Quelle: MEW 26.1 Theorien über den Mehrwert - Erster Teil


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       #123# Theorien über produktive und unproduktive Arbeit
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       [2. Physiokraten und Merkantilisten über produktive Arbeit]
       
       Diese Auffassung  der produktiven  Arbeit folgt von selbst aus A.
       Smiths Auffassung  vom Ursprung des Mehrwerts, also vom Wesen des
       Kapitals. Soweit  er diese Auffassung geltend macht, folgt er der
       einen bei den Physiokraten und selbst Merkantilisten eingeschlag-
       nen Richtung,  sie nur  von falscher Vorstellungsweise befreiend,
       also ihren  innren Kern herausarbeitend. Die Physiokraten, in ih-
       rer falschen  Auffassung, daß  nur die Agrikulturarbeit produktiv
       sei, machten  die richtige  Ansicht geltend,  daß nur die Arbeit,
       vom kapitalistischen  Standpunkt aus,  produktiv ist,  die  einen
       Mehrwert schafft, und zwar nicht für sich selbst, sondern für den
       Eigentümer der  Produktionsbedingungen, die  ein produit  net 1*)
       nicht für  sich selbst,  sondern für den Grundeigentümer schafft.
       Denn die  surplus value 2*) oder Surplusarbeitszeit ist vergegen-
       ständlicht in  einem surplus  produce 3*)  oder produit net. (Sie
       fassen dies wieder falsch; weil mehr Weizen z.B. übrigbleibt, als
       Arbeiter und  Pächter aufessen; aber es bleibt auch mehr Tuch üb-
       rig als das, was Tuchmacher (Arbeiter und master) zu ihrer eignen
       Bekleidung bedürfen.) Die surplus value wird selbst falsch aufge-
       faßt, weil sie
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       1*) Nettoprodukt - 2*) der Mehrwert - 3*) Mehrprodukt
       
       #124# Viertes Kapitel
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       falsche Vorstellung  von der  value haben  und sie  auf  den  Ge-
       brauchswert der Arbeit, nicht auf Arbeitszeit, gesellschaftliche,
       qualitätslose Arbeit  reduzieren. Nichtsdestoweniger  bleibt  die
       richtige Bestimmung,  daß die  Lohnarbeit nur  produktiv ist, die
       mehr Wert  schafft, als sie kostet. A. Smith befreit dies von der
       falschen Vorstellung,  die bei  den Physiokraten  damit verbunden
       ist.
       Gehn wir von den Physiokraten auf die Merkantilisten zurück. Auch
       hier ist eine Seite, die, wenn auch ihnen bewußtlos, dieselbe An-
       sicht von  der produktiven Arbeit enthält. Ihnen lag die Vorstel-
       lung zugrunde,  daß die  Arbeit nur produktiv in den Produktions-
       zweigen, deren  Produkte, nach  dem Ausland  geschickt, mehr Geld
       zurückbringen, als  sie gekostet  haben (oder  als für sie ausge-
       führt werden  mußte), die  also ein Land befähigten, in besondrem
       Grad an den Produkten der neueröffneten Gold- und Silbermünzen zu
       partizipieren. Sie  sahen, daß in diesen Ländern rasches Wachstum
       des Reichtums  und der  Mittelklasse stattfand. Worauf beruhte in
       der Tat dieser Einfluß des Goldes? Der Arbeitslohn stieg nicht im
       Verhältnis wie  die Warenpreise;  der Arbeitslohn  sank also, und
       damit vermehrte  sich die  relative Surplusarbeit, stieg die Rate
       des Profits,  nicht weil  der Arbeiter produktiver geworden, son-
       dern weil der absolute Arbeitslohn (d.h. die Summe der Lebensmit-
       tel, die  der Arbeiter  erhält) herabgedrückt  wurde,  mit  einem
       Wort, die  Lage der  Arbeiter sich  verschlechterte.  Die  Arbeit
       wurde also  in diesen Ländern in der Tat produktiver für ihre An-
       wender. Dies  fact hing  mit dem influx 1*) der edlen Metalle zu-
       sammen; und  es war dies ein wenn auch nur dunkel geahntes Motiv,
       weshalb die  Merkantilisten die in solchen Produktionszweigen an-
       gewandte Arbeit für allein produktiv erklärten.
       
       ¦¦302¦ Das  auffallende Wachstum  der Bevölkerung,  das in den 50
       oder 60  letzten Jahren  fast in ganz Europa stattfand, hat viel-
       leicht seinen  Hauptgrund in  der angewachsenen Produktivität der
       amerikanischen Minen.  Ein vermehrter  Überfluß der  Edelmetalle"
       {of course  2*) infolge  des Sinkens ihres reden Werts} "hebt den
       Preis der  Waren in  größrem Verhältnis als den Preis der Arbeit;
       das drückt die Lage des Arbeiters herab und vermehrt zugleich die
       Profite seines  Anwenders, der so mehr zirkulierendes Kapital zum
       Mieten von  Arbeitern anwendet,  und dies  befördert das Wachstum
       der Bevölkerung... Malthus bemerkt, daß 'die Entdeckung der Minen
       von Amerika,  während sie den Preis des Korns 3-4mal, den der Ar-
       beit nur  2mal hob...'  Der Preis der Waren für den Konsum im In-
       land (z.B.  Korn) steigt nicht unmittelbar infolge eines Einströ-
       mens von Geld, aber da die Profittate in der Agrikultur gegen die
       der Industrie  fällt, wird Kapital von der erstem der letztem zu-
       gewandt: So  wirft jedes Kapital einen höheren Profit ab als frü-
       her, und ein Ansteigen der Profite ist immer gleich einem Fallen
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       1*) Einströmen - 2*) natürlich
       
       #125# Theorien über produktive und unproduktive Arbeit
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       der Löhne."  (John Barton,  "Observations  on  the  circumstances
       which influence  the condition  of the  labouring classes  of so-
       ciety", London 1817, p. 29 sqq.)
       
       Also erstens  hätte sich nach Barton in der 2ten Hälfte des 18ten
       Jahrhunderts dasselbe  Phänomen wiederholt,  das seit dem letzten
       1/3 des  16. Jahrhunderts  und im 17. dem Merkantilsystem den An-
       stoß gab.  Zweitens, da  nur die  exportierten Waren  in Gold und
       Silber nach  seinem gesunknen  Wert sich  messen, während die für
       home consumption  1*) noch  fortfahren, in  Gold und  Silber nach
       seinem alten  Wert gemessen  zu werden  (bis die Konkurrenz unter
       den Kapitalisten dies Messen in 2 verschiednen Maßen aufhebt), so
       erscheint die  Arbeit in den ersten Produktionszweigen als unmit-
       telbar produktiv,  d.h. Mehrwert  schaffend, dadurch, daß sie den
       Arbeitslohn unter sein altes Niveau herabdrückt.
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       1*) Konsumtion im Inland

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