Quelle: MEW 26.1 Theorien über den Mehrwert - Erster Teil


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       Allgemeine Bemerkung
       
       ¦¦VI-220¦ Sämtliche Ökonomen teilen den Fehler, daß sie den Mehr-
       wert nicht  rein als solchen betrachten, sondern in den besondren
       Formen von  Profit und  Rente. Welche  notwendigen  theoretischen
       Irrtümer hieraus  entspringen mußten,  wird sich weiter zeigen im
       Kapitel III  [12], wo die sehr verwandelte Form, die der Mehrwert
       als Profit annimmt, analysiert wird.
       
       #7#
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       [ERSTES KAPITEL]
       Sir James Steuart
       [Unterscheidung zwischen dem "profit upon alienation" 1*) und der
       positiven Vermehrung des Reichtums]
       
       Vor den  Physiokraten wird der Mehrwert - i.e. der Profit, in der
       Gestalt des  Profits -  rein aus   d e m   A u s t a u s c h  er-
       klärt, dem  Verkauf der  Ware über  ihrem Wert. Sir James Steuart
       ist im  ganzen nicht  über diese Borniertheit hinausgekommen, muß
       vielmehr als  ihr wissenschaftlicher  Reproduzent betrachtet wer-
       den. Ich  sage "wissenschaftlicher"  Reproduzent.  Steuart  teilt
       nämlich nicht  die Illusion, als ob der Mehrwert, der dem einzel-
       nen Kapitalisten  daraus entspringt,  daß er  die Ware über ihrem
       Wert verkauft,  eine Schöpfung  von neuem Reichtum sei. Er unter-
       scheidet  daher   zwischen     p o s i t i v e m     Profit   und
       r e l a t i v e m  Profit.
       
       "P o s i t i v e r   P r o f i t   bedeutet für  niemanden  einen
       Verlust; er entspringt aus einer Vermehrung der Arbeit, Industrie
       oder Geschicklichkeit  und hat  den  Effekt,  den    g e s e l l-
       s c h a f t l i c h e n    R e i c h t u m    zu  vermehren  oder
       anzuschwellen...   R e l a t i v e r   P r o f i t   bedeutet für
       irgend  jemanden   einen  Verlust;  er  zeigt  ein  Schwanken  im
       Gleichgewicht des Reichtums zwischen den Beteiligten an, schließt
       aber keinen  Zuwachs zum  Gesamtfonds ein... Der zusammengesetzte
       ist leicht  zu verstehen;  er ist  jene Art  des Profits...,  die
       teils relativ, teils positiv ist... beide Arten können in ein und
       demselben Geschäft  untrennbar vorhanden  sein." ("Principles  of
       Pol. OEconomy",  v. I. The Works of Sir James St[euart] etc., ed.
       by General  Sir James  Steuart, his  son etc., in 6 vols., London
       1805, p. 275, 276.)
       
       Der  p o s i t i v e  Profit entspringt aus  "V e r m e h r u n g
       der Arbeit,  Industrie und Geschicklichkeit". Wie er hieraus ent-
       springt, darüber sucht sich Steuart keine Rechenschaft abzulegen.
       Der Zusatz,  daß es  der Effekt  dieses Profits ist, zu vermehren
       und anzuschwellen "the public good" 2*) scheint darauf hin-
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       1*) "Veräußerungsprofit" - 2*) "den gesellschaftlichen Reichtum"
       
       #8# Erstes Kapitel
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       zudeuten, daß  St[euart] nichts  darunter versteht als die größre
       Masse Gebrauchswerte,  die infolge der Entwicklung der Produktiv-
       kräfte der  Arbeit erzeugt  werden, und  daß er  diesen positiven
       Profit ganz getrennt vom Profit der Kapitalisten - der stets eine
       Vermehrung des  Tauschwerts voraussetzt auffaßt. Diese Auffassung
       wird vollständig bestätigt durch seine weitere Entwicklung.
       Er sagt nämlich:
       
       "Im   P r e i s   der Waren betrachte ich zwei Dinge als wirklich
       bestehend und  voneinander   v ö l l i g   v e r s c h i e d e n;
       den realen   W e r t  der Waren und den  V e r ä u ß e r u n g s-
       p r o f i t".  (p. 244.)
       
       Der Preis  der Waren  umfaßt also  zwei durchaus voneinander ver-
       schiedne Elemente;  erstens ihren   w i r k l i c h e n  W e r t,
       zweitens den  profit upon  alienation, den  Profit, der bei ihrer
       Entäußerung, ihrem Verkauf realisiert wird.
       ¦¦221¦ Dieser  profit upon alienation entspringt also daraus, daß
       der Preis  der Waren  größer ist als ihr realer Wert oder daß die
       Waren über  ihrem Wert  verkauft werden. Der Gewinn auf der einen
       Seite schließt  hier   i m m e r   Verlust auf der andren ein. Es
       wird keine addition to the general stock 1*) geschaffen. Der Pro-
       fit, i.e.  Mehrwert, ist relativ und löst sich auf into "a vibra-
       tion of  the balance  of wealth  between parties"  2*). St[euart]
       selbst weist die Vorstellung ab, hierdurch den Mehrwert zu erklä-
       ren. Seine  Theorie von  dem vibration  of the  balance of wealth
       between parties, sowenig sie die Natur und den Ursprung des Mehr-
       werts selbst berührt, bleibt wichtig bei der Betrachtung der Ver-
       teilung des surplus value 3*) unter verschiedne Klassen und unter
       verschiedne Rubriken wie Profit, Zins, Rente.
       Daß Steuart  allen Profit  des einzelnen  Kapitalisten auf diesen
       "relative Profit",  auf den  profit upon  alienation  beschränkt,
       zeigt sich in folgendem.
       
       Der "real  value" sagt  er, ist bestimmt durch die "quantity" der
       Arbeit, die  "durchschnittlich ein  Arbeiter des Landes im allge-
       meinen... in einem Tage, einer Woche, einem Monat etc. verrichten
       kann". Zweitens: "den Wert der Existenzmittel und der notwendigen
       Ausgaben des  Arbeiters, sowohl zur Befriedigung seiner persönli-
       chen Bedürfnisse  als auch... zur Anschaffung der zu seinem Beruf
       nötigen Werkzeuge, was wie oben im Durchschnitt zu nehmen ist..."
       Drittens: "den  Wert der  Materialien" (p.  244, 245). "Kennt man
       diese drei  Posten, ist der Preis des Produktes bestimmt. Er kann
       nicht niedriger  sein als die Summe aller drei, das heißt als der
       r e a l e   W e r t;   w a s  d a r ü b e r  h i n a u s g e h t,
       b i l d e t     d e n     P r o f i t     d e s    M a n u f a k-
       t u r i s t e n.   Dieser wird im Verhältnis zur Nachfrage stehen
       und daher je nach den Umständen schwanken." (l.c.p. 245.) "Heraus
       folgt die  Notwendigkeit einer großen Nachfrage, um das Aufblühen
       der
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       1*) kein  Zuwachs zum  Gesamtfonds -  2*) in  "ein  Schwanken  im
       Gleichgewicht des Reichtums zwischen den Beteiligten" - 3*) Mehr-
       werts
       
       #9#
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       Erste Seite der "Theorien über den Mehrwert" in der Handschrift
       von Marx (Beginn des Heftes VI des Manuskripts von 1861-1863)
       
       #10#
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       #11# Sir James Steuart
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       Manufakturen   zu   fördern...   die   gewerblichen   Unternehmer
       regulieren ihre Lebensweise und ihre Ausgaben nach ihrem sicheren
       Profit". (l.c.p. 246.)
       
       Hieraus geht  klar hervor:  Der Profit  des "manufacturer's", des
       einzelnen Kapitalisten,  ist stets  relative profit, stets profit
       upon alienation,  stets abgeleitet  aus dem Überschuß des Preises
       der Ware  über ihren  Realwert, aus    i h r e m    V e r k a u f
       ü b e r   i h r e n   W e r t   hinaus. Würden also alle Waren zu
       ihrem  W e r t  verkauft, so existierte kein Profit.
       Steuart hat  ein eignes  Kapitel darüber  geschrieben, untersucht
       ausführlich: How  profits consolidate  into prime cost" 1*) (vol.
       III, l.c.p. 11 sq.).
       Steuart verwirft einerseits die Vorstellung des Monetar- und Mer-
       kantilsystems, wonach  der Verkauf  der Waren über ihrem Wert und
       der daher  entspringende Profit  Mehrwert erzeugt,  eine positive
       Vermehrung des  Reichtums *); andrerseits bleibt er bei ihrer An-
       sicht stehen,  daß der  Profit des  einzelnen Kapitals nichts ist
       als dieser Überschuß des Preises über den ¦¦222¦ Wert, der profit
       upon alienation,  der aber  nach ihm nur  r e l a t i v  ist, den
       Gewinn auf  der einen Seite durch den Verlust auf der andren kom-
       pensiert und dessen Bewegung daher nichts ist als "a vibration of
       the balance of wealth between parties".
       In dieser  Beziehung ist also Steuart der rationelle Ausdruck des
       Monetar- und Merkantilsystems.
       Sein Verdienst  um die  Auffassung des  Kapitals beruht  auf  der
       Nachweisung, wie der Scheidungsprozeß zwischen den Produktionsbe-
       dingungen, als dem Eigentum [einer] bestimmten  K l a s s e,  und
       dem Arbeitsvermögen  [13] vorgeht.  Mit diesem  Entstehungsprozeß
       des Kapitals  - ohne ihn noch direkt als solchen aufzufassen, ob-
       gleich er ihn als Bedingung der großen Industrie auffaßt - ist er
       viel beschäftigt,  er betrachtet  den Prozeß  namentlich  in  der
       Agrikultur; und  erst durch  diesen Scheidungsprozeß in der Agri-
       kultur entsteht  richtig bei ihm die Manufakturindustrie als sol-
       che. Dieser  Scheidungsprozeß ist  bei A.  Smith schon als fertig
       vorausgesetzt.
       (Steuarts Buch 1767 (London), Turgots 1766, A. Smiths 1775.) [14]
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       *) Indes  nimmt das  Monetarsystem selbst diesen Profit nicht in-
       nerhalb eines Landes an, sondern nur im Austausch mit andren Län-
       dern. Es  bleibt dabei im Merkantilsystem hingen, daß dieser Wert
       sich in  Geld darstellt  (Gold und Silber) und der Mehrwert daher
       in der  Handelsbilanz, die mit Geld saliert wird, sich ausdrückt.
       2*)
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       1*) "Wie die Profite sich in den Produktionskosten konsolidieren"
       - 2*) die Fußnote findet sich in der Handschrift quer am Rande

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