Quelle: MEW 26.1 Theorien über den Mehrwert - Erster Teil
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[FÜNFTES KAPITEL]
Necker
[Darstellung des Klassengegensatzes im Kapitalismus als Gegensatz
von Armut und Reichtum]
Schon oben einige Zitate von Linguet beweisen, daß ihm das Wesen
der kapitalistischen Produktion klar ist [89]; und doch kann Lin-
guet hier eingefügt werden nach Necker. [90]
In seinen beiden Schriften "Sur la législation et le commerce des
grains", erschien zuerst 1775, und 1*) "De l'administration des
finances de la France etc." weist Necker nach, wie die Entwick-
lung der Produktivkräfte der Arbeit bloß dazu beiträgt, daß der
Arbeiter w e n i g e r Z e i t zur Reproduktion seines eignen
Salairs braucht, also m e h r Z e i t für seinen employer 2*)
u n b e z a h l t arbeitet. Er geht dabei richtig aus von der
Grundlage des D u r c h s c h n i t t s a r b e i t s l o h n s,
des Minimums des Salairs. Was ihn aber wesentlich beschäftigt,
ist nicht die Verwandlung der Arbeit selbst in Kapital und die
Akkumulation des Kapitals durch diesen Prozeß als vielmehr die
allgemeine Entwicklung des Gegensatzes von Armut und Reichtum,
von Armut und Luxus, indem in demselben Maß, wo ein geringres
Quantum Arbeit genügt, die notwendigen Lebensmittel zu erzeugen,
ein Teil Arbeit progressiv überschüssig wird und daher zur Pro-
duktion von Luxusartikeln benutzt, in einer andren Produktions-
sphäre verwandt werden kann. Ein Teil dieser Luxusartikel ist
dauerhaft; und so akkumulieren sich die Luxusartikel im Besitz
derer, die über die Surplusarbeit verfügen, von Jahrhundert zu
Jahrhundert, und so wird der Gegensatz immer bedeutender.
Das wichtige ist, daß Necker überhaupt aus der Surplusarbeit den
Reichtum der nicht arbeitenden Stände ¦¦420¦ - Profit und Rente
3*) - herleitet.
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1*) In der Handschrift folgt: in seinem Werk - 2*) Anwender - 3*)
in der Handschrift: Revenu
#279# Necker
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Bei der Betrachtung des Surpluswerts aber faßt er den relativen
ins Auge, der nicht aus der Verlängerung des Gesamtarbeitstags,
sondern aus der Verkürzung der n o t w e n d i g e n A r-
b e i t s z e i t resultiert. Die Produktivkraft der Arbeit wird
zur Produktivkraft der Besitzer der Arbeitsbedingungen. Und die
Produktivkraft selbst ist gleich Abkürzung der Arbeitszeit,
notwendig, um ein bestimmtes Resultat zu produzieren. Das fol-
gende sind die Hauptstellen:
E r s t e n s: "De l'administration des finances de la France
etc." (OEuvres, t. II, Lausanne et Paris 1789):
"Ich sehe eine der Klassen der Gesellschaft, deren Einkommen
stets ungefähr das gleiche sein muß; ich bemerke eine andere
Klasse, deren Reichtum sich notwendigerweise vermehrt. So mußte
der Luxus, der aus einer Gegenüberstellung und einem Vergleich
stammt, der Entwicklung dieses Mißverhältnisses folgen und im
Laufe der Jahre immer auffallender werden." (l.c.p. 285, 286.)
(Schon schön der Gegensatz der b e i d e n K l a s s e n als
K l a s s e n.)
"Die Klasse der Gesellschaft, deren Los durch die Wirkung der so-
zialen Gesetze gewissermaßen f e s t g e l e g t ist, besteht
aus allen denen, die, da sie v o n d e r A r b e i t
i h r e r H ä n d e l e b e n, unabweislich dem Gesetz der
E i g e n t ü m e r" (der Eigentümer der Produktionsbedingungen)
"unterworfen und gezwungen sind, sich mit einem A r b e i t s-
l o h n zu begnügen, d e r d e r b a r e n N o t d u r f t
d e s L e b e n s e n t s p r i c h t; ihre Konkurrenz und
d e r D r u c k i h r e r N o t bedingen ihre a b h ä n-
g i g e L a g e; und diese Verhältnisse können sich nicht
ändern." (l.c.p. 286.)
"D i e u n u n t e r b r o c h e n e E r f i n d u n g v o n
W e r k z e u g e n, die a l l e m e c h a n i s c h e n
K u n s t f e r t i g k e i t e n v e r e i n f a c h t h a-
b e n, hat also d e n R e i c h t u m u n d d a s
V e r m ö g e n d e r E i g e n t ü m e r v e r g r ö ß e r t;
ein Teil dieser Werkzeuge, d e r d i e K o s t e n d e r
B e a r b e i t u n g d e s G r u n d u n d B o d e n s
v e r r i n g e r t e, hat die R e v e n u e b e t r ä c h t-
l i c h e r gemacht, über die die Besitzer dieser Güter verfügen
können; ein anderer Teil der Entdeckungen des Menschengeists hat
die gewerblichen Arbeiten d e r m a ß e n e r l e i c h-
t e r t, daß die M e n s c h e n, d i e i m D i e n s t
d e r A u s t e i l e r d e r E x i s t e n z m i t t e l"
(i.e. der Kapitaliskn) "s t e h e n, i n d e r g l e i-
c h e n Z e i t s p a n n e und f ü r d e n g l e i c h e n
L o h n eine größere Menge von Produkten jeder Art herstellen
können." (p. 287.) Nehmen wir an, daß im letzten Jahrhundert
hunderttausend Arbeiter nötig waren, um das zu leisten, was man
heute mit achtzigtausend zustande bringt; dann sind die übrigen
zwanzigtausend gezwungen, sich a n d e r e n B e s c h ä f t i-
g u n g e n zuzuwenden, um Arbeitslöhne zu erlangen; und die
neuen Produkte der Arbeit ihrer Hände, die daraus entspringen,
werden die Genüsse und den Luxus der Reichen vermehren." (p. 287,
288.)
"Denn", fährt er fort, "man darf nicht außer acht lassen, daß die
Arbeitslöhne in allen den Berufen, die kein besonderes Talent
erheischen, immer dem P r e i s d e s für jeden Arbeiter
n o t w e n d i g e n L e b e n s u n t e r h a l t s entspre-
chen; so k o m m t d i e B e s c h l e u n i g u n g d e r
F e r t i g s t e l l u n g, sobald die Kenntnis davon allgemein
geworden ist, n i c h t d e n M ä n n e r n d e r A rb e i t
z u g u t e, sondern b e w i r k t b l o ß e i n e
V e r m e h r u n g v o n M i t t e l n, den Geschmack
#280# Fünftes Kapitel
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und die Eitelkeit derjenigen zu befriedigen, die über die Pro-
dukte der Erde verfügen." (l.c.p. 288.) "Unter den verschiedenen
Gütern der Natur, welche die Geschicklichkeit des Menschen formt
und verändert, gibt es viele, deren Dauer die eines Menschenle-
bens bedeutend übersteigt: Jede Generation erbt so einen Teil der
Arbeiten der vorhergehenden Generation"
(er betrachtet hier nur die accumulation in dem, was A. Smith
fonds de consommation 1*) nennt),
"und in allen Ländern wird ununterbrochen eine immer größere
Menge von Produkten der Kunstfertigkeit a k k u m u l i e r t;
und da diese Menge immer unter die Eigentümer verteilt wird, muß
das Mißverhältnis zwischen ihren Besitztümern und jenen der zahl-
reichen Klasse der Bürger immer auffallender und bemerkenswerter
werden." (p. 289.)
Also:
"D i e A r b e i t s b e s c h l e u n i g u n g i n d e r
g e w e r b l i c h e n P r o d u k t i o n, die auf der Erde
die Gegenstände des Prunks und des Luxus vermehrt hat, d i e
Z e i t, i n d e r d i e A k k u m u l a t i o n s i c h
v o l l z o g e n h a t, und die G e s e t z e d e s
E i g e n t u m s, d i e d i e s e G ü t e r b e i e i n e r
e i n z i g e n K l a s s e d e r G e s e l l s c h a f t
k o n z e n t r i e r t h a b e n..., diese großen Quellen des
Luxus bestünden auf jeden Fall, welches immer die Summe des ge-
münzten Geldes wäre." (p. 291.)
(Dies letztre polemisch gegen die, die den Luxus von der ange-
wachsnen Masse des Geldes herleiten.)
Z w e i t e n s: "Sur la législation et le commerce les grains
etc." (OEuvres, t. IV):
"Sobald der Handwerker oder der Landmann k e i n e R e s e r-
v e n m e h r h a b e n, können sie nicht mehr streiten; sie
müssen h e u t e a r b e i t e n, w o l l e n s i e
n i c h t m o r g e n H u n g e r s s t e r b e n; und in
diesem Interessenkampf zwischen ¦¦421¦ Eigentümer und Arbeiter
setzt der eine sein Leben und das seiner Familie aufs Spiel und
der andere eine bloße Verzögerung im Wachstum seines Luxus."
(l.c.p. 63.)
Dieser Gegensatz des Reichtums, der nicht arbeitet, und der Ar-
mut, die arbeitet, um zu leben, ruft ebenso einen Gegensatz des
Wissens hervor. Wissen und Arbeit scheiden sich. Das erstre tritt
selbst als Kapital der letztren gegenüber oder als Luxusartikel
des Reichen.
"Die Fähigkeit zu wissen und zu begreifen ist eine allgemeine
Gabe der Natur, aber sie wird nur durch Unterricht entwickelt;
wäre das Eigentum gleichmäßig verteilt, w ü r d e j e d e r
m ä ß i g a r b e i t e n"
(also wieder die Quantität der Arbeitszeit das Entscheidende)
"und j e d e r b e s ä ß e e t w a s W i s s e n, weil jedem
e t w a s Z e i t" (freie Zeit) "bliebe, die er dem Studium und
dem Denken widmen könnte; aber bei der Ungleichheit des Besitzes,
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1*) Konsumtionsfonds
#281# Necker
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einer Wirkung der Gesellschaftsordnung, ist die B i l d u n g
allen Leuten v e r s a g t, die ohne Eigentum geboren sind;
denn alle Unterhaltsmittel sind in Händen jenes Teils der Nation,
der G e l d o d e r B o d e n besitzt; und da niemand etwas
umsonst gibt, ist der Mann, der ohne andere Reserve als seine
Kraft geboren ist, gezwungen, sie vom ersten Augenblick ihrer
Entwicklung an dem Dienste der Eigentümer zu widmen und damit
sein ganzes Leben lang fortzufahren, von Sonnenaufgang bis zu dem
Augenblick, da diese Kraft erschöpft ist und zu ihrer Erneuerung
des Schlafs bedarf." (p. 112.) "Ist es schließlich nicht sicher,
daß diese Ungleichheit der Kenntnisse zur Aufrechterhaltung aller
der gesellschaftlichen Ungleichheiten notwendig wurde, die jene
haben entstehen lassen?" (l.c.p. 113.) (cf.p. 118, 119.)
Necker verhöhnt die ökonomische Verwechslung - charakteristisch
bei den Physiokraten mit Bezug auf la terre 1*), bei allen
spätren Ökonomen mit Bezug auf die stofflichen Elemente des Kapi-
tals -, welche die Eigentümer der Produktionsbedingungen verherr-
licht, nicht weil sie selbst, sondern diese Bedingungen für die
Arbeit und die Produktion des Reichtums nötig.
"Man beginnt die Bedeutung des Grundeigentümers (einer so leicht
zu erfüllenden Funktion) mit der Bedeutung des Bodens zu verwech-
seln. (l.c.p. 126.) ¦IX-421¦¦
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1*) den Boden
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