Quelle: MEW 26.2 Theorien über den Mehrwert - Zweiter Teil
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#15# Herr Rodbertus. Abschweifung. Neue Theorie der Grundrente
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[2. Die Profitrate in ihrem Verhältnis zur Mehrwertrate. Der Wert
des landwirtschaftlichen Rohmaterials als Element des konstanten
Kapitals in der Landwirtschaft]
Allgemein gestellt ist die Frage, die bei R[odbertus] zu beant-
worten, die: Die allgemeine Form des vorgeschoßnen Kapitals ist:
capital constant capital variable,
Maschinerie - Rohmaterial Arbeitslohn 1*).
Die zwei Elemente des konstanten 2*) Kapitals allgemein gleich
Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand. Der letztre braucht nicht
Ware, nicht Produkt der Arbeit zu sein. Er kann also als E l e-
m e n t d e s K a p i t a l s nicht existieren, obgleich er
als E l e m e n t d e s A r b e i t s p r o z e s s e s stets
existiert. Die Erde ist das Rohmaterial des Ackerbauers, die Mine
das des Kohlenmanns, das Wasser das des Fischers und der Wald
selbst das des Jägers' [3]. Die vollständigste Form des Kapitals
ist aber, wenn jene 3 Elemente des Arbeitsprozesses auch als 3
Elemente des Kapitals existieren, d.h., wenn sie alle 3 Ware
sind, Gebrauchswerte, die einen Tauschwert haben und Produkt der
Arbeit sind. In diesem Fall gehn auch alle 3 Elemente in den
Verwertungsprozeß ein, obgleich die Maschinerie nicht in dem Um-
fang, worin sie in den Arbeitsprozeß eingeht, sondern nur in dem
Maß, worin sie von ihm konsumiert wird.
Die Frage ist nun die: Kann das Wegfallen eines dieser Elemente
die P r o f i t r a t e (nicht die Mehrwertsrate) in dem Indu-
striezweig vermehren, worin es wegfällt? Allgemein antwortet dar-
auf die Formel selbst:
Profitrate ist gleich dem Verhältnis des Mehrwerts zur Gesamt-
summe des vorgeschoßnen Kapitals.
Die ganze Untersuchung wird gemacht unter der Voraussetzung, daß
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1*) In der Handschrift mit Bleistift geändert in: Arbeitskraft -
2*) in der Handschrift: variablen
#16# Achtes Kapitel
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die R a t e d e s M e h r w e r t s unverändert bleibt, i.e.
die Teilung des Werts des Produkts zwischen Kapitalist und Lohn-
arbeiter.
¦¦448¦ Die Rate des Mehrwerts = m/v; die Rate des Profits =
m/(c+v).
Da m', die Rate des Mehrwerts, gegeben ist, ist v gegeben und m/v
als konstante Größe vorausgesetzt. Also kann m/(c+v) nur die
Größe wechseln, wenn c+v sich ändert, und da v gegeben ist, kann
diese nur wachsen oder abnehmen, weil c abnimmt oder wächst. Und
zwar wird
wachsen m/(c+v) wachsen oder abnehmen, nicht im Verhältnis von
c:v, sondern im Verhältnis wie c sich zur Summe von c+v verhält.
Wäre c = 0, so m/(c+v) = m/v. Oder die Profitrate in diesem Falle
gleich der Rate des Mehrwerts, und dies ist ihr höchstmöglicher
Ausdruck, da durch keine Form der B e r e c h n u n g m und v
ihre Größe verändern können. Wenn v = 100 und m = 50, so m/v =
50/100 = 1/2 = 50 p.c. Käme nun ein capital constant von 100
hinzu, so die Profitrate = 50/(100+100) = 50/200 = 1/4 = 25 p.c.
Die Profitrate hätte um die Hälfte abgenommen. Kämen 150[c] zu
100[v] hinzu, so die Profitrate
= 50/(150+200) 50/250 = 1/5 = 20 p.c. Im ersten Fall ist das Ge-
samtkapital = v, = dem variablen Kapital, daher die Profitrate =
der Rate des Mehrwerts. Im zweiten Fall ist das Gesamtkapital = 2
x v, daher die Profitrate nur mehr halb so groß als die Rate des
Mehrwerts. Im dritten Fall ist das Gesamtkapital = 2 1/2 x 100 =
2 1/2 x v = 5/2 x v. v ist nur noch 2/5 des. Gesamtkapitals. Der
Mehrwert 1*) ist = 1/2 von v, 1/2 von 100, ist daher nur 1/2 von
2/5 des Gesamtkapitals = 2/10 des Gesamtkapitals. 250/10 = 25 und
2/10 von 250 = 50. 2/10 sind aber = 20 p.c. 2*)
Soviel steht also von vornherein fest. Bleibt v unverändert und
m/v, so ist es ganz gleichgültig, wie die Größe von c gebildet
wird. Ist c von bestimmter Größe, z.B. = 100, so ist es ganz
gleichgültig, ob es sich zerlegt in 50 Rohmaterial und 50 Maschi-
nerie oder in 10 Rohmaterial und
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1*) In der Handschrift: Die Rate des Mehrwerts - 2*) in der Hand-
schrift links auf den Rand buchstabenweise untereinandergeschrie-
ben: Profit
#17# Herr Rodbertus. Abschweifung. Neue Theorie der Grundrente
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90 Maschinerie oder in 0 Rohmaterial und 100 Maschinerie oder um-
gekehrt, denn es ist das Verhältnis von m/(c+v), welches die Pro-
fitrate bestimmt 1*); wie sich die Produktionselemente, aus denen
c besteht, als Wertteile zu ganz c verhalten, ist hierbei gleich-
gültig. Z.B. in der Kohlenproduktion mag man das Rohmaterial (mit
Abzug der Kohle, die selbst wieder als matière instrumentale 2*)
dient) = 0 setzen und annehmen, daß das ganze konstante Kapital
aus Maschinerie (Baulichkeiten, Arbeitsinstrumente eingeschlos-
sen) besteht. Andrerseits mag bei einem Schneider die Maschinerie
= 0 gesetzt werden (namentlich, wo die großen Schneider noch
keine Nähmaschine anwenden und andrerseits, wie jetzt zum Teil in
London, selbst die Gebäulichkeit sparen, indem sie ihre Arbeiter
als outdoor labourers 3*) arbeiten lassen. Es ist dies e i n
N e u e s, worin die zweite T e i l u n g d e r A r b e i t
i n d e r F o r m der ersten wieder erscheint [4]) und das
ganze konstante Kapital in Rohmaterial aufgelöst werden. Wendet
der Kohlenmann 1000 in Maschinerie und 1000 in Lohnarbeit an,
ditto der Schneider 1000 in Rohmaterial und 1000 in Lohnarbeit,
so ist, bei gleicher Rate des Mehrwerts, die Rate des Profits in
beiden Fällen gleich. Nehmen [wir] an, der Mehrwert sei = 20
p.c., so wäre die Profitrate = 10 p.c. in beiden Fällen, nämlich
= 200/2000 = 2/20 = 1/10 = 10 p.c. Wenn also das Verhältnis der
Bestandteile von c, Rohmaterial und Maschinerie, einen Einfluß
auf die Profitrate ausüben soll, so ist dies nur in 2 Fällen mög-
lich: 1. wenn durch den Wechsel in diesem Verhältnis die absolute
Größe von c modifiziert wird; 2. wenn durch dies Verhältnis der
Bestandteil von c die Größe von v modifiziert wird. Es müßten
hier organische changes 4*) in der Produktion selbst herauskom-
men, nicht der bloß identische Satz, daß, wenn ein bestimmter
Teil von c einen kleinren, der andre einen größren Teil der gan-
zen Summe ausmachen muß.
In der real bill 5*) eines english farmers wages 6*) = 1690 l.,
manure 7*) = 686, seeds 8*) = 150, grains for cows 9*) = 100.
Also 936 l. für "Rohmaterial", mehr als die Hälfte der wages.
(Sieh Newman, F.W. "Lectures on Pol. Ec.", Lond. 1851, p. 166.)
"In Flandern" (belgischen) "werden in diese Gegenden Dung und Heu
von Holland eingeführt" (für den Flachsbau etc. Dagegen führen
sie aus Flachs, linseed 10*) etc.). "Der Kehricht in den hollän-
dischen Städten ist ein Gegenstand des Handels und wird regelmä-
ßig zu hohen Preisen nach Belgien verkauft. Ungefähr 20 Meilen
von Antwerpen, die Scheide aufwärts, kann man Behälter für den
Dünger sehen, der von Holland
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1*) In der Handschrift: besteht - 2*) Hilfsstoff - 3*) Heimar-
beiter - 4*) Veränderungen - 5*) wirklichen Bilanz - 6*) Löhne -
7*) Dünger - 8*) Saatgut - 9*) Futtergetreide - 10*) Leinsamen
#18# Achtes Kapitel
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gebracht wird. Der Handel wird von einer Kapitalistengesellschaft
auf holländischen Booten betrieben" usw. (Banfield) [5].
So ist selbst der Dünger, der ordinäre Mist, Handelsartikel ge-
worden, und nun gar Knochenmehl, Guano, Pottasche etc. Es ist
nicht nur der formelle Wechsel in der Produktion, daß das Element
der Produktion g e s c h ä t z t w i r d in Geld. Es werden
dem Boden neue Stoffe zugeführt und seine alten verkauft aus
p r o d u k t i v e n Gründen. Es ist auch hier kein bloß for-
meller Unterschied zwischen der kapitalistischen und der frühren
Produktionsweise. Der Samenhandel selbst ist wichtiger geworden
in dem Maße, wie man Einsicht erhielt in die Wichtigkeit des Sa-
menwechsels. Es wäre also von der eigentlichen Agrikultur lächer-
lich zu sagen, daß kein "Rohstoff" - und zwar Rohstoff als Ware -
m sie eingeht, sei es nun, daß sie denselben selbst reproduziert
oder als Ware einkauft, von außen bezieht. Es wäre ebenso lächer-
lich zu sagen, daß für den maschinenbauenden Maschinisten ¦¦449¦
die Maschine, die er selbst braucht, nicht als Wertelement in
sein Kapital eingeht.
Ein deutscher Bauer, der jahraus, jahrein seine Produktionsele-
mente selbst erzeugt, Samen, Düngmittel etc., und einen Teil sei-
nes Getreides selbst mit seiner Familie aufißt, hat Geldausgaben
(für die Produktion selbst) nur für seine paar Ackerwerkzeuge und
Arbeitslohn. Gesetzt, der Wert aller seiner Auslagen sei = 100 [,
davon sei die Hälfte mit Geld zu bezahlen]. Er konsumiert die
Hälfte [des Produkts] in natura (Produktionskosten). Die andre
Hälfte verkauft er und löst, sage 100. Sein Bruttoeinkommen dann
= 100. Und wenn er dies auf das Kapital von 50 berechnet, sind
das 100 p.c. [Profit]. Geht nun 1/3 von den 50 für Rente ab und
1/3 für Steuern (zusammen 33 1/3), so blieben ihm 16 2/3, was auf
50 = 33 1/3 p.c. ist. In der Tat hatte er aber nur 16 2/3 p.c.
[von den ausgelegten 100]. Der Bauer hatte einfach falsch gerech-
net und sich selbst geprellt. Dergleichen Rechnungsfehler kommen
bei einem kapitalistischen farmer nicht vor.
In dem Metairievertrag (in [der Provinz] Berry z.B.), sagt Ma-
thieu de Dombasle, "Annales agricoles" etc., Paris 1828, (4te
livraison):
"Der Grundeigentümer liefert den Boden, die Baulichkeiten und ge-
wöhnlich ganz oder zum Teil Vieh und die zum Betrieb notwendigen
Geräte; der Pächter seinerseits liefert seine Arbeit und nichts
oder fast nichts anderes. Die Produkte des Bodens werden zu glei-
chen Teilen geteilt." (p. 301 .) "Die Teilpächter sind in der Re-
gel im Elend versunkene Leute." (p. 302.) "Wenn der Halbpächter
durch eine Auslage von 1000 frs. einen Zuwachs des Bruttoprodukts
von 1500 frs. erhielt" (also 500 frs. Bruttogewinn), "muß er zur
Hälfte teilen mit dem Grundeigentümer, zieht also 750, verliert
also 250 frs.
#19# Herr Rodbertus. Abschweifung. Neue Theorie der Grundrente
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von seinen Auslagen." (p. 304.) "Unter dem früheren Anbausystem
wurden die Ausgaben oder die Kosten der Produktion fast aus-
schließlich aus den Produkten selbst in natura gezogen für den
Konsum des Viehs, des Bodenbebauers und seiner Familie; es wurde
fast gar kein Bargeld ausgegeben. Nur dieser Umstand konnte zu
dem Glauben Veranlassung geben, der Grundeigentümer und der Päch-
ter könnten den ganzen Ertrag der Ernte, der nicht während der
Produktion konsumiert wurde, unter sich teilen; aber dieser Pro-
zeß nur anwendbar auf diese Art der Landwirtschaft, d.h. der
k ü m m e r l i c h e n L a n d w i r t s c h a f t; aber so-
bald man eine Verbesserung der Agrikultur anbringen will, merkt
man, daß dies nur möglich durch irgendwelche Vorschüsse, deren
Betrag man vom Bruttoprodukt abziehen muß, um sie für die Produk-
tion des folgenden Jahres anwenden zu können. Jede Teilung wird
daher zu einem unüberwindlichen Hemmnis jeder Verbesserung."
(l.c.p. 307.)
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