Quelle: MEW 26.2 Theorien über den Mehrwert - Zweiter Teil
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#397# Ricardos Theorie über den Mehrwert
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[B. Ricardo über Mehrwert]
1. Quantum Arbeit und Wert der Arbeit
Ricardo eröffnet gleich ch. I "On Value" mit Sect. I, mit der
Überschrift:
"Der Wert einer Ware oder die Quantität einer anderen Ware, gegen
die sie ausgetauscht wird, hängt ab von der verhältnismäßigen
M e n g e a n A r b e i t, die zu ihrer Produktion notwendig
ist, nicht aber von dem höheren oder geringeren Entgelt, das für
diese Arbeit gezahlt wird."
In der Manier, die durch seine ganze Untersuchung durchgeht, er-
öffnet R[icardo] hier sein Buch damit, daß die Bestimmung des
Werts der Waren durch Arbeitszeit dem S a l a i r oder der ver-
schiednen Kompensation für diese Arbeitszeit oder dies Arbeits-
quantum n i c h t widerspricht. Er wendet sich von vornherein
gegen A. Smiths Verwechslung zwischen der Bestimmung des Werts
der Waren durch die proportional q u a n t i t y o f
l a b o u r required for their production and the v a l u e
o f l a b o u r 3*) (oder der compensation of labour 4*)).
Es ist klar, daß die proportionelle Quantität Arbeit, die in zwei
Waren A und B enthalten ist, absolut nicht davon berührt wird, ob
die Arbeiter,
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3*) proportionelle Quantität der Arbeit, die zu ihrer Produktion
erheischt ist, und dem Wert der Arbeit - 4*) Vergütung der Arbeit
#398# Fünfzehntes Kapitel
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die A und B produzieren, viel oder wenig vom Produkt ihrer Arbeit
erhalten. Der Wert von A und B ist bestimmt durch das
Q u a n t u m A r b e i t, das ihre Produktion kostet, aber
nicht durch die K o s t e n d e r A r b e i t für die owners
1*) von A und B. Quantum Arbeit und Wert von Arbeit sind zwei
verschiedne Dinge. Das Quantum Arbeit, das in A und B resp. ent-
halten ist, hat nichts damit zu tun, wieviel von den Besitzern
von A und B b e z a h l t e oder auch s e l b s t
v e r r i c h t e t e A r b e i t in A und B enthalten ist. A
und B tauschen sich aus nicht im Verhältnis der in ihnen enthalt-
nen b e z a h l t e n Arbeit, sondern im Verhältnis der in ih-
nen enthaltnen Gesamtquantität von Arbeit, bezahlter und unbe-
zahlter.
"A. Smith, der die ursprüngliche Quelle des Tauschwertes so genau
bestimmte, und der demgemäß verpflichtet war zu behaupten, daß
alle Dinge je nach der für sie verwendeten größeren oder geringe-
ren Menge Arbeit mehr oder weniger wertvoll sind, hat selbst noch
einen anderen Maßstab für den Wert aufgestellt und spricht davon,
daß Dinge mehr oder weniger wertvoll sind, je nachdem, ob sie
sich gegen m e h r o d e r w e n i g e r d i e s e s
N o r m a l m a ß e s a u s t a u s c h e n ...- so, als ob
d i e s z w e i g l e i c h w e r t i g e B e g r i f f e wä-
ren und als ob deswegen, weil jemandes Arbeit doppelt ergiebig
geworden ist und er daher die zweifache Quantität einer Ware er-
zeugen kann, er notwendigerweise das Doppelte der früheren Menge
dafür einzutauschen imstande ist" (nämlich seine Arbeit). "Wenn
dies tatsächlich richtig wäre, w e n n d a s E n t g e l t
d e s A r b e i t e r s i m m e r d e m e n t s p r ä c h e,
w a s e r p r o d u z i e r t, w ü r d e n d i e a u f
e i n e W a r e v e r w e n d e t e M e n g e A r b e i t
u n d d i e Q u a n t i t ä t A r b e i t, d i e m i t
d i e s e r W a r e g e k a u f t w e r d e n k a n n,
g l e i c h s e i n, und jede könnte die Veränderungen anderer
Dinge zuverlässig messen. J e d o c h s i e s i n d n i c h t
g l e i c h. " (p. 5.)
A. Smith behauptet nirgends, that "these were two equivalent ex-
pressions" 2*). Er sagt umgekehrt: Weil in der kapitalistischen
Produktion der Lohn des Arbeiters n i c h t mehr gleich seinem
Produkt ist, also das Quantum Arbeit, das eine Ware kostet, und
das Quantum Ware, das der Arbeiter mit dieser Arbeit kaufen kann,
zwei verschiedne Dinge sind, e b e n a u s d i e s e m
G r u n d hört die relative Quantität Arbeit, die in Waren ent-
halten ist, auf, ihren Wert zu bestimmen, wird dieser vielmehr
bestimmt durch die v a l u e o f l a b o u r 3*), durch das
Quantum Arbeit, das ich mit einer bestimmten Masse Waren kaufen,
kommandieren kann. Darum wird die v a l u e o f l a b o u r
das Maß der Werte, statt die r e l a t i v e q u a n t i t y
of labour 4*). Ric[ardo] antwortet A. Smith richtig, daß die
r e l a t i v e Q u a n t i t ä t A r b e i t, die in zwei Wa-
ren enthalten ist, durchaus nicht davon affiziert wird, wieviel
von diesen Quantis Arbeit den Arbeitern selbst zukommt, wie diese
Arbeit kompensiert wird; daß also, wenn die r e l a t i v e
q u a n t i t y o f l a b o u r das Maß der Warenwerte war
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1*) Eigentümer - 2*) daß "dies zwei gleichwertige Begriffe wären"
- 3*) den Wert der Arbeit - 4*) Quantität Arbeit
#399# Ricardos Theorie über den Mehrwert
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v o r dem Hereinkommen des Arbeitslohns (eines vom Wert des Pro-
dukts selbst verschiednen Lohns), durchaus kein Grund vorhanden
ist, warum sie es nicht n a c h dem Hereinkommen des Arbeits-
lohns bleiben soll. Er antwortet richtig, daß A. Smith beide Aus-
drücke gebrauchen kann, solange sie äquivalent waren, daß dies
aber kein Grund ist, den falschen Ausdruck statt des richtigen zu
brauchen, sobald sie aufgehört haben, äquivalent zu sein.
Aber Ric[ardo] hat damit keineswegs das Problem gelöst, das der
innere Grund von A. Smiths Widerspruch ist. V a l u e o f
l a b o u r und q u a n t i t y o f l a b o u r bleiben
"equivalent expressions", soweit es sich um v e r g e g e n-
s t ä n d l i c h t e A r b e i t handelt. ¦¦651¦ Sie hören
auf, es zu sein, sobald v e r g e g e n s t ä n d l i c h t e
A r b e i t und l e b e n d i g e A r b e i t ausgetauscht
werden.
Zwei W a r e n tauschen sich aus im Verhältnis d e r i n
i h n e n v e r g e g e n s t ä n d l i c h t e n A r b e i t.
Gleiche Quanta vergegenständlichter Arbeit tauschen sich gegen-
einander aus. Die Arbeitszeit ist ihre Standard measure 1*), aber
sie sind eben deswegen "more or less valuable, in proportion as
they will exchange for more or less of this Standard measure"
2*). Ist ein Arbeitstag in der Ware A enthalten, so tauscht sie
sich aus gegen jedes beliebige Quantum Ware, worin ebenfalls ein
Arbeitstag enthalten, und sie ist "more or less valuable" im Ver-
hältnis, wie sie sich gegen mehr oder minder viel vergegenständ-
lichte Arbeit in ändern Waren austauscht, denn dies Austauschver-
hältnis drückt aus, ist identisch mit dem relativen Quantum Ar-
beit, das in ihr selbst enthalten ist.
Nun aber ist die Lohnarbeit W a r e. Sie ist sogar die Basis,
worauf die Produktion der P r o d u k t e als W a r e n
stattfindet. Für sie findet nicht das G e s e t z d e r
W e r t e statt. Also beherrscht es überhaupt nicht die kapita-
listische Produktion. Hier ist ein Widerspruch. Dies das eine
Problem für A. Smith. Das zweite, was wir später bei Malthus wei-
ter ausgeführt finden, die V e r w e r t u n g einer Ware (als
Kapital) steht nicht im Verhältnis, worin sie Arbeit enthält,
sondern worin sie f r e m d e A r b e i t kommandiert, Herr-
schaft über m e h r fremde Arbeit gibt, als in ihr selbst ent-
halten ist. Dies in fact 3*) ein zweites geheimes Motiv, zu be-
haupten: Mit dem Eintritt der kapitalistischen Produktion werde
der Wert der Waren bestimmt, nicht durch die Arbeit, die sie ent-
halten, sondern durch die lebendige Arbeit, die sie kommandieren,
also durch den W e r t d e r A r b e i t.
Ric[ardo] antwortet einfach, daß dem nun einmal so in der kapita-
listischen Produktion ist. Er löst nicht nur nicht das Problem.
Er fühlt es nicht
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1*) ihr Maßstab - 2*) "mehr oder weniger wertvoll, je nachdem, ob
sie sich gegen mehr oder weniger dieses Normalmaßes austauschen"
- 3*) tatsächlich
#400# Fünfzehntes Kapitel
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einmal bei A. Smith heraus. Der ganzen Anlage seiner Forschung
entsprechend genügt es ihm, nachzuweisen, daß der wechselnde Wert
der Arbeit - kurz der Arbeitslohn - die Wertbestimmung der von
der Arbeit selbst verschiednen W a r e n durch das relativ in
ihnen enthaltne Arbeitsquantum n i c h t a u f h e b t. "They
are not equal" 1*), nämlich "the quantity of labour bestowed on a
commodity, and the quantity of labour which that commodity would
purchase" 2*). Mit der Konstatierung dieser Tatsache begnügt er
sich. Aber wodurch unterscheidet sich die Ware Arbeit von andren
Waren? Die eine ist l e b e n d i g e A r b e i t, die andre
v e r g e g e n s t ä n d l i c h t e Arbeit. Also nur zwei ver-
schiedne Formen Arbeit. Warum gilt für die eine ein Gesetz, das
nicht für die andre, da der Unterschied nur formell? Ric[ardo]
antwortet nicht, wirft nicht einmal die Frage auf.
Es hilft nichts, wenn er sagt:
"Ist der Wert der Arbeit nicht ... schwankend, da er nicht nur,
wie alle anderen Dinge" (soll heißen Waren), "durch das Verhält-
nis von Angebot und Nachfrage beeinflußt wird, das sich mit jeder
Veränderung der Struktur der Gesellschaft unweigerlich ändert,
sondern auch durch den wechselnden Preis der Nahrungsmittel und
anderer lebensnotwendiger Dinge, für welche die A r b e i t s-
l ö h n e verausgabt werden?" (p. 7.)
Daß der price of labour 3*) gleich dem andrer Waren mit demand
und supply 4*) changiert, beweist nach Ric[ardo] selbst nichts,
wo es sich um die v a l u e of labour handelt, so wenig wie
dieser Preiswechsel mit supply und demand für die value of other
commodities 5*). Daß aber die "wages of labour" 6*), was nun ein
andrer Ausdruck für value of labour, affiziert ist durch "the va-
rying price of food and other necessaries, on which the wages of
labour are expended" 7*), beweist ebensowenig, warum die value of
labour anders bestimmt ist (oder scheint) als die value andrer
commodities. Denn auch diese werden affiziert durch den varying
price of other commodities which enter into their production,
against which they are e x c h a n g e d 8*). Und die
e x p e n d i t u r e of the wages of labour upon food and ne-
cessaries 9*) heißt doch nichts als der e x c h a n g e der va-
lue of labour against food and necessaries 10*). Die Frage ist
eben, warum exchangieren l a b o u r und die W a r e n,
W o g e g e n s i e s i c h
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1*) "Sie sind nicht gleich" - 2*) "die auf eine Ware verwendete
Menge Arbeit und die Quantität Arbeit, die mit dieser Ware gek-
auft werden kann" - 3*) Preis der Arbeit - 4*) Nachfrage und Zu-
fuhr - 5*) Wert anderer Waren - 6*) "Arbeitslöhne" - 7*) "den
wechselnden Preis der Nahrungsmittel und anderer lebensnotwendi-
ger Dinge, für welche die Arbeitslöhne verausgabt werden" -
8*) "Wechsel im Preis anderer Waren, die in ihre Produktion ein-
gehen, gegen die sie ausgetauscht werden - 9*) Verausgabung der
Arbeitslöhne für Nahrungsmittel und andere lebensnotwendige Dinge
- 10*) Austausch des Wertes der Arbeit gegen Nahrungsmittel und
andere lebensnotwendige Dinge
#401# Ricardos Theorie über den Mehrwert
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a u s t a u s c h t, nicht nach dem Gesetz der Werte, nach den
relativen Arbeitsquantitäten?
Die Frage, so gestellt, an sich unlösbar - das G e s e t z
d e r W e r t e v o r a u s g e s e t z t, und deswegen unlös-
bar, weil l a b o u r als solche der W a r e, ein bestimmtes
Quantum unmittelbarer Arbeit als solches einem bestimmten Quantum
vergegenständlichter Arbeit gegenübergestellt wird.
Diese Schwäche der R[icardo]schen Entwicklung hat, wie wir später
sehn werden, zur Auflösung der R[icardo]schen Schule beigetragen
und zu abgeschmackten Hypothesen.
¦¦652¦ Wakefield sagt mit Recht:
"Wenn man A r b e i t als eine W a r e und K a p i t a l,
das Produkt von Arbeit, als eine andere behandelt, dann würde
sich, wenn die W e r t e j e n e r b e i d e n W a r e n
d u r c h g l e i c h e A r b e i t s m e n g e n b e-
s t i m m t würden, eine gegebene Menge Arbeit unter allen
Umständen gegen eine solche Menge Kapital austauschen, die durch
die gleiche Arbeitsmenge erzeugt worden wäre; v e r g a n-
g e n e A r b e i t w ü r d e immer g e g e n d i e
g l e i c h e M e n g e e i n g e t a u s c h t w i e
g e g e n w ä r t i g e. Aber der Wert der Arbeit im Verhältnis
zu anderen Waren wird, wenigstens soweit der Lohn einen Anteil am
Produkt ausmacht, n i c h t d u r c h g l e i c h e
A r b e i t s m e n g e n bestimmt, sondern durch das Verhältnis
zwischen Zufuhr und Nachfrage." (E.G. Wakefield, Note zu p. 230
zu t.I seiner Ausgabe von A. Smiths "Wealth of Nations", London
1835.)
Es ist dies auch eins der Steckenpferde von Bailey; später nach-
zusehn. Auch Say, der sich sehr darüber freut, daß hier auf ein-
mal supply and demand entscheiden sollen.
Zu 1. Noch zu bemerken: Ch. I. sect. 3 trägt folgende Über-
schrift:
"Nicht nur d i e auf Waren u n m i t t e l b a r a n g e-
w a n d t e A r b e i t beeinflußt den Warenwert, sondern
a u c h die A r b e i t, die auf Geräte, Werkzeuge und Gebäude
v e r w e n d e t worden ist, welche die unmittelbar verausgabte
Arbeit unterstützen." [David Ricardo, "On the principles...",
London 1821, p. 16.]
Also der Wert einer Ware ist gleichmäßig bestimmt durch das Quan-
tum v e r g e g e n s t ä n d l i c h t e r (v e r g a n g-
n e r) Arbeit, das zu ihrer Produktion erheischt ist, wie durch
das Quantum l e b e n d i g e r (g e g e n w ä r t i g e r)
Arbeit, das zu ihrer Produktion erheischt ist. In andren Worten:
Quanta Arbeit sind durchaus nicht durch den f o r m e l l e n
U n t e r s c h i e d affiziert, ob die Arbeit vergegenständ-
licht oder lebendig, vergangen oder gegenwärtig (unmittelbar)
ist. Wenn dieser Unterschied bei der Wertbestimmung der Waren
gleichgültig, warum wird er von so entscheidender Wichtigkeit,
wenn vergangne Arbeit
#402# Fünfzehntes Kapitel
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(Kapital) mit lebendiger Arbeit ausgetauscht wird? Warum soll er
hier das Gesetz des Werts aufheben, da der Unterschied a l s
s o l c h e r, wie sich bei der Ware zeigt, gleichgültig für die
Wertbestimmung ist? R[icardo] beantwortet diese Frage nicht,
wirft sie selbst nicht auf.
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