Quelle: Sozialistische Politik Jahrgang 1978
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Winfried Roth
MONOPOLISIERUNG, STAGNATION UND PREISTREIBEREI:
Die Stahlkonzerne der USA als Motoren der Inflation *)
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Zur Struktur der amerikanischen Stahlindustrie
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Schon seit Anfang dieses Jahrhunderts ist die Stahlindustrie ei-
ner der hochkonzentriertesten Industriezweige der USA. Um die
Jahrhundertwende (Entstehung der Konzerne United States Steel,
Bethlehem, Armco und Republic) und in den zwanziger Jahren
(Bildung von National, Youngstown und Wheeling) vollzogen sich in
dieser Branche gewaltige Prozesse der Konzentration und Zentrali-
sation des Kapitals 1).
Die Konzerne entwickelten sich dabei höchst ungleichmäßig. 1902,
ein Jahr nach der Gründung, entfielen auf US Steel 73% der Roh-
stahlkapazität des Landes, 1960 nur noch über 28%. Die ändern
Konzerne haben also aufgeholt. Von 1904 bis 1950 wuchs US Steel
(die Rohstahlkapazität) um 142%, Bethlehem dagegen um 6942%. Auch
das Wachstum dieser Konzerne war zum größten Teil das Ergebnis
von Zentralisationsprozessen: das Zurückbleiben von US Steel
erklärt sich aus der Strategie des Unternehmens, auf "externes
Wachstum" zu verzichten, um nicht allzu offen mit den
Arititrustgesetzen in Konflikt zu kommen. Mitte der dreißiger
Jahre waren die meisten Zentralisationsprozesse abgeschlossen.
Nimmt man 1938 als Basisjahr, zeigt sich eine gleichmäßigere
Entwicklung der Konzerne: die Wachstumsraten bis 1950 sind für US
Steel 17%, für Bethlehem 33% und für Armco 48% 2). Scheinbar geht
also der Konzentrationsgrad zurück - der Eindruck täuscht jedoch:
erstens ist der Grad der Konzentration der Stahlproduktion nach
wie vor äußerst hoch, zweitens sind die meisten Mittel- und
Kleinbetriebe eng spezialisiert.
Im Folgenden eine Übersicht 3) über die größten Stahlunternehmen
der USA 1950, 1968 und 1972 (zur Herstellung aller gängigen Pro-
dukte sind lediglich US Steel und Bethlehem in der Lage; die mei-
sten der als "Restliche" aufgeführten Kleinunternehmen - alle mit
einem Marktanteil von weniger als 1% - sind spezialisiert):
Unternehmen Anteil an der Rohstahl- Rohstahlpro-
produktion der USA (in %) duktion (in
Mio. Tonnen)
1950 1968 1972 1968 1972
United States Steel 32,5 24,7 23,1 32,4 27,9
Bethlehem Steel 15,6 15,5 13,7 20,4 16,6
Republic Steel 8,9 7,4 7, 8 9,7 9,4
National Steel 4,4 6,5 7,4 8,5 8,9
Armco Steel 4,1 5,9 6,3 7,7 7,6
Inland Steel 3,8 5,4 5,8 7,0 7,0
Jones & Laughlin Steel 5,1 5,9 5,5 7,7 6,7
Youngstown Sheet & Tube 4,2 4,3 . 5,6 .
Wheeling-Pittsburgh Steel . 2,8 . 3,6 .
Kaiser Steel . 2,2 . 2,9 .
Colorado Fuel & Iron . 1,3 . 1,6 .
Sharon Steel . 1,1 . 1,5 .
McLouth Steel . 1,1 . 1,5 .
Restliche . 15,9 . 20,8 .
In dem bei weitem wichtigsten Bereich der Eisen- und Stahlindu-
strie, der Roh- und Walzstahlproduktion, entfielen auf die vier
größten Unternehmen 1947 52,6% des Umsatzes, auf die zwanzig
größten 78,5%. 1956 waren es 52,9% bzw. 84,3%: die mittleren Un-
ternehmen gewannen auf Kosten der kleinen, während der Anteil der
vier Großen konstant blieb. Der Marktanteil der zwanzig größten
Unternehmen lag 1972 unverändert bei 84%, der Anteil der vier
Branchenführer war dagegen auf 45% gefallen 4).
An der Dominanz weniger Großunternehmen in der amerikanischen
Stahlindustrie hat sich seit Kriegsende nichts geändert. Von al-
len Unternehmen, die 1950 einen Marktanteil von weniger als 3%
hatten, schaffte keines den Sprung über diese Marke: während 1959
auf Unternehmen mit einer Rohstahlkapazität von weniger als einer
halben Million Tonnen jährlich noch 6,4% der Produktion entfie-
len, waren es 1969 nur noch 3,4% 5). Es kann lediglich zu Ver-
schiebungen innerhalb der Gruppe der beherrschenden Unternehmen,
wobei US Steel insgesamt über ein Viertel seines Marktanteils
verlor, während mittlere Konzerne wie National, Armco und Inland
z.T. beträchtlich an Terrain gewannen. Das "Gruppenmonopol" in
der Stahlindustrie besteht nach wie vor.
Übrigens kam es in den sechziger Jahren erneut zu einer Zentrali-
satonswelle. Von den dreißig größten Stahlfirmen des Jahres 1960,
auf die fast 95% der Rohstahlkapazität entfielen, verloren bis
1972 immerhin zwölf ihre Selbständigkeit, darunter drei der zehn
größten Unternehmen. Diese und fünf weitere wurden von
"Mischkonzernen" (Konglomeraten) übernommen; an innerzweiglichen
Zentralisationsprozessen war von größerer Bedeutung nur die Ver-
schmelzung von Pittsburgh und Wheeling Steel 1968; der neue Kon-
zern rückte unter die ersten Zehn vor. 1971 verdrängte National
nach dem Erwerb von Granite City Steel Republic von Platz drei
6).
Es wird später die Preispolitik der Stahlkonzerne untersucht.
Hier sei zunächst festgehalten, daß - während in den Jahren 1941-
45 die Stahlindustrie als Hauptlieferant der Rüstungsindustrie
stärker expandierte als die US-Industrie insgesamt - ihre Wachs-
tumsraten nach dem Kriege unter dem Durchschnitt lagen (wobei
freilich auch diese Kapazitäten kaum je voll ausgelastet waren).
Der Produktionszuwachs in der gesamten verarbeitenden Industrie
betrug z.B. zwischen 1963 und 1971 38%, in der Stahlindustrie je-
doch nur 13%. Entfielen 1947 auf die Stahlindustrie noch 8,0% des
Anlagevermögens der verarbeitenden Industrie, so waren es 1968
nur noch 5,5%.
Auch in der Produktivitätsentwicklung lag die Stahlindustrie un-
ter dem Durchschnitt. So wuchs der Output je Arbeiterstunde zwi-
schen 1947 und 1970 in der ganzen verarbeitenden Industrie pro
Jahr durchschnittlich um 2,9%, in der Stahlindustrie dagegen um
nur 1,7%. Damit lag die Stahlindustrie unter den 27 größten Bran-
chen an drittletzter Stelle 7).
Monopolmacht und technischer Fortschritt
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In der US-Stahlindustrie läßt sich kein direkter Zusammenhang
zwischen Produktivkraftentwicklung und Preisgestaltung mehr fest-
stellen; hier zeigt sich besonders deutlich der Einfluß des hohen
Monopolisierungsgrades.
Im Vergleich zu den ändern kapitalistischen Industrieländern
setzte sich in der amerikanischen Stahlindustrie der technische
Fortschritt mit beträchtlichen Verzögerungen durch. Die wichtig-
sten Neuerungen in der Stahltechnologie nach 1945 wurden alle au-
ßerhalb der USA entwickelt, so das Oxygen- und das Stranggußver-
fahren. Das zum ersten Mal 1952 in Österreich angewandte Oxygen-
verfahren wurde von den drei großen US-Stahlkonzernen erst ab
1964 eingeführt. 1964 entfielen in Japan auf Oxygenstahl 44,2%
der Produktion, in den USA 12,2%; 1971 waren es 80,0% bzw. 53,1%.
Auf die technisch obsolete Siemens-Martin-Methode entfielen in
Japan 1971 nur noch 2,4%, in den USA dagegen 29,5% der Produktion
8).
Die oben erwähnte Verschiebung in der Rangfolge der Stahlkonzerne
zugunsten mittelgroßer Unternehmen und auch das Überleben kleine-
rer Firmen (über hundert sog. mini-mills) hängen vor allem mit
deren Vorsprung bei der Einführung technischer Neuerungen (etwa
Oxygenstahlverfahren, Strangguß, automatische Walzstraßen) zusam-
men. Dieser Vorsprung in der Produktivkraftentwicklung sicherte
ihnen angesichts der monopolistischen Preissetzungspraktiken in
der Branche (Ausschluß von Preiskonkurrenz) einen ausreichenden
Profitspielraum.
Schon seit den dreißiger Jahren geben die großen Firmen relativ
weniger für Forschung und Entwicklung aus als die mittleren und
kleinen. 1968 entfielen 90% der Stranggußanlagen auf Unternehmen
mit insgesamt 3% der Rohstahlkapazität 9). Branchenmäßig gesehen
also ein sehr langsamer technischer Fortschritt.
Auch bei der Produktion von Oxygen- und Elektrostahl sind die
kleineren Unternehmen relativ stärker vertreten als die großen;
so führte McLouth schon 1954, zwei Jahre nach der ersten indu-
striellen Anwendung in Europa, die Oxygentechnik ein, US Steel,
Bethlehem und Republic dagegen erst ab 1963. Die Anwendung der
Elektrostahltechnologie, die für die Branche das Kapitalminimum
beträchtlich senkte (und die auch bei reiner Schrottbeschickung
möglich war), sicherte die Existenz vieler kleiner Stahlwerke.
Diese mini-mills, deren Jahreskapazität oft unter 100 000 Tonnen
liegt, waren meist auf die Produktion von Edelstahl (Legierungen)
spezialisiert oder verfügten in peripheren Regionen über eine re-
lativ sicheren Absatzmarkt. Nach einer Erhöhung der Schrottpreise
um fast 100% zwischen 1968 und 1970 machten freilich viele dieser
Unternehmen Bankrott.
Eine nicht unbeträchtliche Rolle spielte für die US-Stahlindu-
strie auch die Einengung ihres Absatzmarktes durch neue Produkte
wie Aluminium (dessen Expansion fast vollständig zu Lasten von
Stahlprodukten ging) und Kunststoffe und durch neue Anwendungs-
möglichkeiten für traditionelle Materialien wie Zement und Glas.
Viele dieser Produkte waren von Anfang an billiger und bei allen
waren die langfristigen Preissteigerungen wesentlich geringer als
bei Stahl. So wuchs mengenmäßig die Produktion in der Alumi-
niumindustrie zwischen 1947 und 1967 um das sechsfache, in der
Kunststoffindustrie um das zwanzigfache, in der Stahlindustrie
dagegen nur um ein Drittel 10).
Ein anderer Prozeß, der auch die Preispolitik der Stahlkonzerne
hätte beeinflussen müssen, war die Errichtung von (nur für den
Eigenbedarf produzierenden) Stahlwerken durch Großunternehmen der
stahlverarbeitenden Industrie, etwa Ford, Timkens, Babcock & Wil-
cox, General Tire & Rubber und International Harvester. Insgesamt
entfallen etwa 4% der Rohstahlkapazität auf diese Werke (allein
das Stahlwerk von Ford produzierte 1969 2,5 Millionen Tonnen Roh-
stahl) 11).
All diese Faktoren - zurückgehender Konzentrationsgrad, Entwick-
lung der Produktivkräfte durch kleinere Unternehmen, Produkten-
konkurrenz 11a) - hätten im vormonopolistischen Kapitalismus
unweigerlich zu verschärfter Preiskonkurrenz geführt. Unter
monopolistischen Bedingungen dagegen werden sie inbezug auf die
Preiskonkurrenz fast völlig neutralisiert.
Der Preissetzungsprozeß in der Stahlindustrie
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und seine inflatorischen Auswirkungen
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In einer Stellungnahme der Antitrust-Abteilung des Justizministe-
riums 1966 hieß es, die Preisbildung in der amerikanischen Stahl-
industrie habe "im wesentlichen keinen Wettbewerbscharakter" 12).
Schon seit Anfang des Jahrhunderts findet faktisch kein Preis-
wettbewerb mehr statt (in der amerikanischen Literatur wird häu-
fig von "administered prices" gesprochen). Grundlegende Voraus-
setzung war und ist der hohe Konzentrationsgrad in der Stahlindu-
strie. Ferner spielen eine Rolle die geringen Möglichkeiten der
Unternehmen zur qualitativen Differenzierung des einzelnen Pro-
duktes und das weitgehende Fehlen eines selbständigen Zwischen-
handels (etwa 80% der Produktion werden von den Stahlfirmen di-
rekt abgesetzt).
Fast alle nicht- und halbintegrierten Unternehmen sind in der
einen oder anderen Form von Vorprodukten der integrierten großen
Konzerne abhängig, was von diesen nicht selten als Druckmittel
genutzt wurde.
In der Preispolitik der amerikanische Stahlindustrie zeigt sich
kaum noch ein Reagieren auf Schwankungen der Nachfrage. Bei sin-
kender Nachfrage erhöhte man eher die Preise und drosselte Pro-
duktion und Beschäftigung als etwa diese stabil zu halten und die
Preise zu senken. "Ganz gleich, welche Veränderungen bei den Ko-
sten oder der Nachfrage es gab, die Stahlpreise haben sich seit
1947 immer in nur eine Richtung bewegt - nach oben" 13).
Die Staatseingriffe in die Preispolitik der Stahlkonzerne blieben
marginal 14). Am wichtigsten war die Aufhebung des "Basing Point
System" durch den Obersten Gerichtshof 1948. Dieses System, das
seit etwa 1904 bestand, legte fest, daß unabhängig vom tatsächli-
chen Standort des Lieferanten zu einem Preis geliefert wurde, der
die (u.U. fiktiven) Frachtkosten von dem dem Abnehmer jeweils
nächstgelegenen Basing Point einschloß, wodurch Transportkosten-
vorteile für kleinere lokale Stahlproduzenten weitgehend ausge-
schaltet wurden. Bis 1924 galt nur Pittsburgh, der Sitz von US
Steel, als Basing Point; zuletzt gab es 24 solcher Punkte in den
USA, die aber weitgehend mit den Standorten der Werke von US
Steel identisch waren.
Das Basing Point System wurde durch das flexiblere System der
"Preisführerschaft" abgelöst. Die Preise werden zunächst von ei-
nem Konzern erhöht, dem dann in kurzem Abstand alle übrigen fol-
gen; "(...) keinesfalls betrachtet man mögliche Absprachen mit
Rivalen als mögliche Preispolitik. So sind die Mechanismen zur
Vermeidung direkter Preiskonkurrenz zu einem Rollenverhalten ge-
worden, an das sich alle unabhängig voneinander halten, aber als
Teil eines Verhaltensmusters der ganzen Branche (...)" 15). Ur-
sprünglich spielte US Steel dank seiner dominierenden Position
die Rolle des "price leader", die aber inzwischen nach dem rela-
tiven Bedeutungsverlust dieses Konzerns zu einer Formalität ge-
worden ist, in der sich die Unternehmen abwechseln. Über die
Gründe der fehlenden Preiskonkurrenz heißt es in einer Untersu-
chung der UN-Wirtschaftskomission für Europa: "(...) Preisnach-
lässe von individuellen Firmen mit der Absicht, ihren Marktanteil
zu vergrößern, würden ihnen wohl kaum Vorteile bringen, da die
großen Produzenten - über lange Zeiträume und für große Erzeug-
nismengen - bei jedem Preis gleichziehen könnten" 16).
Allerdings wurde das Vordringen der westeuropäischen und japani-
schen Stahlkonzerne auf dem US-Markt in den 60er Jahren allmäh-
lich zu einem zentralen Problem für die amerikanische Stahlindu-
strie. Statt jedoch Preissenkungen in Betracht zu ziehen, rief
man nach der Staatsintervention.
Die von den Stahlkonzernen vorgeschlagenen protektionistischen
Maßnahmen fanden im Parlament sofort zahlreiche Fürsprecher. Dar-
aufhin erklärten sich 1968 Japan und die BRD zu einer Einschrän-
kung ihrer Exporte bereit. Es kam zu einer Vereinbarung zwischen
den Organisationen der westeuropäischen und japanischen
Stahlindustrie und dem US-Außenministerium, wonach für 1969 als
Maximum ein Importvolumen von 14,0 Millionen Tonnen Stahl festge-
legt wurde (d.h. ca. 25% weniger als 1968); für 1970 und 1971 wa-
ren es 14,7 bzw. 15,4 Millionen Tonnen. Die amerikanischen Stahl-
konzerne nutzten die Importbeschränkungen erwartungsgemäß zu mas-
siven Preiserhöhungen 17).
Insgesamt stiegen die Stahlpreise stets erheblich rascher als der
Preisindex für alle Waren; so stiegen die Stahlpreise (nach der
massiven Preiserhöhung anläßlich der Aufhebung der staatlichen
Preiskontrollen nach Kriegsende) zwischen 1947 und 1958 auf etwa
das Doppelte, die Preise aller Waren dagegen "nur" um etwa ein
Drittel. Unter dem Einfluß der Rezession von 1958 und der zuneh-
menden Konkurrenz durch Importstahl blieben die Stahlpreise in
der ersten Hälfte der sechziger Jahre sogar annähernd stabil,
stiegen dann aber nach den protektionistischen Maßnahmen gegen
die Importkonkurrenz und im Konjunkturaufschwung Anfang der sieb-
ziger Jahre wieder stark an. Setzt man 1967 = 100, so stiegen die
Großhandelspreise für Eisen und Stahl bis 1970 um 15% und bis
1976 sogar um 116%, während der Index der Großhandelspreise aller
Waren um 10% bzw. 83% stieg 18).
Wie inflationsfördernd die Politik der "upward flexibility" war,
zeigte sich besonders in den Rezessionen von 1954 und 1958. Be-
reinigt man den Großhandelsindex der Jahre 1953-59 um Stahl und
vorwiegend aus Stahl hergestellte Produkte, bleibt er nahezu sta-
bil; die Stahlpreise steigen in diesen Zeitraum von 100 auf 135,
der Gesamtindex dagegen nur auf 105 19). Von der Stahlindustrie
wurden die Preise also, trotz einer Kapazitätsauslastung von z.T.
weniger als 50% (die durchschnittliche Kapazitätsnichtauslastung
in der Stahlindustrie lag zwischen 1955 und 1967 bei 23%) be-
trächtlich erhöht 20). Wegen der Bedeutung von Stahl als Vorpro-
dukt für andere Industriezweige lösten diese Preiserhöhungen in-
flatorische Tendenzen aus.
Am Beispiel der amerikanischen Stahlkonzerne wird der Zusammen-
hang zwischen Monopol und Inflation empirisch aufzeigbar. In ih-
rer Preissetzung sind die Stahlkonzerne relativ unabhängig von
zyklischen Einflüssen, den durch die Technologieentwicklung ge-
setzten Bedingungen sowie auch von der Einführung stahlsubstitu-
ierender Produkte bzw. billigeren Importen - durch ihre Monopol-
stellung sind die Stahlkonzerne in der Lage, sich gegen externe
Einflüsse (wie Technologieentwicklung, Importe, Kapitalwanderun-
gen) abzuschotten sowie Einbrüche oder Verschiebungen innerhalb
der Produktionsstruktur durch Substitutionsprozesse und Machtver-
schiebungen zu neutralisieren, dJi. eine relative Verschlechte-
rung ihrer Stellung hinzunehmen, ohne dadurch ihre führende Posi-
tion einzubüßen. Diese Mechanismen finden ihren deutlichsten Aus-
druck in der zyklenunabhängigen und mit nahezu linearer Kontinui-
tät nach oben zeigenden Preispolitik und der fehlenden Preiskon-
kurrenz. In der Krise wird nicht nur die Schere von Mengen- und
Preisentwicklung nicht geschlossen, sondern eher noch weiter ge-
öffnet. Der Einfluß der in den Produkten vergegenständlichten Ar-
beitsmenge auf die Preiskalkulation hat sich relativiert. Die Po-
litik steigender Preise wird garantiert durch Mittel wie Nicht-
auslastung der Kapazitäten zur Schaffung eines künstlichen Nach-
frageüberhangs, und Instrumentalisierung des Staates im Interesse
einer Abriegelung des inneren Marktes gegen ausländische Konkur-
renten.
Bestimmende Faktoren der Preissetzung sind das Machtverhältnis
innerhalb der Monopolgruppe der Stahlkonzerne, der wachsende Ein-
fluß der Konglomerate in der Branche, der Einfluß der verschie-
denen staatlichen Regulierungsmechanismen, die tendenziell zu-
rückgehende Bedeutung von Stahl als industrieller Grundstoff so-
wie der Weltmarktpreis.
Im Interesse hoher Monopolprofite nehmen die Stahlkonzerne auch
ohne weiteres Stagnation der Produktion, Zurückbleiben in der
Technologieentwicklung und die inflationäre Belastung der ganzen
Gesellschaft in Kauf.
Angesichts des hohen Monopolisierungsgrades ihrer Branche und der
immer noch zentralen Bedeutung von Stahl als Grundstoff sind die
Stahlkonzerne also in der Lage, Inflationsschübe beträchtlichen
Maßes zu induzieren, indem sie eine Preissetzungspolitik verfol-
gen, die in relativer Unabhängigkeit von der Produktionspreisbe-
stimmung über die Wert-Preis-Relation sich vollzieht.
_____
Anmerkungen
*) Eine ausführlichere Arbeit des Verfassers zur Entwicklung der
Stahlindustrie der USA erscheint voraussichtlich 1979 im
"Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte", (Akademie-Verlag Ber-
lin/DDR).
1) zur Geschichte der US-Stahlindustrie s. Robert Sobel: The Age
of Giant Corporations, Westport 1972
2) Herbert Steiner: Größenordnung und horizontale Verflechtung in
der Eisen- und Stahlindustrie der Vereinigten Staaten, Großbri-
tanniens, Frankreichs, Belgiens, Luxemburgs und Deutschlands,
Kiel 1952, S. 25
3) nach Steiner: Größenordnung, a.a.O., S. 21, Walter Adams: The
Steel Industry, S. 75 (in: The Structure of American Industry,
ed. by Walter Adams, New York/London 1971) und Hermann Bömer: In-
ternationale Kapitalkonzentration und regionale Krisenentwicklung
am Beispiel der Montanindustrie und der Montanregionen der Euro-
päischen Gemeinschaft, Dortmund 1977, S. 93; das Fehlen statisti-
scher Daten - wie auch an ändern Stellen dieser Arbeit - erklärt
sich sowohl aus dem Fehlen entsprechender Erhebungen als auch aus
(die Vergleichbarkeit der Daten beeinträchtigenden) geänderten
Klassifizierungen und aus der schwierigen Zugänglichkeit mancher
Quellen.
4) Ralph L. Nelson: Concentration in the Manufacturing Industries
of the United States, New Haven/London 1963, S. 119ff., U.S. Bu-
reau of the Census: Statistical Abstract of the United States
1975, Washington D.C. 1975, S. 73ff.; Concentration Ratios in Ma-
nufacturing Industry 1958: Report prepared by the Bureau of the
Census for the Subcommittee on Antitrust and Monopoly of the Com-
mittee on the Judiciary, U.S. Senate (87th Congress, 2nd Ses-
sion), Part I, Washington D.C. 1962, S. 30
5) Anthony Cockerill/Aubrey Silberston: The Steel Industry, Cam-
bridge 1974, S. 58
6) Vor allem in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre verzeich-
neten in den USA die Konglomerate, die Betriebe aus den verschie-
densten Branchen vereinigten, ein starkes Wachstum. Diese Kon-
zerne hatten u.a. den Vorteil, daß sie nicht unter die Antitrust-
bestimmungen fielen. Zwischen 1965 und 1972 wurden von ihnen acht
der dreißig größten Stahlunternehmen aufgekauft. So kam Jones &
Laughlin (damals Nr. 4 unter den Stahlkonzernen) zu Ling-Temco-
Vought, Youngstown (Nr. 8) zu Lykes und Colorado Fuel & Iron (Nr.
11) zu Crane.
7) U.N.: The Growth of World Industry (1972 Edition), Vol. I, New
York 1974, S. 553; J.F. Weston/S.I. Ornstein (Ed.): The Impact of
Large Firms on the U.S. Economy, Lexington/Toronto/London 1973,
S. 7; William T. Hogan: The 1970s: Critical Years for Steel, Le-
xington/Toronto/London 1972, S. 79f.
8) Cockerill/Silberston: Steel Industry, a.a.O., S. 16; Kenneth
Warren: World Steel: an economic Geography, Newton Abbot/New York
1975, S. 60; von der US-Stahlindustrie wurden 1967 0,7% vom Um-
satz für Forschung und Entwicklung ausgegeben, ein wesentlich
niedrigerer Satz als im Ausland.
9) Adams: Steel Industry, a.a.O., S. 106; John M. Blair: Economic
Concentration, New York etc. 1972, S. 232ff.
10 Adams: Steel Industry, a.a.O., S. 98f.; Blair: Concentration,
a.a.O., S. 519
11) Adams: Steel Industry, a.a.O., S. 85; Cockerill/Silberston:
Steel Industry, a.a.O., S. 57; Olin T. Mouzon: Resources and In-
dustries of the United States, New York 1966, S. 358 ff.
11a) Die Möglichkeit der Produktenkonkurrenz wird auch einge-
schränkt durch die Zugehörigkeit von Stahlunternehmen zu Konglo-
meraten (oder, wie im Fall von Kaiser Steel, zu einem Großkonzern
der Aluminiumbranche).
12) zitiert nach Geoffrey Owen: Industry in the U.S.A., Harmonds-
worth 1966, S. 40
13) Administered Prices: Hearings before the Subcommittee on An-
titrust and Monopoly of the Committee on the Judiciary U.S. Se-
nate, 85th Congress, Part l, Washington D.C. 9957, S. 129; diese
Aussage gilt auch für die späteren Jahre.
14) In einem Bericht der Federal Trade Commission hieß es 1948:
"Industriezweig nach Industriezweig sind Preise, Produktion, Be-
schäftigung, faktisch alle Formen wirtschaftlicher Aktivität un-
ter die Herrschaft der Großen Vier, der Großen Drei oder - in ei-
nigen Fällen -, des Führers' gekommen" (zitiert nach Sobel: Giant
Corporations, a.a.O., S. 192 f.); diese Feststellung gilt auch
für die ganze Nachkriegsentwicklung der amerikanischen Stahlindu-
strie. Der Staat - der durchaus über ein gesetzliches Instrumen-
tarium zur Einschränkung monopolistischer Macht besitzt - hat in
ihre Strukturen allerdings nie wesentlich eingegriffen.
15) A.D.H. Kaplan/Joel B. Dirlam/Robert F. Lanzillotti: Pricing
in Big Business, Washington D.C. 1958, S. 268
16) U.N., Economic Commission for Europe: World Trade in Steel
and Steel Demand in Developing Countries, New York 1968, S. 30
17 Hogan: The 1970s, a.a.O., S. 52ff. (hier auch die Texte der
Abmachungen); Morton Mintz/Jerry S. Cohen: Amerika GmbH, München
1972, S. 90, 147
18) U.S. Bureau of the Census: Statistical Abstract of the United
States 1968, Washington D.C. 1968, S. 749 und ebenda, Ed. 1977,
S. 474
19) Gardiner C. Means: The Corporate Revolution in America, o.O.
1962, S. 114 ff., 122 ff.; Mouzon: Resources, a.a.O., S. 364;
Bernd-Peter Lange/Jürgen-Hinrich Mendner/Heinz Berzau: Konzentra-
tionspolitik in den USA, Tübingen 1972, S. 605 f.; Gardiner C.
Means: Pricing Power and the Public Interest, New York 1962, S. 3
ff., 61 ff., 112 ff.; M.A. Adelman: Administered Prices and In-
flation, S. 20 ff. (in: The Quarterly Journal of Economics, Vol.
LXXV, 1961)
20) Adams; Steel Industry, a.a.O., S. 95 ff., 103; Mintz/Cohen:
Amerika, a.a.O., S. 26; Kaplan/Dirlam/Lanzillotti: Pricing,
a.a.O., S. 20; Blair: Concentration, a.a.O., S. 588. Diese Taktik
hatten die Stahlkonzerne zum ersten Mal in der Weltwirtschafts-
krise von 1930 verfolgt; die Stahlproduktion fiel zwischen 1929
und 1933 um 83%, die Preise um 20% (Means: Revolution, a.a.O., S.
88).
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