Quelle: Sozialistische Politik Jahrgang 1969
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EDITORIAL
I
Aufgrund der Arbeitserfahrung bei der Gestaltung der Berliner
Zeitschrift für Politologie während des Jahres 1968 faßte die Re-
daktion im Februar 1969 folgenden Beschluß über ihre zukünftige
Tätigkeit:
1. Die sozialistische Praxis in Hochschule und Gesellschaft muß
stärker als bisher in unserer redaktionellen Arbeit zum Ausdruck
kommen.
2. Die theoretische Konzeption muß auch Niederschlag finden in
der Organisationsform der Zeitschrift.
3. Da die - sich liberal titulierenden - bisherigen Mitherausge-
ber der Berliner Zeitschrift für Politologie mit juristischen
Mitteln drohen, die Herausgabe einer eindeutig sozialistischen
Zeitschrift unter dem alten Namen zu verhindern, gibt das Redak-
tionskollektiv der von ihr in Zukunft herauszugebenden Zeit-
schrift den Namen:
Sozialistische POLITIK
II
Dies war der Abschluß einer Entwicklung innerhalb einer Zeit-
schrift traditioneller Form und der Beginn sozialistischer Praxis
für das Redaktionskollektiv in einem Teilbereich dieser Gesell-
schaft - der Freien Universität Berlin.
Ausgehend von der tradierten Organisationsform periodisch er-
scheinender Fachzeitschriften erschienen der Redaktion Änderungen
dieser Organisation unumgänglich. Ein erster Schritt dieser Um-
wandlung war die Aufhebung der Isolation ressortbezogener Redak-
tionsarbeit und die Bildung eines Redaktionskollektivs. Die re-
daktionsinterne Entwicklung konnte aber nur Begleiterscheinung
der allgemeinen hochschulpolitischen Entwicklung sein. Die Konso-
lidierung der Redaktion führte zur Analyse der mangelhaften
Selbstbestimmung, resultierend aus personeller und funktionaler
Trennung von Herausgebern und Redaktion sowie der Übernahme eines
pluralistischen Eklektizismus als theoretischer Grundlage
redaktioneller Gestaltung. Um nicht den Widerspruch zwischen die-
ser irrationalen Ausgangsposition und unseren Bemühungen um In-
halte und Organisationsformen der sich bildenden sozialistischen
Alternative an der Freien Universität Berlin und der
außerparlamentarischen Opposition zu perpetuieren, hob das Redak-
tionskollektiv auch seine Rolle eines passiven Agenten auf. Es
kann seh nur als Vermittler einer Lehr- und Forschungspraxis be-
greifen, die ihr Ziel in der radikalen Umwandlung der bestehenden
Gesellschaft und der Entwicklung einer sozialistischen Alterna-
tive sieht. Die Formen dieser Veränderung und ihre sozialistische
Perspektive rücken damit in den Vordergrund redaktioneller Ar-
beit.
III
Die Dialektik der Entwicklung des Jahres 1968 - ablesbar bei-
spielsweise an der außerparlamentarischen Opposition im allgemei-
nen und am Otto-Suhr-Institut etwa im besonderen (siehe G. Weg-
horn) - verlangt gerade im Bereich der kritischen Theorie die
konsequente Auseinandersetzung mit der logisch-empirischen Theo-
rie und der Praxis einer pseudo-reformistischen Technokratie, Je-
doch soll dies nur neben anderen Schwerpunkten stehen, die sich
z.B. von der Räte-Diskussion (siehe B. Rabehl) und der Politi-
schen Ökonomie (siehe W. Müller) her bestimmen lassen.
Sozialistische POLITIK will eindeutig den beschränkten Raum af-
firmativer Politologie verlassen, und versteht sich
1. als Organ kritisch sozialwissenschaftlicher Forschungstätig-
keit und
2. als theoretisches Sprachrohr sozialistischer Praxis in Hoch-
schule und Gesellschaft.
Als Zeitschrift, die langfristig zu diskutierende Problemstellun-
gen und taktische Fragen der Tagespolitik aufeinander zu beziehen
hat, wird Sozialistische POLITIK intensiver als bisher die Berli-
ner Zeitschrift für Politologie dieser Konzeption gerecht werden.
Das schließt natürlich die Veröffentlichung solcher Beiträge
nicht aus, die vom liberalen Standpunkt her zur Klärung der kri-
tischen Theorie beitragen. Das Redaktionskollektiv hält Selbst-
darstellung der um Konfliktreduktion bemühten Technokraten in
manchen Fällen für exemplarische Lehrstücke. Wir verlassen damit
bewußt den Standpunkt eines meinungsvermittelnden Aufklärers und
nehmen dezidiert Stellung. Nur so erscheint uns die Herausgabe
eines Organs kritischer Sozialwissenschaft sinn-.oll. Dies ist
natürlich ein Anspruch, den wir ohne intensive Mitarbeit und Kri-
tik unserer Leser - und sei es nur als Korrektiv - nicht erfüllen
können. Wir werden daher versuchen, stärker als bisher aus der
Anonymität des 'Impressums' herauszutreten. Sei es, um unseren
Standpunkt darzulegen, sei es, um unsere Leser zur Mitarbeit zu
provozieren.
Das Redaktionskollektiv
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