Sieg zu bringen!
In Liebe sie verlangend
Betet sie an mein Herz, begeistrungstrunken,
Mein Geist schaut sie, ihr folgen meine Schritte,
Nicht vor dem Feu'r, nicht vor dem Schwerte bangend,
Und dennoch sollen wanken meine Tritte?
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Kann ich zurück denn setzen
Vielleicht den Fuß? des Tajo Wogen kehren
Niemals zurück zu ihrer ersten Quelle,
Wenn einmal sie zum Meer hinabgeflossen;
Vergebens stellen Berge sich entgegen,
Sie halten ihn in seinem Lauf nicht an;
Ihr jagt auf raschen Wegen
Das Schicksal brausend in den Ozean.
Da kam der Tag, der große,
An dem ein Sterblicher sich aus der Schande,
Der allwärts gleichen, sich erhob im Grimme,
Und mit allmächt'ger Stimme
Vor aller Welt es rief: Frei ist der Mensch!
Und enge Grenzen schlugen nicht in Bande
Den heil'gen Ruf; auf seine Schwingen nahm
Das Echo ihn, das Gutenberg erfunden,
Und trug ihn wundersam,
Daß er in einem Augenblick, beflügelt,
Die Berge übersprang, die weiten Meere,
Und in den Winden herrschte, ungezügelt.
Nicht übertönt' ihn der Tyrannen Schrei,
Und kräftig scholl und laut nach allen Seiten
Das Jauchzen der Vernunft: der Mensch ist frei!
Ja, frei, ja frei! o süßes Wort, die Brust
Schwillt, höher klopfend, wenn du ihr erklungen,
Mein Geist, von dir durchdrungen,
Erfüllt von deiner heiligen Begeist'rung,
Schwingt sich empor zu himmlisch heitern Wegen,
Und reißt mich mit in feur'gen Fittichschlägen.
Wo bleibt ihr, die ihr höret
Auf meinen Sang, ihr Sterblichen? Von oben
Seh ich das ehrne Kerkertor des Schicksals
Sich öffnen, und den dichten Schlei'r der Zeiten
Zerreißen - offen hegt vor mir die Zukunft!
Ich sah es klar, nicht ist von nun die Erde
Mehr der Planet, der arme, wo die Ehrsucht,
Der Krieg geherrscht mit grimmiger Gebärde.
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Die sind auf ewig beide nun entflohen,
Wie Pest und Sturm, die Peiniger, sich schickten
Zur Flucht weg von der Zone, der bedrückten,
Wenn von dem Pol her eis'ge Winde drohen.
Die Menschen fühlten ihre Gleichheit alle,
Mit ungezähmter Kraft die tapfern Mannen
Erkämpften sie mit lautem Jubelschalle.
Jetzt sind nicht Sklaven mehr und nicht Tyrannen;
Liebe und Friede in der Welt sich breiten,
Liebe und Friede atmet rings die Erde,
"Liebe und Friede!" schallt's durch alle Weiten.
Und droben streckt auf seinem goldnen Throne
Gott seinen Szepter über sie zum Segen,
Und spendet Lust und Freude rings hernieder,
Daß sie auf allen Wegen
In Strömen rinnen, so wie vormals wieder.
Seht ihr sie nicht? seht ihr sie nicht, die Säule,
Die große, jenes Denkmal, hehr und prächtig,
Wie hell aufblitzend es die Augen blendet?
So sind nicht jene Pyramiden mächtig,
Der Sklaven Werk, die scheu vor dessen Keule
Gebebt, dem Unterdrückung Ruhm gespendet!
Vor ihm, unabgewendet Dampft ew'ger Weihrauch schon,
Den Gutenberg der Erdkreis dankbar weihet;
Für seine große Wohltat kleiner Lohn!
Ruhm dem, der die unsinn'ge Macht zerschlug
Der pochenden Gewalt, und des Verstandes,
Der Seele Kraft erhob zu raschem Flug!
Ruhm dem, den im Triumph die Wahrheit trug,
Und ewig fruchtbar machte seine Hände!
Dem Weltwohltäter Hymnen ohne Ende!
Bremen.
Friedrich Engels
Nach: "Gutenbergs-Album". Braunschweig 1840.
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